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Stolz und Vorurteil

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Design-Kopftücher

Der Kopftuchstreit: Die politische Haarspalterei, ob das Kleidungsstück harmloses religiöses Symbol, Merkmal eines gefährlichen Fundamentalismus oder Zeichen der Frauenunterdrückung ist, nimmt kein Ende. Eine Designabsolventin hat die Debatte durch einen neuen Aspekt aufgefrischt – den modischen. Und spricht damit vielen jungen Muslimas aus dem Herzen.

Dieser Aspekt, der zumindest einigen der Streitpunkte ziemlich nonchalant den Wind aus den Segeln nehmen könnte, nennt sich "Capsters" und besteht aus vier ungewöhnlichen sportiven Kopftuchmodellen, die die niederländische Designerin Cindy van den Bremen im Rahmen ihrer Abschlussarbeit an der Eindhovener Design Academy entworfen hat. Cindys Diplomthema lautete "Integration", und so begann sie, über eine simple, aber funktionale Integrationsmöglichkeit nachzudenken: den Sport.

Denn kopftuchtragende Schülerinnen werden in Holland häufig wegen der Verletzungsgefahr, die von ihren mit Haarnadeln zusammengehaltenen Hijabs ausgeht und nicht etwa wegen Zurschaustellung eines religiöses Symbols, vom Sportunterricht ausgeschlossen. Alternativ schlagen die Schulbehörden zwar vor, dass muslimische Mädchen eine Badekappe und einen Rollkragenpulli, der Hals und Kinn vorschriftsmäßig bedeckt, tragen. Aber so etwas will ja wirklich niemand anziehen, schon gar nicht ein halbwegs modebewusstes Mädchen, und ganz sicher nicht in der Schule.

Dieses Dilemma nahm van den Bremen zum Ausgangspunkt ihrer viermonatigen Recherche, in die sie nicht nur die Ideen und Wünsche vieler junger Musliminnen einfließen ließ, sondern zusätzlich einen Imam zu Rate zog, damit die Capsters auch den Kleidungsvorschriften des Koran entsprächen. Dies war aber nicht die einzige Anregung zu ihrer Kreation: "Meine Mutter erinnerte mich an die Zeit, als ich acht Jahre alt war", erzählt Cindy. "Damals trug ich andauernd ein Kopftuch. Wahrscheinlich hatte ich noch nie eine Muslima mit Hijab gesehen. Es war zu der Zeit auch nicht unbedingt trendy, so was zu tragen. Aber ich war einfach stur – jedenfalls wollte ich ohne Kopftuch keinen einzigen Schritt vor die Tür tun!"

Ergebnis dieses Zusammentreffens von Problembewußtsein für eine andere Kultur und Erinnerung an eine schrullige Kindheitsphase, sind die Modelle "Skate", "Outdoor", "Aerobics" und "Tennis", die im Internet (unter www.capsters.com, 20 bis 25 Euro) zum Verkauf stehen. Alle sind aus weichen, elastischen Materialien wie Stretch-Baumwolle, Fleece oder Polyester hergestellt, die sich gut der Kopfform anpassen, aber auch für Atmungsaktivität sorgen. Außerdem kommen sie ohne Haarnadeln aus; man zieht die Capsters entweder einfach über den Kopf oder befestigt sie mit einem Klettverschluss.

Aber was das Wichtigste für Cindy und die Trägerinnen ist: Die Capsters sehen gut aus, und das sollen sie auch. Abgesehen von der Möglichkeit, muslimische Schülerinnen in den Sport zu integrieren ohne sie aussehen zu lassen wie Karnevalisten, wünschen sich viele gläubige Mädchen einen anderen, moderneren Kopftuchstil als den ihrer Mütter und Großmütter. Nicht nur mit einem religiösem Symbol zu arbeiten, sondern auch ein modisches Accessoire (wieder) tragfähig zu machen, das hoffte auch Cindy van den Bremen mit ihrer Diplomarbeit – und hat damit großen Erfolg, wie man an den Bestellungen aus aller Welt erkennen kann. "Super Ansatz", findet auch die Kölner BWL-Studentin Nalan. Ihr gefällt vor allem, dass auch andersgläubige Frauen und Mädchen die Capsters als modische Kopfbedeckung tragen könnten. "Vielleicht würde es die ganze Kopftuchdebatte nicht geben, wenn Kopftücher auch bei westlichen Frauen ‚schick’ wären", glaubt die 23-jährige Muslima.

Kann also ein Mode-Gag dabei helfen, Vorurteile abzubauen und eine Integrationsbasis zu schaffen? Anders gefragt: Reden vielleicht viele PolitikerInnen am Thema vorbei, wenn sie den Hijab rein als Instrument der Frauenunterdrückung verteufeln? Cindy ist fest davon überzeugt, dass viele junge Musliminnen nicht (von ihrem Vater oder ihrem Mann etwa) zum Kopftuchtragen gezwungen werden, sondern sich bewusst dafür entscheiden. Auch das Argument, dass religiöse Symbole nichts in Institutionen zu suchen haben, werde durch eine modische Anschauungsweise entschärft.

Die junge Designerin empfiehlt allen, die das Kopftuch trotzdem als etwas unserer Kultur völlig Fremdes sehen, mal an Jackie Onassis zu denken, oder an Grace Kelly oder auch an die südeuropäischen Frauen, die, zumindest auf dem Land, traditionell Kopftuch tragen. Nur sind die vielleicht nicht so eine gute Inspirationsquelle für moderne Kopftücher, wie Cindy sie jetzt nach den Sportmodellen auch für den Alltag gestalten will.


Christina Borkenhagen
UNICUM, Februar 2004







 
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