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Gery Keszler im Interview: Der Macher

Life-Ball-Erfinder Gery Keszler (44) über Frust und Feinde, über seine großen Stars und sein kleines Gehalt, und warum er gerne schwul ist.

Gery Keszler "In der Schule war ich ungeoutet. Ich hatte nicht den Mumm, den Mund aufzumachen." DruckenSendenLeserbrief
Zum Interviewtermin kommt er eine halbe Stunde zu spät. Müde sieht er aus. Und gestresst. Ein Termin jagt derzeit den nächsten. Ruhe ist ein Luxus, den er sich nicht leisten kann. "Ich schlafe kaum noch", sagt er.

KURIER: Es heißt, Sie geben nicht gerne Interviews.
Gery Keszler: Heißt es das? Ich gebe nur nicht gerne Antworten auf blöde Fragen. Was wäre eine blöde Frage? Am meisten hasse ich: "Gibt’s noch Karten? – Ich zahl’ sie eh." Und, gibt’s noch Karten? Ja, klar. Man muss nur auf www.lifeball.org schauen. Wie würden Sie jemandem, der noch nie etwas vom Life Ball gehört hat, den Ball beschreiben? Er ist eine der größten Aids-Charitys weltweit, er findet als Einziger in einem öffentlichen, politischen Gebäude statt, im märchenhaft schönen Rathaus, und es kommt Prominenz aus der ganzen Welt. Was müssen Sie Bill Clinton bieten, damit er kommt? Keiner unserer Stargäste bekommt eine Gage. Wir übernehmen lediglich Reise- und Aufenthaltskosten. Wir hatten noch nie einen so günstigen Gast wie Bill Clinton. Der hat sein eigenes Flugzeug und seine eigenen Fahrzeuge. Der kostet uns nur ein dreigängiges Menü. Normalerweise bekommt er nicht unter 300.000 bis 400.000 Euro.

Wie schaffen Sie das?
Über jahrelange Kontakte. Stars, die ein Mal auf dem Life Ball waren, betreiben für uns Mundpropaganda.

Angenommen, es gäbe den Life Ball nicht, was würden Sie tun?
Es wäre schön, wieder einmal einen Frühling zu erleben (lacht).

Wie wäre Ihr Leben ohne Life Ball verlaufen?
Woher soll ich das wissen? Vermutlich wäre ich in Paris im Modezirkus geblieben. Ich bin ja dort wie die Made im Speck gesessen – bevor ich alles aufgegeben habe für ein äußerst riskantes Projekt, an dem ich nichts verdient habe.

Wovon leben Sie heute?
Von weniger als 2000 Euro Gehalt im Monat. Ich weiß, dass andere im Eventbereich ein Vielfaches verdienen, aber ich hätte ein Problem damit – obwohl es mir zustehen würde.

Und wie leben Sie?
Am Mariahilfer Gürtel, in einer unfertigen Altbauwohnung. Ich fahre einen coolen Mini, der ist allerdings nur geborgt. Das Einzige, was ich mir geleistet habe, ist ein Fleckerl Erde mit Obstbäumen im Südburgenland.

Viele Leute fragen sich: Was macht der Organisator des Life Balls den Rest des Jahres?
Diese Leute sind naiv. Es ist ein Fulltimejob, weit über die üblichen Dienstzeiten hinaus. Ich arbeite parallel schon am Life Ball 2009.

Haben Sie Feinde?
Keine, von denen ich mich bedroht fühle. Die Anfeindungen sind fast schon eine Auszeichnung. Je höher man kommt, desto dünner wird die Luft.

Ein FPÖ-Politiker hat Sie in einem Artikel als "Berufsschwuchtel" bezeichnet. Wie sehr hat Sie das gekränkt?
Es geht nicht nur um das Wort "Berufsschwuchtel", sondern um den gesamten
Artikel. Der strotzte nur so vor Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie. Allein die Diktion "Homoletten-Opfer-Lüge" lässt in mir Assoziationen zur "Auschwitz- Lüge" aufkommen. Und irgendwann muss man Stopp sagen.

Wie begegnen Sie dem?
Mit Humor und Zynik. Ich habe mir die Domain www.berufsschwuchtel.org sichern lassen. "Berufsschwuchtel" soll das Wort des Jahres 2008 werden.

Sie sind in der HTL Mödling zur Schule gegangen. Wie schwierig war schwul sein damals?
Ich war ungeoutet. Ich habe mitverfolgen müssen, wie über das Thema geblödelt wird, aber ich hatte nicht den Mumm, den Mund aufzumachen. Dabei war ich in meiner Klasse sehr beliebt und als Paradiesvogel bekannt.

Wie haben Ihre Eltern auf das Outing reagiert?
Also, die Mutter hat nicht in die Schürze geheult und gesagt: "Was habe ich falsch gemacht?", als ich den ersten Lover mitnahm. Vielleicht hatten sie es vermutet. Es hat sich jedenfalls niemand von mir abgewendet.

Alfons Haider hat gesagt, wenn er es sich aussuchen könnte, wäre er lieber nicht schwul.
So ein Blödsinn, das ist ein Quotensager (lacht). Wenn das stimmt, tut er mir leid. Ich bin sehr froh mit meinem Leben.

Er sagt, weil er als Schwuler nie Vater werden kann.
Den Wunsch habe ich nicht. Ich weiß, dass ich in meinem Leben keinen Platz zum Erziehen hätte. Aber es wird zweifelsohne zu Schwulenehen und Kinderadoptionen kommen, da kann sich die Kirche auf den Kopf stellen.

Ist es nicht scheinheilig, wenn sich die Menschen beim Life Ball einen Abend im Jahr ihr tolerantes Mäntelchen umhängen?
Was ist die Alternative? Gar nichts zu machen? Viele Organisationen könnten ohne den Life Ball nicht überleben. Und die Aufgabe des Life Balls ist es ja, auf provokante Art Leute zum Hinschauen zu zwingen.

Aber haben Sie den Eindruck, dass es alle ehrlich meinen?
Natürlich fragt man sich oft: Was hat diese Person hier verloren? Der Life Ball ist ein Brückenbauer, der einen ganz erfolgreichen Mitstreiter hat: die Eitelkeit. Sie zwingt ein illustres Volk aus allen Gesellschaftsschichten dazu, wie die Lemminge zum Life Ball zu rennen.

Artikel vom 13.05.2008 16:01 | Nikolaus Nussbaumer | reis

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Thema: Life Ball 2008


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