Margarete von Valois                                Königin von Navarra
--------------------------
14.5.1553-27.3.1615
St.Germain-en-Laye  Paris
 

3. Tochter des Königs Heinrich II. von Valois-Frankreich und der Katharina von Medici, Tochter von Großherzog Lorenzo II.
 

Lexikon der Renaissance: Seite 441
*********************
Margarete von Valois, genannt Königin Margot
-----------------------------
* 14.5.1553, + 27.3.1615
St.-Germain-en-Laye Paris

Tochter Heinrichs II. und der Katharina von Medici

Margarete von Valois wurde nach zähen Verhandlungen im Sinne der Annäherung des Hofes und der Hugenotten am 18.8.1572 mit Heinrich von Navarra verheiratet. Dieser Heirat folgte die Batholomäusnacht. Die Flucht Heinrichs vom Hofe (3.2.1576 aus St. Germain) bedeutet für Margarete langfristige Trennung von ihrem Mann. Schließlich wurde Margarete von Valois von Katharina von Medici 1578/79 zu Heinrich von Navarra nach Nerac geleitet, einer von ihm aus politischen Gründen aufgestellten Forderung folgend. Tatsächlich hatten sich der Frauenheld Heinrich von Navarra und die bald durch ihren Lebenswandel berühmt-berüchtigte Margarete von Valois nicht viel zu sagen. Von ihrem Bruder Heinrich III. bei Heinrich von Navarra verleumdet und vor diesem flüchtend, führte sie, tiefverschuldet, längere Zeit ein gehetztes Leben. Schließlich lebte sie, in dürftigem Glanz, umgeben von den Resten ihres Hofstaates und einer Schar ständig wechselnder Liebhaber, jahrelang in Usson, wo sie 1599 von Vertretern Heinrichs IV. gegen eine beachtliche Abfindungssumme in die Scheidung willigte, die Papst Clemens VIII. sanktionierte. Von 1605 bis zu ihrem Tode lebte sie in Paris, wo sie durch eine Neuverteilung des Nachlasses der Katharina von Medici zu Reichtum kam. In Paris erbaute sie Stadtpaläste und organisierte abendlichen Tischgesellschaften mit Literaten und Gelehrten, in denen sie die veraltete Dichtkunst und höfische Mode der vergangenen VALOIS-Zeit am Leben hielt. Ihre Briefe und Memoiren wurden mehrfach herausgegeben (zum Beispiel von M. Guessard 1842).



Treffer Gerd: Seite 266-270
***********
"Die französischen Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert)"

    MARGARETE VON VALOIS - die schlöne Rebellin ("Margot")
   * 14. Mai 1553, + 27. März 1615
    Saint-Germain-en-Laye   Paris

Erste Gemahlin Heinrichs IV. von Navarra (* 1553; König: 1589-1610)
Heirat: 18. August 1572 Paris

Nach ihren Brüdern - Franz II., Karl IX. und Heinrich III. - ist Margarete das vierte Kind der Katharina von Medici, das auf dem französischen Thron Platz nimmt. Ein wechselhaftes Schicksal macht sie zu einer der berühmtesten Persönlichkeiten in der Geschichte der VALOIS. Ihre Heirat mit Heinrich aus dem Hause BOURBON soll die religiösen Wirren dämpfen, hat aber nicht die gehofften Folgen.
Am 14. Mai 1553 in Saint-Germain-en-Laye geboren, verbringt Margarete ihre ersten Lebensjahre im Schloß Amboise, umgeben von Luxus, der Leichtlebigkeit aber auch dem Raffinement des Hofes der VALOIS. Als ihr Vater Heinrich II. stirbt, ist sie sechs. Sie wächst mit ihren Brüdern auf, die zärtlich und bewundernd mit ihr umgehen und ihr den Rufnamen "Margot" geben. Ihre Mutter dagegen ist eher distanziert, sie vergöttert ihren dritten Sohn Heinrich - die Beziehungen zwischen den zwei Frauen wird immer schwierig bleiben.
Ihre anfangs etwas vernachlässigte Erziehung wird zunehmend besser. Margarete lernt Latein, Griechisch, Italienisch und Spanisch. Im Französischen ist ihr Stil perfekt, und - was für eine Prinzessin ihrer Zeit ungewöhnlich ist -, sie interssiert sich für die Naturwissenschaften. Als Heranwachsende ist sie temperamentvoll, entwickelt Interesse an Politik. Früh verlangt sie nach Vergnügen und Macht. Sie ist stolz auf ihr Aussehen. Sie scheut in ihren Amouren auch den Skandal nicht, eine Einstellung, die sie mit ihren Brüdern - vor allem Heinrich - teilt. Leidenschaftlich, stolz, eifersüchtig, ist Margot auch verletzlich. Ihre Brüder versuchen, sie für ihre jeweiligen Zwecke und Ziele zu nutzen: und sie wird häufig den Preis für politische Veränderungen bezahlen. Sie folgt ihren Instinkten, schaltet ihren Verstand ab und stürzt sich so in Abenteuer, in denen sie sich verirrt. Ihre komplexe und pathetische Persönlichkeit läßt sie manchen als Ausgeburt des Lasters und des Verrats erscheinen.
Katharina - wie gesagt -, immer auf der Suche nach guten Heiratsverbindungen für das Haus VALOIS, nützt sie als Schachfigur. Doch vorerst kommt Margarete mit mehreren Heiraten mit fremden Souveränen aus. Zunächst der mit dem spanischen Infanten Don Carlos, 1563 dann einer Heirat mit dem Erzherzog von Österreich, 1568, beim Tod ihrer anderen Tochter, versucht Katharina, Margarete mit Philipp II. zu verbinden. In seiner Margot-Biographie schreibt Philippe Erlanger: "Die königlichen Verbindungen spielten damals eine so wichtige Rolle, daß um jeden heiratsfähigen Prinzen dauernd Projekte gemacht, verworfen und neu geknüpft wurden. Man möchte von einem Gänsespiel reden, bei dem die Betroffenen - niemals gefragt - als Schachfiguren von einem Ende des Spielfeldes zum anderen wanderten, je nach den politischen Entwicklungen."
Als die innenpolitische Lage Frankreichs nach einer Beruhigung der Rivalität zwischen Katholiken und Hugenotten verlangt, sieht Katharina in der Heirat Margaretes mit dem Anführer der Hugenotten, Heinrich von Bourbon, Prinz von Bearn (oder Heinrich von Navarra) ein Mittel dazu. Beide sind gleich alt, nämlich 19 Jahre, aber von ganz verschiedener Erziehung und Einstellung. Doch dies hat bei einer solchen Heiratsdiplomatie noch nie eine Rolle gespielt. Die Verlobung wird am 17. August 1572 im Louvre von Kardinal de Bourbon gefeiert. Die Heirat findet tags darauf in Paris im Rahmen von besonders feierlichen Festlichkeiten statt - sie wird, wegen der protestantischen Religion des Bräutigams, teils auf dem Vorplatz, teils im Innern von Notre-Dame zelebriert. Eine tragische Hochzeit: hinter dem großartigen Dekorum entfesselt sich die politischen Leidenschaften und führen zum Blutbad unter den zur Hochzeit nach Paruis gereisten Protestanten. Man spricht von der "Pariser Bluthochzeit". Heinrich von Navarra entkommt dem Gemetzel unter der Bedingung, daß er seiner Religion abschwört. Die nächsten Jahre wird er sich am Hofe der VALOIS als Gefangener fühlen.
Die Unvereinbarkeit der beiden Eheleute macht ihr Zusamemnleben zum Fehlschlag. Margarete, die ihre Leidenschaften lebt, hat zahlreiche Liebschaften. Ihre Jugenliaison mit dem Herzog von Guise wurde von ihrer Familie als gefährlich betrachtet und rasch unterbunden. Auch bei anderen Liebhabern - La Molle, Balzac d'Entragues (der "schöne" Antreguet"), Bussy d'Amboise, Turenne, Harley de Champvallon - schreitet die Familie ein. Aber auch das Liebesleben ihres Mannes ist nicht das einfachste.
Im Februar 1576 gelingt es Heinrich von Navarra, aus Paris zu fliehen; er sagt sich vom Katholizismus los und setzt sich an die Spitze der protestantischen Armee. Margarete ist in Paris geblieben. Sie nimmt am komplexen Intrigenspiel teil und nähert sich den GUISE an. Von ihrem Bruder Heinrich, seit 1574 König, demaskiert, muß sie zu ihrem protestantischen Ehemann nach Nerac in Navarra fliehen. Trotz der schwierigen Lage wird sie zum Mittelpunkt eines lebenslustigen jungen Hofes, wo sich Liebeslust und Kunst verbinden. Aber wieder verfängt sie sich im Netz des endlosen Konfliktes zwischen ihrem Mann und der französischen Krone. Heinrich beschließt, sie in Usson in der Auvergne, unter dem Vorwand ihres allzufreien Lebenswandels, den er selbst aber zumindest ebenso hemmungslos genießt, festzusetzen. Lange Jahre wird Margarete in dieser von Ludwig XI. erbauten Festung verbringen und auf die Botschaften von draußen lauschen: Ermordung des Herzogs von Guise, Tod ihrer Mutter 1589, die Versöhnung Heinrichs III. mit ihrem Mann; dann die Ermordung des königlichen Bruders am 2. August 1589. Sie ist also Königin, da ihr Mann der legitime Nachfolger des kinderlsoen Heinrich III. ist.
Heinrich IV. ähnelt eher einem Haudegen als einem Souverän, mit seinen zerknitterten Kleidern, seinem Bart, seinem struppigen Haar, seinem eher strengen Geruch, denn er liebt die Jagd, aber nicht das Bad. Und doch geht von ihm eine Aura von wahrer Größe ud Würde aus, die ihn, wo immer und wie immer er auftritt, als König ausweist. Die Anfänge seiner Herschaft sind schwierig. Das Land ist vom Streit der Religionen zerrissen.Er selbst sagt wiederholt, wie sehr er sich über diese Querelen mokiert, die ihm als purer Formalisimus erscheinen. Um mit der Armee der katholischen Liga fertigzuwerden, muß Heinrich IV. die Spanier schlagen, die sie unterstützen und Saint-Quentin und Amiens genommen haben. 1595 zieht er aus und erzwingt die Rückgabe von Amiens. Im Mai 1598 kommt es im Vertrag von Vervins zum Frieden mit Spanien. Im Vormonat, am 13. April, ist das berühmte Edikt von Nantes zur inneren Befriedung ergangen. Den Protestanten wird Kultfreiheit zugesichert. Sie werden in Schulen und zu öffentlichen Ämtern zugelassen.
Heinrich IV. denkt aber auch an seine Nachfolge. Margarete hat ihm keine Kinder geboren. Die Ärzte glauben, eine Geschlechtskrankheit hindere sie auch in Zukunft daran. Margarete ist also nicht das Bindeglied zwischen VALOIS und BOURBONEN, das sich manche erhofft hatten. Heinrich will deshalb seine Ehe annullieren lassen. Margarete denkt aber gar nicht daran, ihren Platz einer Mätresse, einer Gabrielle d'Estrees oder einer Henriette d'Entragues zu überlassen. Der Papst lehnt ebenfalls eine solche Verbindung ab. Und wenn Heinrich sich eine gut katholische Prinzessin wählen sollte? Der Papst weiß, daß ohne seine Zustimmung kein Hof Europas diesem ehemaligen Hugenotten eine seiner Töchter überlassen würde.
In ihrer Festung Usson liest Margarete Homer, Ovid, Platon, Wissenschaftliches und Historisches. 1599 greift sie selbst zur Feder, um ihre Memoiren zu verfassen. Sie unterhält Kontakte zu den jungen Künstlern der Region. Sie verzichtet auf nichts, außer auf Politik. Trotz ihres überaus freizügigen Lebens hat sich Margarete eine leidenschaftliche Frömmigkeit bewahrt, die weder Mord noch Ehebruch beeinträchtigen: Sie kann mehrere Messen an einem Tag hören, gründet das Kloster der Kleinen Augustiner.
Erst nach dem Tod von Heinrichs Mätresse Gabrielle 'Estrees stimmt Margarete zu, einen Annullierungsprozeß zu beginnen. Heinrich ist um so ungeduldiger, als er Maria von Medici kennengelernt hat, von der sich nicht nur Kinder erhofft, sondern auch einen Ausweg aus seiner finanziellen Misere. Die zahlreichen Kämpfe haben ihn finanziell erschöpft. Am 19. Dezember 1599 wird die Ehe von Papst Clemens VIII. annulliert. Vorwand ist neben zu naher Verwandtschaft die Unvereinbarkeit der Religionen. Durch Urkunden des Königs wird festgestellt, daß Margarete die Titel "Königin von Frankreich" und "Herzogin von Valois" behält. Beiden Teilen steht es frei, sich neu zu vermählen. Heinrich heiratet Maria von Medici per Prokuration am 5. Oktober 1600. Die offizielle Heirat findet am 17. Dezember statt.
Trotz Margaretes Entgegenkommen läßt sie der König nicht in die lIe de France zurückkehren, deren mondänes Leben sie so sehr liebt und so lange entbehrt hat. 1605 unternimmt sie einen Gewaltstreich, sie entflieht der Festung Usson und richtet sich im Hotel de Sens in Paris ein. Fortan nimmt sie an allen großen Zeremonien teil, auch der Krönung Marias, ihrer Nachfolgerin, am 13. Mai 1610 in Saint-Denis. Tags darauf wird Heinrich IV. von dem katholischen Fanatiker Ravaillac ermordet. Margot ist dabei, als das Parlament Maria die Regentschaft für den Dauphin Ludwig überträgt. Sie ist bei den großen Hoffesten, bei Taufen, Heiraten, Begräbnisssen und Bällen anwesend. Bei der Sitzung der Generalstände am 27. Oktober 1614, die wegen einer Adelsrevolte nötig geworden ist, wird sie gar von der Regentin, ihrer Nachfolgerin, zu Verhandlungen mit den kirchlichen Würdenträgern beauftragt. Das ist ihr letzter öffentlicher Auftritt. Sie stirbt recht plötzlich am 27. März 1615 mit 62 Jahren.
Das Bild, das Margarete von Valois hinterläßt, grenzt ans Paradoxe: Von den einen gepriesen, den anderen verurteilt, erscheint sie als eine Rebellin gegen ihre Zeit. Im Streit mit den Großen des Reiches läßt Maria von Medici die Begräbnisfeierlichkeiten erst später, am 20. Juli 1616, in der Kapelle der VALOIS in Saint-Denis durchführen.


Margaretes Hochzeit war der Auftakt zur Bartholomäusnacht. 1582 verließ sie ihren Gemahl, der ihr zügelloses Leben mißbilligte, und ging an den Hof ihres Bruders zurück. 1599 wurde die kinderlose Ehe durch den Papst geschieden.

Mahoney Irene: Seite 158,172,255,279-283,330-336,358-161
*************
"Katharina von Medici"

Nach dem Tode ihrer Tochter Elisabeth von Valois versuchte ihre Mutter Katharina von Medici den spanischen König Philipp II. zu einer Ehe mit ihrer schönen und talentierten Tochter Marguerite zu gewinnen. Es war letzten Ende eine verfehlte Sache, denn Margot, kaum 17 Jahre alt, tanzte noch im Zeichen der betörenden Musik ihrer ersten Liebesaffäre. Ihr Partner war Heinrich, der junge Herzog von Guise. Für einen derartigen Leichtsinn war in den Gemächern des katholischen Königs kein Raum, und Katharinas Hoffnungen, Margotauf den Platz ihrer seligen Schwester zu setzen, waren für immer dahin.
Katharina fuhr fort, den Admiral Coligny für ihre eigenen Friedenspläne auszunutzen, unter denen die Verheiratung ihrer Tochter Marguerite mit Heinrich von Navarra im Vordergrund stand. Wenn auch noch nicht 19 Jahre alt, so war Margot - Göttin unter den Prinzessinnen, wie Brantome sie später nennen sollte - bereits der Gegenstand von wenigstens zwei gescheiterten Heiratsplänen gewesen. Nach der hastigen Offerte, die Katharina Philipp II. nach Elisabeths Tod gemacht hatte, gab es noch langwierige Verhandlungen, um Margot Sebastian von Portugal anzutrauen. Dies war ganz offensichtlich unter spanischer Zustimmung im Lauf der Unterredungen in Bayonne vorgeschlagen worden, als Margot erst 12 Jahre alt war.
Sebastian mußte Margot als kümmerlicher Ersatz für Henri von Guise vorkommen, an dessen Aufmerksamkeiten sie sich ergötzt hatte. Aber wo Margot in Guise nur einen galanten jungen Helden sah, der für ihre Reize empfänglich war, da vermeinte ihr Bruder die manipulierende Hand des Kardinals von Lothringen zu verspüren. Welch besseren Ankerplatz für Guise'schen Ehrgeiz konnte es geben als eine Heirat des jungen Herzogs mit des Königs Schwester? Aber hier war Lothringen über das Ziel hinausgeschossen. Der König und seine Mutter, außer sich angesichts einer solchen Zumutung, hatten Henri Guise fristlos aus dem Hofdienst entlassen, und Margot - die niemals der Liebling ihrer Mutter war - war einer Zurschaustellung königlicher Wut ausgesetzt. Innerhalb weniger Tage war Henri Guise mit Katharina von Cleve vermählt.
Margot wurde im August 1572 mit Heinrich von Navarra vermählt. Sie war indessen eine kalte Flamme, sowohl von Leidenschaft als auch von Liebe unberührt. Nicht die Spur einer Romanze gab es in dieser Verbindung, die Frankreich heilen sollte. Sie war Katharinas politischer Plan vom Anfang bis zum Ende. Was Margot und Heinrich anlangte, so schienen sie aneinander überhaupt nicht interessiert zu sein. Margot fand ihren Bräutigam ungeschliffen und häßlich und nach wenigen Tagen intimen Zusammenlebens beklagte sie sich darüber, dass er übel rieche. Heinrich schien, obwohl er eine der schönsten und begehrtesten Frauen Frankreichs heiratete, teilnahmslos und unbeeindruckt zu sein. Es ging das Gerücht, Margot hätte sich stürmisch gegen diese Heirat zur Wehr gesetzt, sie würde noch im Banne ihrer Mondscheinromanze mit dem Herzog von Guise stehen.
Margot, deren von Kindheit an gegen ihren Bruder Heinrich gehegte Feindschaft nach ihrer Heirat nur noch größer geworden war, verbündete sich jetzt mit dem "widerborstigen Prinzen", weniger aus Zuneigung für ihren Gatten als viel mehr aus Abscheu vor ihrem Bruder. Margots Haltung machte das aus Feindseligkeit und Mißtrauen bestehende Familiengewebe nur noch verwickelter.
Im Frühjahr 1577 hatte Alencon einen raffinierten Plan entworfen: Margot würde für ihn die Niederlande erkunden. Ihr Geist, ihre Schönheit, ihr Wagemut machten sie hervorragend geeignet, die Rolle einer königlichen Spionin zu spielen. Die Freundschaft zwischen der bezaubernden Margot und ihrem Bruder, "dem Mohren", ist eine der interessantesten Beziehungen innerhalb der königlichen Familie. Man vermutete seinerseits das Vorhandensein von Inzest. Dieser Vorwurf scheint allerdings jeder Grundlage zu entbehren, wenn auch der Ausdruck "merkwürdige Bettgenossen" in der Tat gebraucht worden sein mag. So verschiedenartig im Charakter sie auch gewesen sein mögen, beiderseitige Demütigung brachte sie einander näher. Sie waren Katharinas jüngste Kinder: ihre unbedeutendsten und von ihr am wenigsten geliebten. Wenn wir Margots Erinnerungen glauben dürfen, so sehen wir, wie sie sich in äußerster Furcht gegen ihre Mutter aufbäumt, wie sie nicht wagt freimütig zu sprechen, und wie sie zittert, wenn sie sie nur anblickt, während ihr Bruder Heinrich zum "einzigen Liebling" ihrer Mutter geworden war. Die offensichtliche Bevorzugung führt zu ständig gereiztem Widerspruch Margots sowohl gegen ihre Mutter als auch gegen ihren Bruder. Ihre Vermählung mit Navarra goß nur noch mehr Öl ins Feuer. Es war ja nicht ihre Heirat, sondern die ihrer Mutter, eine politische Verbindung, die Frankreich den Frieden bringen sollte. Ihre Wünsche, selbst ihre religiösen Bedenken, blieben unbeachtet. Es kann mit Sicherheit im Licht von Margots Gemütsverfassung vermutet werden, dass es weniger die Religion, als vielmehr die Eigenschaften ihres Bräutigams waren, die sie verstimmten. Sie, die man als "schöner denn eine Göttin" geschildert hatte, konnte sich kaum darüber freuen, mit ihrem Vetter vom Lande verheiratet zu sein. Es war für eine Braut, die sich ihrem Mann nach jeder Richtung hin überlegen fühlte, eine geradezu verwirrende Entdeckung.
Als ihr Gemahl im Februar 1576 vom Hofe floh, war sie von ihrem Bruder der Komplizenschaft bezichtigt worden, trotz ihrer geradezu erniedrigenden Versicherungen, dass sie von Navarras Komplotten nichts gewußt habe, ja, dass sie ihren Gatten kaum noch sehe. Trotz ihres Leugnens hatte der König sie unter Hausarrest und Bewachung gestellt. Ihre Mutter unternahm nichts, um ihren Arrest zu mildern. Man braucht gar nicht an Inzest zu denken, um das Band zu erklären, dass sich immer mehr um Margot und Alencon schlang. Sie standen außerhalb der königlichen Gunst, sie waren Ränkeschmiede und sie empfanden von Rache getränkte Freude, Unruhe zu stiften.
Im Herbst des Jahres 1579 reiste sie gemeinsam mit ihrer Mutter in den Süden des Reiches und traf hier mit ihrem Gemahl zusammen. Sie hatte ihrem Bruder Treue gelobt und außerdem zugestimmt, pflichtgemäß im Süden zu bleiben und dem kleinen, rustikalen Hof von Nerac vorzustehen.
Im Sommer des Jahres 1583 war Margot zum Brennpunkt des Streites geworden. Katharina, die niemals die Hoffnung aufgegeben hatte, Navarra an den Hof zu führen, drang während des Winters 1582 weiter auf ihn ein, zusammen mit seiner Gemahlin nach Paris zu kommen. Da Heinrich von Navarra häusliche Geschäfte vorschützte, kehrte Margot im Frühjahr 1583 allein an den Hof zurück. Die ersten Monate war sie über alle Maßen glücklich, denn obgleich sie vom Reiz des Hofes in Nerac geschrieben hatte, war sie doch allzusehr eine VALOIS, um sich des längeren mit den kümmerlichen Vergnügungen des Südens zufriedenzugeben. Sie hatte Verlangen nach der Luft von Paris, von St. Germain, von Chenonceaux.
In Paris brauchte Margot ihre Kleidung - oder ihr Auftreten - nicht länger den Erfordernissen protestantischer Sittenstrenge anzupassen. Sie konnte wieder tanzen - und sie tat es, indem sie durch den Hof mit der Grazie und dem Charme wirbelte, die sie zur meistbegehrten Prinzessin in Frankreich gemacht hatte. Es kam sogar soweit, dass Margot ihre romantische Beziehungen mit Jacques de Harlay, Sieur de Champvallon, dem Stallmeister Alencons, wieder anknüpfte, der sie zuletzt vor 18 Monaten gesehen hatte, als ihr Bruder Nerac besuchte. Ob er nun, wie einige behaupteten, ganz offen ihr Liebhaber war oder nicht, wahr ist, dass Margot geradezu närrisch in ihn verliebt war. Seine jüngst vollzogene Heirat erhöhte nur noch seine Anziehungskraft auf sie.
Am 8.August 1583 verließ Margot auf Befehl des Königs, der ihr in aller Öffentlichkeit all ihre Liebhaber vorgeworfen hatte - sogar die Existenz eines unehelichen Kindes kam zur Sprache -, Paris und reiste nach Süden, doch ihr Gemahl wollte sie nach dem öffentlichen Eklat nicht aufnehmen. Er beabsichtigte, diese Affäre als Waffe zu nutzen, um territoriale Gewinne für die Hugenotten herauszuholen. Margot würde am Hofe von Nerac nur dann empfangen werden, wenn ihr Bruder eine Reihe besonders benannter Städte den Hugenotten übergeben hätte. Die Verhandlungen dauerten Monate, und Margot war zum ersten Mal in ihrem Leben jeglicher Mittel für ihren Unterhalt beraubt. Weder Schönheit noch Anmut konnten ihr nützen; sie war eine "besudelte" Ehefrau, und es gab keinen Platz mehr für sie.
Für eine Weile schlug sie ihren Wohnsitz in Chateaudun auf, rang mit Selbstmordgedanken und schrieb vergeblich Briefe an ihren Bruder und ihre Mutter. Erst im Frühjahr 1584 erlaubte Heinrich von Navarra, dass Margot zu ihm nach Nerac kam.
Der Konflikt wurde 1586 durch einen weiteren Verrat innerhalb der königlichen Familie verstärkt: Margot war trotz aller Loyalitätsbekundungen gegenüber ihrem Bruder, ihrer Mutter und ihrem Gemahl aus Navarra geflohen, um sich der Liga anzuschließen. Margots Verhalten, dass immer unstet war, war jetzt unergründlich geworden. Waren ihre Beweggründe einfach Haß auf ihren Gemahl? Der Wunsch, mit ihrem Bruder abzurechnen? War sie durch eine der hohlen Versprechungen von Guise verführt worden? Ihre eigene Erklärung, sie fürchte Navarras Mätresse, Madamde de Guiche, und bei ihrer Flucht sei es um ihr Leben gegangen, entspricht in keiner Weise den Umständen. Margots Tat blieb unerklärlich. Im März 1585 war sie mit Erlaubnis ihres Gatten nach Agen gereist, einer zu ihrer Apanage gehörenden Stadt im Süden, um dort Ostern zu verbringen. Hier war sie geblieben und hatte die Rolle eines charmanten Gastes gespielt, der den führenden Männern der Stadt den Einblick verschaffte, dass sie seitens ihres hugenottischen Gemahls "großen Gefahren" entgegensähe. Diese brachten hierauf ihr Mitleid zum Ausdruck, versicherten sie ihres Schutzes und befestigten die Stadt, wie sie es ihnen geraten hatte. Bald, nachdem die Liga selbst entsprechende Erklärungen öffentlich verkündet hatte, entpuppte sich die "unglückliche Dame" als "tyrannische Herrin". Sie verwandelte Agen in eine Festung, erhöhte die schwere Steuerlast, brachte ihre Soldaten in Privatquartieren unter und verweigerte den Bürgern den Abzug, als die Stadt durch die Pest bedroht war. Im Oktober hatte Agen mehr als genug von Margot. Gewarnt, dass die erzürnte Bevölkerung der Stadt nicht zögern würde, sich ihrer zu bemächtigen, ergriff die so anmaßende Margot eiligst wie ein Bauernmädchen in einer Postkutsche die Flucht. In Carlat, einer uneinnehmbaren Festung in der Auvergne, fand sie eine unsichere Zuflucht. Mitte September hatte Guise an Philipp II. von Spanien geschrieben und brüstete sich "die Königin von Navarra sich mit uns verbündet hat". Er versicherte Philipp, dass Margot von großem Nutzen sein würde, und kam um eine Unterstützung für sie ein, da sie sich in großer Geldnot befand. Aber es kam kein Geld, zumal es ein Teil von Philipps Politik war, Guise kurzzuhalten. Obgleich zu einem bestimmten Zeitpunkt die Rede von einer Heirat zwischen dem spanischen König und Margot war, sobald sie erst einmal ein sicherer Bundesgenosse der Liga geworden sei, wurden solche Gespräche nicht fortgesetzt. Es war jedermann, der Carlat kannte, klar, dass das Leben dort kaum eine so gefällige Existenz bieten konnte, wie Margot es darstellte. Der König setzte Soldaten auf die Spur seiner Schwester, und im folgenden Jahr wurde sie in Haft genommen. Einige sagten, der König wäre entschlossen gewesen, Margots Tod herbeizuführen, hätte nicht seine Mutter ihre schützende Hand über sie ausgestreckt. Anfangs schien ihr Geschick nur wenig besser als der Tod zu sein, denn sie war in der Festung von Usson eingesperrt, wo Ludwig XI. seine wichtigsten Gefangenen festhielt. Mit der Zeit trat Margots natürliche Lebenskraft an die Stelle ihrer Verzweiflung, und 18 Jahre lang verbrachte sie ihr Leben in Usson in Abgeschiedenheit und unter ganz eigenen Bedingungen. Hier begründete sie einen bizarren kleinen Hof und spielte sich als Schirmherrin der Künste auf - in Wirklichkeit wurde sie immer dicker und exzentrischer, malte von sich selbst groteske Bilder und verlor jede Berührung nicht nur mit der Politik, sondern sogar mit der Mode. Halb vergessen wurde die "gefährliche Königin" niemand mehr zum Verhängnis. Im Jahre 1586 konnte noch niemand voraussehen, dass Margots Verrat letzten Endes nutzlos war.
 
 
 
 

 18.8.1572
  oo Heinrich IV. König von Frankreich
  x  13.12.1553-14.5.1610
 
 
 
 

Literatur:
-----------
Andrieux Maurice: Heinrich IV. Frankreichs guter König. Societäts-Verlag Frankfurt 1955 - Die Erinnerungen der Margarete von Valois. München MCMXIII bei Georg Müller - Giardini Cesare: Don Carlos. Infant von Spanien. Eugen Diederichs Verlag München 1994 Seite 104,109,126,140 - Hartmann Peter Claus: Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III. 1498-1870. Verlag C. H. Beck München 1994 Seite 71,91,99,110,112-114,118,120,122,125,143,162-164 - Jurewitz-Freischmidt Sylvia: Die Herrinnen der Loire-Schlösser. Königinnen und Mätressen um den Lilienthron. Casimir Katz Verlag, Gernsbach 1996 Seite 286,293, 302-307,310-313,319-323,325,332,334,336,341,344-346,365,367,372,379,381,389-391,393,412 - Luzzatti Ivo: Katharina Medici 1519-1589. Verlag F. Bruckmann, München 1943 - Mahoney Irene: Katharina von Medici. Königin von Frankreich. Eugen Diederichs Verlag München 1994 Seite 27-409 - Taillander Saint-Rene Madeleine Marie Louise: Heinrich IV. Der Hugenotte auf Frankreichs Thron. Eugen Diederichs Verlag München 1995 Seite 11-499 - Tamussino Ursula: Maria von Ungarn. Ein Leben im Dienst der Casa de Austria Verlag Styria Graz Wien Köln 1998 Seite 205,208,217,223 - Thoma Helga: Madame, meine teure Geliebte. Die Mätressen der französischen Könige. Piper Verlag GmbH München 1998 Seite 46,59,64 - Treffer Gerd: Die französischen Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1996 Seite 266-270 -
 
 
 
 
 



Copyright 2002 Karl-Heinz Schreiber - http://www.genealogie-mittelalter.de