Interview mit Claus Kleber

 

„Michael Moore ist ja recht talentiert – aber aus dem Buch von Claus Kleber lernen wir viel mehr “ sagt Altbundespräsident Richard von Weizsäcker über „Amerikas Kreuzzüge“. Bevor Claus Kleber 2003 Chef des ZDF heute-journals wurde, war er über viele Jahre als ARD-Korrespondent in Amerika tätig. In seinem neuen Buch „Amerikas Kreuzzüge“ versucht er jetzt aufzuklären, was das amerikanische Denken und Handeln antreibt.

 

Wann haben Sie Zeit zu schreiben? Abends sicher nicht, oder?

Ich mache ja nicht jeden Abend die Sendung. Ich habe mir am Anfang zwei Wochen frei genommen und mich wirklich konzentriert, da sind so die ersten achtzig Seiten entstanden. der Rest war nachts, am Wochenende, irgendwo dazwischen. Das Schlimme an so einem Buchprojekt ist, dass es sich wie kaltes Wasser in jede Ritze des Tages drückt. Du sitzt  irgendwo und trinkst mit deiner Frau ein Glas Wein oder einen Kaffee und überlegst dir, eigentlich müsstest du jetzt am Buch schreiben. Oder du gehst nachts um eins ins Bett und denkst, eigentlich wenn du schaffen willst, was du für diese Woche noch schaffen musst, müsstest du jetzt noch zwei Stunden weiter schreiben. Du hast nie das Gefühl, du kannst dich entspannen. Das war eine neue Erfahrung für mich.

 

Was war Ihre Intention beim Schreiben? Ein Buch, aus dem man etwas lernt, wie Weizsäcker sagt. Oder auch Unterhaltung wie bei Michael Moore?

Ich habe mich nie mit Michael Moore verglichen, kann ich auch nicht, dann würde ich auch in einem Privatjet um die Welt fliegen. Das Entscheidende ist, ich habe keine Botschaft gehabt. Ich hatte das Gefühl, ich habe etwas zu erzählen über ein Land, das hier in vieler Beziehung falsch verstanden und zum Teil aus dem Bauch heraus abgelehnt wird. Ich wollte einen Beitrag leisten, indem ich erkläre: Ich kenne die Leute, die Bush gewählt haben. Ich kenne Bush und ich kenne die Leute aus seiner Umgebung. Das hat überhaupt nichts mit der Frage zu tun, ob man gut findet, was er macht. Aber es ist nicht gut genug zu sagen, ich kann den Kerl nicht leiden, ich bin gegen ihn und ich will Kerry. Das reicht nicht. Das ist Schubladendenken und das kann man sich bei Amerika nicht leisten, dafür ist es zu wichtig. Ich wollte ein Verstehen-Buch schreiben, eine Gebrauchsanweisung für dieses schwierige Amerika im Moment, und damit auch die Möglichkeit geben, die Kritik auf eine höhere Stufe zu stellen. Es wird ein bisschen schwieriger zu kritisieren, aber es lohnt sich auch mehr.

 

„Du kannst ihn aus Amerika rausholen, aber Amerika nicht aus ihm“ haben Freunde über Sie gesagt. Wie hat Sie Amerika geprägt?

Ich habe lange, wichtige Jahre in Amerika gelebt: fünfzehn Jahre und einiges von diesem amerikanischen We-can-do-it, wir können es schaffen, wir müssen uns mit dem wie die Welt ist, nicht zufrieden geben, wir können sie anders oder besser machen, hat auf mich abgefärbt. Diese europäische Verzagtheit, vor allem auch die deutsche Vorliebe für das, was ist, und Angst vor dem, was sein könnte. Da habe ich ein ganzes Stück amerikanische Einstellung gewonnen und die will ich auch nicht mehr verlieren. Das heißt nicht, dass ich alles gut finde, was Amerika oder speziell dieser Präsident macht. Aber ich habe so eine Grundsolidarität mit diesem Land. Die Engländer haben einmal gesagt, right or wrong - my country. Soweit ist es bei mir nicht. Mein Land ist immer noch Deutschland. Aber ein bisschen ist es inzwischen auch Amerika. Und ich wollte einigen Missverständnissen einfach Informationen und Erlebnisse entgegenstellen. Dadurch ist es auch ein sehr persönliches Buch geworden.

 

Haben Sie persönliche Beziehungen und Freundschaften in Amerika?

Natürlich. Ich denke, dass ich heute in Amerika fast mehr persönliche Freunde habe als in Deutschland. Das sind über Jahre gewachsene, sehr tiefe Freundschaften. Persönliche, aber  eben auch zu diesem ganzen Land.

 

Wie hat sich Amerika nach dem 11. September für Sie verändert?

Es ist ängstlicher geworden. Es hat das Gefühl kennengelernt, verwundbar zu sein, das wir Europäer immer schon haben. Für Amerika war das neu. Und die Reaktion darauf ist zum Teil auch extrem. Ich bin besorgt darüber, dass es in Amerika möglich ist, Menschenrechte zu verletzen, dass es möglich ist, Menschen ohne Prozess für Jahre in Gefängnisse und Schlimmeres, in solche Lager, zu stecken. Das ist eine Überreaktion, die einen Mangel an Reife verrät. Ich hoffe und denke auch, dass Amerika sich da wieder rausarbeiten wird. Es gibt  Gerichtsurteile in letzter Zeit, die einen hoffnungsvoll stimmen.

 

Was muss man über Amerika wissen, um es besser zu verstehen? Was prägt diese Kultur oder das Selbstverständnis der Amerikaner?

Wir haben ein Bild von Amerika: da ist das Land materialistisch, modern, offen und der Welt zugewandt. Das liegt daran, dass wir viel mit New York, Chicago, Los Angeles und diesen Städten zu tun haben. In seinem Herzen ist Amerika viel konservativer, viel religiöser, viel ländlicher als wir uns das normalerweise vorstellen. Aus diesem Amerika stammt George W. Bush. Deswegen haben wir so viele Schwierigkeiten zu verstehen, was dieses Land unter seiner Führung tut. Aber aus dem Teil Amerikas kommt auch ein Grundbegriff von Menschenrechten, von Freiheit, von Demokratie und auch von der Art Wirtschaft zu treiben, mit dem wir im Prinzip einverstanden sind.

Dadurch dass diesen Amerikanern die Verbindung zur Welt und die Internationalität fehlen, fehlt ihnen auch die Fähigkeit, auf andere Kulturen zuzugehen und Konsens zu bauen. Amerika ist mehr so wie Bush: Das ist meine Botschaft, das ist, woran ich glaube, folge mir oder nicht. Ich weiß, wo ich hin will.

 

Wie schätzen Sie das Verhältnis von Glaube und Politik in Amerika ein?

Der Glaube von Bush ist ehrlich, kommt aus seiner Lebenserfahrung und prägt ihn zutiefst. In seiner Umgebung gibt es Leute wie seinen Strategen Carl Rove, die den Glauben vor allem als Wahlkampfinstrument benutzt haben. Nicht nur den Glauben, sondern auch die Infrastruktur der Gläubigengemeinschaften, um gut vier Millionen Wähler zu gewinnen, die im Grunde engagiert gläubige Christen sind, die ihn aber letztes Mal nicht gewählt haben, weil sie diesem jungen Gouverneur aus Texas noch nicht trauten. Dieses Mal hat er Mittel und Wege gefunden, diese vier Millionen an die Wahlurnen zu bringen und das hat den Sieg ausgemacht. Ich schreibe im Buch: Es geht eine Goldader durch das Fundament Amerikas. Gold ist ein Material, das sich nicht angreifen lässt von den Säuren der täglichen Debatte und des politischen Wechselspiels. Und dieser Carl Rove, ohne den der Wahlsieg von Bush nicht denkbar wäre, hat diese Goldmine entdeckt und ausgebeutet für einen Wahlsieg und dann für einen entschiedenen zweiten Wahlsieg.

 

Was haben Sie bei der letzten Wahl erwartet und wie haben Sie reagiert, als sie das Ergebnis erfahren haben?

Ich habe zum Schluss erwartet, dass Bush gewinnt, weil dieses Land in der Krise nicht die Pferde wechseln wollte, und weil es einen Präsidenten brauchte, von dem es das Gefühl hat, dass er sagt, was er meint und meint was er sagt, der Kurs hält. Einen Kerry der so merkwürdig unentschlossen war, der seine Position zum Irak-Krieg dreimal gewechselt hat im Wahlkampf, der schien der Lage nicht gewachsen. Deswegen war ich sicher, dass Bush die Wahl gewinnen würde. Es ist sogar knapper geworden, als ich gedacht habe.

 

Viele Leute haben Bush als das kleinere Übel betrachtet, weil er wenigstens berechenbar sei. Haben Sie das auch so gesehen oder hätten Sie doch lieber Kerry an der Macht gesehen?

Das kann ich nicht sagen. Ich habe  als Reporter auch gar keine Meinung zu haben, ich habe keine Wählerstimme in Amerika. Aber ich kann Amerika verstehen, das sich in diesem Moment für den Mann entschied, der ja auch vier Jahre lang Erfahrungen gesammelt hatte und der, obwohl er das bestreitet, auch dazugelernt hat. Er hat nie gesagt, ich habe Fehler gemacht und will mich korrigieren. Trotzdem haben die Wähler das unterstellt.

 

Die Fragen stellten Nicole Brunner und Michaela Hopf / lorenzspringer medien