Kraftwerk Simmering
Das Kraftwerk Simmering stellt gemeinsam mit den beiden kalorischen Kraftwerken, Donaustadt und Leopoldau, eine wichtige Versorgung Wiens mit elektrischem Strom dar.
 
Seit 1979 wird auch Fernwärme an die Heizbetriebe Wien abgegeben. Die Einspeisung der elektrischen Energie in das 380-kV-Netz läßt sich von diesem Standort aus günstig realisieren. Das Kraftwerk ist mit modernsten Rauchgasreinigungsanlagen ausgestattet, die sowohl eine Entschwefelung als auch eine Entstickung und Entstaubung auf die gesetzlich geforderten Grenzwerte ermöglichen.
 
Entwicklungsgeschichte:
Der Wiener Gemeinderat beschließt am 11. Mai 1900 die Erbauung eines Kraftwerks in Wien Simmering: "... zur Abgabe von Strom für den Betrieb der elektrischen Straßenbahnen und zur Abgabe von Licht und Kraftstrom...." Das war die Geburtsstunde des Kraftwerkes Simmering und gleichzeitig auch jene der öffentlichen Stromversorgung in Wien.
1902 wurde die Lieferung von Bahnstrom aus dem Werk 1 aufgenommen.
 
1906 begann man anstatt der bisher verwendeten Kolbendampfmaschinen mit der Aufstellung von Dampfturbinen. Zugleich wurden die Kesselanlagen von händischer auf automatische Beschickung umgebaut.
1909 wurde die Versorgung der Kohlebunker an den Kesseln von Handkarren auf eine automatische Förderanlage umgestellt.
1920 wurde Rohöl, ab 1921 Braunkohle und 1934/35 Erdgas zur Befeuerung eingesetzt.
 
1944/45 verursachten Fliegerangriffe und Artilleriebeschuß so große Schäden, daß der Betrieb vom 6. - 16. April 1945 eingestellt werden mußte.
1959 - 1964 erfolgte der Ausbau des Werkes auf eine 64-bar-Anlage mit einer Leistung von 120 MW. Werk 2 wurde stillgelegt und demontiert. Im Werk 1 erfolgte die Stromerzeugung noch bis zum Jahre 1977.
 
Bisher lieferten alle Kessel in eine gemeinsame Dampfschiene, aus der die Turbine gespeist wurde. Im neuen Block 3 ist der Kessel mit der Turbine und dem Blocktrafo zu einer unteilbaren Einheit zusammengeschaltet. Als Leistungsgröße wurden 64 MW gewählt.
Nach seiner Inbetriebnahme im Jahre 1962 folgten die durch den steigenden Strombedarf notwendig gewordenen Blockkraftwerke 4 (1964), 5 (1967) und 6 (1970) mit je 110 MW Leistung.
Ein weiterer Schritt zur besseren Nutzung der Primärenergie und zur Entlastung der Umwelt wurde mit der Inbetriebnahme des Werkes 1/2 im Jahre 1977/78 gesetzt. Die Anlage ist als Kombiblock mit Fernwärmeabgabe ausgeführt.
 
1985 beschloß der Gemeinderat ein Programm zur Senkung der Stickoxidemissionen. In der Folge wurden im Kraftwerk Simmering die vorgesehenen Maßnahmen durchgeführt.
1986 Ersatz der Gasturbinenbrenner am Blockkraftwerk 1/2 durch NOx-arme Vormischbrenner.
 
1987 Umbau der Luftreglung der Kesselbrenner BKW 1/2 zur NOx-Reduzierung. Ersatz der Kesselbrenner am BKW5 durch NOx-arme Brenner.
ri07.gif (9585 Byte)Die Blockkraftwerke 3 und 6 wurden 1992 stillgelegt und durch ein modernes, umweltfreundliches Blockkraftwerk (Werk 3) ersetzt. Sie sind eine jederzeit einsetzbare Reserveanlage.
 
Blockkraftwerk 1/2
Zur besseren Nutzung der Primärenergie und zur Entlastung der Umwelt wurde mit der Inbetriebnahme des Werkes 1/2 im Jahre 1977/78 ein bedeutender Schritt gesetzt. Die Anlage ist als Kombiblock mit Fernwärmeabgabe ausgeführt.
Kombiblock bedeutet, daß die Abgase der Gasturbine (Block 2) dem Dampferzeuger (Block 1) als Verbrennungsluft zugeführt werden. Dadurch wird die im Gasturbinenabgas enthaltene Wärmeenergie ausgenützt. Durch diese Kombination von Gasturbine und Dampfturbine wird eine Verbesserung des Wirkungsgrades der Gesamtanlage erzielt.
 
Die Fernwärmeabgabe wird dadurch ermöglicht, daß aus dem Dampfkreislauf Wärme entzogen wird, welche zur Aufheizung des Wassers für die Fernwärmeversorgung dient. Die durch das Kühlwasser abgegebene Wärmemenge wird durch die Fernwärmeauskopplung bedeutend verringert.
Durch die Kombination der Stromerzeugung bei gleichzeitiger Wärmeauskopplung erfolgt eine wesentlich höhere Brennstoffausnutzung. Mit der Inbetriebnahme des Blockes 1/2 wurde die Gesamtleistung des Kraftwerkes Simmering auf rund 1 052 MW (772 MW elektrisch und 280 MW thermisch) angehoben.
 
Technische Daten:
Gasturbosatz in einwelliger Ausführung
Brennstoff: Erdgas
Gaseintrittstemperatur: 920 °C
Klemmenleistung: 66 MW
Generatorleistung: 80 MVA
Klemmenspannung: 10,5 kV
Notstromdiesel: 2,15 MVA
 
Dampfblock
Zweizug-Bensonkessel mit Zwischenüberhitzung.
Brennstoffe: Erdgas für den Notbetrieb, Heizöl schwer
Dampfleistung: 1 040 t/h
Konzessionsdruck: 234 bar
Frischdampftemperatur: 540 °C
Dampftemperatur Zwischenüberhitzer: 538 °C
 
Viergehäusige Kondensationsturbine mit 7 ungesteuerten Entnahmen und dreistufiger Heizdampfentnahme für die Fernwärme
Fernwärmeabgabe: bis max. 320 MW
Vorlauftemperatur: 132 °C
Heizwasserdurchsatz: max. 4 000 t/h
Klemmenleistung: 378 MW
Generatorleistung: 395 MVA
Klemmenspannung: 21 kV
 
Frischdampftemperatur: 540 °C
Dampftemperatur Zwischenüberhitzer: 538 °C
Viergehäusige Kondensationsturbine mit 7 ungesteuerten Entnahmen und dreistufiger Heizdampfentnahme für die Fernwärme
Fernwärmeabgabe: bis max. 320 MW
Vorlauftemperatur: 132 °C
Heizwasserdurchsatz: max. 4 000 t/h
Klemmenleistung: 378 MW
Generatorleistung: 395 MVA
Klemmenspannung: 21 kV
 
Blockkraftwerk 3
Das Blockkraftwerk ist als kombinierte Gasturbinen-Dampfturbinenanlage konzipiert, welche im Normalfall im Kombibetrieb gefahren wird.
In Sonderfällen kann die Gasturbine auch allein gefahren werden und der Dampfblock im Frischlüfterbetrieb separat betrieben werden.
 
Beim Kombibetrieb saugt ein im offenen Kreislauf arbeitender Einwellen-Gasturbosatz über Schalldämpfer Luft aus dem Freien an und verdichtet sie. Die durch Verbrennen von Erdgas zugeführte Wärmeenergie wird in der Turbine abgearbeitet.
Die Klemmenleistung am Generator beträgt ca. 82,3 MW. Die Abgase der Gasturbine werden der Kesselfeuerung als Sauerstoffträger zugeführt. Der Kessel ist ein Zwangsdurchlaufkessel mit Zwischenüberhitzung in Zweizugbauweise und Überdruckfeuerung. Es finden Brennerkonstruktionen Verwendung, die im Betrieb wenig Stickoxide bilden und die mit Heizöl schwer und Erdgas betrieben werden können.
 
Über den Economiser und die im Dampferzeuger integrierte Entstickungsanlage werden die Rauchgase zur wärmewirtschaftlichen Nutzung über einen Speisewasservorwärmer in die Rauchgasreinigunganlage geleitet, gereinigt und zum Kamin geführt.
Der erzeugte Dampf treibt eine viergehäusige Entnahme- Kondensationsturbine mit Zwischenüberhitzung an. Die Dampfturbine treibt einen Generator an, der ohne Heizwärmeentnahme eine elektrische Leistung von ca. 355 MW erbringt.
 
ri10.gif (8391 Byte)Die besondere Wirtschaftlichkeit der Anlage ist jedoch durch die Heizwärmeentnahme aus dem Mitteldruckteil gegeben, wobei durch eine dreistufige Heizungswasser-Vorwärmung eine Heizleistung von ca. 350 MW an das Heiznetz der Fernwärme Wien abgegeben werden kann.
Die dabei erzeugte elektrische Leistung der Dampfturbine beträgt ca. 310 MW.
 
Das Blockkraftwerk 3 wurde östlich des Blockkraftwerks 1/2 in das Kraftwerk Simmering eingegliedert. Dieser Platz war zur Anbindung an die bestehende Kühlwasserversorgung günstig. Mit dem BKW 1/2 ist das neue BKW 3 durch einen notwendig gewordenen Werkstättentrakt verbunden.
 
Im Maschinenhaus sind der Gasturbosatz mit Luftansaugsystem und Anfahreinrichtungen sowie der Dampfturbosatz mit allen Nebeneinrichtungen untergebracht.
Weiters sind hier der Speisewasserbehälter und die beiden Kesselspeisepumpen aufgestellt. Der Keller dient als Rohr- und Kabelkeller und nimmt auch die Einrichtungen der Kondensatsammel- und Nebenkühlwasser Systeme auf.
In den Anbauten im Norden und Osten des Maschinenhauses sind die Hochspannungstransformatoren, die Notstromdieselanlage und die Gasreduzierstation der Gasturbine untergebracht.
 
Kesselhaus
Das Kesselhaus besteht aus einer Tragkonstruktion aus Stahlbeton, bei der die gesamten Lasten des Dampferzeugers in das Kopftragwerk eingeeitet und über vier Pylone in die gemeinsame Fundamentplatte abgeleitet werden.
Die Kesselhauswände sowie das Dach sind Stahlkonstruk- tionen mit schall- und wärmeisolierender Verkleidung.
 
In zwei Pylonen sind jeweils die Hauptstiegenhäuser und Aufzüge untergebracht, in einem dritten Pylon befindet sich die Luftzuleitung zum Frischluftgebläse, das auf Kote +12,0 m situiert ist.
Im Keller des Kesselhauses sind unter anderem der Ausdampfbehälter, die Feuerlöschanlage, die Druckluftversorgung und die Heizölstation sowie der Lagerraum für Turbinenöl und Dieselkraftstoff untergebracht. Zwischen den westlichen Pylonen sind die Abscheideflasche, die Anfahr- und Schwachlastumwälzpumpe, Deionat-, Kühlwasser- und Brunnenwasserbehälter angeordnet.
 
ri14.gif (10167 Byte)Die Tragkonstruktion des 200 m hohen Schornsteins ist aus Stahlbeton in Gleitbauweise hergestellt und trägt über Betonplattformen das säurefeste Futtermauerwerk.
Im Schornstein sind auf Kote 0,0 m maschinentechnische Einrichtungen untergebracht. Auf Kote +86,0 m befindet sich die Emissionsmeßanlage. Im Gasturbinen-Alleinbetrieb wird das Gasturbinenabgas über einen eigenen, in das Kesselhaus integrierten, 82 m hohen Schornstein aus Stahlblech ins Freie geführt.
 
Das Schalthaus ist zur Versorgung der Hilfsantriebe neben Maschinen- und Kesselhaus angeordnet.
Es beinhaltet die Niederspannungstrafos, die 6-kV- und 400-V-Schaltanlage, die Gleich- und Notstromversorgung und die Speisepumpenantriebe. Auf Kote +12,0 m befinden sich die zentrale Blockwarte und die Räume für die leittechnischen Einrichtungen.
 
Die Rauchgasentschwefelungsanlage (REA) ist südlich an das Kesselhaus angebaut und beinhaltet den Elektrofilter, die Rauchgaswiederaufheizung und die Entschwefelungsanlage mit ihren Aufbereitungsanlagen für Kalk und Gips sowie die Abwasseraufbereitungsanlage.
 
Die Einrichtung für Zwischenlagerung und Be- und Entladung von Kalksteinmehl und brikettiertem Gips sind in einem eigenen Gebäude untergebracht. Es liegt an der erweiterten östlichen Gleiszufahrt und ist mit einem unterirdischen Förderkanal mit der REA verbunden.
Im Bereich des ehemaligen Öltankhofes 1 wurden die NH3- Entlade- und Versorgungseinrichtungen errichtet. Die Lagerung des flüssigen Ammoniaks erfolgt in eingeschütteten Stahlbehältern innerhalb eines gesicherten Lagergebäudes. Über die Verdampferanlage wird Ammoniak mittels einer Hochtrasse den Katalysatoren der Entstickungsanlage zugeführt.
 
Für die Kühlwasserversorgung wurde ein neues Blockpumpenbauwerk mit Wasserschloß und Kraftschlußbecken errichtet, das an die bestehenden Kühlwasserzu- und -rücklaufkanäle angeschlossen ist.
Von hier aus versorgen die Hauptkühlwasserpumpen den Kondensator der Dampfturbine und Nebenkühlwasserpumpen die Rückkühler von Gasturbine und Dampfturbine.
 
Zur mechanischen und chemischen Reinigung der Haupt- und Heizkondensate wurden die bestehenden Anlagen um eine Kondensatoraufbereitungsanlage in 3-straßiger Ausführung erweitert.
 
Im Zuge der Errichtung der neu hinzugekommenen Versorgungsanlagen der Rauchgasreinigung wurde eine zentrale Warte eingerichtet.
Hier wurde die Überwachung und Steuerung der bestehenden Anlagen für Kühlwasser, Wasserreinigung, Erdgas, Heizöl und Abwasseraufbereitung mit den neuen Anlageteilen zusammengefaßt.
 
Block 4, 5 und 6
Die Blöcke 4, 5 und 6 wurden in den Jahren 1993 und 1997 stillgelegt.
 
Brennstoffversorgung
ri21.gif (11933 Byte)Die Versorgung mit Heizöl schwer erfolgt seit 1967 durch eine ca. 7 km lange Pipeline von der Raffinerie Schwechat.
Darüber hinaus verfügt das Werk über die Einrichtungen für die Schiffs-, Bahn- und LkW- Entladung. Das Heizöl schwer wird in 10 Tanks gelagert, die Lagerkapazität beträgt
305 750 m³. Mit Erdgas wird das Kraftwerk aus dem städtischen Hauptverteilernetz vom Gaswerk aus versorgt. Die Kessel der Blöcke 1, 3DT, 4 und 5 werden von einer werkseigenen Ringleitung aus gespeist. Die Gasturbinen, Block 2 und Block 3GT, werden aus dem Hochdrucknetz versorgt.
 
Elektrische Einrichtungen
Die vom Blockkraftwerk 3 erzeugte elektrische Energie wird über die 380-kV - und die 110-kV - Schaltanlage des Kraftwerkes in das Wiener Netz eingespeist.
 
Der Anschluß an das übergeordnete Netz erfolgt für beide Generatoren in Blockschaltung mit Generatorleistungsschaltern. Die dafür erforderlichen Block- und Blockeigenbedarfstransformatoren sind als wassergekühlte Öltransformatoren mit automatisch ansprechenden Feuerlösch - einrichtungen ausgerüstet.
Das Anfahren der Dampfturbinenanlage erfolgt über einen vom 110-kV-Netz gespeisten Anfahrtrafo oder direkt über Blocktrafo und Blockeigenbedarfstrafo vom 380-kV-Netz. Die Gasturbine kann über ein Dieselstromaggregat hochgefahren werden.
Die Eigenbedarfsleistung von Kessel, Dampfturbine, Rauchgasreinigungsanlage und Gasturbine wird über eine gekapselte, trennerlose 6,3-kV-Schaltanlage mit Einfachsammelschiene und Leistungsschaltern in Einschubtechnik verteilt.
 
Gießharztransformatoren versorgen die 400-V-Anlagen.
Alle elektrischen Einrichtungen sowie Notlicht und die für ein gefahrloses Abfahren von Kessel und Turbine erforderlichen Antriebe werden im Störungsfall von Batterieanlagen versorgt. Dafür sind jeweils Batterien für 24 V Gleichspannung und 230 V Gleichspannung sowie Gleichrichter, Gleichspannungsverteiler, Wechselrichter und ein USV-Netz (Unterbrechungslose Spannungsversorgung) vorhanden.
Auf Material, das den umweltgerechten Auflagen entspricht, wurde großer Wert gelegt. So wurden z.B. Kabel nur in halogenfreier, flammwidriger Ausführung verwendet. Die Licht- und Kraftinstallation, die Brandmeldeanlage sowie die Kommunikationseinrichtungen entsprechen dem für Kraftwerke erforderlichen Qualitätsstandard.
 

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WB00882_.GIF (263 Byte) Kraftwerk Riedersbach