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Haager Familie im Visier der Ermittler


Unter Atomschmuggelverdacht: Der Haager Ingenieur Friedrich Tinner und seine Söhne Urs und Marco sollen in das internationale Atomschmuggel-Netzwerk des Pakistanis Abdul Quadeer Khan verstrickt sein.

Von Wolfgang Frey und Martin Hähnlein

Haag. – Friedrich Tinner gilt in seiner Branche als begnadeter Ingenieur, aber auch als gewiefter Verkäufer. Der Haager Ingenieur verfügt über weltweite Kontakte. Sein Spezialgebiet Vakuumtechnik gilt als eine der Schlüsseltechnologien bei der Urananreicherung.
Tinners mutmassliche Verstrickung in das inzwischen aufgeflogene und gestoppte libysche Atomwaffenprogramm brachte ihn am Ende ins Gefängnis. Er wurde inzwischen zwar wieder aus der Untersuchungshaft entlassen, nach wie vor wird jedoch gegen ihn ermittelt. Seine beiden Söhne sitzen nach wie vor ein. Auch sie sollen Libyens Diktator Muammar al Gaddafi bei seinem Versuch geholfen haben, die Bombe zu bauen.

Nukleare Fracht gestoppt

Auf die Spur der Tinners kamen die Ermittler vor drei Jahren. Im Oktober 2003 brachte der US-Auslandsgeheimdienst CIA mit Hilfe der italienischen Polizei im Mittelmeer den deutschen Frachter «BBC China» auf. Er hatte nukleare Technik an Bord und war auf dem Weg nach Libyen. Auf einmal standen die Namen der Tinners weltweit in den Zeitungen: als mutmassliche Partner des «Vaters der pakistanischen Atombombe», Abdul Quadeer Khan bei dessen jüngstem Projekt, der Lieferung einer kompletten Urananreicherungsanlage für Gaddafis geheimes Bombenprogramm.
Beim Nuklear-Konsortium Urenco in den Niederlanden hatte Khan in den 70ern geheime Unterlagen zum Bau von Anlagen zur Urananreicherung an sich gebracht, zum Bau der pakistanischen Bombe verwendet und an Iran, Libyen und Nordkorea verraten. Ob noch weitere Länder auf Khans Kundenliste standen, ist unklar.
Für die Ermittler der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien steht jedoch fest, dass sich Khan bei seinen Geschäften eines geheimen Netzwerks von Ingenieuren und Mittelsmännern bediente, darunter auch Schweizer und Deutsche. Sukzessive hätten diese weltweit Komponenten für Urananreicherungsanlagen zusammengekauft, bis die Besteller schliesslich bombenfähiges Material produzieren konnten, so die Behörde.

Besuch aus Pakistan

Khans Ziel war der Bau der «islamischen Bombe»: Nicht nur Pakistan, auch andere islamische Staaten sollten mit nuklearen Schlägen drohen können. In dieser Mission reiste er durch die ganze Welt. Dabei führten ihn seine Wege auch in die Ostschweiz. In der Region Werdenberg traf er vor Jahrzehnten Friedrich Tinner. Khan soll damals den Wunsch geäussert haben, weiter in Kontakt zu bleiben. Wie aus einem Papier des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik hervorgeht, trafen sich die beiden später tatsächlich öfter, das letzte Mal 2000 in Dubai.
Tinner will dort mit Khan zwar nur «private Dinge» besprochen haben. Der Autor der Genfer Analyse kommt allerdings zu dem Schluss, Tinner könne bei den Gesprächen die Kernkompetenzen Khans «nur schwer» ignoriert haben, insbesondere nach dem ersten erfolgreichen Atombombentest Pakistans: 1998 wurde Khan deshalb in seiner Heimat als Nationalheld gefeiert.
Bei dem Treffen in Dubai, das stellte Friedrich Tinner in einem Interview vor seiner Festnahme nicht in Abrede, war auch der Sri Lanker Buhary Syed Abu Tahir zugegen. Tahir gilt als Khans Ziehsohn. US-Präsident George W. Bush nannte ihn einmal Khans «Stellvertreter und Geldwäscher». Die Ermittler vermuten: Spätestens bei diesem Treffen wurden die Einzelheiten des Libyen-Deals besprochen. Und bei den Tinners in Haag stand auf einmal die Polizei vor der Tür.
Nacheinander wurden ab Ende 2004 Urs, Marco und Friedrich Tinner verhaftet. Nur der Vater kam bis dato wieder frei. Die Söhne harren in der Untersuchungshaft ihrer Prozesse. Mit seiner Frau lebt der ehemalige Dorfkorperationspräsident Friedrich Tinner seither äusserst zurückgezogen in Haag. Soziale Kontakte pflegen die beiden offenbar kaum noch. Mit «Wirtschaft regional» wollten sie nicht über die Vorwürfe sprechen, die offenbar auch die Geschäfte der Familienfirma lähmten: Im Juni 2006 meldete das Tinner-Unternehmen PhiTec AG einen vorläufigen Konkurs an.

Diplomatische Verwicklungen

Erstmals fiel Friedrich Tinner vor 26 Jahren auf. Er war erfolgreich und hatte damals eine gute Stellung als Exportleiter der VAT Vakuumventile AG in Haag. Doch im Dezember 1980 wurde er dort fristlos entlassen. Angeblich hatte er VAT-Ventile auf eigene Rechnung nach Pakistan und in die Krieg führenden Länder Irak und Iran liefern wollen. Firmenchef Siegfried Schertler teilte den Mitarbeitern am 7. Januar 1981 in einem Rundschreiben mit, dass sich die VAT von Tinners Machenschaften ausdrücklich distanziere.
Ein gerichtliches Nachspiel hatte die Affäre für Tinner damals nicht. Die Schweiz aber geriet in diplomatische Verwicklungen mit den USA. Die Vereinigten Staaten hatten Bern wegen der VAT-Lieferungen nach Pakistan scharf kritisiert, wie die «NZZ» später berichtete. Der Bundesrat stellte sich damals jedoch auf den Standpunkt, die exportierten Teile könnten auch für zivile Zwecke genutzt werden. Unbehelligt von den Schweizer Behörden konnte Tinner so kurz nach seiner Entlassung seine eigene Firma im Werdenberg gründen, die Cetec AG. Er nahm eine Handvoll VAT-Mitarbeiter mit und machte seinem ehemaligen Arbeitgeber Konkurrenz. Welcher Art seine Geschäfte genau waren, ist nicht bekannt.
Im Rheintal jedenfalls, so das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel», sei die Cetec in der Branche nicht weiters aufgefallen: Die Geschäfte, über die sich die Amerikaner auch später wieder in Bern mockieren sollten, müssen woanders stattgefunden haben. Gegenüber dem «St. Galler Tagblatt» musste Tinner dann einräumen, dem Irak im Februar 1990 heikles Material angeboten zu haben. «Eine Offerte kann ich schliesslich jedem unterbreiten, aber geliefert worden ist nichts», sagte er in dem Interview.

Die erste Verhaftung

Als erster wurde Urs Tinner am 7. Oktober 2004 wegen seiner angeblichen Verwicklung in das libysche Atomprogramm verhaftet. Er wurde am Frankfurter Flughafen festgenommen und sitzt nun seit gut zwei Jahren im Gefängnis. Der Haftbefehl des deutschen Generalbundesanwalts formulierte die Vorwürfe damals so: «Beihilfe zur versuchten Förderung der Entwicklung von Atomwaffen und Beteiligung am Landesverrat.»
Weil die deutschen Behörden den Vorwurf des Landesverrats fallen liessen, konnte Urs Tinner Ende Mai 2005 den Schweizer Behörden überstellt werden. Seitdem wartet er auf seinen Prozess. Urs Tinner hatte bis dahin einiges versucht, allerdings nicht immer mit Erfolg: Zunächst machte er eine Ausbildung zum Mechaniker, später eröffnete er eine Zoohandlung in der Ostschweiz, in Dubai soll er anschliessend ein Geschäft mit Energy-Drinks aufgezogen haben. Nach geschäftlichen Misserfolgen, heisst es, sei er dann bei der Firma des Vaters eingestiegen, die inzwischen PhiTec AG hiess.

Geschäfte in Malaysia

Doch in den letzten Jahren wurde Urs Tinner nur noch selten im Rheintal gesehen. In Dubai bahnte er laut den Ermittlern vor einigen Jahren jene Geschäfte an, die ihn für längere Zeit nach Malaysia und schliesslich ins Gefängnis führen sollten.
Im malaysischen Shah Alam trat er einen Job bei der neu gegründeten Firma Scomi Precision Engineering Sdn. Bhd., kurz Scope, an. Das Engagement schien erstklassig: Kamaluddin Abdullah, Sohn des malaysischen Premierministers, war Gesellschafter der Mutterfirma Scomi Group Bhd. Und die Geschäfte schienen zu florieren: Schon kurz nach der Gründung erhielt Scope den ersten Grossauftrag. Es ging um die Herstellung von Komponenten für eine riesige Anlage. Den Ermittlungen zufolge war sie für Gaddafis Bombenprogramm gedacht.

Anlagenbau für Gaddafi

In Shah Alam begannen die Scope-Mitarbeiter unverzüglich mit der Produktion von Teilen für die Urananreicherungsanlage: 14 verschiedene Komponenten seien dort gefertigt worden, sagen die Ermittler. Unter anderem Pumpensysteme, Halterungen, Abdeckplatten, Rohrverbindungen und Klammerhalter. Beauftragt vom eingangs erwähnten Sri Lanker Buhary Syed Abu Tahir und überwacht von Urs Tinner.
Sein Bruder Marco soll dazu über seine Firma Traco Schweiz AG Werkzeugmaschinen für die Produktion bei Scope geliefert haben. Sein Vater Friedrich, so die Staatsanwälte, habe Subunternehmerverträge vermittelt und überwacht.

«Nichts gewusst»

Zumindest Urs Tinner bestreitet nicht, Geschäfte mit Tahir gemacht zu haben. Seine Version der Geschichte klingt allerdings ganz anders: In Dubai, erzählte er dem «Tages-Anzeiger» vor seiner Festnahme, habe er zunächst des Öfteren in Tahirs Computerladen eingekauft.
Der Sri Lanker habe ihm dann Jobs vermittelt. Schweisskurse habe er gegeben und Handlanger-Dienste erledigt. So habe er etwa in Tahirs Apartment Bilder aufgehängt. Im selben Haus hat Atomschmuggel-Chef Khan einen Zweitwohnsitz. Doch davon, beteuerte Tinner in dem Interview, habe er «als schlechter Zeitungsleser» damals «überhaupt nichts gewusst».
Urs Tinner dementiert auch nicht, «als Consultant» für Scope und damit nach den Erkenntnissen der Ermittler auch für Tahir in Malaysia gearbeitet zu haben. Und auch wenn das einer seiner Geschäftspartner in Südostasien ganz anders darstellt: Informationen über den Empfänger der Waren oder ihren Verwendungszweck, verteidigt sich Tinner, hätten ihm zu dieser Zeit «nicht zur Verfügung gestanden».

«Wirtschaft regional» zeigt in einer vierteiligen Serie die Hintergründe zum Atomschmuggel-Prozess in Mannheim auf. Teil 3 erscheint am 9. Dezember.