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AUF EIN WORT - ARCHIV
Quergedacht und auf den Punkt gebracht in einer Glosse, die nicht nur zum Schmunzeln anregen soll, sondern auch, wenn es erforderlich ist, zum gründlichen Nachdenken. [17.40 Uhr]
 
AUF EIN WORT VOM 13.02.2002
Polygamie im Tierreich: Nur Männersache?
Auf ein Wort
Wissenschaftler, vor allem Forscher, zeichnen sich durch schier grenzenlose Neugier aus. Sie gehen mitunter Fragen nach, von deren Existenz die meisten Menschen noch nie gehört haben. Sie legen, wenn sie dann fündig geworden sind, Erkenntnisse vor, die die meisten Menschen verblüffen, wenn sie diese überhaupt verstehen. Da gibt es beispielsweise unsere wildlebenden Verwandten, die Zwergschimpansen oder die Bonobos (Pan Paniscus), die eine freie Affenliebe praktizieren. Insbesondere die weiblichen Wesen der Gattung, so haben die Forscher festgestellt, nehmen sich mehr heraus, als sich Menschen selbst im Karneval zu träumen wagen.

Autor: Erik Heinrich

Polygamie! Welch geheimnisvoller Wohlklang, liebe Geschlechtsgenossen, verbirgt sich hinter diesem Wort! Mit wohligem Grusel blicken wir in das sagenumwobene Morgenland, wo Vielweiberei an der Tagesordnung ist, jedenfalls hat der Prophet nichts dagegen. Freunde der Polygamie verweisen auf das Tierreich: Paart sich nicht der Hengst mit vielen Stuten? Aber da ist auch schon der Haken an der Sache: Zum Zug kommt nur das stärkste Tier, der Leithengst. Die anderen paarungswilligen Typen können einpacken.

Ist das schon eine harte Erkenntnis, liebe Geschlechtskollegen, so kommt es jetzt noch dicker: Polygamie ist im Tierreich keineswegs Männersache, das beweisen neueste Forschungen. Bonobos sind Schimpansen ähnliche Primaten. Deren Weibchen z.B. neigen zur Vielmännerei. Ist ein Bonobo-Weibchen empfängnisbereit, und es ist oft bereit, hat es bis zu 50 mal am Tag mit bis zu 10 Männchen Verkehr. Und Bonobo-Mädels sind leicht ansprechbar. Volker Sommer, Professor für Primatologie in London: "Spaziert ein Männchen mit einer Frucht im Mund vorbei, können Weibchen darüber dermaßen in Erregung geraten, dass sie ihn zum Geschlechtsverkehr auffordern." Bonobos tun es in den verschiedensten Stellungen, unter anderem auch in der bei unserer Spezies als Missionarsstellung belächelten. Ganz zu unrecht, wie mir scheint, schließlich paart man sich hierbei von Angesicht zu Angesicht. Das ist in der Regel ein Vorteil, den auch unsere lausigen Vettern und Nichten schätzen.

Warum sind die weiblichen Bonobos so vielseitig orientiert, fragen sich die Forscher, denn Forschung ist mehr als eine Affen-Peepshow. Primatologen meinen, in der sozialen Affengruppe schützen die Weibchen ihren Nachwuchs vor rabiaten Alt-Männchen und appellieren an deren Beschützerinstinkt; denn jeder von den Alten könnte ja selbst der Vater sein. Etwas Vergnügen ist aber wohl auch dabei, sonst wäre 50 mal am Tag ein wenig zu viel.

Übrigens bekommen ranghohe Männchen doch einen Vorteil, denn, so eine der hübschen Erkenntnisse des Zoologen Stuart Semple: "Bonobo-Weibchen schreien länger und lebhafter, wenn sie sich mit einem ranghohen Männchen paaren."

Klar finden andere Genies da sogleich eine Parallele zum Menschen; zwei Forscher aus New Mexiko ließen Frauen an den verschwitzten T-Shirts von 40 Typen riechen. In der kritischen Zeit des Zyklus bevorzugten die Probandinnen angeblich den Geruch von Männern mit symmetrisch geformten Gesichtern, nach Meinung der Wissenschaftler ein Indiz für Gesundheit und Fruchtbarkeit. Nach meiner Meinung: Kokolores. Und frauenfeindlich! 40 verschwitzte Männer-T-Shirts! UuH!

Da halte ich es beim Verwandtenbesuch im Zoo mit Tucholsky, der sich in seinem liebevollen Aufsatz fragte, wer begafft wen, wer ist im Käfig und wer draußen? Wer auch immer, denke ich, liebe Geschlechtsgenossen und andere Mitmenschen, Hauptsache es gibt den kleinen Unterschied - zwischen Bonobos und uns.
 
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