Techno ist angetreten, um die überholten, hierarchischen Strukturen
des Musikmarktes zu überwinden. Das gilt nicht nur für den Star,
der wie die Bühne verschwindet, sondern auch für das Copyright (den
Besitz von Ideen), der Struktur der Musik selbst und dessen, woraus sie besteht.
Die Technologie, die das möglich macht, ist im Prinzip der Abfall der
militärischen Forschung, der als Unterhaltungselektronik verramscht wird.
Es wird dadurch immer mehr Leuten möglich, diesem Pool von Ideen - der
allen gehört - Dinge zu entnehmen und zu geben. Dies gilt auch für
andere Bereiche, aber die Musik ist der machtvollste, weil sie das Gegenteil
dessen impliziert, zu dem wir verurteilt sind: Passivität.
Die Freiheit eines Free Raves, der keinen oder kaum Eintritt kostet, ist ein
totaler Bruch mit den kapitalistischen Werten und damit auch die Geburtsstätte
neuer Gemeinschaften. Deshalb werden sie verboten und besonders in England
(Anm.: mittlerweile auch in Frankreich, Holland, Tschechien) mit militärischen Polizeiaufgeboten
unterdrückt.
Mega-Raves und Pop-Techno interessieren uns nicht. Sie sind totaler Konformismus
und es macht keinen Unterschied, welche Musik dort läuft. Der Industrie
gelang es dabei ihre alten Strategien auch auf Techno anzuwenden. Dies kann
das subversive Potential der Musik nicht schmälern. Ein Problem ist jedoch,
daß beides als Techno bezeichnet wird, obwohl es sich um inkompatible
Erscheinungen handelt. Es wird sich zeigen, ob langfristig daneben noch eine
Grauzone zwischen illegalem Untergrund und Kommerz bestehen kann.
Ausschlachtung bedeutet, daß Leute oder Interessengruppen sich eines
Gebiets annehmen, einzig weil sie eine schnelle Mark wittern. Das hat zur
Folge, daß kaum mehr Integrität auf diesem Gebiet zu finden ist.
Wir sehen die Notwendigkeit, uns davon entschieden abzugrenzen, weil man sonst
mit den falschen Leuten in den gleichen Topf geworfen wird. In England macht
es deshalb immer weniger Sinn den Begriff Techno zu verwenden. Wir sind in
einer Umbruchphase, die reif zur Explosion wird. Der Name wird sich von allein
finden.
Mit der Trennung von Freizeit und Arbeit können wir nichts anfangen.
Es ist einer der Dualismen einer Gesellschaft, die wir bekämpfen, setzt
doch Freizeit voraus, daß man den Rest der Zeit versklavt wird. Techno
wird in England nicht unbedingt als Freizeit- oder Unterhaltungsmusik angesehen.
Wenn man von den sogenannten Intelligent-Sachen einmal absieht, dann ist Techno
eher eine Outlaw-Music und -Culture, was viel mit der britischen Klassengesellschaft
zu tun hat.
Jedes Label ist politisch. Gerade die, die behaupten, unpolitisch zu sein,
erklären damit bloß, daß sie den Status Quo, die bestehenden
Verhältnisse unterstützen. Es ist unvermeidlich, daß sich
das politische Bewußtsein in dem ausdrückt was wir machen. Alles
was wir tun, jeder Teil unseres ganzen Lebens, unserer Bedürfnisse, unserer
Träume, unserer Liebe und unseres Hasses hat eine politische Dimension,
nicht nur in einem abstrakten Sinn, sondern auch mit einem direkten Einfluß
auf unsere Handlungen.
Der Criminal Justice Act verbietet in England freie Festivals und macht sowohl
den nomadischen Lebensstil der Travellers wie auch das Hausbesetzen fast unmöglich.
Er ist nur ein Teil der generellen Entwicklung zu mehr Kontrolle, die in totale
Überwachung und Bevormundung münden wird, wenn wir sie nicht mit
allen Mitteln bekämpfen.
Im Zusammenhang mit der zunehmenden Repression und Zensur ist es nicht überraschend
(jedenfalls nicht für uns), daß all die Musik von den Medien diffamiert
wird, die als Energielieferant funktioniert und die Dich aufweckt. Außerordentlich
viel Mühe und Geld wird in die Werbung und die Verbreitung von Stilen
investiert, die dazu geschaffen wurden um Dich ruhig zu stellen, Dich zu "chillen"
oder Dich mit endlosen Trance-Stücken gleichzuschalten, die niemals auch
nur einen Millimeter vom kleinsten gemeinsamen Nenner abweichen. Die "Unity"
der TänzerInnen ist zur Mittelmäßigkeit degeneriert in einer
Kultur ohne Herausforderung, Verführung und Rebellion.
Es gibt ein Programm, um einen Teil des Techno-Undergrounds mit den Geschäftsinteressen
der Industrie kompatibel zu machen und den Rest abzutöten. Während
illegal durchgeführte Raves dazu führen, daß sich die Herrschenden
vor Angst in die Hose scheißen, bringt das, was als "Ambient"
gepriesen wird, das Lächeln in ihre Gesichter zurück. Sie wissen
genau, daß die Jugendlichen dann ruhig in den Schlafzimmern der Sozialwohnungen
hängen... Ein bißchen Trance oder Ambient am Wochenende richtet
keinen Schaden an, denn die Botschaft, die sich dahinter verbirgt lautet:
alles fließt in ruhigen Bahnen, alles ist in Ordnung...
Wir wollen die Veränderung, aber wir glauben nicht, daß eine soziale
Revolution im traditionellen Sinn ansteht. Revolutionäre Zellen zu bilden
heißt heute, experimentelle Labors aufzubauen, die Viren konzipieren,
um Kontrollmechanismen zu zerstören. Revolutionäre Zellen zu bilden
heißt Kommandos zu gründen, welche die Stätten der kulturellen
und politischen Unterdrückung in Temporäre Autonome
Zonen verwandeln.
Wir sehen uns aber nicht so sehr als Personen, die Musik und andere Medien
benutzen, um einen radikalen linken Standpunkt zu propagieren, sondern als
eine Gruppe von Leuten, die in der Tradition radikaler, kultureller Bewegungen
wie Dada, Surrealismus und dem Situationismus stehen, ohne sich dabei an eine
spezielle anzulehnen. Uns verbindet eher der selbe Geist bei der Verknüpfung
von Leben, Kunst und Revolte. Wir sind Teil eines unsichtbaren Netzwerks das
den Planeten umspannt. Um unsere Ziele zu realisieren, können wir uns
der modernen Technologie bedienen, sie mißbrauchen und in den Dienst
einer neuen Kultur stellen, deren Ziel die Souveränität von Körper
und Bewußtsein bildet.
Collage
aus Interviews und Veröffentlichungen vom PRAXIS
veröffentlicht in W. Sterneck -
Cybertribe-Visionen