Kappe statt Kopftuch

Was trägt eine moderne Muslimin beim Sport? Eine Kreation der holländischen Designerin Cindy van den Bremen

Weltwoche, 47/2001

Kopftücher will die Niederländerin Cindy van den Bremen ihre Kreationen nicht nennen. "Es sind Sportkappen. Ich wollte sie so entwerfen, dass auch Leute, die nicht an den Islam glauben, sie tragen können." Tücher wäre auch wahrlich das falsche Wort: Fleece- und Stretch-Stoffe umschließen das Haar, die Kappen werden einfach wie Skimützen über den Kopf gezogen oder mit einem Klettverschluss zusammengehalten. Die Idee solche Kopfbedeckungen zu entwerfen, hatte die 29-Jährige Designerin nach einer Entscheidung des Komitee für Gleichbehandlung der Niederlande. Das staatliche Komitee nimmt Beschwerden über Diskriminierungen entgegen und erteilt Ratschläge, wie Diskriminierungen abgebaut werden können. Es sei nicht diskriminierend, dass muslimische Mädchen beim Schulsport aus Sicherheitsgründen keine Kopftücher tragen dürften, urteilte das Komitee 1997. Stattdessen könnten die Mädchen eine Bademütze und Rollkragen tragen. Die Designerin findet das lächerlich: "Natürlich haben sie den Unterricht geschwänzt." Aber auch am Arbeitsplatz würden Frauen mit Kopftüchern in den Niederlanden diskriminiert, erzählt sie. "Es sind eher starke Frauen, die Kopftücher tragen. Denn sie müssen die Ablehnung der Kollegen ertragen können." Die Probleme kennt Cindy van den Bremen von den zwei Schwestern ihres türkisch-niederländischen Freundes. Sie tragen beide Kopftücher.

Bevor sie ihre Idee als Abschlussarbeit an der Design Akademie in Eindhoven umsetzte, suchte sie mehrere Organisationen muslmischer Migrantinnen auf. "Ich war unsicher, ob ich als gebürtige Niederländerin überhaupt Mode für Musliminnen entwerfen dürfe." Die Reaktion sei jedoch überwältigend positiv gewesen, sagt sie. "Alle wollten mir erzählen, wieviel Schwierigkeiten sie mit ihren Kopftüchern hätten." Auch bei einem Imam, einem islamischen Geistlichen, erkundigte sie sich. Sie wollte die religiösen Vorgaben kennen. Im Koran gibt es eine Sure, die besagt, die Kopfbedeckung der Frau solle auch ihre Brust bedecken. Nicht alle halten sich daran. So gibt es in islamischen Ländern unterschiedliche Traditionen, das Kopftuch zu tragen. In Marokko binden es viele im Nacken zusammen. Im Sudan legen junge Frauen nur einen durchsichtigen Schal über die Haare. Cindy van den Bremen wollte Sportbekleidung schaffen. Das war schwer umzusetzen, wenn die Kappe bis über die Brust reichen sollte. Deswegen ist nur das Modell "Tennis" für Frauen entworfen, die sich an diese Vorschrift halten wollen. "Jeder soll sich etwas aussuchen können", sagt sie. Ihre Kreation stehe für die Wahlfreiheit. "Wie viele Holländer bin ich nicht religiös. Trotzdem akzeptieren wir, dass bestimmte christliche Gemeinschaften ihren Frauen vorschreiben, Röcke zu tragen. Das Kopftuch aber wird nicht akzeptiert." Die Designerin glaubt, dass viele in den westlichen Gesellschaften das Kopftuch kritisieren, weil sie darin ein Zeichen einer unterdrückenden traditionellen Gesellschaft sehen. "Wir habe Bilder von Iran und Afghanistan im Kopf." In ihren Sportkappen aber sei diese Botschaft nicht enthalten. Sie sind modisch hip: Auch Niederländer würden die Kappen kaufen, um sie bei kaltem Wetter beim Segeln oder Radfahren aufzusetzen.

1999 bestand Cindy van den Bremen mit ihrer Kappenkreation die Prüfung der Design Akademie. Erst jetzt hat sie angefangen, die Kappen zu verkaufen. Seit Mitte Oktober können sie über das Internet bestellt werden. "Eigentlich wollte ich gar kein Geld damit verdienen, sondern ein Problem lösen", betont sie. Wahrscheinlich wird sie wohl aber doch recht viel Geld verdienen können. Sie weiß zwar nicht, wieviel Bestellungen schon eingegangen sind. Mit dem Verkauf hat sie eine Firma beauftragt. Aber sie kennt die Zugriffszahlen auf ihre Internetseite: Schon in der ersten Woche haben sich 5000 Leute, die Seite angesehen - von Brasilien bis Australien. Als nächstes plant sie, festliche Kopfbedeckungen für Hochzeiten und eher formelle fürs Büro zu entwerfen.

Artikel in der Weltwoche