Katy Derbyshire: Die Sicht aus dem Ausland
Als Leserin und Übersetzerin deutschsprachiger Literatur bin ich überrascht, dass Autoren hier die Abschaffung und Boykottierung des Buchpreises fordern, ob aus Koketterie oder als ernsthafter Vorschlag.
Der Preis, und vor allem der Medienrummel drumherum, schaffen Aufmerksamkeit für Romane. Die berühmt-berüchtigten "Nominiert!"-Aufkleber sind für überforderte Buchkäufer ein Signal, dass ein Buch zumindest von der jetzigen Jury wertgeschätzt wird – ein Stiftung Warentest-Siegel für Literatur. Und die Nominierungen sind für Verlage im Ausland eine große Hilfe: sonst mit einer schier unüberschaubaren Zahl deutschsprachiger Publikationen (und Literaturpreise) konfrontiert, haben sie es nun leichter, übersetzenswerte Titel auszuwählen. Allein fünf der Bücher von der 2006er Shortlist haben es bisher auf den angloamerikanischen Markt geschafft – der sonst notorisch schwer zu knacken ist.
Dass der Preis – abgesehen vom üppigen Preisgeld vielleicht – den Autoren kaum Vorteile bringt, mag stimmen. Dass er dem Buchhandel zugute kommt, ist aber nicht verwerflich. Und dass er Debatten auslöst, ist erfreulich. Man muss nicht unbedingt in jeder Hinsicht den britischen Booker Prize nachahmen, aber sicher ist, er fördert eine breite Diskussion über Bücher. Und oft dreht sich diese Diskussion um "the ones that got away" – diejenigen Bücher, die den Preis wirklich verdient hätten. Und so profitieren auch nichtnominierte Autoren davon, wie man hierzulande auch an der großen Aufmerksamkeit für Christian Kracht, Ulrich Peltzer usw. sieht.
Der deutsche Buchpreis läutet jedenfalls nicht den Untergang des Abendlands ein. Und ich freue mich nun jedes Jahr auf die Longlist, die Shortlist und das Buch, das gewinnt – ob ich es persönlich ausgesucht hätte oder nicht.
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