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Mittwoch, 17. September 2008

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Was taugt die Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2008?

Mit dem Anspruch, die sechs besten deutschen Romane des Jahres zu präsentieren, hat der Börsenverein heute die Shortlist zum Deutschen Buchpreis veröffentlicht. Und dieser wäre keine begehrte, auflagensteigernde Auszeichnung, wenn die Entscheidung der Jury nicht angezweifelt würde. Oder gibt es dazu keinen Grund? Diskutieren Sie mit unseren Experten im Forum. Sie können kommentieren oder eigene Beiträge schreiben.

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Denis Scheck
17.09.2008 | 12:01 Uhr

Denis Scheck: Regiert die Quote?

"Five to one, baby, one in five …" Der alte Doors-Song geht mir nicht aus dem Ohr, wenn ich die Shortlist des Deutschen Buchpreises ansehe. Fünf Männer, eine Frau. Fünf Deutsche, ein Schweizer. Fünf Hockenbleiber, einer mit Migrationshintergrund. Five to one eben. Regiert die Quote?

Die Qualität der Arbeit einer Jury zum Deutschen Buchpreis bemisst sich nicht am Preisträger; ja ihre Qualität ist noch nicht einmal unbedingt an den sechs Titel auf der Shortlist abzulesen. Irgendwann sind die Argumente ausgetauscht. Die Umfaller sind umgefallen. Die Standhaften sind stehengeblieben. Jeder Saulus hat sich in einen Paulus verwandelt und manchmal auch wieder zurück. Irgendwann nehmen auch noch die aufnahmefähigsten, diskussionsfreudigsten Juroren Zuflucht im Mantra des autogenen Trainings für Hasen und denken nur noch: "Meine Ohren werden lang
und schwer …" Dann kommt der Moment der Abstimmung, und es wäre nicht das
erste Mal, dass mit vier zu drei Stimmen ein Unheil angerichtet wird.

Die Qualität der Arbeit einer Jury zum Deutschen Buchpreis lässt sich am ehesten an der Longlist ablesen. Hier erweist sich, ob man das Feld wirklich gesichtet hat oder nur brav den großen Autoren- und Verlagsnamen gefolgt ist. Und hier hat die diesjährige Jury in meinen Augen gute Arbeit geleistet - bessere jedenfalls als im letzten, als mit Ulrich Peltzers "Teil der Lösung" ein wichtiger Roman ignoriert wurde. Zwar hat man auch
2008 mit Heinrich Steinfests "Mariaschwarz" den besten Roman des Jahres wieder übersehen, aber Heinrich Steinfest versteckt sich einfach besser.

Was nun aber die Shortlist 2008 anlangt: Kein Martin Walser? Kein Marcel Bayer? Kein Uwe Timm? Kein Feridun Zaimoglu? Ja spinnen die denn, die Buchpreisjuroren?

Statt dessen Uwe Tellkamps Buddenbrooks-Anwanzerei "Der Turm", ein Tausendseitenwälzer, dessen Handlung auf Seite eins in jedem Asterix auf sieben Zeilen zusammengefasst ist: "Wir befinden uns im Jahre 1982 n. Chr. Die ganze DDR ist von den Kommunisten besetzt... Die ganze DDR? Nein! Ein von unbeugsamen Bildungsbürgern bevölkerter Dresdner Stadtteil hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die SED-Funktionäre und STASI-Spitzel, die um Haus Abendstern, Haus Karavelle, Haus Wolfsstein und das Tausendaugenhaus schleichen …."

Auf dieser Shortlist stehen zwei Science Fiction-Romane. Der von Uwe Tellkamp handelt von einer bourgeoisen Parallelwelt in der DDR. Der von Dietmar Dath erzählt von unserer Gegenwart. Zu den überzeugendsten Figuren in Daths "Die Abschaffung der Arten" zählt ein Esel, der es zum Akademiepräsidenten bringt und einen Kunstpreis verleihen darf. Seine Rede ist große Kunst: "So, hier also jaaah hier bin ich jetzt in meiner Eigenschaft anwesend als der Jurypräsident, der Ihnen allen und jaaahhh den Pherinfoplexen jetzt die pfamms Antwort gibt für auf öhm unsern Preis, den wir zesi, zasi zusammengerührt haben durch uh mehrere Stiftungsspenden und jaaahh die ganze Knete von der Verkaufsbank hopp und vom Schnitzelschwein."

Dietmar Dath schildert auch die Reaktionen des Publikums. Sie sind nicht unähnlich denen auf die Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2008. "Die Begrüßten stutzten. Einige sperrten Mäuler auf, andere blinzelten betroffen."

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