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Habsburg: Letzter Weg des vierten Kaisersohns

    Eine schrecklich nette, europäische Familie Zum Hauptartikel

    Next Generation: Die Enkel des letzten Kaisers sind Künstler, Banker, Politiker. Es verbindet sie ein großer Name und ein europaweites Netzwerk.

    epa Carl-Ludwig (sitzend) und Enkel Georg Habsburg (links, stehend). DruckenSendenLeserbrief
    Grüß Gott", sagt Georg Habsburg. "Wie kann ich Ihnen helfen?" Der Kaiserenkel ist unfassbar höflich. Eine Eigenschaft, die alle Habsburger zu teilen scheinen. Was machen Sie gerade, Herr Habsburg? "In diesem Moment bin ich glücklich, über die offene Grenze fahren zu können – ohne den Pass zu zeigen." Seine Stimme bebt ein bisschen. 90 Jahre nach dem Ende der Monarchie sind Österreich und Ungarn einander wieder fast so nah wie damals, als Georg Habsburgs Großvater – Karl der Erste – noch Kaiser war.

    Denkt er manchmal darüber nach, wie es wäre, würde seine Familie noch heute über halb Europa herrschen? "Nicht wirklich. Ich bin Realist genug, um zu wissen, wo ich lebe und was meine Möglichkeiten sind." Georg Habsburg ist heute immerhin Präsident – des ungarischen Roten Kreuzes. Sein Beruf führt ihn oft nach Wien. Am Samstag fuhr er aus einem anderen Grund über die offene Grenze: Carl-Ludwig, sein Onkel, wurde in Wien begraben. Georg Habsburg, der jüngste Sohn des 95-jährigen Otto, lebt seit 1993 in Ungarn. "Mit meinem Vater bin ich sofort nach Fall des Eisernen Vorhangs nach Ungarn gefahren und bin dann eingewandert", erzählt er.

    Verbindende Idee: Europa

    Die Habsburger sind heute über den Kontinent verstreut. Ottos sieben Kinder verbindet vor allem eine Idee: Europa.

    Georgs Bruder Karl, der in Salzburg lebt, ist aktuelles Familienoberhaupt, war – wie sein Vater Otto – EU-Parlamentarier und ist heute Präsident der "Paneuropa-Union" in Österreich. Diese mit Habsburgern durchsetzte Organisation schrieb am 19. August 1989 Geschichte. Bei einem "Picknick" an der Grenze in der Nähe von Sopron, zerschnitt Karls Schwester Walburga Habsburg-Douglas damals symbolisch den Eisernen Vorhang. Mehr als 600 DDR-Bürger nützen die symbolische Grenzöffnung zur realen Flucht in den Westen.

    Bis Schweden

    Walburga Habsburg-Douglas sitzt heute als Abgeordnete im Schwedischen Parlament. "Damals habe ich meinen Vater vertreten", sagt sie. Die jüngste Tochter Ottos war lange seine engste Mitarbeiterin. "Nicht, dass er mich jemals angestellt hätte." Heute ist die 49-Jährige eine "hundertprozentige Schwedin", wie sie sagt.

    Protest

    Die sieben Kinder von Otto und Regina Habsburg wuchsen am Starnberger See in Bayern auf. "Unsere Erziehung war immer sehr politisch und europäisch geprägt", sagt Walburga Habsburg-Douglas. Ungewöhnlich für eine ehemalige Herrscherdynastie: "Der Vater war immer der Meinung, dass man dem Individuum sein Glück nicht von oben herab verordnen kann." Deswegen greift der ehemalige Kettenraucher auch im Alter ein Mal pro Jahr zur Zigarette: "Am Weltnichtrauchertag, aus Protest", erzählt Habsburg-Douglas.

    Die Erziehung machte aus den Kaiser-Enkeln aber nicht automatisch Politiker. „Da waren unsere Eltern immer sehr offen – sie haben uns in allem unterstützt“, sagt Gabriela Habsburg, die als Künstlerin in Bayern geblieben ist. Sie hat dafür gesorgt, dass man den Namen Habsburg heute nicht nur mit Adel und Politik verbindet – sondern auch mit gewaltigen Skulpturen: "Meine größte Arbeit ist 17 Meter hoch." Im Gegensatz zu ihren Geschwistern heiratete Gabriela Habsburg einen "bürgerlichen" Anwalt. Zwar ist das Paar inzwischen geschieden, die Herkunft ihres Ex-Mannes hatte damit aber nichts zu tun: "Unsere Eltern haben uns da nichts vorgeschrieben." Als unpolitisch versteht sich die Künstlerin nicht. "Jede Kunst ist politisch. Das geht gar nicht anders." Die Idee Europa hat auch sie geprägt: "In 2007 habe ich drei große Arbeiten auf öffentlichen Plätzen gemacht. In Kasachstan, Georgien und in der Schweiz."

    Ihr Cousin Carl Christian Habsburg – Sohn des verstorbenen Carl-Ludwig – lebt als Banker in der Schweiz. Er fiel in Österreich auf, als er die Rückgabe von unter den Nazis enteigneten Besitztümern an seine Familie forderte.

    Letzte Bastion

    Ein Haus, das immer im Besitz der Familie blieb, ist die sogenannte "Kaiservilla" in Bad Ischl. Markus Habsburg, Ur-Enkel von Kaiser Franz-Joseph, verwaltet dort die vielleicht letzte Bastion der Kaiserfamilie in Österreich: "Es war lange eine schwierige Sache, als Schlossbesitzer in der Öffentlichkeit zu stehen", gesteht er. Das Misstrauen gegenüber der ehemaligen Kaiserfamilie hätte sich aber auch in Österreich inzwischen gelegt, sagt der 71-Jährige.

    Gänzlich unpolitisch ist die Geschichte von Camilla Habsburg, die der toskanischen Linie der Familie entstammt. "Ich halte viel von Schwingungen und Energie", sagt die 45-Jährige. Vor einem Jahr ist sie aus Salzburg nach Wien gezogen, wo sie sich für die Akzeptanz von Musiktherapien einsetzt und als PR-Beraterin arbeitet. "Die Reaktionen der Menschen auf den Namen Habsburg sind heute neutral bis angenehm. Aber die Geschichtsstunden in der Schule waren oft komisch. Die Mitschüler haben mich immer angestarrt, wenn es um die Habsburger ging."

    Die Familie hat heute „über 300 Mitglieder“, so Georg Habsburg. Die seien zwar über die Landkarte verstreut, stünden aber in ständigem Kontakt. "Das ist, was uns neben dem Namen vor allem verbindet: Wir haben alle extrem hohe Telefonrechnungen."

    Nachwuchssorgen hat das traditionell heirats- und reproduktionsfreudige Geschlecht jedenfalls keine. Allein Otto und Regina Habsburg haben 22 Enkelkinder. Karls Sohn Ferdinand Zvonimir ist der Nächste in der offiziellen Thronfolge.

    Ferdinand ist aber erst 10 Jahre alt. Das zukünftige Familienoberhaupt hat derzeit noch ziemlich weltliche Sorgen wie Schularbeiten.

    Artikel vom 12.01.2008 17:57 | KURIER | Nikolaus Jilch

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