die anderen mehr oder weniger. Iris Hanika bewundere ich schon lange als Kolumnistin des "Merkur". Ihr Thema, sagt sie, sei die Geschlechterspannungsforschung. Fein! An eine Anekdote aus ihrer Kolumne erinnere ich mich besonders gern:
Eine Frau (Hanika) verfährt sich auf dem Autobahnring um Berlin, und aus irgendwelchen Gründen kommt es dazu (Panne?, Unfall? – vergessen), dass sie mit einem Lastwagenfahrer ins Plaudern kommt. Es stellt sich heraus, dass der Truck vollbeladen ist mit Erdbeeren aus Holland. Der Fahrer schenkt der Frau zum Abschied eine Schale, und wie Hanika diese Schale Erdbeeren als sanfte Trophäe schildert, hat mich sehr beeindruckt. Aber in ihren Roman "Treffen sich zwei", der jetzt nominiert wurde, bin ich nicht hineingekommen. Nach den ersten Seiten habe ich aufgegeben; die Sprache erschien mir zu plump, zu gewollt, aber vielleicht fehlte mir einfach nur der nette Trucker... (Ratlos.)
Rolf Lappert: Der Klappentext teilt mit, dass der Autor Drehbücher fürs Schweizer Fernsehen geschrieben hat. Das merkt man dem Buch leider an: "Sie hatte wunderschöne Augen mit langen Wimpern, und jeden, der sie fütterte, liebte sie innig. ,Sean, das ist meine Freundin Mary‘, sagte Aislin. Mary lächelte und streckte Sean die Hand entgegen. ,Freut mich sehr, Sean`."
Gegen Ingo Schulze hingegen kann man nichts sagen, aber sein stärkstes Buch ist dies wohl eher nicht. Schulze könnte am Ende der Kompromisskandidat sein, weil sich die Jurymitglieder über die anderen Bücher in die Haare kriegen.
Anlass für Zoff wäre vor allem wohl Dietmar Dath, der ein Kultautor ist, nur im Literaturbetrieb (bisher) nicht. Da ich keine Antenne für Salonmarxismus und auch nicht für SF-Märchen habe, bin ich im Grunde unsicher. An das Ende der Menschheit glaube ich nicht, und in Sachen Gentechnik frage ich lieber meinen alten Freund Stefan, der die Labors von innen kennt. Immerhin nehme ich, Dath lesend, mit Interesse zur Kenntnis, dass nach der Abschaffung der Arten der Adel keineswegs untergegangen ist. Das freut die Proustianerin.
Hübsche Stelle: "Sie hatte eine Tätowierung am linken Arm, auf einer ausrasierten Stelle, ein tanzendes Muster, das auch leise Töne enthielt, sommerlich verschlüsselt. Er hörte sie sirren und tropfen, wenn er dort entlang leckte. ,Das hab ich zur bestandenen Doktorprüfung machen lassen‘, sagte die Geliebte, ,als Erfolgsbeglaubigung‘. ,Mein Schatz. So ehrgeizig!‘ sagte er."
(Ob die Damen um die sechzig, deren Herzen & Portemonnaies mit dem Deutschen Buchpreis erobert werden sollen, das goutieren würden? Aber gerade dieser naheliegende Einwand, fürchte ich, könnte auf Krawall ausseiende Jurymitglieder gerade anstacheln.)
Fehlen noch Sherko Fatah, der mit seinem Buch über einen Gotteskrieger schon auf der Shortlist zum Preis der Leipziger Buchmesse stand, und Uwe Tellkamp mit seinem Tausendseitenklotz "Der Turm". Über Fatah ist schwer Einigkeit herzustellen, das war im Frühjahr schon so. Ich z.B. fühle mich durch die vielgerühmte Ouvertüre seines Romans, wo aus einem Hubschrauber irakerische Bäuerinnen in den Tod geworfen werden, emotional erpresst. Das ganze Thema ist mir überhaupt zu sehr nach dem Wind der politischen Weltlage gehängt. Vor allem aber die Sprache ist langweilig: wie überexplizit, wie unpoetisch letztlich.
Uwe Tellkamps erster Roman "Der Eisvogel" hat viele genervt: Muss man sich das bieten lassen, dass ein junger Ossi sich aalt in 68-er Bashing? Dass er schnöselig einen auf reaktionär macht? Och nö.- "Der Turm" ist ganz anders. Wieder geht es um Deutschland, aber um eines, das der Autor unter der eigenen Haut trägt wie ein eingekapseltes Erbstück: die bildungsbürgerliche innere Emigration in der DDR. Statt an Goethes Turmgesellschaft und Th. Manns Lübecker Familie B. kann man durchaus auch an Musils Stil denken: so sehr seziert Tellkamp die Details, findet Wörter, die wir nicht kennen, lässt Uhren schlagen, die wir nicht mehr hören, schickt "Meereslicht" in eine langsam sich durch die Dresdner Nacht vorarbeitende Straßenbahn. Überhaupt die Zeit! Die vergeht und nicht vergeht. Literarisch den Stillstand erzählen: das haben schon viele versucht, und diesmal ist es wieder einmal, mit einem Thema, das uns alle angeht, ausgezeichnet gelungen. Klarer Fall: mein Wunsch-Preisträger.
Fazit: Eine aparte Liste. Aber zu wenige echte Anwärter auf den Preis.