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25.10.2008 | 09:29 Uhr
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Archiv: Krimi um Rembrandt!

Muss die Kunst-Geschichte umgeschrieben werden?

Sendeanstalt und Sendedatum: BR, Sonntag, 23. September 2007

Rembrandts "Nachtwache" (Ausschnitt) © BR Bildunterschrift: ]
Rembrandts "Nachtwache". Neben Michelangelos Fresken in der Sixtinischen Kapelle, Da Vincis "Abendmahl" und seiner "Mona Lisa" ist es das wohl kostbarste und bekannteste Gemälde der Welt. Über dieses Bild hat nun Peter Greenaway einen Film gemacht. Nach langen Studien kam er zu einer völlig neuen Interpretation, mit der auch das Leben von Rembrandt in ein neues Licht getaucht wird. "Dieses Bild ist eine einzige Anklage gegen die Mächtigen und Wohlhaben von Amsterdam", sagt Greenaway. "Rembrandt deckt hier eine Verschwörung auf und zeigt uns mit seinen Mitteln sogar einen Mord, den die vornehmsten Familien, die alle unter einer Decke steckten, vertuschen wollten."

Mafiöse Verhältnisse in Amsterdam?

Rembrandt in einer Filmszene © BR Bildunterschrift: ]
Rembrandt als Detektiv, der seine Auftraggeber aus der Amsterdamer High Society bloßstellt? Der mit versteckten Hinweisen Korruption und einen vertuschten Mord aufdeckt und der Gesellschaft konkret Zwangsarbeit und Kinderprostitution vorwirft? "Ja", sagt Greenaway. "Ich habe das alles recherchiert und einen Film daraus gemacht." Sein Film ist ein Krimi. Greenaways Rembrandt zerrt mit einem einzigen Bild die mafiösen Verhältnisse ans Licht. Die Gesellschaft wird sich das nicht gefallen lassen und ihn vernichten.

"Diese Interpretation ist Quatsch!"

Rembrandts "Nachtwache" (Ausschnitt) © BR Bildunterschrift: ]
Über jedes Mitglied dieser Gilde hat Greenaway ein Dossier angelegt. Leben und Neigungen recherchiert - ein enges Netz aus Indizien. Der Anführer der Gilde, der spätere Bürgermeister Banning Cocq, soll seinen Vorgänger beseitigen haben lassen. Ist Rembrandt tatsächlich über 400 Jahre lang missverstanden worden? Und war das harmlose Gruppenportrait, ein Auftragswerk, sein Verhängnis? Greenaway behauptet sogar, dass die Schärpe von Banning Cocq in Wahrheit der Schweif des Teufels darstellen soll. "Ein Gildenanführer hätte es nicht geduldet, dass ein Maler ihn mit Teufelsschweif darstellt", wundert sich Rembrandt-Experte Ernst van de Wetering. "Das wäre in einer Minute weggemalt worden, wenn Cocq gesagt hätte, dass er nicht mit dem Teufelsschwanz dargestellt werden möchte. Diese Interpretation ist Quatsch!"

Der Gilde gefiel's sehr wohl!

Rembrandts "Nachtwache" (Ausschnitt) © BR Bildunterschrift: ]
Laut Greenaway wurde an dem Bild heftigste Kritik geübt und dem Anführer der Gilde soll es gar nicht gefallen haben. Der Rembrandt-Experte Ernst van de Wetering widerspricht: "Das Bild muss Banning Cocq sehr gefallen haben, weil er es in sein Familienalbum hat kopieren und dazu noch eine schön kalligraphierte Einschrift in das Buch hat machen lassen. Er muss also stolz gewesen sein, dass er auf diesem Bild war."

Maskottchen oder uneheliche Tochter?

Rembrandts "Nachtwache" (Ausschnitt) © BR Bildunterschrift: ]
Das Mädchen, nach bisheriger Auffassung ein Maskottchen der Kompanie, sieht Greenaway als uneheliches Kind von Rombout Kemp, dem Unteroffizier der Bürgerwehr. Dieser Rombout Kemp, den es tatsächlich in Amsterdam gab, soll ein Waisenhaus geleitet haben und die ihm anvertrauten Kinder nicht nur zur Arbeit, nein auch zur Prostitution gezwungen haben. Rembrandt soll all dies gewusst haben. "Wir wissen sehr viel über Rombout Kemp, aber er war nie Leiter eines Waisenhauses", sagt der Historiker Sebastian Dudok van Heel. "Peter Greenaways Film ist ein Produkt der Phantasie, das nichts mit dem Gemälde zu tun hat."

Wahre Persönlichkeiten - erfundene Biografien

Rembrandts "Nachtwache" (Ausschnitt) © BR Bildunterschrift: ]
Greenaway hat also wahre Persönlichkeiten mit erfundenen Biografien ausgestattet. Und wie sieht's nun eigentlich mit dem Mord aus? "Wenn Sie genau hinsehen, wird auf diesem Gruppenportrait ein Gewehr abgefeuert", sagt Greenaway. "Das wäre unverantwortlich und lebensgefährlich in so einer Menge. Für mich ist das ein Hinweis."

Greenaways Rembrandt-Märchen

Peter Greenaway © BR Bildunterschrift: ]
Was bedeutet dieser Schuss? "Das war damals ein Mittel, um ein Bild zum Sprechen zu kriegen", sagt der Rembrandt-Experte Ernst van de Wetering. "Wenn es einen Mord gegeben hätte, dann besäßen wir eine ganze Menge Dokumente dazu", zweifelt auch der Historiker Sebastian Dudok van Heel an Greenaways Thesen. Cocqs Vorgänger wurde also nicht ermordet. Greenaway tischt uns ein Rembrandt-Märchen auf. Seine aberwitzige Umdeutung kleinster Details zeigt uns, was für spannende Geschichten man in Alten Meistern so entdecken kann. "Greenaway darf natürlich fantasieren", sagt Ernst van de Wetering. "Aber wenn er sagt, dass die Geschichte, die er erzählt, neue Schlüsse für die Rembrandt-Interpretation gibt, dann finde ich das kriminell, weil man dann die Zuschauer, Kunstbetrachter und Forscher auf eine verkehrte Spur setzt."

Aberwitzige Umdeutung

Rembrandts "Nachtwache" (Ausschnitt) © BR Bildunterschrift: ]
Greenaways Film spielt mit unserer Unwissenheit und Gutgläubigkeit. Das macht zwar Spaß, bringt aber keinerlei Erkenntnis. Denn mit Rembrandts Leben und der "Nachtwache" hat dieser Film nichts zu tun.

(Autoren: Alexander Hellbrügge/Thomas Radigk)

 

Dieser Text gibt den Fernsehbeitrag vom 23.09.2007 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.