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Archivar (höherer Dienst)

 

Autor: Sebastian Thiele
Letzte Änderung: September 2008

 

Persönliche Voraussetzungen

Archive besetzen eine Schnittstelle zwischen Öffentlichkeit und Verwaltung. Neben der unabdingbaren Fachqualifikation braucht ein Archivar deshalb auch gute kommunikative Fähigkeiten. Er muss sich das Vertrauen der Verwaltung dauerhaft sichern und die nötige Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit wahren. Archivare des höheren Dienstes sind Beamte mit Führungsaufgaben, die andere Mitarbeiter leiten; interessierte Historiker sollten daher auch Durchsetzungsvermögen besitzen.

Unbedingt sollte man sich über die Einstellungsvoraussetzungen des jeweiligen Bundeslandes informieren. Zur Ausbildung zum höheren Archivdienst in Baden-Württemberg werden z. B. ein Geschichtsstudium, "angemessene Kenntnisse" der lateinischen und französischen Sprache sowie eine gesundheitliche Eignungsprüfung erwartet. Das Höchstalter (!) beträgt 31 Jahre (für Schwerbehinderte 39). In Bayern und Baden-Württemberg ist beispielsweise eine Promotion zwar kein Muss-Kriterium, kann jedoch im Bewerbungsverfahren berücksichtigt werden. Aufgrund der hohen Bewerberzahl kann in der Regel jedoch davon ausgegangen werden, dass die Promotion eine große Rolle bei der Bewerbung spielt.


Ausbildungsweg

Für studierte Historiker ist eine Ausbildung zum höheren Archivdienst (Vorbereitungsdienst) der Königsweg in das Archivwesen. Die Ausbildung liegt in der Kompetenz der Länder (der Bund bildet natürlich auch Archivare aus). Eine Bewerbung direkt bei der Archivschule Marburg ist nicht möglich.
Seiteneinsteiger finden sich z. T. noch in privaten Wirtschaftsarchiven. Im Regelfall sind aber auch Stellen in Wirtschaftsarchiven durch Mitarbeiter besetzt, welche die Ausbildung zum höheren Dienst durchlaufen haben.

Die Ausbildung durch den Bund und die Bundesländer nimmt zweieinhalb (Bund) bis zwei Jahre (Länder) in Anspruch. Neben Praktika und der Ausbildung in den Archiven werden auch zwölf Monate theoretischer Unterricht an der Archivschule Marburg absolviert. Bayern grenzt sich von diesem Ausbildungsweg ab. Die Ausbildung bei der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns nimmt allerdings auch zwei Jahre in Anspruch. Nach bestandener Abschlussprüfung trägt man den Titel „Archivassessor". Einen Anspruch auf eine weitere Anstellung besitzen Archivassessoren nicht, jedoch wird nach antizipiertem Bedarf ausgebildet: Das Verhältnis zwischen freien Stellen und Absolventen ist somit im Idealfall ausgeglichen.


Berufsprofil

In ihrer Kerntätigkeit haben Archivare vier Aufgaben:

Sie gewährleisten, dass das vorhandene Archivgut sicher gelagert ist und dauerhaft zur Benutzung erhalten bleibt.

Archive können nicht das gesamte behördliche Aktenmaterial oder alle anderen verfügbare Quellen (z. B. private Nachlässe) aufnehmen. Archivare müssen daher antizipieren, was tatsächlich bleibenden Wert hat und auch für kommende Generationen von Interesse ist. Bei der Anlieferung werden daher pauschale Vernichtungsgenehmigungen eingesetzt oder teilweise eine Einzelanalyse der Akten durch Archivare vorgenommen.

Im Rahmen der Erschließung arbeiten Archivare das Archivgut so auf, dass es für die Benutzung zugänglich wird. Ziel ist dabei die Erstellung eines Findbuchs, dass den Bestand einordnet und gliedert. Findbücher werden oft publiziert und liegen in wissenschaftlichen Bibliotheken aus. Die Inhalte der Findbücher werden heutzutage zusätzlich in Online-Datenbanken veröffentlicht.

Eine Recherche im Archiv ist wesentlich schwieriger und aufwendiger als in einer Bibliothek. Daher geben Archivare des höheren Dienstes den Nutzern wichtige Hinweise. Gleichzeitig wird aber auch die Verwaltung beraten, um einen geordneten Aktentransfer zum Archiv zu gewährleisten.

Historische Karte

Im höheren Dienst sind Archivare Führungskräfte und werden konzeptionell tätig. Der Unterschied zum gehobenen Dienst ergibt sich daraus, dass neben der Facharbeit auch darüber hinaus gehende Aufgaben, wie die Beratung der Verwaltung, die Abwägung rechtlicher Fragestellungen und die Personalplanung, erfüllt werden.

Archivare sind also keineswegs nur „im stillen Kämmerlein" tätig: Benutzeranfragen müssen betreut werden, einzelne Themenkomplexe werden durch Ausstellungen der Öffentlichkeit präsentiert.

Für eigene wissenschaftliche Publikationen reicht die Arbeitszeit eigentlich nicht mehr aus. Allzu idealistisch sollte man daher nicht an den Beruf des Archivars herangehen.

Durch die Verbreitung elektronischer Kommunikationsformen hat sich der „Archiv-Rohstoff" geändert. Die Sicherung des Archivguts ist beispielsweise durch E-Mail-Verkehr in den Behörden zu einer schwierigen Herausforderung geworden.

Die Tätigkeit in kommunalen Archiven ist sehr breit angelegt, da sie oft personell nicht gut ausgestattet sind. Allerdings bietet ein Kommunalarchiv viel Gestaltungsspielraum für eigene Initiativen.

Kirchliche Archive sind stark in die innerkirchliche Verwaltung eingebunden. Hier wird meist die konfessionelle Zugehörigkeit erwartet.


Chancen

Sobald man zum Archivar des höheren Dienstes ausgebildet ist, sind die Chancen auf eine Anstellung sicher nicht schlecht. Allerdings sollte man bundesweit mobil sein. Aus diesem Grund ist die Anzahl der Bewerber zum Archivdienst nach wie vor ungebrochen.

Der überwiegende Teil ausgebildeter Archivare findet in staatlichen und kommunalen Archiven Beschäftigung. Daneben eröffnen sich Möglichkeiten auch in Archiven der Kirchen, Parteien, Verbände sowie der Wirtschaft und in wissenschaftlichen Einrichtungen. Der Beamtenstatus wird Archivaren (anders als Bibliothekaren) sehr wahrscheinlich erhalten bleiben. Deutschlandweit gibt es schätzungsweise maximal 1.000 Stellen für den höheren Dienst.

Folgende Aufstiegsmöglichkeiten existieren: Referatsleitung, Abteilungsleitung, Archivleitung.

Wirtschaftsarchive bieten nur einer sehr kleinen Zahl von Absolventen Jobchancen. Darüber hinaus sind diese Positionen in wirtschaftlich angespannten Zeiten potentiell gefährdet. Das Archiv trägt auf den ersten Blick nicht messbar zum Unternehmenserfolg bei.

Weitere verwandte Artikel auf Berufe-für-Historiker.de: Interview mit Malte Bischoff, Archivdezernent Landesarchiv Schleswig-Holstein

 


Weblinks

Archivschule Marburg

Archivalia

Informationen zur Ausbildung für den höheren Archivdienst in Bayern

Landesarchiv Baden Württemberg - Unter der Rubrik "Ausbildung" finden sich u.a. auch Erfahrungsberichte und zahlreiche weitergehende Informationen.

Sebastian Gleixner: Ich werde Archivar! Raus aus dem Staub und rein in die Metadaten: Vom Wandel eines Berufsbildes - Ein interessanter Erfahrungsbericht eines Archivreferendars beim Bundesarchiv.

Verband deutscher Archivarinnen und Archivare

Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare


Literaturhinweise

Eckhardt, Wilhelm A. (Hrsg.): Wissenschaftliche Archivarausbildung in Europa, Marburg 1989.

Gabel, Helmut: Gesellschaft und 'historisches Gedächtnis': Archivwesen im Wandel, in: Wolfgang Schmale (Hrsg.): Studienreform Geschichte - kreativ, Bochum 1997, S. 1167-182.

Menne-Haritz, Angelika: Blätter zur Berufskunde. Archivar/Archivarin (höherer Dienst). Herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit; Nr. 3 - X A 01, 1996.

Literaturhinweise zu Unternehmensarchiven / Historischer Kommunikation:

K. Jahnke: Das Thema History-Marketing gewinnt für die Markenpflege an Bedeutung, Horizont (13) 2005, S. 22 ff.

T. Johne: Das Firmenjubiläum: Marketing-Kommunikation zu einem besonderen Anlass, 1999.

A. Mikus: Firmenmuseen in der BRD. Schnittstelle zwischen Kultur und Wirtschaft, 1997.

Mareike Ochs: Tradition, Werte, Heritage in der der PR - Die Bedeutung der Unternehmensgeschichte für Unternehmenskommunikation am Beispiel der Bosch-Gruppe und anderer Unternehmen [Diplomarbeit, Hochschule Pforzheim, 2006], 2006.

A. Schug: History Marketing. Ein Leitfaden zum Umgang mit Geschichte im Unternehmen, 2003.

K. Wieking: PR aus dem Archiv, Werben & Verkaufen (48) 2003, S. 30-31.

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