Listige Intelligenz
Die italiensiche Journalistin Oriana Fallaci ist tot
Oriana Fallaci (1963)  © dpa
Sie war eine Star-Journalistin, eine starke Stimme in der Welt. Oriana Fallaci war Kriegsreporterin, Bestsellerautorin, Provokateurin und mutige Einzelkämpferin. Journalistin wollte sie schon mit 16 Jahren werden. Da schrieb sie Prozessberichte und wurde mit knapp 20 Jahren Mitarbeiterin der großen italienischen Wochenzeitschrift "L’Epoca". Bekannt wurde sie durch ihre einzigartige Interviewtechnik. Sie war aggressiv und zugleich tiefgründig, entwaffnend scharf und politisch.
1963 verlegte "La Fallaci" ihren Wohnsitz von Florenz nach New York, um international Karriere zu machen. Sie interviewte die ganz Großen: Fidel Castro, Arafat, Gaddafi, Kissinger - und als erste westliche Frau Ajatollah Khomeini kurz nach der iranischen Revolution, womit sie berühmt wurde. Fallacis legendäre Kriegsreportagen aus Vietnam, zum Beispiel mit dem nordvietnamesischen General Giap, der entscheidend am Scheitern der USA in Vietnam beteiligt war, machten regelrecht Furore. Für Schlagzeilen sorgte sie erstmals 1978: Im damaligen italienischen Wochenmagazin "L’Europeo" schrieb sie, den Mord an dem Filmregisseur Pier Paolo Pasolini habe nicht ein Stricherjunge begangen, sondern sie vermutete eine rechtsradikale Schlägertruppe. Dafür kam sie vier Monate ins Gefängnis und wurde mit einem Jahr Berufsverbot belegt.
Populär wurde sie auch durch ihre Bücher. Die erfolgreichsten waren unter anderem das sehr persönliche "Brief an ein nie geborenes Kind" (1975), in dem sie das Problem der Abtreibung verarbeitete - und "Ein Mann", die Lebensgeschichte ihres Lebensgefährten, einem griechischen Dichter und Widerstandskämpfer, der wegen eines Attentatversuchs gegen die griechische Militärjunta zum Tode verurteilt worden war. Nach seiner Freilassung 1976 starb er. Die Umstände seines Todes waren für Fallaci politisch motiviert. Mit ihrem Roman "Inschallah" (1992), einem fiktionalen Bericht über italienische Truppen im Libanon, landete sie einen Bestsellererfolg.
Deutliche Worte
Mit einem sehr emotionalen Artikel im "Corriere della Sera" brachte sie sich, inzwischen krebskrank, nochmals in die öffentliche Diskussion. Als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 in New York warf sie der islamischen Welt vor, sich im Krieg gegen die Zivilisation zu befinden und rief das "verweichlichte Europa" dazu auf, die eigenen Werte konsequenter zu verteidigen. Ihre Überlegungen gipfelten in der Frage: "Welchen Sinn hat es, Leute zu respektieren, die uns nicht respektieren?" Daraufhin erhielt die Zeitung zahlreiche Leserbriefe, die später gesammelt und veröffentlicht wurden.
Oriana Fallaci (2002)  © ap
Fallacis Auseinandersetzung mit dem 11. September 2001 mündete schließlich in ihren Roman "Die Wut und der Stolz". Das Buch machte weltweit Schlagzeilen und wurde ein heiß diskutierter Bestseller. Während in Frankreich Bürgerrechtler einen Prozess wegen Anstiftung zum Rassenhass gegen Fallaci anstrengten, wurde es von Feuilletonisten als "wichtigstes politisches Buch des Jahres" gerühmt. Streitbar blieb sie bis zum Schluss. Für ihr letztes Buch "Die Kraft der Vernunft" wurde Oriana Fallaci von islamischen Vertretern wegen Beleidigung der islamischen Religion angeklagt. Darin beschreibt sie den Islam als aggressive und expansive Religion. Noch im Juni 2006 wurde wegen dieses Buchs ein Prozess gegen Fallaci im italienischen Bergamo eröffnet. Die Wut hat man ihr als entscheidendes Gefühl nachgesagt. Ihre Härte hat andere Menschen immer wieder überrascht. In Italien wurde sie von den Intellektuellen geschnitten. Auch im Rest Europas war sie zur umstrittenen Figur geworden. Am 15. September 2006 erlag die 76-Jährige in Florenz ihrem Krebsleiden.

Kulturzeit: montags bis freitags, um 19.20 Uhr

Das Buch der Klagen - Autorin Oriana Fallaci wird beschuldigt, den Islam zu verunglimpfen
Vor 30 Jahren ermordet - Pier Paolo Pasolini

15.09.2006 / Giulia Basile (Kulturzeit) / lj
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