Martin Luther

Christi Ablaßbrief

Nu wollen wir sehen den allerkräftigsten Ablaßbrief, der noch nie auf Erden kam; und darzu nicht umb Geld verkauft, sondern idermann umbsonst geben. Andere Lehrer setzen die Genugthuung in den Beute und Druhen; aber Christus setzet sie in das Herz, daß sie nicht näher gesetzt mag werden: also, daß du nicht darfst gen Rom, noch gen Jerusalem, noch zu St. Jacob, noch hieher oder dorthin laufen umb Ablaß; und kann denselben sowohl lösen der Arm als der Reich, der Krank als der Gesund, der Laie als der Priester, der Knecht als der Herr.

Und der Ablaßbrief lautet auf Deutsch also:

Math. 6,14.15.

Wenn ihr vergebt euren Schüldigern: so wird euch mein Vater auch vergeben. Werdet ihr aber nicht vergeben: so wird euch mein Vater auch nicht vergeben.

Dieser Brief mit den Wunden Christi selbs versiegelt, und durch seinen Tod bestätiget, ist gar nahend verblichen und verwesen, durch die großen Platzregen des Römischen Ablasses. Da kann sich niemand entschüldigen, daß ihm seine Sünde nicht vergeben werden, oder bös Gewissen behält; denn Christus spricht nicht: Du sollst für deine Sünde so viel fasten, so viel beten, so viel geben, dieß oder das thun; sondern: willt du genug thun, und deine Schüld bezahlen, deine Sünde ablöschen, höre meinen Rath, ja Gebot: thue nicht mehr, denn laß alles nach, und wandel dein Herz, da dich niemand hindern kann; und bis hold dem, der dich beleidiget. Vergib nur du, so ist es alles schlicht. Warumb prediget man solch Ablaß nicht auch? Gilt Christus Rath und Verheißen nicht so viel, als ein Traum eines Predigers? Ja solch Ablaß wird nicht St. Peters Kirchen, (die der Teufel wohl leiden mag,) bauen; denn Holz und Stein ficht ihn nicht fast an, aber fromme, einhellige Herzen, die thun ihm das Herzleid an.

Darumb mag man dieß Ablaß nicht umbsonst. Jenes wird man nicht satt und allen Kosten. Nich, daß ich Römisch' Ablaß verwerfe; sondern, daß ich wollt, ein iglich Ding in seinen Würden gehalten werde; und wo man gut Gold umbsonst haben kann, daß man Kupfer nicht theurer, denn das Gold werth ist, achtet. Hüte dich nur für der Farb und dem Gleißen. Am zehenten Tage des Brachm. Anno 1523

Quelle:
Dr. Johann Konrad Irmischer
Martin Luthers polemische Schriften
Dritter Band
Erlangen 1841