Martin Luther

Sermon von Ablass und Gnade 1518

Zum Ersten, sollt ihr wissen, dass etlich neu Lehrer, als Magister Sententiarum, St. Thomas, und ihre Folger, geben der Buss drei Theil, nämlich: Die Reu, die Beicht, die Gnugthuung. Und wiewohl dieser Unterscheid (noch ihrer Meinung,) schwerlich, adder auch gar nichts gegrundet erfunden wird in der heiligen Schrift, noch in den alten heiligen christlichen Lehrern, doch wollen wir das itzt so lassen bleiben, und nach ihrer Weis reden.

Zum Andern, sagen sie: der Ablass nimmt nicht hin das erst adder ander Theil, das ist, die Reu adder Beicht, sundern das dritt, nämlich die Gnugthuung.

Zum Dritten: die Gnugthuung wird weiter getheilet in drei Theil, das ist, Beten, Fasten, Almusen; also, das Beten begreif allerlei Werk, der Seelen eigen, als lesen, dichten, horen Gottis Wort, predigen, lehren und dergleichen. Fasten gegreif allerlei Werk der Kasteiung seins Fleischs, als wachen, erbeiten, hart Lager, Kleider etc. Almusen begreif allerlei gute Werk der Lieb und Barmherzikeit gegen den Nähsten.

Zum Vierten, ist bei ihn allen ungezweifelt, dass der Ablass hinnimmt dieselben Werk der Gnugthuung, vor die Sund schuldig zu thun adder aufgesetz. Dann so er dieselben Werk sollt all hinnehmen, blieb nichts Gutes mehr da, das wir thun mochten.

Zum Funften, ist bei vielen gewest ein grosse und noch unbeschlossene Opiny, ab der Ablass auch etwas mehr hinneme, dann sulche aufgelegte gute Werk, nämlich, ab er auch die Peine, die gottlich Gerechtigkeit vor die Sunde furdert, abnehme.

Zum Sechsten, lass ich ihre Opiny unverworfen auf dasmal; das sag ich, dass man aus keiner Schrift bewähren kann, dass gottlich Gerechtigkeit etwas Pein adder Gnugthuung begehre, adder fordere von dem Sunder, dann allein seine herzliche und wahre Reu, adder Bekehrung, mit Vorsatz, hinfurter das Kreuz Christi zu tragen, und die obgenannten Werk (auch von Niemand aufgesetzt,) zu uben.

Dann so spricht er durch Ezechiel (c. 18,21; 33,14ff): Wann sich der Sunder bekehrt, und thut recht, so will ich seiner Sund nit mehr gedenken. Item, also hat er selbs all die absolvirt, Maria Magdalena, den Gichtbruchtigen, die Ehebrecherin etc. Und mocht wohl gerne horen, wer das anders bewähren soll, unangesehen, dass etlich Doctores so daucht hat.

Zum Siebenten: Das findet man wohl, dass Gott Etlich noch seiner Gerechtikeit strafet, adder durch Peine dringt zu der Reu, wie im 89 Psalm v. 31-34: So sein Kindere werden sundigen, will ich mit der Ruthen ihre Sunde heimsuchen, aber doch mein Barmherzikeit nit von ihn wenden. Aber diese Peine steht in Niemands Gewalt, nachzulassen, dann allein Gottes; ja, er will sie nit lassen, sunder vorspricht, er woll sie auflegen.

Zum Achten: Derhalben so kann man derselben gedunkten Pein keinen Namen geben, weiss auch Niemand, was sie ist, so sie diese Straf nit ist, auch die guten obgenanten Werk nit ist.

Zum Neunten, sag ich: Ob die christenliche Kirche noch heut beschluss und auserkläret, dass der Ablass mehr dann die Werk der Gnugthuung hinnehme; so wäre es dennocht tausendmal besser, dass kein Christenmensch den Ablass loset adder begehret, sundern dass sie lieber die Werk thäten, und die Pein litten. Dann der Ablass nit anderst ist nach mag werden, dann Nachlassung guter Werk und heilsamer Pein, die man billiger sollt erwählen, dann verlassen.

Wiewohle etlich der neuen Prediger zweierlei Peine erfunden, medicativas, satisfactorias, das ist, etlich Pein zur Gnugthuung, etlich zur Besserung. Aber wir haben mehr Freiheit, zu verachten (Gott Lob!) sulchs und dessgleichen Pläuderei, dann (6) sie haben, zu erdichten; dann alle Pein, ja alls, was Gott auflegt, ist besserlich und zuträglich den Christen.

Zum Zehenten: Das ist nichts geredt, dass der Pein und Werk zu viel sein, dass der Mensch sie nit mag volnnbrengen, der Kurz halben seins Lebens, darumb ihm noth sei der Ablass. Antwort ich, dass das kein Grund hab und ein lauter Gedicht ist.

Dann Gott und die heilige Kirche legen Niemand mehr auf, dann ihm zu tragen muglich ist, als auch St. Paul (1 Cor. 10,13) sagt: dass Gott nit lässt vorsucht werden Jemand, mehr, dann er mag tragen. Und es lautet nit wenig zu der Christenheit Schmach, dass man ihr Schuld gibt, sie lege auf mehr, dann wir tragen kunnen.

Zum Eilften: Wann gleich die Buss, im geistlichen Recht gesetzt, itzt noch gingen, dass vor ein iglich Todsund sieben Jahr Buss aufgelegt wäre: so musst doch die Christenheit dieselben Gesetz lassen, und nit weiter auflegen, dann sie einem Iglichen zu tragen wären: viel weniger nu sie itzt nicht sein, sall man achten, dass nicht mehr aufgelegt werde, dann Idermann wohl tragen kann.

Zum Zwölften: Man sagt wohl, dass der Sunder mit der uberigen Pein ins Fegfeur adder zum Ablass geweiset sall werden, aber es wird wohl mehr Dings ahn Grund und Bewährung gesagt.

Zum Dreizehenten: Es ist ein grosser Irrthum, dass Jemand meine, er wolle gnugthun vor seine Sund, so doch Gott dieselben allzeit umsunst, aus unschätzlicher Gnad vorzeihet, nichts dafur begehrend, dann hinfurter wohl leben. Die Christenheit furdert wohl etwas; also mag sie und sall auch dasselb nachlassen und nichts Schweres adder unträglich auflegen.

Zum Vierzehenten: Ablass wird zugelassen um der unvollkommen und faulen Christen willen, die sich nit wollen kecklich uben in guten Werken, adder unleidlich sein. Dann Ablass furdert niemand zum Bessern, sunden duldet und zulässet ihr Unvolkommen. Darumb soll man nit wider das Ablass reden; man sall aber auch Niemand darzu reden.

Zum Funfzehenten: Viel sicherer und besserer thät deer, der lauter um Gottis willen gäbe zu dem Gebäude St. Petri, adder was sunst gnannt wird, dann dass er Ablass darfur nähme. Dann es fährlich ist, dass er sulch Gabe umb des Ablass willen, und nit umb Gottis willen gibt.

Zum Sechzehenten: Viel besser ist das Werk, einem Durftigen erzeigt, dann das zum Gebäude geben wird, auch viel besser, dann der Ablass, dafur gegeben. Dann (wie gesagt,) es ist besser ein gutes Werk gethan, dann viel nachgelassen. Ablass aber ist Nachlassung viel guter Werk, adder ist nichts nachgelassen.

Ja, dass ich euch recht unterweise, so merkt auf: Du sallt vor allen Dingen (wider St. Peters Gebäud noch Ablass angesehen,) deinem nähsten Armen geben, willt du etwas geben. Wann es aber dahin kummt, dass Niemand in deiner Stadt mehr ist, der Hulf bedarf, (das, ob Gott will, nimmer geschehen sall,) dann sallt du geben, so du willt, zu den Kirchen, Altären, Schmuck, Kilch, die in deiner Stadt sein. Und wenn das auch nun nit mehr noth ist, dann allererst, so du willt, magst du geben zu dem Gebäude St. Peters, adder anderswo.

Auch sallt du dennoch nit das umb Ablass willen thun. Dann St. Paul spricht (1 Tim 5,8): Wer sein Heusgenossen nit wohlthut, ist kein Christen, und ärger dann ein Heide. Und halt darfur frei, wer dir anders sagt, der vorfurht dich, adder sucht je dein Seel in deinem Beutel, und fund er Pfennig darinne, das wär ihm lieber, dann all Seelen.

So sprichst du: So würd ich nimmermehr Ablass losen. Antwort ich: Das hab ich schon oben gesagt, dass mein Will, Begierde, Bitt und Rath ist, dass Niemand Ablass lose. Lass die faulen und schläferigen Christen Ablass losen, gang du fur dich.

Zum Siebenzehenten: Der Ablass ist nicht geboten, auch nicht gerathen, sundern von der Dinger Zahl, die zugelassen und erläubt werden. Darumb ist es nit ein Werk des Gehorsams, auch nit vordienstlich, sundern (8) ein Auszug des Gehorsams. Darumb wiewohl man Niemand wehren soll den zu losen, so sollt man doch alle Christen darvon ziehen, und zu den Werken und Peinen, die do nachgelassen, reizen und stärken.

Zum Achtzehenten: Ab sie Seelen aus dem Fegfeur gezogen werden durch den Ablass, weiss ich nit, und gläub das auch noch nit; wiewohl das etlich neu Doctores sagen, aber ist ihn unmuglich zu bewähren, auch hat es der Kirche noch nit beschlossen. Darumb zu mehrer Sicherheit viel besser ist es, dass du vor sie selbst bittest und wirkest; dann diess ist bewährter und ist gewiss.

Zum Neunzehenten: In diesen Puncten hab ich nit Zweifel, und sind gnugsam in der Schrift gegrundt. Darumb sollt ihr auch kein Zweifel haben, und lasst Doctores scholasticos Schlastocis sein; sie sein allsamt nit gnug mit ihren Opinien, dass sie eine Prediget befestigen sollten.

Zum Zwänzigsten: Ab Etlich mich nu wohl einen Ketzer schelten, denn salch Wahrheit sehr schädlich est im Kasten, so acht ich doch sulch Geplärre nit gross; sintemal das nit thun dann etlich finster Gehirne, die die Biblien nie gerochen, die christenliche Lehrer nie gelesen, ihr eignen Lehrer nie vorstanden, sundern in ihren lochereten und zurissen Opinien viel nah vorwesen. Dann hätten sie die forstanden, so wüssten sie, dass sie Niemand sollten lästern unvorhort und unuberwunden. Doch Gott geb ihn und uns rechten Sinn. Amen.