Deutsche Versionenglish version
Impressum
Kontakt
Sitemap
Members

Maligne Tumore der Schilddrüse

 

9. Prognose

9.1. Differenziertes (papilläres, follikuläres) Schilddrüsenkarzinom

Differenzierte Schilddrüsenkarzinome haben eine sehr gute Prognose. So sind 10- und 20-jährige Überlebensraten für das papilläre Schilddrüsenkarzinom mit 96 bzw. 95 %, für das follikuläre Schilddrüsenkarzinom mit 84 % bzw. 79 % angegeben.
Vorallem im angloamerikanischen Bereich wurde durch multivariate, retrospektive Analysen eine Definition von Prognosefaktoren definiert.

Papilläres Schilddrüsenkarzinom
Die unabhängigen signifikanten Faktoren werden im AGES-Score (A=Age, G=Tumorgrade, E=Tumorextend, S=Tumorsize) zusammengefaßt. AMES inkludiert Age, Metastases, Tumorextend und Size. Auch verstarben Patienten mit aneuploidem Tumor signifikant häufiger am Schilddrüsenkarzinom, als jene mit diploidem Primärtumor .

Follikuläres Schilddrüsenkarzinom
Prognostische Faktoren sind ein Alter über 50 Jahre, eine massive Gefäßinvasion sowie Fernmetastasen zur Zeit der Diagnose. Patienten mit hohem Risiko (high risk) zeigen zwei bis drei dieser Faktoren, Patienten mit niedrigem Risiko (low risk) zeigen keinen oder nur einen relevanten Faktor. Bei Vergleich beider Gruppen zeigt sich eine signifikant bessere Prognose in der low-risk-Gruppe.
Bei papillären und follikulären Tumorformen wird der Befall von Lymphknotenmetastasen als prognostischer Faktor noch untersucht.

Prognose und Prognosefaktoren des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms
C. Passler, C. Scheuba, G. Prager, M. Schindl, B. Niederle

Zusammenfassung


Grundlagen:
Das differenzierte (papilläre, follikuläre) Schilddrüsenkarzinom (DTC) ist charakterisiert durch seine außergewöhnlich gute Prognose und durch eine geringe karzinomspezifische Mortalität. In zahlreichen Studien wurden Prognosefaktoren ermittelt und anhand dieser Staging-Systeme als Hinweis auf die voraussichtliche individuelle Prognose des Patienten definiert.

Methodik:
In einer Literaturübersicht werden die Staging-Systeme des DTC zusammengefasst und eine Wertung versucht.

Ergebnisse:
Als wichtigste und konstante Prognosefaktoren wurden in multivariaten Analysen Patientenalter, lokale Invasion des Schilddrüsenkarzinoms und Fernmetastasierung erkannt. Diese Faktoren werden daher in den diversen Staging-Systemen neben Geschlecht, Lymphknotenbefall, histologischer Klassifizierung, Tumorgrading, -größe und DNA-Ploidität berücksichtigt.
80 – 90% der Patienten entfallen auf günstige Prognosegruppen mit einem 10 Jahresüberleben über 90%. Alle Studien, welche Staging-Systeme entwickelten konnten signifikante Unterschiede in karzinomspezifischer Mortalität und rezidivfreiem Intervall zwischen definierten Prognosegruppen nachweisen. Ein Vergleich verschiedener Staging-Systeme konnte zeigen, dass ähnliche Prognoseunterschiede in allen Systemen reproduzierbar sind und kein System dem TNM-Staging-System der UICC überlegen ist.

Schlussfolgerungen:
Das TNM-Staging-System hat sich aufgrund seiner einfachen Handhabung und seiner hohen prognostischen Aussagekraft international als das Klassifikations-System der Wahl etabliert.

Schlüsselwörter: Schilddrüsenkarzinom, Prognose, Prognosefaktoren, Staging


Einleitung:


Die von den Thyreozyten ausgehenden Schilddrüsenkarzinome werden anhand ihrer histologischen Kriterien in differenzierte und undifferenzierte (anaplastische) Karzinome unterteilt. Unter den differenzierten Karzinomen (DTC) unterscheidet man das papilläre (PTC) und das follikuläre Schilddrüsenkarzinom (FTC). Als zusätzliche Entität unter den differenzierten Karzinomen wird seit 1984 eine niedrig differenzierte Variante, das sogenannte insuläre Karzinom (ITC) geführt (9). Während PTC und FTC mit einer 5-Jahresüberlebensrate (JÜR) von 94 % bzw. 78% eine sehr gute Prognose aufweisen, ist andererseits das anaplastische Karzinom (ATC) mit einer medianen Überlebenszeit von 3 Monaten ein besonders bösartiges Karzinom (26). Das ITC zeigt im Vergleich zu den gut differenzierten Karzinomen mit einer 5-JÜR von 36% eine deutlich schlechtere Prognose (Abb. 1).
Zahlreiche Untersuchungen wurden durchgeführt um Prognosefaktoren zu definieren. Patientenalter, Infiltration des Karzinoms in die Umgebung und Fernmetastasierung wurden dabei als wichtige und konstante Prognosefaktoren beschrieben. Daneben wurden in einzelnen Studien noch zahlreiche andere Prognosefaktoren (Geschlecht, Lymphknotenbefall, histologische Klassifizierung, Tumorgrading und –größe, DNA-Ploidität) analysiert und als signifikant erkannt. Um den klinischen Umgang mit diesen Prognosefaktoren zu erleichtern, wurden Staging-Systeme, als Hinweis auf die voraussichtliche individuelle Prognose des Patienten entwickelt.

Prognosefaktoren:


Es lassen sich patientenbezogene, tumorbezogene und therapiebezogene Prognosefaktoren unterscheiden (30).

Zu den patientenbezogenen Prognosefaktoren gehören Alter zum Zeitpunkt der Diagnose und Geschlecht, wobei das Alter als der wichtigste Prognosefaktor erkannt wurde (30). Rezidivrate und karzinomspezifische Mortalität steigen linear mit zunehmendem Alter (1,10,15,23,31,35,36). Ältere Patienten neigen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung schlechter differenzierte und lokal infiltrierende Karzinome, sowie Fernmetastasen aufzuweisen (30). Die Bedeutung des Alters als Prognosefaktor spiegelt in allen entwickelten Staging-Systemen wieder. Das Geschlecht konnte hingegen nur in einigen Studien als unabhängiger Prognosefaktor identifiziert werden, wobei das männliche Geschlecht als Risikofaktor gilt. (1,8,23,29,36).

Tumorbezogene Risikofaktoren sind der histologische Typ, der Differenzierungsgrad, Tumorgröße, Multifokalität und Infiltration in die Umgebung, Lymphknotenbefall und Fernmetastasierung (30).
Die Prognose des PTC ist besser als jene des FTC (Abb. 1). Innerhalb des PTC wurden histologische Varianten (tall-cell Variante, Zylinderzell-Variante, oxyphile Variante) mit einer schlechteren Prognose identifiziert, während die enkapsulierte und follikuläre Variante eine gute und die diffus sklerosierende Variante eine intermediäre Prognose zeigen (29).

Die Bedeutung des Differenzierungsgrades zeigt sich in der weitaus schlechteren Prognose des ITC im Vergleich zu den gut differenzierten Schilddrüsenkarzinomen (Abb. 1).
Als weiterer tumorbezogener Prognosefaktor wurde der DNA-Gehalt der Tumorzellen untersucht, wobei Aneuploidität als Risikofaktor identifiziert wurde (15,21,25).

Der Einfluss der Tumorgröße auf die Prognose des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms zeigt sich besonders eindrucksvoll am Beispiel des papillären Mikrokarzinoms (mPTC), welches aufgrund seiner besonders guten Prognose (3,16) als einziges Schilddrüsenkarzinom unter bestimmten Voraussetzungen (auch) einer eingeschränkt radikalen Therapie unterzogen werden kann (27). Außerdem findet sich ein linearer Anstieg der Rezidivrate und der tumorspezifischen Mortalität mit Zunahme der Tumorgröße (1,8,15,23).
Als weiterer wichtiger Prognosefaktor gilt die Tumorausdehnung, wobei besonders der lokalen Infiltration über die Schilddrüsenkapsel (pT4) (11,15,17,23,35) und den Fernmetastasen (5,12,20,28) wichtige Rollen zukommen. Die prognostische Bedeutung der Lymphknotenmetastasierung wird kontrovers diskutiert. Während einige Studien eine Prognoseverschlechterung durch Lymphknotenbefall nachweisen konnten (1,11,23,36), fand sich in anderen Studien kein signifikanter Einfluss auf das Überleben (15,17).

Wichtigster therapiebezogener Prognosefaktor ist die Ausdehnung des operativen Eingriffes, wobei die totale oder fast totale Thyreoidektomie die Rezidivrate und die tumorspezifische Mortalität im Vergleich zu den eingeschränkt radikalen Schilddrüseneingriffen reduziert (30).

In einer Betrachtung eigener 620 Patienten mit DTC und Erstbehandlung konnten mittels univariater Analyse folgende Risikofaktoren bezüglich tumorspezifischer Mortalität als statistisch signifikant identifiziert werden: Alter ³ 45 Jahre (p < 0.001), männliches Geschlecht (p = 0.018), Tumordurchmesser (p < 0.001), lokale Infiltration über die Schilddrüsenkapsel (p < 0.001), multifokaler Tumor (p = 0.036), Fernmetastasierung (p < 0.001), und Radikalität des operativen Eingriffes (p < 0.001). Der Lymphknotenbefall (p = 0.198) und die OP-Taktik (p = 0.384) hatten keinen statistisch signifikanten Einfluss auf das kumulative Überleben. Bezüglich OP-Taktik ist anzumerken, dass lediglich 13 % und hier wiederum fast ausschließlich papilläre Mikrokarzinome „eingeschränkt radikal“ (less than thyroidectomy) operiert wurden.

Abgesehen von der Multifokalität konnten diese Risikofaktoren auch in der multivariaten Analyse als unabhängige Prognosefaktoren bestätigt werden, wobei dem Alter des Patienten, der Fernmetastasierung, der R0-Resektion und der Tumorgröße mit p-Werten < 0.001 die größte statistische Signifikanz zukamen.

Staging-Systeme:

Basierend auf den genannten Risikofaktoren wurden verschiedene Staging-Systeme zusammengestellt, um Patienten hinsichtlich Rezidivrate und tumorspezifischer Mortalität in verschiedene Risikogruppen einteilen zu können.

1) Das European Organization for Research on Treatment of Cancer (EORTC) System:
Das System wurde 1979 entwickelt und stellt das erste Stagingsystem für Schilddrüsenkarzinome dar (7) (Tab. 1). Es basiert auf einer multivariaten Analyse von 507 Patienten aus 23 europäischen Krankenhäusern mit einer medianen Nachbeobachtung von 40 Monaten und inkludiert alle Schilddrüsenkarzinome, also auch anaplastische und medulläre Karzinome. Die Patienten wurden anhand eines Prognoseindex in 5 Risikogruppen unterteilt, wobei Gruppe 1 mit einer 5-JÜR von 95% die Gruppe mit der günstigsten Prognose war, welche sich bis zur Gruppe 5 mit einer 5-JÜR von 5% kontinuierlich verschlechterte (Gruppe 2: 80%, Gruppe 3: 51%, Gruppe 4: 33%). Der Schwachpunkt dieses Systems liegt in der Einbeziehung der medullären und anaplastischen Karzinome.

2) Das TNM-Staging (UICC) System:
Es wurde 1987 eingeführt, 1992 aktualisiert (18) und 1998 ergänzt (pN0 nur dann, wenn mindestens 6 Lymphknoten tumorfrei sind) (19) (Tab. 2). Anaplastische und medulläre Karzinome werden zwar berücksichtigt, allerdings getrennt klassifiziert. Anhand der TNM-Klassifikation werden die Patienten in 4 Stadien eingeteilt, wobei auch das Patientenalter berücksichtigt wird. Die Stadieneinteilung für Patienten < 45 Jahren umfasst nur Stadium I und II. Für die Einteilung ist das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Fernmetastasen, nicht aber die T-Klassifikation entscheidend. Mehrere Studien haben gezeigt, dass signifikante Unterschiede hinsichtlich karzinomspezifischer Mortalität zwischen den einzelnen Stadien bestehen(13,22). Dies konnte auch in der Analyse der eigenen Patienten gezeigt werden: Es ergab sich für das Stadium I eine 10-JÜR von 97.5%, für Stadium II 84.4%, für Stadium III 62.0% und für Stadium IV 26.4% (p < 0.001, Abb. 2).

3) Das AGES- und MACIS-System:
Das AGES-System wurde 1987 an 860 Patienten mit papillärem Schilddrüsenkarzinom an der Mayo Clinic entwickelt und beruht auf Alter (Age), Differenzierungsgrad (Grade), Tumorausdehnung (Extent) und Tumorgröße (Size) (14) (Tab. 3). Anhand eines Punktesystems werden 4 Risikogruppen beschrieben, die sich signifikant in ihrer karzinomspezifischen Mortalität (25-JÜR: Gruppe 1: 2%, Gruppe 2: 24%, Gruppe 3: 49%, Gruppe 4: 93%) unterscheiden. Da in diesem System auch das Tumorgrading einbezogen ist, dieses allerdings in vielen Zentren nicht angegeben wird, wurde das AGES-System 1993 zum MACIS-System umgewandelt (17) (Tab. 4). Folgende Prognosefaktoren stellen die Basis für dieses System dar: Fernmetastasen (Metastases), Alter (Age), Radikalität des operativen Eingriffes (Completeness of surgery), Tumorinvasion (Invasion) und Tumorgröße (Size). Die 4 Risikogruppen unterscheiden sich hinsichtlich 20-JÜR signifikant (Gruppe 1: 99%, Gruppe 2: 89%, Gruppe 3: 56%, Gruppe 4: 24%; p < 0.0001).

4) Das AMES- und DAMES-System:
Das AMES System wurde 1988 an der Lahey Clinic entwickelt und basiert auf Patientenalter (Age), Fernmetastasen (Metastases), Tumorausdehnung (Extent) und Tumorgröße (Size) (8) (Tab. 5). Es werden eine low-risk-Gruppe mit einer karzinomspezifischen Mortalität von 1.8% und eine high-risk-Gruppe mit einer karzinomspezifischen Mortalität von 46% unterschieden. Pasieka et al. (25) fügten 1992 als weiteren Risikofaktor die DNA-Ploidität hinzu und schufen damit das DAMES-System (Tab. 6) mit einer low-, intermediate und high-risk Gruppe, wobei in der low-risk Gruppe nur 8% der Patienten im Verlauf ein Rezidiv und/oder Fernmetastasen entwickelte, während dies bei 55% der intermediate-risk Patienten und bei 100% der high-risk Patienten der Fall war.

5) Das Institute Gustave-Roussy (IGR) System:
Der Nachteil dieses Systems liegt daran, dass es ausschließlich an Patienten mit differenziertem Schilddrüsenkarzinom ohne Fernmetastasen entwickelt wurde (36) (Tab. 7). Es werden nur 2 Prognosefaktoren für die Einteilung Patienten mit guter und mit schlechter Prognose herangezogen, nämlich Patientenalter und histologischer Typ und Differenzierungsgrad. Die beiden Gruppen unterschieden sich signifikant hinsichtlich der 25-JÜR: 2% vs. 30%.

6) Das Clinical Class Staging System:
Dieses System wurde 1990 an der Universität von Chicago zusammengestellt (11) (Tab. 8) und teilt die Patienten allein aufgrund der lokalen und systemischen Ausdehnung des Karzinoms in 4 Klassen, wobei sich die Klassen hinsichtlich tumorspezifischer Mortalität und Rezidivrate signifikant unterschieden (Klasse I: 0.8% bzw. 9.3%; Klasse II: 3.4% bzw. 23.6%; Klasse III: 13.8% bzw. 89.5%; Klasse IV: 70% bzw. 90%).

7) Das Ohio State University System
Anhand von Tumorgröße, positiver Lymphknoten, Multifokalität, lokaler Tumorinvasion und Fernmetastasen werden die Patienten in 4 Stadien unterteilt (23) (Tab. 9). Die Stadien unterschieden sich signifikant hinsichtlich Rezidivrate und Mortalität, wobei die günstigste Prognosegruppe nach 30 Jahren eine Rezidivrate von 8% und eine Mortalität von 0% aufwies, während das prognostisch ungünstigste Stadium IV eine Rezidivrate von 62% und eine Mortalität von 65% zeigte.

8) Das SAG-System:
In diesem 1993 an der Universität Bergen, Norwegen für das PTC eingeführten System wird dem Tumorgrading ein großer Stellenwert beigemessen (2) (Tab. 10). Dabei wird der Tumorgrad nicht am Wachstumstyp und Differenzierungsgrad der Tumorzellen, sondern an Zellatypien (nuclear Atypia), Tumornekrose (Necrosis) und Gefäßinvasion (Vascular invasion) (VAN-Score) gemessen. Wenn eines dieser 3 Elemente vorhanden ist, gilt der Tumor als high-grade (Grade 2), ansonsten als low-grade (Grade 1). Zusätzlich zum Tumorgrading werden Geschlecht und Alter für das Scoring-System herangezogen (Sex, Age, Grade) und 3 Prognosegruppen (SAG I-III) gebildet. Dabei bestand hinsichtlich karzinomspezifischer Mortalität kein signifikanter Unterschied zwischen SAG I und SAG II (15 JÜR: 98.3% bzw. 88.0%), wohl aber zu SAG III (15 JÜR: 39.0%).

9) Das Memorial Sloan Kettering System:
Diese 1994 publizierte Klassifikation unterscheidet eine low-, high- und intermediate-risk-Gruppe (32) (Tab. 11). Die Einteilung erfolgt aufgrund des Patientenalters, der Tumorgröße, dem histologischen Typ und Grading und dem Vorhandensein von Fernmetastasen. Die low-risk-Gruppe wies eine 20-JÜR von 97% auf, während intermediate- und high-risk Gruppe mit einer 20-JÜR von 85% bzw. 57% deutlich schlechter abschnitten.

10) Das UAB – MDACC Staging System:
Dieses anhand der Patienten der University of Alabama in Birmingham (UAB) und des M.D. Anderson Cancer Center (MDACC) in Houston, Texas entwickelte System unterscheidet eine low-, intermediate- und high-risk-Gruppe (4) (Tab. 12). Die Zuteilung in die entsprechenden Gruppen ist sehr einfach, da lediglich 2 Prognosefaktoren, Patientenalter und Fernmetastasen, herangezogen werden. In der low-risk-Gruppe finden sich Patienten unter 50 Jahren ohne Fernmetastasen, in der intermediate-risk-Gruppe Patienten ab 50 Jahren ohne Fernmetastasen und in der high-risk-Gruppe Patienten jeden Alters mit Fernmetastasen. Innerhalb der Risikogruppen wird anhand der Tumorgröße (£ 3cm, > 3cm) eine weitere Unterteilung vorgenommen. Die tumorspezifische Mortalität zeigte einen signifikanten Unterschied zwischen den einzelnen Gruppen, wobei kein Patient der low-risk-Gruppe am Karzinom verstarb.

11) Das National Thyroid Cancer Treatment Cooperative Study (NTCTCS) System:
Das NTCTCS wurde 1986 ins Leben gerufen (33), unter anderem mit der Absicht ein breit anwendbares Staging-System für das differenzierte Schilddrüsenkarzinom zu zeigen (Tab. 13). Zahlreiche Prognosefaktoren werden für die Stadieneinteilung herangezogen: Histologischer Typ, Patientenalter, Tumorgröße, Multifokalität, Tumorkapseleinbruch, Ausbreitung über die Schilddrüsenkapsel, Differenzierungsgrad, Lymphknoten- und Fernmetastasen. Sowohl hinsichtlich Mortalität als auch hinsichtlich rezidivfreien Intervalls bestanden signifikante Unterschiede zwischen den 4 Stadien (5-JÜR bzw. Rezidivfreiheit: Stadium I: 99.8% bzw. 94.3%; Stadium II: 100% bzw. 93.1%; Stadium III: 91.9% bzw. 77.8%; Stadium IV: 48.9% bzw. 24.6%). Ein Vergleich mit 6 anderen Klassifikationen erbrachte für das NTCTCS-System eine bessere Aussagekraft hinsichtlich tumorspezifischer Mortalität und rezidivfreiem Intervall (34).

12) Prognose-Index der Universität Murcia Spanien:
In dieser jüngst publizierten Studie wird ein weiteres Staging-System vorgestellt (24) (Tab. 14), wobei unter Einbeziehung von Tumorgröße, Tumorausbreitung, histologischer Variante und Patientenalter und unterschiedlicher Gewichtung derselben ein Prognoseindex errechnet und anhand dessen drei Risikogruppen (low, medium, high) gebildet werden. Die low-risk-Gruppe zeigte eine tumorspezifische Mortalität von 0% gegenüber 17.1% in der medium- und 76.5% in der high-risk-Gruppe.

Praktische Wertung:
Eine im Jahr 1997 erschienene Studie führte einen Vergleich aller bis dahin entwickelten Staging-Systeme am selben Krankengut durch (6). Dabei zeigte sich für jedes einzelne System ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den jeweiligen Stadien bzw. Risikogruppen. Der statistische Vergleich der einzelnen System konnte allerdings für keine Klassifikation eine Überlegenheit gegenüber dem TNM-Staging System der UICC erbringen, sodass die Autoren aufgrund der universellen Anwendbarkeit und breiten Akzeptanz auch bei anderen Karzinomen die Anwendung dieses Systems empfehlen.
Patientenalter, histologischer Typ, sowie lokale und systemische Tumorausbreitung sind in multivariaten Analysen als unabhängige Prognosefaktoren identifiziert worden (30). Anhand dieser und einiger anderer Prognosefaktoren wurden zahlreiche Staging- bzw. Scoring-Systeme entwickelt. Auffallend ist, dass 80-90% der Patienten unabhängig von den verwendeten Staging-Systemen auf die günstigen Prognosegruppen entfallen, was die sehr gute Prognose des DTC insgesamt bestätigt.
Das TNM-Staging der UICC hat sich sowohl hinsichtlich Aussagekraft, als auch hinsichtlich einfacher Handhabung als das Referenz-System etabliert. Um die Ergebnisse einzelner Zentren vergleichen zu können sollten die im TNM-Staging geforderten Angaben für jeden Patienten dokumentiert sein.

Literatur

1) Akslen LA, Haldorsen T, Thoresen SO, Glattre E: Survival and causes of death in thyroid cancer: a population-based study of 2479 cases from Norway. Cancer Res 1991; 51: 1234-1241.
2) Akslen LA: Prognostic importance of histologic grading in papillary thyroid carcinoma. Cancer 1993; 72: 2680-2685.
3) Baudin E, Travagli JP, Ropers J, Mancusi F, Bruno-Bossio G, Caillou B, Lumbroso J, Parmentier C, Schlumberger M: Microcarcinoma of the thyroid gland: the Gustave-Roussy Institute experience. Cancer 1998; 83: 553-559.
4) Beenken S, Roye D, Weiss H, Sellers M, Urist M, Diethelm A, Goepfert H: Extent of surgery for intermediate-risk well-differentiated thyroid cancer. Am J Surg 2000; 179: 51-56.
5) Beierwaltes WH, Nishiyama RH, Thompson NW, Copp JE, Kubo A: Survival time and cure in papillary and follicular thyroid carcinoma with distant metastases: statistics following University of Michigan therapy. J Nucl Med 1982; 23: 561-568.
6) Brierley JD, Panzarella T, Tsang RW, Gospodarowicz MK, O`Sullivan B: A comparison of different staging systems predictability of patient outcome. Thyroid carcinoma as an example. Cancer 1997; 79: 2414-2423.
7) Byar DP, Green SB, Dor P, Williams ED, Colon J, Van Gilse HA, Mayer M, Sylvester RJ, Van Glabbeke M: A prognostic index for thyroid carcinoma: a study of the EORTC Thyroid Cancer Cooperative Group. Eur J Cancer 1979; 15: 1033-1041.
8) Cady B, Rossi R : An expanded view of risk-group definition in differentiated thyroid carcinoma. Surgery 1988; 104: 947-953.
9) Carcangiu ML, Zampi G, Rosai J: Poorly differentiated (“insular”) thyroid carcinoma. Am J Surg Pathol 1984; 8: 655-668.
10) Carcangiu ML, Zampi G, Pupi A, Castagnoli A, Rosai J: Papillary carcinoma of the thyroid: a clinico-pathologic study of 241 cases treated at the University of Florence, Italy. Cancer 1985; 55: 805-828.
11) De Groot LJ, Kaplan EL, Mc Cormick M, Straus FH: Natural history, treatment, and course of papillary thyroid carcinoma. J Clin Endocrinol Metab 1990; 71: 414-424.
12) Dinneen SF, Valimaki MJ, Bergstralh EJ, Goellner JR, Gorman CA, Hay ID: Distant metastases in papillary thyroid carcinoma: 100 cases observed at one institution during 5 decades. J Clin Endocrinol Metab 1995; 80: 2041-2045.
13) Gilliland FD, Hunt WC, Morris DM, Key CR: Prognostic factors for thyroid carcinoma: a population-based study of 15698 cases from the Surveillance, Epidemiology and End Results (SEER) program 1973-1991. Cancer 1997; 79: 564-573.
14) Hay ID, Grant CS, Taylor WF, Mc Cohaney WM: Ipsilateral lobectomy versus bilateral lobar resection in papillary thyroid carcinoma: a retrospective analysis of surgical outcome using a novel prognostic scoring system. Surgery 1987; 102: 1088-1095.
15) Hay ID: Papillary thyroid carcinoma. Endocrinol Metab Clin N Amer 1990; 19: 545-576.
16) Hay ID, Grant CS, Van Heerden JA, Goellner JR, Ebersold JR, Bergstralh EJ: Papillary thyroid microcarcinoma: a study of 535 cases observed in a 50 year period. Surgery 1992; 112: 1139-1147.
17) Hay ID, Bergstralh EJ, Goellner JR, Ebersold JR, Grant CS: Predicting outcome in papillary thyroid carcinoma: development of a reliable prognostic scoring system in a cohort of 1779 patients surgically treated at one institution during 1940 through 1989. Surgery 1993; 114: 1050-1058.
18) Hermanek P, Sobin LH: TNM classification of malignant tumors, 4th edition, 2nd revision, UICC. Berlin Heidelberg New York, Springer, 1992.
19) Hermanek P, Hutter RVP, Sobin LH, Wagner G, Wittekind C: TNM-Atlas, 4. Auflage, UICC. Berlin Heidelberg New York, Springer, 1998.
20) Hoie J, Stenwig AE, Kullmann G, Lindegaard M: Distant metastases in papillary thyroid cancer: a review of 91 patients. Cancer 1988; 61: 1-6.
21) Joensuu H, Klemi PJ, Eerola E, Tuominen J: Influence of cellular DNA content on survival in differentiated thyroid cancer. Cancer 1986; 58: 2462-2467.
22) Loh KC, Greenspan FS, Gee L, Miller TR, Yeo PPB: Pathological tumor-node-metastasis (pTNM) staging for papillary and follicular thyroid carcinomas: a retrospective analysis of 700 patients. J Clin Endocrinol Metab 1997; 82: 3553-3562.
23) Mazzaferri EL, Jhiang SM: Long term impact of initial surgical and medical therapy on papillary and follicular thyroid cancer. Am J Med 1994; 97: 418-428.
24) Ortiz Sebastian S, Rodriguez Gonzalez M, Parilla Paricio P, Sola Perez J, Pérez Flores D, Pinero Madrona A, Ramirez Romero P, Tebar FJ: Papillary thyroid carcinoma. Prognostic index for survival including the histological variety. Arch Surg 2000; 135: 272-277.
25) Pasieka JL, Zedenius J, Auer G, Grimelius L, Hoog A, Lundell G, Wallin G, Backdahl M: Addition of nuclear DNA content to the AMES risk-group classification for papillary thyroid cancer. Surgery 1992; 112: 1154-1160.
26) Passler C, Scheuba C, Prager G, Kaserer K, Flores JA, Vierhapper H, Niederle B: Anaplastic (undifferentiated) thyroid carcinoma (ATC). A retrospective analysis. Langenbeck´s Arch Surg 1999; 384: 284-293.
27) Passler C, Scheuba C, Prager G, Kaserer K, Flores JA, Vierhapper H, Niederle B: Papillary microcarcinoma of the thyroid – a retrospective analysis of 124 cases. submitted.
28) Schlumberger M, Challeton C, De Vathaire F, Travagli JP, Gardet P, Lumbroso JD, Francese C, Fontaine F, Ricard M, Parmentier C: Radioactive iodine treatment and external radiotherapy for lung and bone metastases from thyroid carcinoma. J Nucl Med 1996; 37: 598-605.
29) Schlumberger M: Papillary and follicular thyroid carcinoma. N Engl J Med 1998; 338 (5): 297-306.
30) Schlumberger M, Pacini F: Thyroid tumors. Éditions Nucléon, Paris, 1999, pp 85-105.
31) Shah JP, Loree TR, Dharker D, Strong EW, Begg C, Vlamis V : Prognostic factors in differentiated carcinoma of the thyroid gland. Am J Surg 1992; 164: 658-661.
32) Shaha AR, Loree TR, Shah JP: Intermediate-risk group for differentiated carcinoma of the thyroid. Surgery 1994; 116: 1036-1041.
33) Sherman SI, Brierley JD, Sperling M, Ain KB, Bigos ST, Cooper DS, Haugen BR, Ho M, Klein I, Ladenson PW, Robbins J, Ross DS, Specker B, Taylor T, Maxon HR 3rd: Prospective multicenter study of treatment of thyroid carcinoma: initial analysis of staging and outcome. National Thyroid Cancer Treatment Cooperative Study Registry Group. Cancer 1998; 83: 1012-1021.
34) Sherman SI. Toward a standard clinicopathological staging approach for differentiated thyroid carcinoma. Semin Surg Oncol 1999; 16: 12-15.
35) Simpson WJ, Mc Kinney SE, Carruthers JS, Gospodarowicz MK, Sutcliffe SB, Panzarella T : Papillary and follicular thyroid cancer : prognostic factors in 1578 patients. Am J Med 1987; 83: 479-488.
36) Tubiana M, Schlumberger M, Rougier P, Laplanche A, Benhamou E, Gardet P, Caillou B, Travagli JP, Parmentier C: Long-term results and prognostic factors in patients with differentiated thyroid carcinoma. Cancer 1985; 55: 794-804


Legenden

Abb. 1:
Kumulatives Überleben von Patienten mit Schilddrüsenkarzinomen in Abhängigkeit vom histologischen Typ

Abb. 2:
Kumulatives Überleben von Patienten mit differenzierten Schilddrüsenkarzinomen in Abhängigkeit vom TNM-Stadium (UICC)

Tab. 1: EORTC-Scoring-System
Tab. 2: TNM-Staging (UICC) System
Tab. 3: AGES-System
Tab. 4: MACIS-System
Tab. 5: AMES-System
Tab. 6: DAMES-System
Tab. 7: Institute Gustave-Roussy (IGR) System
Tab. 8: Clinical Class Staging System
Tab. 9: Ohio State University System
Tab. 10: SAG-System
Tab. 11: Memorial Sloan Kettering System
Tab. 12: UAB – MDACC Staging System
Tab. 13: NTCTCS-System
Tab. 14: Universität Murcia System