Wegen Bespitzelungsaffäre

Razzia bei Ricke und Zumwinkel

Die Staatsanwaltschaft hat Häuser und Wohnungen des Ex-Vorstandschefs und des ehemaligen Aufsichtsratschefs der Telekom durchsucht. Anlass sind offenbar Aussagen eines ehemaligen Sicherheitsmanagers der Telekom.

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Die Staatsanwaltschaft hat den Wohnsitz des ehemaligen Telekom-Aufsichtsratschefs Klaus Zumwinkel am Gardasee und sein damaliges Haus in Köln durchsuchen lassen. Außerdem wurde in Büros der Zentrale der Deutschen Post gefahndet. Dort seien aber keine Unterlagen sichergestellt worden, sagte der Bonner Oberstaatsanwalt Friedrich Apostel. In Zumwinkels Schloss in Italien dagegen sind unter anderem zwei Computer beschlagnahmt worden.

Neben dem früheren Postchef steht auch der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Telekom Kai-Uwe Ricke auf der Liste der Fahnder: In seinem Haus in der Schweiz sowie im Haus von Rickes Ehefrau am bayerischen Ammersee gab es Razzien.

Sicherheitsmanager belastet Ricke und Zumwinkel

Hintergrund der aktuellen Ermittlungen ist offenbar die Verhaftung eines ehemaligen Mitarbeiters der Konzernsicherheit der Deutschen Telekom Mitte Dezember. Klaus Trzeschan, Ex-Chef der konzerninternen Sonderabteilung KS 3, gilt der Staatsanwaltschaft als Organisator der Bespitzelungen.

Trzeschan belastet Ricke und Zumwinkel schwer. In den vergangenen Wochen hatten sich die Hinweise verdichtet, dass die Spitzelaufträge an Trzeschan direkt von Zumwinkel und Ricke kamen. Nach FTD-Informationen sind dabei sowohl der zuständige Vorstand Heinz Klinkhammer als auch der damalige Chef der Konzernsicherheit Harald Steininger umgangen worden. Klinkhammer soll vielmehr ebenfalls zu den Bespitzelten zählen.

Gegen Kai-Uwe Ricke (links) und Klaus Zumwinkel wird wegen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz ermittelt
 Gegen Kai-Uwe Ricke (links) und Klaus Zumwinkel wird wegen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz ermittelt

Telekom erstattete Anzeige

Die Telekom hatte im Mai vergangenen Jahres selbst Strafanzeige bei der Bonner Staatsanwaltschaft erstattet, nachdem intern aufgedeckt worden war, dass 2005 und 2006 unter anderem Journalisten und Aufsichtsräte von der Konzernsicherheit bespitzelt worden waren.

Wie der "Spiegel" vor kurzem berichtete, sollen die Spitzel den scheidenden Finanzvorstand und künftigen Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick ebenso ausgeforscht haben wie den früheren Telekomvorstandsvorsitzenden Ron Sommer.

Die Nachforschungen der Staatsanwaltschaft richten sich vor allem gegen acht Personen, darunter Ricke und Zumwinkel. Ihnen werden Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz und gegen das Fernmeldegeheimnis vorgeworfen. Die neue Unternehmensführung um Vorstandschef René Obermann hatte nach eigenen Angaben keine Kenntnis von den Vorgängen aus früheren Jahren.

Ricke hatte zugegeben, den Auftrag zum Aufspüren und Ausschalten einer undichten Stelle in Auftrag gegeben zu haben - nicht aber den Abgleich und die Analyse der Verbindungsdatensätze. Auch Zumwinkel hat eine Mitverantwortung stets zurückgewiesen. Er habe sich in dieser Sache nichts vorzuwerfen, sagte er im Januar. Als damaliger Aufsichtsrat, auch als Vorsitzender des Gremiums, habe er keine Weisungsbefugnis gehabt. Das operative Geschäft habe der Vorstand geführt.

Besonders pikant sind die Ermittlungen gegen Zumwinkel, da er derzeit eine Bewährungsstrafe abbüßt. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Post war Ende Januar dieses Jahres vom Landgericht Bochum wegen Steuerhinterziehung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldbuße von 1 Mio. Euro verurteilt worden. Kurze Zeit später hatte er sich in Deutschland abgemeldet, um ganz in seine Burg am Gardasee zu ziehen.

Kein Einfluss auf Bewährungsstrafe

Doch obgleich Zumwinkel derzeit nur auf Bewährung frei ist, dürfte er wegen der Telekom-Affäre vorläufig nicht hinter Gitter kommen. "Die Sache hatte auf seine Bewährungsstrafe keinen Einfluss, da die Straftat, um die es geht, nicht im Bewährungszeitraum verübt wurde", sagt Alexander Ignor, Professor für Strafrecht an der Berliner Humboldt Universität, FTD.de. Falls Zumwinkel allerdings erneut verurteilt würde, könnte das bereits gesprochene Urteil aufgelöst und eine Gesamtstrafe gebildet werden, so der Rechtsexperte.

Im Gegensatz zum US-amerikanischen Strafrecht - wo sich das Strafmaß für alle begangenen Straftaten addiert, wird in Deutschland nach Paragraf 55 Strafgesetzbuch eine Gesamtstrafe gebildet, um zum Beispiel längere Haftstrafen nicht ins Unendliche auszudehnen. "Wahrscheinlich würde es sich im Fall Telekom aber ohnehin um eine zusätzliche Geldstrafe handeln", vermutet Ignor.

Der Anwalt von Zumwinkel wollte sich nicht zu der Razzia gegen seinen Mandaten äußern. Ein Sprecher Zumwinkels sagte, die Berichterstattung zeige zum wiederholten Male, dass vertrauliche Informationen aus Ermittlungsverfahren von Behörden nicht mit der gebotenen Sorgfalt als solche behandelt würden. "Herr Dr. Zumwinkel kooperiert seit vielen Monaten bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bonn zu den Vorgängen bei der Deutschen Telekom AG", hieß es. Der Manager werde auch weiterhin mit den Behörden zusammenarbeiten und begrüße, dass der Sachverhalt aufgeklärt werde.

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FTD.de, 13.03.2009
© 2009 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD.de

 

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