Es war nicht das erste Mal, dass sich Detlev Mehlis mit Rafik Hariri befasst hat. Vor 14 Jahren konnte der deutsche Oberstaatsanwalt den damaligen libanesischen Staatschef dazu bewegen, die Auslieferungspapiere für einen Drahtzieher des Anschlags auf die Berliner Diskothek La Belle zu unterschreiben - es war für Mehlis der entscheidende Durchbruch nach zehn Jahren Ermittlungen.
Nun ist Hariri selbst Gegenstand von Mehlis' Ermittlungen. Allerdings hatte der Berliner dieses Mal nicht zehn Jahre, sondern nur vier Monate Zeit, um die Ermordung Hariris im Auftrag der Vereinten Nationen aufzuklären. In dieser kurzen Zeit bewies Mehlis, dass er zupacken kann: 400 Zeugen hat er vernommen, zahllose Protokolle abgehörter Telefonate studiert, die syrische Regierung für ihre Blockadehaltung kritisiert und schließlich die Festnahme von vier hochrangigen libanesischen Generälen durch die örtlichen Behörden ermöglicht. Mehlis' Auftritt in Damaskus Mitte September, bei dem er mehrere hochrangige Politiker verhörte, hat dort ein politisches Erdbeben ausgelöst: Drei Wochen später nahm sich Innenminister Ghasi Kanaan das Leben.
Der selbstbewusste "Detlev from Germany", wie Kofi Annan seinen Ermittler Mitte Mai der Weltöffentlichkeit vorstellte, war angeblich nur die dritte Wahl des Uno-Generalsekretärs. Die nötige Erfahrung mit politisch brisanten Fällen bringt er mit. Als Staatsanwalt der Westberliner Senatsverwaltung war Mehlis in den 80er Jahren der "Abteilung P" zugeordnet, die sich mit linksradikalen Steinewerfern und Hausbesetzern beschäftigte.
Berühmt wurde er aber durch seine zwei großen Terroristenprozesse. Im Fall La Belle brachte er die Bombenleger hinter Gitter, die 1986 drei Menschen getötet und 230 verletzt hatten. Und 1995 gelang es Mehlis, im Jemen Johannes Weinrich aufzuspüren, die linke Hand des Terroristen "Carlos", der in den Anschlag auf das französische Kulturzentrum "Maison de France" verwickelt war.
Doch der Mann mit dem Bürstenhaarschnitt musste damals auch Kritik an seinen Ermittlungsmethoden einstecken. Im Fall La Belle konnte das Geständnis eines Libyers nicht verwertet werden, da Mehlis ihm im Austausch für eine Aussage offenbar mildere Strafen in Aussicht gestellt hatte - eine "verbotene Vernehmungsmethode", wie die Richter später feststellten. Und im Weinrich-Prozess unterlief Mehlis ein Rechenfehler bei den Opferzahlen.
In beiden Fällen äußerte Mehlis herbe Kritik an den syrischen und libyschen Geheimdiensten. Genau das erhoffen sich die USA und der Libanon auch von seinem Abschlussbericht. Der Erwartungsdruck auf Mehlis ist hoch. Der hat jüngst versprochen, Namen zu nennen. Aber er hat auch klargestellt: "Die Ermittlungen sind ergebnisoffen."
Aus der FTD vom 21.10.2005
© 2005 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP
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