Einleitung


Aufgaben/Organisation:

Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871[1] enthielt, ebenso wie schon die Verfassung des Norddeutschen Bundes aus dem Jahre 1867[2], keine näheren Bestimmungen über die Gestaltung der Reichsverwaltung. Allein der Reichskanzler besaß als einziger verantwortlicher Minister des Deutschen Reiches Verfassungsrang[3]. Wie er seine Pflichten und Aufgaben erfüllen sollte, blieb dagegen weitgehend unbestimmt und dem konkreten Gestaltungswillen des jeweiligen Amtsinhabers überlassen. Wegen dieser verfassungsrechtlichen Unbestimmtheit haftete der Reichsebene der Verwaltung des Deutschen Kaiserreiches bis zu dessen Ende der Charakter des Improvisierten und bisweilen auch Instabilen an[4].
Zunächst schien es tatsächlich so, als wolle Bismarck als einziger Minister des Reiches auch mit nur einer zentralen, einheitlichen Verwaltungsbehörde arbeiten. Das Bundeskanzleramt, auf dessen Organisation sein späterer Präsident Rudolf Delbrück wesentlichen Einfluss genommen hatte[5], nahm 1867 als Dienststelle des Bundeskanzlers seine Arbeit auf[6] und wurde bei der Ausweitung des Norddeutschen Bundes zum Deutschen Reich unter der Bezeichnung Reichskanzleramt weitergeführt. Die Zuständigkeit des Amtes war umfassend und beinhaltete neben der Funktion eines Büros für die ständigen Bundesratsausschüsse, der Abwicklung der Einnahmen und Ausgaben des Bundes auch die Vorbereitung der präsidialen Gesetzesvorlagen. Mit der Gründung des Deutschen Reiches übernahm das Reichskanzleramt auch noch die direkte Verwaltung des Reichslandes Elsaß-Lothringen und der Reichseisenbahnen.

Bereits in der Zeit des Norddeutschen Bundes war die Pflege der auswärtigen Beziehungen des Reiches, die zunächst durch das preußische Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten wahrgenommen werden sollte, einem eigenen Reichsamt, dem am 1. Jan. 1870 ins Leben gerufenen Auswärtigen Amt, übertragen worden. Das Konsularwesen fiel dagegen in die Zuständigkeit des Reichskanzleramtes. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes unterstand unmittelbar dem Reichskanzler, besaß jedoch weniger Freiheiten als Delbrück, weil zum einen Bismarck sein Dienstzimmer in den Räumen des Auswärtigen Amtes hatte und der Reichskanzler zum anderen die Außenpolitik des Deutschen Reiches in besonderer Weise als seine Domäne ansah.
In ähnlicher Weise war auch die Verwaltung der kaiserlichen Marine, die anders als die Verbände der Landstreitkräfte nicht in die Kompetenz der Bundesstaaten fiel und unmittelbar dem Kaiser zugeordnet war, nicht dem Reichskanzleramt inkorporiert, sondern 1872 gleich als eigenes Reichsamt eingerichtet worden.
Das rasche Anwachsen der administrativen Pflichten des Reiches führte in den folgenden Jahren zur Ausgründung mehrerer eigener Reichsämter, die für ihren Geschäftsbereich dem Reichskanzler jeweils direkt unterstanden und von Staatssekretären geleitet wurden. 1873 wurde so das Reichseisenbahnamt, 1876 das Amt des Generalpostmeisters und 1877 das Reichsjustizamt eingerichtet und die Zuständigkeiten des Reichskanzleramts jeweils beschnitten. Die wachsende persönliche Entfremdung zwischen Bismarck und Delbrück hat diese Entwicklung eher gefördert als gebremst. Bismarcks häufige Abwesenheiten von Berlin hatten die Bedeutung des ohnehin einflussreichen Präsidenten des Reichskanzleramtes nochmals so erheblich gesteigert, dass Bismarck fortan konsequent auf die Ablösung Delbrücks hinarbeitete. Mit dessen Demission im April 1876[7] wurde auch die Autorität des Reichskanzleramts, die nicht zuletzt auf der persönlichen Reputation seines Präsidenten beruhte, erheblich beeinträchtigt. Sein Nachfolger Karl Hofmann[8] konnte keine der Selbständigkeit Delbrücks vergleichbare Position mehr einnehmen.
Im Zusammenhang der Kanzlerkrise des Jahres 1877[9], begleitet von immer lauter werdenden Forderungen der Reichstagsparteien nach der Einrichtung eines Reichsministeriums mit dem gegenüber Reichstag verantwortlichen Ministern, konnte Bismarck mit der Verabschiedung des Stellvertretergesetzes vom 13. März 1878[10] und der Einrichtung der Reichskanzlei im Mai 1878 die Entwicklung der obersten Reichsverwaltung entscheidend in seinem Sinne vorantreiben und sogar bis zu einem gewissen Abschluss bringen. Mit dem Stellvertretergesetz wurde den Chefs der Reichsämter die ständige Stellvertretung des Reichskanzlers für ihre Geschäftsbereiche zuerkannt, gleichzeitig aber dem Reichskanzler das Recht eingeräumt, jede Angelegenheit unmittelbar an sich ziehen zu können. Nach wie vor blieb der Reichskanzler der einzige verantwortliche Minister. Die Ausgliederung des Reichsschatzamtes 1879 aus dem Reichskanzleramt und dessen Umbenennung in Reichsamt des Innern schlossen diese Entwicklung konsequent ab. Bis zum Ende des Kaiserreichs war damit der organisatorische Rahmen der Reichsleitung gesetzt.
Die Reichskanzlei sollte von Anfang an keine eigenständige institutionelle Funktion in diesem Gefüge erhalten. Im Juli 1877 hatte Christoph von Tiedemann, seit 1876 vortragender Rat im preußischen Staatsministerium und eine Art persönlicher Adjutant Bismarcks[11], Bismarck in Anlehnung an vergleichbare Einrichtungen in den preußischen Ministerien Vorschläge für die "Einrichtung eines Central-Bureaus [...], in welchem alle eine Mitwirkung Ew. pp. erfordernden Angelegenheiten der inneren - deutschen und preußischen - Politik ihren gemeinsamen Mittelpunkt finden könnten", vorgelegt[12]. Unter der Bezeichnung "General-Secretariat" sollte ein selbständiges Amt eingerichtet werden, dessen "Generalsecretair" folgende Funktionen haben sollte:
"1. Er hat den Vortrag in allen Angelegenheiten, welche ihm vom Reichskanzler zugeschrieben werden, insbesondere über die Anträge, Gesetz-Entwürfe und sonstige Vorlagen, welche im Bundesrathe oder im preußischen Staatsministerium, im Reichstage oder Landtage zur Berathung kommen sollen.
2. Er hat die an die obersten Reichsbehörden, das preußische Staatsministerium und die einzelnen preußischen Ressortchefs zu richtenden Verfügungen, Schreiben, Noten pp. des Reichskanzlers zu entwerfen.
3. Er hat für diejenigen Sitzungen des Bundesraths und des Staatsministeriums, denen der Reichskanzler beiwohnen will, die Gegenstände der Tagesordnung vorzubereiten.
4. Er fungiert erforderlichen Falls als Commissar des Reichskanzlers in den Sitzungen des Bundesraths oder Staatsministeriums.
5. Er hat die Aufgabe, mit den Führern der regierungsfreundlichen parlamentarischen Parteien Fühlung zu unterhalten, sich über deren Auffassungen und Absichten pp. zu informieren, und dieselben nöthigenfalls von den Intentionen des Reichskanzlers in Kenntnis zu setzen.
6. Er fungiert als Curator des Reichs- und Staatsanzeigers."
Für diese Geschäfte sollte er über einen Expedienten, einen Kanzleisekretär und einen Kanzleidiener verfügen können.
Karl Hofmann, der Präsident des Reichskanzleramts, erhielt mit Erlass vom 6. Aug. 1877 die Weisung, die Schaffung einer besonderen Stelle vorzubereiten, die alle diejenigen Geschäfte des Reichskanzlers besorgen sollte, für die dieser "bisher aus räumlichen Gründen Kräfte des Auswärtigen Amts verwendet" habe[13].
Die Vorlage Hofmanns vom 29. Nov. 1877 sah dann auch die Einrichtung einer solchen Zentralstelle unter der Bezeichnung "Spezialbureau des Reichskanzlers" vor, ordnete diese Stelle jedoch in den Etat des Reichskanzleramts ein[14]. Mit diesem Versuch, die Stellung seines Amtes wieder zu befestigen, hatte Hofmann jedoch keinen Erfolg.
Bismarck stimmte den Vorschlägen Hofmanns hinsichtlich der inneren Organisation und der gehaltsmäßigen Eingruppierung der Mitarbeiter seines neuen Büros zwar zu, mit eigener Hand änderte er jedoch auf der Vorlage die Bezeichnung der neuen Stelle in "Centralbureau" um. Wichtiger als diese Änderung der Nomenklatur war jedoch, dass Bismarck mit Erlass vom 16. Dez. 1877 Hofmann zur Aufstellung eines Spezialetats für eine eigenständige und nicht dem Reichskanzleramt inkorporierten Behörde aufforderte[15].
Der Entwurf eines "Etat für den Reichskanzler und dessen Zentralbüreau auf das Etatsjahr 1878/79" sah Mittel für die Besoldung eines vortragenden Rates, eines expedierenden Sekretärs, eines Kanzleisekretärs und eines Kanzleidieners vor[16]. Begründet wurde der neue Haushaltstitel mit der Verlegenheit des Reichskanzlers, für die Führung seiner Geschäfte ständig auf Beamte des Auswärtigen Amtes oder des preußischen Staatsministerium zurückgreifen zu müssen. Die neue Behörde sollte ihren Sitz in den früheren Palais Radziwill in der Wilhelmstraße 77 nehmen; dort sollte auch der Reichskanzler eine Dienstwohnung beziehen.
Am 26. Febr. 1878 wurde der Etatsentwurf im Reichstag kontrovers diskutiert[17]. Insbesondere die Zentrumsabgeordneten von Schorlemer-Alst und Windthorst übten scharfe Kritik und wollten den im Grundsatz nicht in Frage gestellten Personalbedarf des Reichskanzlers nur im Rahmen des Reichskanzleramtes realisiert sehen. Dennoch bewilligte der Reichstag die notwendigen Stellen und Sachmittel am 28. März 1878 in dritter Lesung[18].
Auf dieser Grundlage erbat Bismarck mit Immediatbericht vom 16. Mai 1878 von Wilhelm I. die Genehmigung zur Konstituierung der neuen Dienststelle, die Reichskanzlei heißen sollte, weil diese Bezeichnung "am genauesten der Stellung und den Aufgaben desselben entsprechen" dürfte[19]. Dem entsprach der Kaiser mit einer Kabinettsordre vom 18. Mai 1878[20].
Chef der Reichskanzlei wurde Christoph von Tiedemann, der seit 1876 der vielleicht engste Mitarbeiter Bismarcks und daher mit den Gewohnheiten des Reichskanzlers auf das Beste vertraut war. Unter seiner Leitung entwickelte sich die Reichskanzlei tatsächlich zu einer politischen Relaisstation im Zentrum des politischen Entscheidungsgefüges, deren Funktion auch von den Staatssekretären der Reichsämter anerkannt wurde.
Verfassungsrechtlich war die Reichskanzlei nie mehr als das Büro des Reichskanzler, das "den amtlichen Verkehr desselben mit den Chefs der einzelnen Ressorts zu vermitteln" hatte[21]. Der Bürocharakter kommt nicht zuletzt im dienstlichen Rang des Chefs der Reichskanzlei und dem bis zum Ende der Kaiserzeit sehr beschränkten Personal zum Ausdruck[22]. Erst 1907 wurde der Chef der Reichskanzlei in den Rang eines Unterstaatssekretärs erhoben und damit den leitenden Beamten der Reichsämter gleichgestellt. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs zwar von ursprünglich vier Personen im Jahre 1878 auf 19 im Jahre 1908 an und stieg bedingt durch die Erfordernisse des Ersten Weltkriegs weiter auf 25 Mitarbeiter im Jahre 1918, an die Personalstärke eines Reichsamtes reichte die Reichskanzlei jedoch niemals auch nur annähernd heran.
Die privaten und Repräsentationsangelegenheiten des Reichskanzlers versah das auch nach der Einrichtung der Reichskanzlei weiterhin im Auswärtigen Amt residierende Spezialbüro des Reichskanzlers. Es nahm nach Morsey "eine Zwischenstellung ein zwischen einem Privatsekretariat größeren Stils und einem Haushofmeisteramt en miniature"[23], unter Caprivi gewann es den Charakter einer persönlichen Adjutantur. Im Regierungsalltag spielte dieses Büro keine Rolle und wurde im Oktober 1908 aufgehoben[24].
Die politische Bedeutung der Reichskanzlei hing ganz davon ab, in welcher Weise der jeweilige Reichskanzler sich seiner Dienststelle bediente. Während von Tiedemann und sein Nachfolger von Rottenburg Bismarck bisweilen als Kommissare im preußischen Staatsministerium vertraten und - nicht zuletzt wegen der häufigen Abwesenheiten Bismarcks von Berlin - auch im politischen Alltag ein zentrale Rolle spielten, hielt Bismarcks Nachfolger Leo von Caprivi während seiner vierjährigen Amtszeit Distanz zur Reichskanzlei und verlagerte die Führung seiner dienstlichen Geschäfte wieder in das Auswärtige Amt[25]. Erst unter Bernhard von Bülow gewann die Reichskanzlei ihre frühere Stellung wieder zurück. Um stärkeren Rückhalt im Reichstag bemüht, nutzte Bülow sein Büro wieder als politische Schnitt- und Schaltstelle im Umgang mit den Reichsämtern ebenso wie mit den Parteien. Die Rangerhöhung des Chefs der Reichskanzlei bringt dies sinnfällig zum Ausdruck.

Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs wurde eine gemeinsame Außenstelle der Reichskanzlei und des Auswärtigen Amts beim Großen Hauptquartier unter der Bezeichnung "Formation Reichskanzler und Auswärtiges Amt" eingerichtet. Diese Außenstelle bestand bis zum Ende des Krieges. Ein ständiger Vertreter nahm hier die Interessen des Reichskanzlers wahr, wenn dieser sich in Berlin aufhielt. In der Reichskanzlei führte dagegen der Unterstaatssekretär die Geschäfte, wenn der Reichskanzler im Hauptquartier war.
Um die fortgesetzten Unstimmigkeiten zwischen Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg und der 3. Obersten Heeresleitung unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff besser in den Griff zu bekommen, wurde im Februar 1917 ein ständiger Vertreter des Reichskanzlers bei der Obersten Heeresleitung installiert. Seine Aufgabe war es, die Oberste Heeresleitung ständig über die Politik der Reichsleitung auf dem Laufenden zu halten.

Mit der erzwungenen Abdankung Kaiser Wilhelms II. und dem Rücktritt Reichskanzlers Max von Baden gingen die Geschäfte am 11. Nov. 1918 auf den Rat der Volksbeauftragten über, der bis zum Amtsantritt der Regierung Philipp Scheidemann am 19. Febr. 1919 provisorisch die Funktion einer Reichsregierung ausübte. Chef der Reichskanzlei war vom 9. Nov. 1918 bis zum 3. März 1919 war der Journalist Curt Baake[26].
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[1] BGBl. 1871, S. 63. Abdruck in: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 384-401.
[2] BGBl. 1867, S. 1. Abdruck der Verfassungsurkunde in: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 272-285.
[3] Gemäß Artikel 17 der Reichsverfassung standen dem Kaiser zwar die Ausfertigung und Verkündigung der Reichsgesetze sowie die Überwachung von deren Ausführung zu, seine im Namen des Reiches erlassenen Anordnungen und Verfügungen bedurften jedoch der Gegenzeichnung durch den Reichskanzler, "welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt". Der Halbsatz über die Verantwortlichkeit wurde erst durch Gesetz vom 28. Okt. 1918 gestrichen (RGBl. 1918, S. 1273).
[4] Vgl. zur Geschichte der Reichskanzler und der Reichskanzlei Bundes- und Reichsbehörden, S. 70-73, 117-126, Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 147-150, 162-164, Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 820-833, Morsey, Reichsverwaltung, insbes. S. 219-226, Pflanze, Bismarck, Bd. 1, S. 642-665, Pflanze, Bismarck, Bd. 2, S. 83-117, Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 258-275.
[5] Zum Reichskanzleramt vgl. die Einleitung des Publikationsfindbuchs zum Bestand R 1401 von Franz Göttlicher in Reichskanzleramt, S. V-XI.
[6] Allerhöchster Erlass vom 18. Dez. 1867 (BGBl. 1867, S. 328).
[7] Vgl. dazu Pflanze, Bismarck, Bd. 2, S. 59-64.
[8] Karl (von) Hofmann (1827-1910), Jurist aus dem Verwaltungsdienst von Hessen-Darmstadt, 1867-1872 hessischer Gesandter in Bern, 1872-1876 Ministerpräsident in Darmstadt, 1876-1879 Präsident des Reichskanzleramts, 1879-1880 Staatssekretär des Reichsamt des Innern, 1880-1887 Staatssekretär des Ministeriums für Elsaß-Lothringen.
[9] Vgl. dazu Pflanze, Bismarck, Bd. 2, S. 83-117.
[10] RGBl. 1878, S. 7.
[11] Tiedemann hat über seine Zeit als Mitarbeiter Bismarcks Tagebuch geführt, das sein Sohn auszugsweise veröffentlichte, das aber für die Organisation und Arbeit der Reichskanzlei nur wenig ergiebig ist. Vgl. Tiedemann, Sechs Jahre.
[12] R 43 / 1506, Bl. 2-5. Maschinenschriftliche Abschrift in R 43 I/1508, Bl. 7-10.
[13] R 43 / 1506, Bl. 6-7. Maschinenschriftliche Abschrift in R 43 I/1508, Bl. 11.
[14] R 43 / 1506, Bl. 8-9.
[15] R 43 / 1506, Bl. 16 (Abschrift).
[16] Vgl. die Reichstagsdrucksache Nr. 9 vom 6. Febr. 1878 in Sammlung sämmtlicher Drucksachen des Deutschen Reichstags. 3. Legislatur-Periode. II. Session 1878, Bd. 1. [Nr. 1-20]. Berlin 1878. Das Gehalt des Reichskanzlers belief sich einschließlich 18.000 Mark Repräsentationskosten auf 54.000 Mark. Für den vortragenden Rat waren 9.900, für den expedierenden Sekretär 5.400 Mark, für den Kanzleisekretär 3.300 Mark und für den Kanzleidiener 1.500 Mark in den Etatsentwurf eingestellt.
[17] Vgl. das Protokoll der 10. Sitzung am 26. Febr. 1878 in Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags. 3. Legislaturperiode. II. Session 1878. Bd. 1 [6. Febr. - 6. April 1878]. Berlin 1878, S. 211-235, hier S. 224-235. Vgl. auch Morsey, Reichsverwaltung, S. 219 f.
[18] Vgl. das Protokoll der 24. Sitzung am 28. März 1878 in Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags. 3. Legislaturperiode. II. Session 1878. Bd. 1 [6. Febr. - 6. April 1878]. Berlin 1878, S. 563-596, hier S. 586.
[19] R 43 / 1508, B. 33-34 (Abschrift).
[20] R 43 / 1508, Bl. 35 (Abschrift).
[21] Vgl. das Handbuch für das Deutsche Reich auf das Jahr 1879. Bearb. vom Reichskanzler-Amt. Berlin 1879, S. 36.
[22] Vgl. die Personalübersicht in Anhang 1.
[23] Vgl. Morsey, Reichsverwaltung, S. 224-226, Zitat auf S. 224.
[24] Verfügung vom 15. Okt. 1908 in R 43 I/1507, Bl. 25-26.
[25] Vgl. dazu den Bericht des Geheimrats Pinkow in R 43 I / 1508, Bl. 117 - 177, hier 141-149. "Herr Goering sah die Reichskanzlei als ein Informationsbüro für den Kanzler an, der mit dem Büro meistens nur schriftlich verkehrte" (Bl. 143).
[26] Vgl. die Personalakte in R 43 I/2775.


Archivische Bewertung und Bearbeitung:

Aufbau und Organisation der Schriftgutverwaltung in der Reichskanzlei erfolgten entsprechend den "Grundzügen für die Buch- und Aktenführung bei der Reichskanzlei" von Hans Rudolf Sachse[27]. Sachse, bis dahin expedierender Sekretär im Auswärtigen Amt, übernahm auch die Leitung der Schriftgutverwaltung der Reichskanzlei[28].
Seine "Grundzüge" bestimmten die Aktenführung und Registraturarbeit der Reichskanzlei ohne wesentliche Veränderungen bis ins Jahr 1935, teilweise sogar darüber hinaus bis 1945. Der Gesamtbestand des Schriftguts wurde zunächst in 30 Aktengruppen gegliedert, die mehrere, streng chronologisch organisierte Betreffserien umfassen konnten. In jeder Aktengruppe wurde eine Serie "Allgemeine Akten" angelegt, die nach Bedarf um weitere Serien mit "besonderen Akten" ergänzt wurde.
Bis 1900 reichten diese 30 Aktengruppen aus, um das Schriftgut der Reichskanzlei zweckmäßig zu verwalten. Die Verfestigung und Ausweitung der Reichsverwaltung zeitigten schließlich aber den Bedarf nach einer stärkeren Differenzierung der Aktenordnung. Zum 1. Jan. 1900 wurden daher 24 weitere Aktengruppen gebildet und gleichzeitig die Serienbildung durch die Möglichkeit zur Bildung abgeleiteter Betreffserien als "Unterakten" differenziert.
In der Registratur wurden die einzelnen Schriftstücke der verschiedenen Betreffserien zunächst lose in Regalen aufbewahrt und erst ab einer gewissen Stärke von 2-3 cm fadengeheftet und mit einem Leinenumschlag versehen. Jedem Band wurde zum schnellen Auffinden spezieller Schriftstücke ein Inhaltsverzeichnis (Rotulus) vorangestellt.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde neben den bisherigen Aktengruppen, die nun als Abteilung I (Stammakten) bezeichnet wurden, eine zweite Abteilung (Kriegsakten) eingerichtet, die alles die Kriegsereignisse, -maßnahmen und -organisation betreffende Schriftgut aufnahm. Das Schriftgut der beim Großen Hauptquartier eingerichteten Außenstelle der Reichskanzlei wurde ebenfalls als eigene Abteilung III organisiert.
Mit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs und dem Übergang der Regierungsgewalt auf den Rat der Volksbeauftragten im November 1918 wurde in der Reichskanzlei eine Übergangsregistratur (Abteilung IV - "Revolutionsakten") eingerichtet, in der viele der bestehenden Betreffserien abgeschlossen wurden. Die "Revolutionsakten" endeten mit dem Regierungsantritt der Regierung Scheidemann am 19. Febr. 1919. Mit dem staatlichen Neuanfang wurde ein durchgehender Registraturschnitt gesetzt. Zwar wurden die Regularien der Schriftgutverwaltung im Wesentlichen beibehalten, es wurden jedoch neue Akten gebildet und der bisherige Registraturbestand in die Altablage der Reichskanzlei überführt.
Das Reichsarchiv hat sich bereits Anfang der 1920er Jahren um die Übernahme dieser Unterlagen bemüht, wurde aber abschlägig beschieden. Eine Abgabe von Akten an das Reichsarchiv kam nach Ansicht der Reichskanzlei "vorläufig nicht in Frage. Es wird auch zweckmäßig sein, die wichtigsten Akten aus der Bismarckschen Zeit so lange wie irgend möglich zu behalten".[29] Erst 1937 oder 1938 gelangten die Akten aus der Zeit vor 1919 zum größten Teil in das Reichsarchiv in Potsdam. Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Akten der Reichskanzlei in das Salzbergwerk Staßfurt bei Magdeburg ausgelagert und dort von der Roten Armee erbeutet. 1945 zunächst in die Sowjetunion verbracht, wurden die Akten 1955 an die Deutsche Demokratische Republik zurück und dem Deutschen Zentralarchiv übergeben. Dort wurden sie unter der Bestandssignatur 07.01 und ohne wesentliche Veränderung der vorarchivischen Strukturen eingelagert. Die nach 1937/38 in der Reichskanzlei verbliebenen Akten wurden Anfang 1945 aus Berlin nach Süddeutschland in Sicherheit gebracht und dort von US-amerikanischen Truppen beschlagnahmt. Diese Akten gelangten 1958/59 in das Bundesarchiv und bilden hier den Bestand R 43.
Die Bestände des Zentralen Staatsarchivs (07.01) und des Bundesarchivs (R 43) wurden nach der Vereinigung der beiden Archive im Jahr 1990 im Bestand R 43 zusammengeführt.
Für die Akten der Reichskanzlei aus den Jahren 1919 bis 1945 liegt seit 1984 ein Publikationsfindbuch vor, das auch die bis 1990 in Zentralen Staatsarchiv verwahrten Akten dieser Epoche berücksichtigt[30]. Für die Akten der "Alten Reichskanzlei" (1878-1919) lag im Zentralen Staatsarchiv ein bereits im Reichsarchiv erarbeitet Findbuch vor. Dieses Findbuch, das die registraturmäßige Struktur der Akten der Reichskanzlei im Wesentlichen unverändert lässt, wird hier in überarbeiteter Form der Öffentlichkeit vorgelegt.

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[27] R 43 I/1506, fol. 41-60. Abdruck in Anhang 4. Zur Biographie Sachses vgl. dessen Personalakte in R 43 I/3390.
[28] Vgl. zum Folgenden die Einleitung des von Gregor Verlande und Wolfram Werner bearbeiteten Publikationsfindbuchs zu den Akten der Reichskanzlei aus den Jahren 1919 bis 1945, Bd. 1, S. XXXVI-XLIV.
[29] Aufgesetzte Notiz des Ministerialrats Brecht vom 18. Juli 1921 in R 43 I/886, fol. 158.
[30] Reichskanzlei. Bestand R 43. Bearb. von Gregor Verlande und Wolfram Werner. 2. Aufl., Koblenz 1984 (Findbücher zu Beständen des Bundesarchivs, Bd. 13).

Zitierweise:

BArch R 43/...

Laufzeit:

1862 - 1945

Benutzungsbedingungen:

keine

Bibliographie:

- Berghahn, Volker: Das Kaiserreich 1871-1914. Stuttgart 2003 (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 16)
- Bundes- und Reichsbehörden. Bearb. von Walther Hubatsch. Marburg/Lahn 1983 (Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, Bd. 22)
- Deutsche Verwaltungsgeschichte. Bd. 3: Das Deutsche Reich bis zum Ende der Monarchie. Hrsg. von Kurt G. A. Jeserich, Hans Pohl u. Georg-Christoph von Unruh. Stuttgart 1984
- Die deutschen Kanzler. Von Bismarck bis Kohl. Hrsg. von Wilhelm von Sternburg. Berlin, 2. Aufl. 1998
- Gall, Lothar: Bismarck. Der weiße Revolutionär. Frankfurt, Berlin, Wien 1980
- Huber, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Bd. III: Bismarck und das Reich. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz, 3., überarb. Aufl. 1978
- Morsey, Rudolf: Die Oberste Reichsverwaltung unter Bismarck 1867-1890. Münster 1957 (Neue Münstersche Beiträge zur Geschichtsforschung, Bd. 3)
- Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866-1918. Bd. 2: Machtstaat vor der Demokratie. München 1992
- Pflanze, Otto: Bismarck. Bd. 1: Der Reichsgründer. München 1997, Bd. 2: Der Reichskanzler. München 1998
- Preußen. Bearb. von Walther Hubatsch u. Friedrich Wilhelm Wehrstedt. Marburg/Lahn 18978 (Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, Bd. 12)
- Reichskanzlei [1919-1945]. Bestand R 43. Bearb. von Gregor Verlande und Wolfram Werner. Koblenz, 2. Aufl. 1984 (Findbücher zu Beständen des Bundesarchivs, Bd. 13)
- Reichskanzleramt 1767-1879. Bestand R 1401. Bearb. von Franz Göttlicher. Koblenz 2002 (Findbücher zu Beständen des Bundesarchivs, B. 91)
- Tiedemann, Christoph von: Sechs Jahre Chef der Reichskanzlei unter dem Fürsten Bismarck. Erinnerungen von Christoph von Tiedemann. Hrsg. v. Adolf von Tiedemann. Leipzig 1909
- Willoweit, Dietmar: Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Teilung Deutschlands. München 1990

Überlieferungsverweis:

Anlagen: Personalübersichten, Geschäftsverteilungsplan, Registraturordnung (PDF-Datei, 68 KB)


Bearbeiter/in:

Michael Hollmann

Datum:

Berlin / Koblenz 2004


Hauptbestandsinfo:

Bestandssignatur: R 43
Bezeichnung: Reichskanzlei
Laufzeit: 1862-1945
Bestandsart:Schriftgut
Provenienz: Reichskanzlei
Umfang:255 Meter