06.06.2009
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Nach der Erschießung Benno Ohnesorgs durch einen Polizisten und dem Attentat auf Rudi Dutschke eskalierten die Studentenunruhen in der ganzen Republik. Was die Geschichtsbücher allerdings verschweigen: Kurz nach dem Anschlag auf Dutschke, bei dem er schwer verletzt wurde, kamen zwei weitere junge Männer bei den Unruhen um: und zwar in München!
Stand: 18.03.2008
Es fing ja mit harmlosen Sachen an, zum Beispiel: Polizeiuniformen tragen. Polizeiuniformen konnte man damals noch ausleihen, sind wir in die Uni rein und haben uns vors Hörsaalpult von zwei Profs - Maurach auch, weil das ein alter Faschist war, Strafrechtskommentar, damals schon zu Hitlers Zeiten - wir wollten halt darauf aufmerksam machen auf solche unaufgearbeiteten Vergangenheitsgeschichten.
Eigentlich herrschte in München bis zur Nachricht von der schweren - und letztlich tödlichen - Verwundung Rudi Dutschkes relative Ruhe. Nach den ersten heftigen Studentenkrawallen in Schwabing im Jahr 1962 hatten sich Polizei und Studenten an einen moderateren Umgang miteinander gewöhnt. Bis zu jenem Gründonnerstag im April 1968, an dem Dutschke in Berlin Opfer eines von der "BILD"-Zeitung radikalisierten Hilfsarbeiters wird, atmeten die Münchner Demos eher den Geist von Subkultur, Happening, Boheme und Schwabinger Fasching. Man diskutierte und informierte heftig über Vietnam. Es flogen auch viele Tomaten und Eier, wenn Polizisten etwas absperrten, aber andere Wurfgeschosse waren nicht im Spiel.
Doch in den Tagen nach dem Attentat auf Dutschke kippte die Party-Stimmung der Demonstranten. Die Demos wurden immer aggressiver und aufgeheizter. Am 11. April verschafften sich rund 200 Studenten Zugang in das Buchgewerbehaus, das Münchner Redaktions- und Druckereigebäude des Springer Verlags. "Stoppt Springer" war die Parole. Schließlich war es die "BILD" und die übrige Springer-Presse, die Dutschke zum "Volksfeind Nr. 1" hochstilisiert hatten.
Warum soll Rudi Dutschke sterben? Rudi Dutschke setzte sich ein für eine Demokratie, in der das Volk tatsächlich bestimmt, in der die Arbeiter in den Betrieben und die Studenten in den Universitäten bestimmen für eine Welt, in der die Völker nicht mehr von Profitmachern in Kriege gehetzt werden ...
... für eine Gesellschaft in der technische Entwicklung nicht für Rüstung, sondern für die Verkürzung der Arbeitszeit genutzt wird, damit die Menschen sich besser entfalten und glücklicher leben können.
Ist Rudi Dutschke deshalb "Volksfeind Nr. 1"?
Die Springerpresse und der Westberliner Senat haben es die Bevölkerung glauben machen wollen.
Erst einmal versuchten die Münchner Studenten mit einem Flugblatt klarzustellen, was Dutschke wollte und was nicht. Und vor allem wollten sie die Auslieferung der Springer-Blätter blockieren. Mit dem ohnehin herumliegenden Baumaterial, mit Holzbohlen und Eisenstäben verbarrikadierten sie den Ausgang der Druckerei in der Barer Straße. Als sie nach wiederholten Aufforderungen der Polizei die Straße nicht räumten, setzten die Polizisten Wasserwerfer ein. Und dann flogen die ersten Steine. Gegen die Wasserwerfer der Polizei, gegen die Lautsprecherwagen der Polizei, und gegen die Wagen, die an beiden Seiten der Barer Straße abgestellt waren.
Ostersamstag und -sonntag ging der Protest weiter, aber strikt im Stil der Amsterdamer Provos, als "Spapro", Spaziergangsprotest, oder wie die Polizisten sagen: als Protest im "Gänsemarsch". Doch am Ostermontagabend eskalierte die Szene. Die Demonstranten belagerten die Ausfahrt des Buchgewerbehauses, konnten aber die Auslieferung nicht stoppen.
Die Polizei setzte kurz nach 21.00 Uhr die ersten Wasserwerfer und Schlagstöcke ein. Fotoreporter Klaus Frings von der Associated Press drängelte sich hinter die Absperrkette der Polizei, um bessere Aufnahmen zu machen. Er hatte sich vorsorglich einen Regenmantel angezogen. So war er gegen den Wasserschwall, der ihn bald erwischte, gut gewappnet. Doch gegen die Steine der Studenten nicht. Ein Stein traf den jungen Fotografen am Kopf, er brach zusammen. Viel zu spät erkannten die Ärzte, wie schwer die Verletzung war. Am 17. April starb Klaus Frings an den Folgen der Kopfwunde.
Anders als Dutschkes Tod machte Frings, dieses unglückliche Opfer der studentischen Gewalt, keine Schlagzeilen. Er ging in kein Geschichtsbuch ein und sein Tod wurde nie vollständig aufgeklärt - genauso wenig wie der Tod des zweiten Opfers der Münchner Osterdemonstrationen. Es handelt sich um Rüdiger Schreck, ein 27-jähriger wissbegieriger Student, der ebenfalls an den Folgen der Verletzungen starb, die er sich bei den Protesten in der Barer Straße zugezogen hatte. Sein Bruder Reinhard hat jahrelang versucht, den tödlichen Vorfall zu rekonstruieren. Mit Hilfe von Günter Wallraff und der studentischen Rechtshilfe hat Reinhard Schreck viele Indizien zusammengetragen. Der tödliche Schlag, der Rüdiger Schreck zu Boden gebracht hatte, kam demnach nicht von Studenten, sondern aus dem Reihen der Polizisten. Genauer, vom Filmtrupp der Polizei. Doch die Staatsanwaltschaft hat diese Indizien nicht akzeptiert. Nach drei Jahren erbitterter Recherche gab der Bruder des Toten den Versuch auf, die Wahrheit über den Tod von Rüdiger Schreck herauszufinden.
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