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Nebeneinnahmen im Zwielicht

Ein Artikel aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung":

Nebeneinnahmen im Zwielicht

Europaabgeordneter Brok: Ohne berufliche Tätigkeit fehlt der Bezug zur Realität / Von Hajo Friedrich

BRÜSSEL, 10. Januar. Mit großem Unverständnis beobachten die amerikanischen Unternehmen die gegenwärtig in Deutschland geführte Debatte über die "Nebeneinnahmen" von Politikern, die sie von privaten Unternehmen einstreichen. Die gleichzeitige Beschäftigung für einen Konzern und die Ausübung eines gut honorierten politischen Mandats sei in einem amerikanischen Unternehmen undenkbar, heißt es in der EU-Vertretung der amerikanischen Handelskammer (AmCham EU) in Brüssel. In den Vereinigten Staaten komme es zwar wesentlich häufiger als in Europa vor, dass Manager oder Anwälte von der Wirtschaft in die Politik und wieder zurück wechselten. Doch einen Politiker - gar noch für einen verkappten Lobbyauftrag - auf der Gehaltsliste zu halten, das widerspreche dem Verhaltenskodex amerikanischer Unternehmen, heißt es in der AmCham EU.

Die 732 Europaabgeordneten sind nur dazu verpflichtet, eine standardisierte Erklärung ihrer finanziellen Interessen abzugeben. Darin müssen sie berufliche sowie andere Funktionen und Tätigkeiten auflisten, die sie gegen Entgelt ausüben. Dies gilt auch für andere "Unterstützungen", die der Abgeordnete im Rahmen seiner politischen Tätigkeit erhalten hat oder erhält. Diese Angaben lassen sich über das Internet abrufen. Von Transparenz kann dabei jedoch nach Ansicht vieler Beobachter keine Rede sein. Das liegt nicht nur daran, dass sich einzelne Abgeordnete weigern, die Erklärung auszufüllen. Die Aussagekraft der abverlangten und der von den Politikern erteilten Angaben sei auch gering.

Hinzu komme, dass sich vor allem Rechtsanwälte und Partner von Kanzleien unter den EU-Parlamentariern hinter dem Privileg der anwaltlichen Verschwiegenheit verstecken könnten. Nicht wenige von ihnen erzielen dabei erkleckliche Nebeneinnahmen, nicht zuletzt auch aus EU-Beratungs- und Lobbytätigkeiten, heißt es in Brüssel unter Europaabgeordneten. Auch bei der Honorierung von Vortragstätigkeiten oder Buchveröffentlichungen bestehe gegenüber einigen Abgeordneten der Verdacht, dass darüber indirekt EU-Lobbytätigkeit bezahlt werde.

Für allerlei Gesprächsstoff sorgt in Brüssel auch, dass im Unterschied zu den Bundestagsabgeordneten einige Europaabgeordnete durch ihre üppigen Reisekostenpauschalen ein hohes Zubrot einstreichen können (siehe nebenstehendes Gespräch). Während die deutschen EU-Abgeordneten nicht zuletzt auf öffentlichen Druck hin im Vorjahr erklärt haben, künftig nur die tatsächlich entstandenen Reisekosten abzurechnen, bildeten die Pauschalen für die meisten anderen EU-Abgeordneten einen stillschweigend geduldeten Bestandteil der Entlohnung, sagte der Vorsitzende der größten Fraktion im EU-Parlament, Hans-Gert Pöttering (CDU), in der Vorwoche in Brüssel.

Der CDU-Politiker Elmar Brok (Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik) zeigt sich verwundert darüber, dass er immer wieder "als einziger" EU-Abgeordneter auf seine seit Jahren bekannte Nebentätigkeit angesprochen werde. Er lässt keine rechtlichen noch moralischen Bedenken erkennen, gleichzeitig als Volksvertreter und seit Ende 1992 als "Europa-Beauftragter des Vorstands" des Medienkonzerns Bertelsmann tätig gewesen zu sein. Er trenne seinen Job und sein Mandat "messerscharf", hatte Brock schon in der Vergangenheit geantwortet. Nicht zuletzt wegen immer wieder laut gewordener kritischer Nachfragen - so berichten jedenfalls EU-Abgeordnete - habe der Konzern Broks Titel inzwischen umgetauft: "Senior Vice President" für die Sparte "Media Development", heißt es heute in seiner "Erklärung der finanziellen Interessen der Mitglieder" des EU-Parlaments.

Was er allerdings auf diesem Posten genau macht, dazu schweigt der selten um öffentliche Äußerungen verlegene Christliche Demokrat beharrlich. Er habe fünf Mitarbeiter im Konzern und arbeite dort teilweise auch am Wochenende, sagt er selbst. Und: Ohne berufliche Tätigkeit in einem Unternehmen fehle ihm der Bezug zur realen Wirtschaftswelt.

Von Bertelsmann wird Broks Aufgabenbeschreibung etwas schwammig formuliert: Brock "solle die internationalen gesetzlichen Rahmenbedingungen beobachten und für das Unternehmen mit Blick auf Investitionen bewerten", heißt es in Gütersloh. Während Brok heute seinen Einfluß auf EU-Entscheidungen klein zu reden trachtet, stellte er noch in den neunziger Jahren gegenüber Journalisten seine Position heraus.

Er habe zum Beispiel im Zusammenhang mit dem geplanten Zusammenschluß von Kirch, Bertelsmann und Telekom beim digitalen Bezahlfernsehen indirekt verlässliche Vorabinformationen von dem damaligen EU-Wettbewerbskommissar Karel Van Miert erhalten. "Der stellte nur Fragen, aber das reichte mir", beschrieb Brok die delikate Gesprächssituation zwischen dem Parlamentarier und der EU-Wettbewerbsbehörde.

Um eventuelle Korruptionsversuche schon im Anfangsstadium zu stoppen, fordert der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim auch von den Volksvertretern ähnliche Sensibilitäten, wie sie die deutsche Rechtsprechung von Beamten verlangt. Der mit einer politischen Führungsposition verbundene "Zugang zu Machthabern ist bereits ein geldwerter Vorteil für die Auftraggeber", sagt der Parteikritiker. Auch viele Europaabgeordnete und Vertreter kleiner und mittlerer Unternehmen kritisieren, daß manche EU-Abgeordnete neben ihrem EU-Mandat auch noch einer versteckten einträglichen europapolitischen Lobby- und Beratungstätigkeit nachgingen. Daß sich dies bisher einer breiten öffentlichen Erörterung entziehen konnte, habe auch mit einer bedenklichen gegenseitigen Verstärkung von Politik und Wirtschaft zu tun, sagt von Arnim: "Politische Schwergewichte werden für die Wirtschaft attraktive Anlaufstellen. Und in den Parlamenten gewinnt der Politiker an Einfluß, der mächtige Wirtschaftsinteressen im Rücken hat."

Erschienen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", 11.01.2005.

 

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Über den Europamann Brok heißt es seitens Bertelsmann etwas neutraler, er "beobachte und bewerte" für den Konzern politische Rahmenbedingungen. Seit Kleists "Marionettentheater" wissen wir zwar, wie schwer es gerade für Selbstbeobachter ist, gleichzeitig anmutig zu handeln. Nur der Marionette, der es an Reflexion gebricht, gelingt Anmut leicht. Die analoge politische Schwierigkeit liegt auf der Hand. Andererseits sind Beobachten und Bewerten ja Verhaltensweisen, die für Abgeordnete kaum zu vermeiden und insofern ebenso leicht nachzuweisen sind wie das "doing culture" für Frau Müller. "Man kann nicht nicht kommunizieren", meinte einst Paul Watzlawick - welch umfassender Tätigkeitsbeleg für einen Mandatsträger!

Auszug aus einem Artikel im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", 12.1.2005.

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