Kyōkai: Des Sonnenursprung-Reiches Buch von Geistwundern sichtbar-gegenwärtiger Vergeltung des Guten und Bösen

日本國現報善悪霊異記

„Legenden aus der Frühzeit des japanischen Buddhismus“

übersetzt von Hermann Bohner

Quellen und Paralellen

Original S. 30-46

I. Vorangehende Werke

Nur eines kann nicht kurzweg Übergangen werden: die Quellen und Paralellen des Ryō-i-ki, die ihm vorangehenden und folgenden Werke.

Baustelle

Dieser Abschnitt, in dem Bohner (in teilweise sehr eigener Umschrift) aus chinesischen Quellen zitiert, wurde ebenso wie der Bereich „Nachfolgende Werke“ soweit möglich, um eine moderne Bibliographie ergänzt.

Kyōkai selbst nennt im Beginn seines Werkes, in der Vorrede deutlich chinesische Werke, die ihn zur Abfassung des Ryō-i-ki drängen: das Mingbaudji (冥報記; jp.: Mei-hō-ki „Berichte über Vergeltung vom Dunkel-Unsichtbaren her“ Abkürzung im folgenden: MA) und ein Banjodjiändji (般若驗記; jap: Hannya-Kenki, „Weisheits-Erweis-Bericht“).
Was das erstere betrifft, so erzählt und das Fayüan-dschulin (Abk.: FY), Tanglin habe es in zwei Bänden während der Periode Yunghui (650-5) verfaßt. Die Alten Tangbücher Liä-tschuan 85 und die Neuen Tangbücher Liä-Tschuan 113 geben uns ein kurzes Lebensbild des Verfassers, der aus Tschang-an war, 650 Zensor wurde und 60jährig 659 starb. Er verfaßte das Mingbaudji in 2 Bänden, welches in der Zeit sehr im Umlauf war. (Alte Tangbücher). Nun ist in Japan in dem Tempel Kōsanji (Yamashiro) ein altes Mingbaudji in drei Bänden erhalten. Eingehender Untersuchung und ausführlicher Argumentation zufolge, die ich hier übergehen muß, haben wir in dem so erhaltenen Werke, als dessen Verfasser Tanglin bezeichnet wird, und das als solches in die große buddhistische Kanon-Ausgabe Taishō Daizōkyō (Bd. 51; 大正新修大蔵経) und ebenso in Dainihonzokuzōkyō (B 23, 1) aufgenommen ist, zwar im wesentlichen Tanglin's chinesisches Werk, jedoch nicht intakt, nicht vollständig.
In dem hernach zu besprechenden Kongō-hannyagyō-shuken-ki finden wir immerfort eine von Lang-yü-ling verfaßte Nachlese, Ming-bau-shï-i (Abk.: MB) zitiert; dem Fayüanjülan zufolge bestand die letzte Werke in der Periode Lungschuo (661-3), also unmittelbar nach dem Ming-bau-dji verfaßt. Bisher ist diese „Nachlese“ noch nicht wieder aufgefunden.
Es sind aber die Erzählungen beider Werke in spätere Bücher übergegangen, so in das riesige Fayüandschulin, ferner in das Sanbauganying-lu (jap.: Sambō-kannō-roku; Abk.: SR) und das Taiping-guang-ji (jap.: Taihei-kwōki; Abk.: KW); und ausschließlich aus diesen Büchen hat Sasaki Kentoku eine Zusammenstellung des erhaltenen Materials in 7 Bänden verfaßt, Meihōki-shuki (ch.: Mingbaudji-djidji; Abk.: MC, aufgenommen in Dainihonzokuzōkyō Bd. 23, 1).

Gehen wir nun zu dem anderen von Kyōkai angegebenen Werke, so verbessert Ekisai zunächst das Zeichen djiän (ken) in das gleichlautende „Erweiskraft“ und sagt dann: „Der Shaka Chō-on des Westlehre-Tempels (Saikyōji) sagt: Das Sanbau-gangyinglu zitiert das Banjohsindjing-ming-djiändsanji. Vielleicht ist es dies.“
Was dies für ein Buch sein soll, ist völlig unklar, sagt der sehr unterrichtete Professor Hashigawa. Die Stelle, sagt er, zeigt, daß selbst der ungeheuer belesene Ekisai hier keinen Rat wußte. Versuchen wir einmal, fährt Hashigawa fort, das Möglichste, die Sache zu klären, so ist allem nach zunächst zu erwarten, daß es eine Schrift ist, welche Machterweisungserfahrungen des hannya-Sutra, bzw. der Hannya („Weisheit“) selbst zusammenstellt.
Wahrscheinlich ist es das von Meng-hsiän-dschung verfaßte Djing-gang-banjo-djing-dji-djiän-dji (jap.: Kongō Hannya-gyō-shū-shū-kenki; Dainihonzokuzōkyō Bd. 22, 1; Abk.: KA), verfaßt Kaiyüan 6. Jahr 4. Monat 8. Tag (718). Es behandelt in drei Bänden die Geisterweisungen des Hannya-Sutra und dies nach 6 Gesichtspunkten: 1. Rettung und Bewahrung; 2. Lebensverlängerung bzw. Erhaltung (Bd. I); 3. Sündentilgung; 4. Gottkraft (Bd. II); 5. Verdienste; 6. wahrhafte Erhörung (Bd. III). Dieses Werk erzählt zunächst Ereignisse, die es direkt von andern gehört, und nennt auch genau die Zeugen; andrerseits nimmt es in sehr großer Zahl die Erzählungen des Ming-bau-shï-i und daneben eines von Hsiau yü verfaßten Djingang-Banjo-djing-Lingdjiän-dji (jap.: Kongō Hannya-gyō-ryō-kenki; Abk.: KB) auf, das aber offenbar sonst nicht erhalten ist. Die Alten Tangbücher Liä-tschuan 13 und die Neuen Tangbücher Liä-Tschuan 26 berichten uns über Hsiau-yü, der von dem Kaiser Wu von Liang abstammte, daß er ein äußerst eifriger Buddhist war – auch anderweits wird von ihm viel erzählt – erzählen aber nicht von der Abfassung des ebengenannten Werks, was jedoch von andrer Seite als gesichert erscheint. Nach den Neuen Tangbüchern Liä-tschuan 26 ist er 74jährig Dschen-guan 21. Jahr (647) gestorben. Möglicherweise hatte Kyōkai diese letztere Werk als Vorlage. In derselben Weise wie MA zitiert er (worauf ich hinweisen möchte,) wahrscheinlichst KA in II, 24. Mit völliger Sicherheit können wir, nach Hashigawa, das zweite von Kyōkai genannte Werk nicht bestimmen. Gleichwohl ist es ein ziemlich großer Bereich von Legenden, die uns mit den oben angeführten Werken als Quellen des Ryō-i-ki an die Hand gegeben werden.

Ist es gestattet und angängig – unter dieser Prämisse steht die folgende Ausführung – aus dem Gegeben Schlüsse zu ziehen, zu vergleichen und einem Gesamteindruck Wort zu verleihen, so zeigt das Ryō-i-ki in eigentümlicher Weise das Bild der Rezeption: was uns erstens verwundert, ist, daß so wenig regelrecht Wort für Wort, Zug um Zug, abgeschrieben ist. Es wäre so leicht gewesen, und es ist so üblich im Osten, Ort Person und Datum zu ändern und im übrigen die Zeichen beizubehalten. Wie uns die Alten Tangbücher wissen lassen, bzw. wie wir auch von anderwärts erfahren, waren diese kurz vor der Nara-Zeit bzw. in ihrem ersten Anfang entstandenen Bücher eine Zeit lang sehr in Mode und weithin gekannt und verbreitet, kamen im Zusammenhange damit auch nach Japan und wurden hier viel gelesen. Vielleicht darf man sagen, daß allein schon das Streben nach Eigenständigkeit daran hinderte abzuschreiben, und daß die wenigen gegenteiligen Geschichten (vgl. Anmerkungen) auch anders erklärt werden mögen: Verschüttung im Bergwerk kommt überall vor (III, 13, MA I 8); die Erzählung (II, 10, MA III 8), des auf den Mauern und Toren umringten Aschenglut-Höllenfelde Qual Leidenden, dem sich die Tore immer schließen, wenn er sich ihnen naht, kommt aus psychologischen Quellen, die auch anderweits das Mingbaudji als bekannt voraussetzt und in solcher Weise zitiert (III, 10, MA I 4).

Was zweitens auffällt, ist die außerordentliche Ähnlichkeit, ja Identität. Dieser Eindruck ist besonders stark für den, der Tage lang in den Legenden liest. Der Ton ist der gleiche; das Zugrundeliegende ist dasselbe. Stimmen doch selbst im gleichen Werke die berichtetetn Einzelheiten nicht miteinander überein; in den chinesischen Werken ist dies noch weit mehr als in den japanischen der Fall, und weder den Verfasser noch den Leser scheint das zu kümmern. Man berichtet ja auch nicht von dieser Welt des Offenbaren (jap. ken), die einheitlich-rational, sozusagen von einer Ecke her erleuchtet ist, sondern von jener Welt des Geheimen (jap. mitsu), des Ganz-anders-gearteten (jap.: i) über die nie etwas Ganzes, Völliges sich aussagen läßt, von der vielmehr nur Erlebnisse, Erweisungen (ken) berichtet werden können. Da sie von jener Welt herkommen, müssen sie trotz aller Diskrepanzen doch irgendwie zusammenstimen. Es ist, wie wenn jemand ein Großfeuer von jener Seite her sieht und der andre sieht es von dieser an; die Einzelheiten sind verschieden, ja entgegengesetzt; die Sache ist dieselbe. Ein Blick in diese chinesischen Legendenwelt mag die Verwandtschaft der Berichte deutlich werden lassen. Wir müssen freilich gerade auf die Wiedergabe der Einzelheiten (z.B. in den Unterweltsberichten) verzichten. Von der Verwandtschaft der Form dieser Berichte, ihrer genauen Angabe von Jahr, Monat, Tag, Stunde, von Provinz, Bezirk, Ort, von Personen des Erlebnisses und von Zeugen war oben die rede. Auch Derartiges, für die Erzählung Wesentliches, müssen wir hier, der Kürze wegen, weglassen.


Auswahlbibliographie der erwähnten Werke

Tang Lin (*600; 唐 臨); 冥報 記 Mingbaudji (= Ming-pao chi; PinYin: Ming bao ji; MA). Weiterhin sind mehrere Ausgaben in China erschienen.

  • Gjertson, Donald E.; Miraculous retribution: a study and translation of T'ang Lin's Ming-pao chi; Berkeley, CA 1989 (Centers for South and Southeast Asia Studies, University of California at Berkeley); xiv, 305 S; Sert.: Berkeley Buddhist studies series, 8; ISBN: 0-944613-07-1 [Revision of the author's 1975 thesis (Ph. D. Stanford University)]
  • Nagayama Chikaaki (永山 近彰; Hrsg.); Meihōki; Tōkyō Shōwa 12 [1937] (Ikutoku Zaidan)
  • in: Qian, Daxin 錢大昕; Sun, Yuxiu 孫毓修; Tang shi jing kao yi, Zang Yong bu; Ming bao ji 唐石經攷異 臧庸補 冥報記 : [3卷] ; Schanghai 1916-21 (商務印書館); Sert.: 涵芬樓秘笈 [40-42]
  • Setsuwa Kenkyūkai [說話 研究会]; Meihōki no kenkyū [ 冥報記 の 研究]; Tōkyō Heisei 11 [1999] (Bensei Shuppan), 2 Bde; ISBN 4-585-10044-X, 4-585-10064-4. (Vol. 1 includes reproduction of ms. copy, made in 1105, in collection of Maeda Ikutokukai Sonkeikaku Bunko, with printed transcript and introd.)
  • T'ang, Lin (600-?); Meihōki; s.l. 1937; [Facsim. reproduction of a MS. with Japanese reading marks written in 1105 [= Ming pao chi] 154 p. Accompanied by a booklet of explanatory text 9 p.]
  • T'ang Lin; Shi seng ming bao ji [(shi) Shaolong shu] 十僧冥報記 [(釋)紹隆述]; in: Zhonghua gu ji cong kan (Taibei Daxi Yang tu shu gong si) Minguo 57 [1968] vol 32. (Facsim. reprod. of (Qing) Guangxu 11 [1885; (淸)光緖 11] Lin Zhaoxi chong ke ben (林晁熙重刻本)

Ming-bau-shï-i (MB)

Wie von H.B. erwähnt, war der Text („Nachlese“) 1934 nicht mehr extant, und wurde auch offensichtlich bis heute nicht mehr gefunden.

Meihōki-shuki (ch.: Mingbaudji-djidji; MC)

Bisher kein bibliographischer Nachweis.

Banjodjiändji

Bisher kein bibliographischer Nachweis.

Daoshi Shi (道世, 釋); Fayüan-dschulin 法苑珠林 (W.-G.: Fayuan chu lin, PinYin: Fa yuan zhu lin; FY)

  • in: Aramaki Noritoshi (荒牧 典俊); Kominami, Ichirō (小南 一郎; Übs.); Chu san zang ji [出三蔵記; Tōkyō 1993 (Chūō Kōronsha), 310S; ISBN 4-12-402623-4 [Japanese. Selections.]
  • Daoshi (7. Jhdt); Fa yuan zhu lin - [100 juan] 法苑珠林 - [100卷]; Blockdruck:: Fuzhuo 福州 : [s.n.], 宣和 [1112-1172]; S.l. [1827] (Yan yuan Jiang shi, 燕苑蔣氏); 24 Bde.; auch: [China s.n., 宣統 2 i.e. 1910], 30 Bde.; s.l. s.n. (Hrsg.: Qing Daoguang ding hai nian, Lü shi Yan yuan ben 清道光丁亥年, 呂氏燕園本), 28 Bde.
  • Daoshi (7. Jhdt); Fa yuan zhu lin - 120 juan 法苑珠林 - 120卷; Blockdruck:: 開元禪寺, Kai yuan chan 宋宣和6 [1124]; Qingliang (淸涼山) 萬曆辛卯 [1591], 24 Bde. in 4 Vol.; Shanghai Minguo 25 [1936] (Shang wu yin shu guan, 商務印書館) [reprints: Taibei 1983-6 (Taiwan shang wu yin shu guan); [Shanghai] 1987 Shanghai gu ji chu ban she), ISBN 7532501825]
  • Daoshi (7. Jhdt); Fa yuan zhu lin 法苑珠林; [Peking] 1991 (Zhongguo shu dian, 中國 書店; Xin hua shu dian shou du fa xing suo fa xing 新华 书店 首都 发行所 发行); ISBN (set) 7805682887 [Reprint. Originally published 1912? Each page represents two pages of the original]
  • Daoshi (7. Jhdt); Fa yuan zhu lin 法苑珠林; Taipeh [台北市] 2005 (Fo tuo jiao yu ji jin hui, 佛陀敎育基金會); 1298S; [Each page represents two pages of the original]
  • Kawaguchi Yoshiteru (1951-, 川口義照); Chūgoku Bukkyō ni okeru kyōroku kenkyū (中国仏教における経錄研究); Kyōto 2000 (Hōzōkan), ISBN 4-8318-7635-6
  • Matsuoka Ryōgan (松岡了巖 Hrsg.); Hōon jurin 法苑珠林; Tōkyō 1883-6 (Hōon Jurin Shuppanjo; Shūeisha insatsu), 15 Bde.; 1890-1 (Fujita Yūma), 3 Bde.
  • eBook (frei im Web): ►  SuperStar Digital Library (System requirements: SuperStar Reader.)
  • Paper, Jordan D.; 法苑珠林志怪小說引得 = An index to stories of the supernatural in the Fa yüan chu lin; [Taipeh] 1973 (Chinese Materials and Research Aids Service Center)

Dainihon Zoku Zōkyō (大日本續蔵経)

  • Kawamura Kosho (1924-, 河村孝照) Shinsan dainihon zoku zokyo 新纂大日本續蔵経; Tokyo 1975-89 (Kokusho kankokai), 90 Bde.
  • Saeki Tai; Dainihon zokuzō kyō mokuroku = Catalogue of Ta-jih-pên-hsu-ts'ang-ching; [Kyoto] 1915 (Zōkyo Shoin)

Liä-tschuan („Tang-Bücher“), gemeint sind die Reichschroniken von Liu Xu (887-946); Jiu Tang Shu, 舊唐書二百卷; („Altes Buch über die Tang-Dynastie,“) und Ouyang Xiu (1007-; 歐陽修) Xin Tang Shu, 唐書二百二十五卷 („Neues Buch über die Tang-Dynastie,“) zwei der ►  24 Reichschroniken. Ch. Gesamtausgabe: Er shi si shi - jian ti zi ben (二十四史  简体字本); Beijing 2000 (Zhonghua shu ju), 63 Bde., ISBN 7101020992
Auf CD-ROM: Qing ping guo shu ju zhong xin ce hua zhi (靑苹果数据中心策划制); Er shi wu shi (二十五史); Beijing Shi 1999 (Beijing dian zi chu ban wu chu ban zhong xin), ISBN 7900314601. In den letzten Jahren sind weitere chinesische (Teil-)usgaben erschienen, die hier nicht gegeben werden. Nur einzelne Teile, der sehr umfangreichen Werke, sind in europäische Sprachen übersetzt.

  • Liu Xu (887-946, 劉昫); Chen, Tiemin (陈铁民; Hrsg.); Jiu Tang shu (旧唐书); Xi'an Shi 1999 (San Qin chu ban she) CD-ROM. Online via: ►  Apabi.
  • Rotours, Robert (1891-?; Ü); Traité des fonctionnaires et Traité de l'armée, tr. de la Nouvelle histoire des T'ang (chap. XLVI-L); Leiden 1947-8 (Brill); 2 Vol.
  • Pelliot, Paul (1878-1945); Histoire ancienne du Tibet: Kieou T'ang Chou, chapitre 196 A, B; Paris 1961 (Librairie d'Amérique et d'Orient)

Meng Xianzhong (孟獻忠, 8. Jh.); Kongō-hannyagyō-shuken-ki (金剛 波若經 集驗記; ch.: Jin gang ban ruo ji yan ji)

  • Meng Xianzhong (孟獻忠, 8. Jh.); Hashimoto Shinkichi (1882-1945, 橋本進吉); 金剛波若經集驗記; Kongō-hannyagyō-shuken-ki; ch.: Jin gang ban ruo ji yan ji); Tōkyō 1934-5 (Koten Hozonkai), 2 Bde., [Reproduces ms. copies held by Kuroita Katsumi]
  • Kongō-hannyagyō-shuken-ki; [Tōkyō] 193? (Koten Hozonkai); [Facsim. reproduction of Heian shoki M.S. Kuroita Katsumi-shi zō (平安初期 M.S. 黒板勝美氏藏)]
  • Kongō-hannyagyō-shuken-ki; [Tōkyō] 1938 (Koten Hozonkai); [Facsim. reproduction of Heian shoki katenbon, Ishiyamadera zō (平安初期加点本・石山寺藏)]

Sanbauganying-lu (jap.: Sambō-kannō-roku; SR)

Bisher kein bibliographischer Nachweis.

李昉 (925-996); Taiping-guang-ji (太平廣記; PinYin: Taipingguangji; jp.: Taihei-kōki; KW)

  • Shio Takugo (1968-, 塩卓悟); Kawamura Kōtarō (1975-, 河村晃太郎); Taihei kōki – Fujin bu (太平廣記 婦人部); Tōkyō 2004 (Kyūko Shoin)

Djing-gang-banjo-djing-dji-djiän-dji (金剛般若経集験記; jap.: Kongō Hannya-gyō-shū-shū-kenki; KA)

Djingang-Banjo-djing-Lingdjiän-dji (jap.: Kongō Hannya-gyō-ryō-kenki; KB)

Bisher kein bibliographischer Nachweis.

Fa-hoa-tschuan-dji (FH)

Bisher kein bibliographischer Nachweis.

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Baustelle

Im folgenden Abschnitt, in dem Bohner aus chinesischen Quellen zitiert, wird nur sein einleitender Text gegeben, da die zugrundeliegenden chinesischen Quellen nicht vorlagen. Diese werden hofentlich vorliegen und dann eingefügt werden. (Fehlende Stellen mit "[…]" gekennzeichnet.)

Blicken wir einmal in diese chinesischen Legenden hinein! (Merke: Fa-hoa-tschuan-dji „Lotusblüten-Überlieferungsbericht“; Abk.: FH)

Im Vordergrunde alles Erlebens steht das Erlebnis des Ingwa (因課; der „Ursache und Wirkung,“ des „wie die Saat, so die Ernte“); es ist das Erlebnis, daß jede Tat eine Wirkung hat, und daß diese Wirkung mit der Tat korrespondiert. Es ist im Grunde das Erlebnis der Kausalität, welches mit so ungeheurer Macht über diese Seelen bricht, aber nicht (wenigstens nicht ausschließlich) das der theoretischen Kausalität, sondern jener immer in Antinomie zu dieser stehenden „Kausalität“ des Praktischen, des Handelns (Kant: Der Postulate), ohne die überhaupt kein Handeln vor sich geht. In volstümlich-eindrucksvollen Bildern stellen die Legenden dies „ wie das In, so das Kwa“ vor Augen. Hiebei ist es nur natürlich, daß bei dem bösen In Vernachlässigung des Buddhistsisch-Gebotenen besonders hervortritt. Die Vergeltung erfolgt oft schon im gegenwärtigen Leben (gembō).

Bei dem Guten In, bzw. dem guten Kwa, tritt das Buddhistisch-Heilige hervor. Es erettet und hilft, befreit und erlöst über alles menschliche Denken hinaus; es schafft Kausalreihen, wo irdisch gesprochen keine sind.

Das ganze zweite Buch des ersten Bandes des Kongō-hannya-shūkenki ist ein einziger Lobpreis auf die Kraft des heiligen Wortes zur Wendung von Krankheit und langen Erhaltung des Lebens (vgl. bes. noch I 31, 21) – wobei jedoch, anders als im Ryō-i-ki, von Blinden und Tauben kaum die Rede ist.

In der Verzweiflung des Schiffsbruchs rettet das Heilige.

Aus 1000 Meilen ferner Ferne, aus fremder Wüste, aus hoffnungsloser Gefangenschaft, ja Sklaverei, führt das Heilige wieder zur Heimat zurück. (MC II, 2; FY 94: 3000 Meilen zum Taishan durch Taischan-[Engel-] Knaben)

Das Heilige verkörpert sich meist im Wort, bzw. in der Schrift. Anders als im Ryō-i-ki, treten die Statuen und Gemälde fast völlig zurück (MA II, 3; FH 5; MA II, 6; MA, II, 13).

Die Diamants-Weisheits-Erweisungs-Schriften suchen in erster Linie Ereignisse zusammen, welche die Macht das Diamants-Weisheits-Sutra (im Folgenden abgekürzt: DWS) dartun.

Geschieht in diesen Fällen die Vergeltung im gegenwärtigen Leben (gembō), so spielt natürlich in den Erzählungen eine große Rolle die Vergeltung nach dem Tode. Sorgfältige Betrachtung wird hier wohl zwei Dinge voneinander scheiden: erstens Erzählungen kommend aus dem, was um den Tod her erlebt wird, zweitens das Ingwa-Erlebnis. Gute Beobachter des Chinesischen haben gesagt, daß dem Chinesischen die Geschichte wie auf breiter gemeinsamer Ebene sich breite; ihm leben die Ahnen noch immer, wenn auch fernergerückt.
Im buddhistischen Bereich ist es ähnlich: die Vorstellung, daß es mit dem Tode aus sei, ist die ungewöhnliche; eben daß es wie im Leben weitergeht, macht die Beschwer. Leben und Nach-dem-Tode sind nicht wie bei dem modernen Abendländer getrennt. Das große primäre Erlebnis ist das Erlebnis des Ingwa, das Erlebnis, daß jede Tat ihre Frucht hat, daß Gerechtigkeit, daß ein Sinn in der Welt ist. Einerlei wann, einmal findet alles seine Beurteilung; einmal gewiß, kommt man vors „Amt“ (das ja beim Chinesen und auch sonst, wo es recht darum steht, immer etwas Himmlisches, Metaphysisches in sich trägt), und das Amt spricht dann öffentlich – auch das Öffentliche ist metaphysisch, weil allumfassend, allgültig – aus, wie die Dinge stehen.
Dieses „Amt,“ von dem fast alle diesbezüglichen Erzählungen sprechen, wird zunächst gleichsam olympisch, vom chinesischen Olymp her geschehend, vorgestellt, d.i. von dem Erhabenen mehr-als-hohen Berge her, dem Taischan, welcher sich ja, wie oben erzählt, voller Güte erzeigt und aus Fremde und Sklaverei erettet. Man mag diesen Erhabenen Berg ersteigen und mit der Gottheit dort reden: ein durch heiliges Leben gegen alle Schrecken des Numens und des Todes gefeiter Mönch, macht sich auch (in MA II, 2; FY 26; FH 8; KW 99) auf, steigt empor und bittet um Aufnahme für die Nacht, um die Gottheit, die ja „im Dunkeln wohnt,“ zu sprechen. Aber der Wächter rät ab: „ Hier ist keine Gaststatt, alle die blieben, starben jäh.“ Doch der Mönch weicht nicht. Unter Donner und Schrecken erscheint der Richter. „ Warum hast du vordem meine beiden Gefährten getötet?“ fragt der Mönch. „Als sie meine Stimme bernahmen,“ antwortete jener, „erschraken sie zu Tode; ich tötete sie nicht.“ Und der Mönch redet mit dem Gott „wie Mensch zu Mensch“ und erfährt Langes und Breites über Recht und Gericht. — Während in der einen Erzählung das „Amt“ deutlich im Norden liegt, ist es in der andern klar als unter der Erde bezeichnet; immer ist es viele Tagesreisen bis dahin; wieder in anderen Erzählungen ist es durch Meditation zu erreichen.

Beim Amte werden Beamte und Richter gebraucht.

Ungeheuer viel zu tun ist auf dem Amt; alles und jedes wird notiert und registriert; Rechtsprechung muß auf den Tatbestand sich gründen; dieser muß schriftlich fixiert und beglaubigt sein. Riesige Rechtsregister werden geführt (MA II, 19); vier bis fünf Tage allein dauert die Durchsicht der Akten (MC V, 5. Eine Geschwindigkeit von der man auf deutschen Ämtern heutzutage nicht einmal träumen darf!); alle und jedes wird verfolgt, belohnt, geahndet.

Oftmals geschieht es, daß der Richter fragt: „Was hast Du Gutes getan?“ und der Gerufene antwortet meist: „Arm und gering war mein Haus und Leben; einzig das Wort des Überirdischen Wissens ließ ich nicht ab zu singen.“ – „Vortrefflich, vortrefflich!“ ruft der Richter und seufzt tief auf in vor innerer Bewunderung (KA III, 2 aus KB; MC II, 2 aus KB; KA III,1 aus KB; MC II, 5) und schickt die Gerufenen wieder ins Leben zurück. — Riesig ist der Betrieb: über 100 sieht We (in MA II, 17) zur Vorführung bereit; viele Tausende sieht Kung-ko (MA II, 19).
Aller angestrebten Genauigkkeit zum Trotz, laufen bei solch großem Rechtsorganismus natürlich auch Versehen mitunter: mancher wird fälschlich herbestellt, z.B. Min (KA 1,24), der von 10 Boten fortgeleitet wird und in der Unterwelt Yü hsin, dessen Schriften er gern gelesen, zum Tier verwandelt zu sehen bekommt.

Das Bildliche diese Erzählungen ist deutlich dem Irdischen entnommen. Vielleicht entwickelte sich zugleich mit der Erfahrung des riesigen, chinesischen Rectsorganismus, der über Provinzen, Völker und Rassen hinwegreichte, das religiös-metaphysische Ingwa-Erlebnis. Nun haben in China Amt und Gericht es selten an Belobigungen, Ehrenpforten, öffentlichen Auszeichnungen fehlen lassen; allein ebenso dringt der Chinese, in vielem dem Römer verwandt, auf strenges Recht. Viele wahre und übertreibend-unwahre Geschichten sind darüber im Westen im Umlauf. Auch geht die natürliche Inklination des Rechts, vollends in alter Zeit, zum Strafrechte hin. Das „(von Hunden bewachte oder hundsmäßige) Erdgefängnis,“ wie die Hölle chinesisch-japanisch heißt ist vom „Amt“ schwer zu trennen. Wenn nun heute noch dem Europäer vor chinesischem Kerker graust, wenn der Anblick der Strafjustiz ihm Schaudern einflößt, wie mag das alles oftmals in alter Zeit gewesen sein! Von der Hölle war es zeitweise nicht viel verschieden. Und man erzählt davon! Was die Strafjustiz in Krieg und Frieden schuf, war für die alte Zeit oftmals das, was dem heutigen Menschen zoologischer Garten oder ein Boxkampf ist. Daher die vielen Hadesberichte (KA 1,10 aus KB; I, 24, 27; II, 5; III, 1, 2. MC I, 3, 6; II 2, 5, 9, 20; III 3; IV, 1, 5; V, 3, 5, 7, 9, 11; VI, 3, 6. MA II, 16-19; III, 3, 5, 19, 21, 24 u.ä.)

Wie jene beiden Mönche der christlichen Erzählung, machen zwei Orientalen, die nicht an Ingwa glauben, aus, daß der zuerst Sterbende dem andern Botschaft bringe. Der eine fällt plötzlich vom Gefährt, und stirbt und bringt Kunde (MA II, 16).
Jemand hängt so sehr an seinem Besitz, an Reichtum und Sklaven, daß er sie sich bei seinem Tode „nachschicken“ läßt. Einer der Sklaven erwacht wieder und erzählt von der Vergeltung der Hölle. (MA II, 5; FY 50 aus MB; KW 382 aus FY; FH 8).
Einer, der schon in der Hölle gewesen, kommt (in MB) nocheinmal dahin (MC V). – Plötzlichem merkwürdigem Tod folgt oft das Wiedererwachen, die Angehörigen zaudern, den Gestorbenen in den Sarg zu legen; manchmal zeigt sich Wärme überm Herzen oder sonstwo; oder plötzlich geht durch das Bein ein Zucken. (Noch vor kurzem klopfte hier irgendwo in Japan das im feierlichen Begräbniszuge zum Grab hin getragene Mädchen an die Lade; nach genauem Bericht der Mainichi-Zeitung [1933/4 !].)

Das über die Unterwelt Berichtete ist in den Einzelheiten sehr verschieden. Doch gewisse Züge kehren immer, bzw. häufig wieder: weit ist der Weg; fern und dunkel das Land; „wie wenn man im Nebel geht, ist es“ (MC III, 3); Boten stehen plötzlich da und holen den Geladenen mit sich fort; steil ist der Hang, tief und dunkel das Wasser. Endlich taucht das Amt auf. Riesig ist die Anlage: Tore und Mauern und fern wieder Tore und Mauern. Man wird vor den Richter geführt. Zittern ergreift die Seele. Dies irae, dies illa … ! Wunderbare Rettung geschieht. Aber Ort an Ort zeigt sich Qual, Strafe, Marter. Irrend durch diese Schauder hört Jin-i-fang wie von Himmelhöhen her wie Glöckleinsklang heilige Worte intoniert; er folgt der erst kaum hörbaren Stimme; sie wird deutlicher und führt ihn zuletzt in die vollkommene Helle zurück (MC III, 3; FY 36; KW 382).

Ist in all diesem das Ryō-i-ki den chinesischen Quellen auf engste verwandt, so ist es drittens in andrer Hinsicht eine völlig andre Welt: jene Quellen sind chinesisch; das Ryō-i-ki ist japanisch.
Wer die beiden Länder kennt, sieht und merkt dies aus Schritt und Tritt; wer die beiden Sprachen spricht und liest, dem sagt es jeder Laut. Es ist ein Unterschied wie zwischen Griechen und Römern. Dort liegt der Wasserbüffel im Reisfeld, den man in Japan gar nicht kennt; da trabt das Eselchen übers chinesische Land; das schwarze Schwein, die Schar der Hunde belebt das Dorf; Schafe und Ziegen sind zahlreich. Wer sollte die ungeheuren Weiten durchmessen, Kriegszüge führen ohne Pferde? Das Ryō-i-ki erwähnt kaum einmal ein Pferd (die zwar bekannt, aber auch erst nach 700 allgemein als Lasttiere gebraucht wurden). Meist erzählt es vom Ochsen. Das starke mächtige Tier vor dem zweirädrigen Karren wird dem durch Japan Gereisten unvergeßlich sein. Von Krabben und Fischen ist viel die Rede. Den Chinesen sind sie nicht so wichtig. Ihnen ist das Meer, was den Römern der Erdkreisstrom, wohl bekannt, aber gleichsam peripherisch. Ströme, deren Größe nur der kennt, der sie befahren hat, sind ihnen, was anderen das Meer, Ströme, durch riesige Gebirge sich drängend, Schluchten durchströmend, in den riesigen Ebenen unüberschauber breit wie Seen strömend. Derlei kennt das Ryō-i-ki nicht. Aber das Meer ist ihnen vertraut, indbesonders das zwischen Settsu (Ōsaka) und Awaji buchtartig lagernde. Berge sind zahlreich im Ryō-i-ki; aber es sind nicht die Riesen Chinas. Hügel galten in jener Zeit für Alpen. Tausende, zehntausend Meilen weite Reisen kennt nur China. Die Erzählungen des Insellands aber führen über die See, über die Meerenge zum Kontinente, der noch wie eine Sage anmutet. Das Volk der Seefahrer, dessen die Gefahr die Isolation ist, zeigt sich deutlich.

Wie die Natur, so der Mensch, so das Geschichtlich-Gewordene. Man blicke auf die Bauten! Die japanischen Forscher sagen mit Recht, daß sich in den Ryō-i-ki-Berichten die Gebäude der Nara-Zeit zeigen. Man achte einmal, was da gesagt wird. Wie dürftig ist, was erscheint! Es ist, als wolle man frühmerowingische Bauten mit solchen der Ägypter und Römer vergleichen. Vor Wen's Bett stehen plötzlich zwei Dämonen und rufen ihn zum Hades-Amt. Weit ist das Feld. Eine Tscheng (Burg, Stadt) taucht auf, mit riesigen geraden Mauern; sechsstöckig erheben sich die Aufbauten. Es geht durch das erste Tor, dann kommt lange nichts, und dann komm das zweite Tor, und dann kommt wieder lange nichts und dann kommt das dritte Tor. Die Tore sind voneinander vier Meilen entfernt. So geht es durch ein viertes, fünftes, sechstes Tor. Sie sind drei Meilen voneinander entfernt. Dann taucht der riesige Palast im mächtigen Quadrat auf. Zahllos sind die Wächter, die wachthaltenden Krieger. Das ist China; das mag Tschangan [Ch'ang-an] oder heute Peking noch sein. Das Ryō-i-ki kennt solche Eindrücke nicht.

Danach achte man auf Staat und Amt, auf die Verwaltung und Rechtsprechung! Es genügt, noch einmal auf das oben durch Beispiele gekennzeichnete chinesische Bild zu weisen; das Ryō-i-ki spricht für sich durch Fehlendes deutlich genug. Welch umfangreiche, ausgebildete Organisation im Chinesischen! Welcher Apparat von Beamten! Es schwirrt von Unterbeamten: hundert, zweihundert sieht der Geladene auf den ersten Blick. Welche Abstufungen! Welche Register! — Die genauen Daten und Angaben, die wir weglassen müssen, würden natürlich diese Dinge noch viel stärker hervorheben.

Doch nicht nur die äußere Form ist derartig ausgebildet; auch das innere Wesen zeigt sich bedeutender geformt, gewachsen, gebildet. Wenn wir diese chinesischen Erzählungen lesen, fallen uns wie von selbst manche der alten Volksgesänge des „Buchs der Lieder“ ein; die Stimmung der großen Han-Zeit-Lieder kehrt ein. Von der Welt dieser Erzählungen ist nur ein Schritt zu Tau yüan ming, Mong hao jan und Wang we, über denen sich dann die großen unsterblichen Dufu und Litaibe erheben. Im Ryō-i-ki sind wir in einem anderen Bereiche. Recht und Amt, Verkehr und Sitte sind noch in den frühen Anfängen; die Poesie, die Kunst ist im Erwachen; Ethos und Religion sind noch jung. Manyōshū einerseits Kojiki, Nihongi, Norito andrerseits geben hier die Lebensspäre.
Eigentümlich typisch gibt so das Ryō-i-ki von der ihm eigenen Seite her das Bild der Nara-Rezeption.

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►  Bio-Bibliographie Hermann Bohners (1884-1963)
►  Sōtei Akaji: „Zen-Worte im Tee-Raume“

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