Grundbelastung durch Dioxine ist noch zu hoch

30. Juli 2007, 22:27

Trotz Fortschritten in der Lufthygiene nimmt die Schweizer Bevölkerung teilweise mehr Dioxine auf als empfohlen.

Von Martin Läubli

Die Verunreinigungen im Guarkernmehl eines indischen Produzenten hat eine Substanz in die Schlagzeilen gebracht, die in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten ist: Dioxin.

Der letzte Dioxinskandal war im Sommer vor acht Jahren in Belgien. Dort gelangten Dioxine über Altöl und Futtermittel in tierische Lebensmittel. Wenig später kursierten Meldungen aus Deutschland. Die Schweiz importierte Futtermittel, dem Kaolintonerde beigemischt war, das giftige Dioxine enthielt. In der Schweiz hat allerdings laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) nie eine «akute Gesundheitsgefährdung» bestanden. «Diese besteht nur bei Unfällen mit grösseren Dioxinmengen», sagt Sabina Helfer vom BAG.

Die Gesundheitsbehörden interessieren sich denn auch mehr für die Grundbelastung in der Gesellschaft als für die kurzfristig erhöhte Aufnahme. Dabei beobachten sie nicht nur die Entwicklung der Dioxine, sondern auch der sogenannten Polychlorierten Biphenyle (PCB), die unter anderem in Kunststoffen vorkommen und ähnliche Wirkung zeigen wie Dioxine.

Diese giftigen chlorierten Substanzen stammen aus der Metallindustrie, sie entweichen aus Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) und privaten Kaminen in die Luft. Die stabilen Moleküle werden dann in alle Himmelsrichtungen verfrachtet und gelangen mit dem Staub in Gewässer und Böden. In winzigen Dosen reichern sie sich über die Nahrungskette im Fettgewebe des Menschen an. Relativ hohe Dioxinwerte werden unter anderem im Fleisch von Rindern und der Milch von Kühen gemessen, die sich hauptsächlich von Gras ernähren.

BAG-Studien zeigen: Die Rückstände in der Muttermilch und in der Kuhmilch haben seit 1980 deutlich abgenommen. Dieser Erfolg ist vor allem auf die verbesserten KVA's zurückzuführen, deren Rauchgasfilter heute einen grossen Teil der Dioxine und PCB zurückhalten. Problematischer ist laut Georg Karlaganis vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) die – illegale – Abfallverbrennung in Cheminées und im Garten. «Sie macht heute den Löwenanteil der Dioxinemissionen aus», sagt der Leiter der Abteilung Stoffe, Boden, Biotechnologie. Die wilde Verbrennnung von einem Kilogramm Abfall belaste die Umwelt so stark wie die Entsorgung von zehn Tonnen in einer modernen KVA.

Trotz den Fortschritten in der Lufthygiene, so heisst es im Jahresbericht 2004 des BAG, seien die Probleme noch nicht gelöst. Diese Einschätzung gilt laut BAG noch heute. «Nach neuen Berechnungen nimmt ein Teil der europäischen Bevölkerung über die Nahrung langfristig Dioxinmengen auf, bei denen gesundheitliche Schäden nicht ausgeschlossen werden können», sagt Sabina Helfer. Die Hälfte der Substanzen sind im menschlichen Körper erst in sieben bis zehn Jahren abgebaut. Die tägliche Aufnahme von Dioxinen und PCB hängt auch davon ab, wie sich der einzelne ernährt. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass der von der EU festgelegte tolerierbare wöchentliche Wert überschritten wird. Wie das BAG schätzt, nimmt ein Teil der Schweizer Bevölkerung mehr Dioxine und PCB auf als empfohlen.

Das Problem ist laut Georg Karlaganis vom Bafu letztlich nur global zu lösen. Grosse Mengen an Dioxin entstehen in den Entwicklungsländern. Helfen soll das Uno-Übereinkommen von Stockholm, das zum Ziel hat, weltweit die gefährlichsten organischen Schadstoffe zu eliminieren.

Wirtschaft

Meistgelesen in der Rubrik Wirtschaft

Die Frage

Gasches Testbeste

Ihr Tagesanzeiger.ch

Der tägliche Morgenreport




© Tamedia AG 2009 Alle Rechte vorbehalten