Nicht ein Amerikaner in Paris, sondern ein Amerikaner in Oberbayern, genau gesagt, in dem kleinen Ort Lenggries, war es, der vor einigen Jahren in der deutschen Motorsportwelt Aufsehen erregte. Francis McNamara (kein Verwandter des Weltbank-Präsidenten) etablierte sich im sonnigen Süden Deutschlands und verkündete stolz der Öffentlichkeit, er wolle sich dem Bau von Rennwagen widmen. Als Chefkonstrukteur angelte sich der ehemalige GI den Wiener Jo Karasek, der. vorher in den Staaten und in England arbeitete. So weit — so gut.

Initiative und Spaß am Rennsport zeichneten das kleine Team aus. Man wagte sich an den Bau von Formel V, Formel Ford, Formel 3 und an Tuning von Serienwagen. Doch man mußte bald einsehen, daß die Trauben auch in den niederen Gefilden des Rennsports sehr hoch hängen. Kurz gesagt, der Erfolg blieb aus, die „Gefährte" aus Oberbayern quälten sich mehr schlecht als recht um die Kurse.

Dann jedoch kam ein Großauftrag aus den USA: Der amerikanische STP-Chef Andy Granatelli verpflichtete McNamara vor zwei Jähren, für seinen Star-Fahrer Mario Andretti ein Indianapolis-Auto zu erstellen. Nun, Wägen wurden gebaut, wiederum mehr schlecht als recht. Im Spätsommer dieses Jahres kam dann das Ende. McNamara war pleite. Der Amerikaner setzte sich in die Staaten ab, zurück blieb seine Werkstatt und in ihr sein Konstrukteur Karasek.

Zur gleichen Zeit sah man etwas weiter nördlich, bei Ford in Köln, endgültig ein, daß die zu Beginn dieser Saison zustande gekommene Ehe Stommelen-Surtees kaum noch zu retten war. Die Stommelen-Unterstützer Ford-Köln, „auto, motor und Sport" sowie der Wohnwagen-Fabrikant Hennerici machten sich Gedanken darüber, wie man „ihren" Stommelen in der. nächsten Saison unterbringen könnte. Man war sich darüber im klaren, daß das Können des Deutschen allein nicht ausreichen würde (dies ist keine Abwertung seines Talents), um ihm 72 einen Sitz in einem Werksteam zu ermöglichen. Geld würde man in jedem Fall ausgeben müssen. Die Aussicht, eine sechsstellige Summe hinblättern zu müssen, war nichts Neues.

Der Leser wird den Zusammenhang erahnen: Die Geburtsstunde für den Gedanken an einen deutschen Formel-1-Wagen war da. Und es schien ganz einfach, wie es auch in vielen Tageszeitungen zu lesen stand. Stommelen als Pilot, Karasek als Konstrukteur, Ford-Köln mit Achtzylinder- Cosworth-Motoren samt Wartungsverträgen und Hennerici sowie „auto, motor und sport" als Geldgeber.

Allein, die Sache ist so einfach nicht. Man kann nicht das Beispiel des englischen Konstrukteurs Derek Gardner heranziehen, der Stewarts Weltmeisterwagen im wahrsten Sinne des Wortes in einer Hinterhofscheune entwickelte. Denn Tyrrell und Gardner standen finanziell gesehen alle Türen offen; außerdem hatte man die Dienste des besten Piloten, der zu haben war. In. Deutschland ist Hennerici nun nach Aussage von „auto, motor und sport" auch nicht mehr gewillt, sechsstellige Summen für dieses Projäkt zu zahlen. Und das ist gut so!

Selbst wenn das Projekt in seiner ursprünglichen Form abgelaufen wäre, dürften nach meiner Ansicht die Geldgeber ihre Mittel zum Fenster hinausgeworfen haben. Und dies aus mehre 1 - ren Gründen. Man darf in Köln bei Ford (bei allem guten Willen für die Sache) nicht so naiv sein zu glauben, daß Cosworth Motoren, wie Stewart sie bekommt, an ein Team, dessen Erfolgsaussichten äußerst gering sind, ausliefern wird. Die diesjährige Saison zeigte deutlich, daß man in England überhaupt nicht in der Lage ist, viele Spitzenmotoren zu bauen, und die wenigen tatsächlich gebauten gehen natürlich an die Top-Teams. Und da dürften für die nächste Saison erst einmal Tyrrell, March, Lotus und eventuell McLaren und das amerikanisdie Penske-Team auf der .Warteliste vorn stehen.

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