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UdSSR-Erben suchen Weg aus der Krise

Wunsch nach neuem Verbund kollidiert mit dem Machtdenken der Herrschenden GUS-Staatschefs treffen sich zum Gipfel

Manfred Quiring, Moskau

Nach mehrfacher Terminverschlebung treffen skh die Staatschefs der GUS heute in Moskau zu einem weiteren Gipfel. Das Hauptthema: Wie kann aus den Trümmern der UdSSR wenigstens ein Wlrtschaftsverbund gezimmert werden?

Fast drei Jahre nach der GUSGijindung bei Brest, die das Ende der UdSSR besiegelte, ist deutlich geworden, daß sich die damit verbundenen Hoffnungen auf Wohlstand nicht erfüllt haben. Die Deslntegration der einst eng miteinander verflochtenen Wirtschaften hat ein atemberaubendes Tempo angenommen, die Folgen sind katastrophal. Bis auf Tudcnienlstan und Aserbaldschan sind die ehemailgen Sowietrepubilken im Brennstoffsektor nicht nur völlig von Rußland abhängig. Meist sind sie auch nicht in der Lage zu zahlen. Das Experiment mit der eigenen Währung nur in Tadschlkistan gilt der Rubel noch -- ging mehrheitlich schief. Der gegenüber dem Dollar schwindsüchtige Rubel ist überall zum gesuchten Zahlungsmittel geworden.

Klage über die Trennung

Die Zahl der Befürworter eines neuartigen Zusammenschlusses ist denn auch im Wachsen begriffen. Für Konstantin Satulin, Unternehmer und Vorsitzender der russischen Duma-Komniission für Fragen der GUS, ist das Verschwinden der Sowjetunion schlicht eine "Tragödie". Zum ersten Mai "in vielen Jahrhunderten sind die Völker unseres Landes getrennt", klagte er, ohne auf Widerspruch zu stoßen. Viele ehemailge Sowjetbürger verstehen ihn: Der Vater Russe, die Mutter Ukrainerin, Schwiegertochter und Schwiegersohn aus Kasachstan oder Moidawien -- die multinationaie Familie war keine Seltenheit in der UdSSR. Künftig vielleicht Besuche nur mit Visum? Eine schreckliche Vision für die einstigen Sowjetbilrger. Noch bileben die "Gussen" verschont.

Maastrichter Rezept?

Argumentationshilfe kam überraschend auch von US-Präsident Clinton. Unmittelbar vor seinem Besuch in Lettland im Sommer hatte er ein erneutes Zusammengehen einstiger Unionsrepubliken nicht ausge-. schlossen. Alles hänge davon ab, "Inwieweit ein entsprechender Beschluß tatsächlich freiwillig gefaßt wird und den Willen der Mehrheit der Leute widerspiegelt~. Politiker wie der Vizepremler Schachraj sind schon Jetzt überzeugt: "Es gibt keine Alternative zur Re-Integration." Die Frage sei nur, wie sie vonstatten gehen werde. Entweder "auf freiwilliger und gleichberechtigter Grundlage bei Bewahrung der politischen Souveränität der Staaten", dann könne das Ergebnis nur elne Konföderation sein. Oder "unzivilisiert, auf imperialem Wegen. Schachiraj schwebt so etwas wie ein "Maastrichter Weg" vor.

Veto schon angekündigt

Doch so groß der allgemeine Wunsch nach einer Re-Integration auch sein mag< so wenig slnd die neuen Herren In den Republiken bereit, Teile der Macht an eine neue Gemeinschaft abzugeben. Ein Prüfstein wird der zwischenstaatliche Wirtschaftsrat sein, dessen Geburtsurkunde den Staatschefs heute zur Unterzeichnung vorliegt. Aserbaldschwer und Turkmenen haben Indes bereits ihr Veto angekündigt. Außerdem sollen ein Memorandum über die Richtungen ~ler Integration und eine Vereinbarung über eine Zahlungsunlon verabschiedet werden. Hier will die Ukraine nicht mitzlehen.