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Die Völkerstämme im Norden Deutsch=Ostafrikas

Von
Max Weiß

Oberleutnant, kommandiert beim Reichskolonialamt

Mit 358 Abbildungen im Text, 21 ganzseitigen Tafeln und einer Karte

BERLIN
Verlag von Carl Marschner.
1910.

Seiner Hoheit
Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg,
dem Leiter der Deutschen wissenschaftlichen Zentralafrika-Expedition
1907/1908
in tiefster Ehrfurcht und Dankbarkeit zugeeignet.


Verzeichnis der Abbildungen nach Photogrammen

Abb. 1 / 249. Der Kibo, das Schnee- und Eisplateau des Kilimandscharo (vom Lager Leitokitok aufgenommen). *
Abb. 2 / 250. Der Mawensi (zum Kilimandscharo gehörig). *
Abb. 3 / 251. Dichter Urbusch am Kilimandscharo. *
Abb. 4 / 252. Felsblock in der Masai-Steppe. *
Abb. 5 / 253. Der Meru- Berg, im Vordergrunde Militärstation Aruscha. *
Abb. 6 / 254 Felskuppen auf den nördlichsten Ausläufern des Kilimandscharo. *
Abb. 7 / 255  Am Tschalla-See. *
Abb. 9 / 256 u. 257. Masai-Krieger (Körperbau und Gestalt). *
Abb. 10 / 258 Masai-Krieger (Körperbau und Gestalt). *
Abb. 12 / 259.13 Kopfbildung, Haartracht und Schmuck der Masai-Krieger. *
Abb. 14 / 260. Zopfflechtender Masai-Krieger. *
Abb. 15 / 261. Masai-Krieger (Tracht und Speer). *
Abb. 16 / 262. Masai-Krieger (Schmuck, Tracht und Speer). *
Abb. 17 / 263. Masai-Jünglinge (Kopfschmuck und Tracht). *
Abb. 18 / 264. Masai-Jünglinge (Kopfschmuck und Bewaffnung)/ *
Abb. 19 / 265 u. 266. Masai in Kriegsschmuck und Waffen (Mütze aus Löwenfell.) *
Abb. 20 / 267 Masai-Krieger (Schmuck und Tracht). *
Abb. 21 / 268. Masai-Krieger (Tracht, Schmuck und Waffen). *
Abb. 22 / 269  Masai-Krieger (tracht, Schmuck und Speer). *
Abb. 23 / 270. Kleidung und Schmuck der Masai-Krieger. *
Abb. 24 / 271. Tracht und Waffen der Masai-Krieger. *
Abb. 25 / 272. Masai-Krieger (Schmuck, Haartracht und Kleidung). *
Abb. 26 / 273. Masai-Krieger. *
Abb. 27 / 275. Aeltere Masai-Männer (Kleidung). *
Abb. 28 Tafel XVIII Masai-Weiber bei der Näharbeit. *
Abb. 29 / 276. Aeltere Masai-Männer (Schmuck). *
Abb. 30 / 277. Masai-Speere (ältere und neuere Formen). *
Abb. 31 / 278. Masai-Weib (Schädelbildung). *
Abb. 32 / 179. Haartracht Schmuck und Tracht der Masai-Mädchen. *
Abb. 33 / 280. Masai-Mädchen (Körperbau und Gestalt). *
Abb. 34 / 281. Masai-Mädchen (Körperbau und Gestalt). *
Abb. 35 / 282. Masai-Mädchen (Körperbau und Gestalt). *
Abb. 36 / 283 Haartracht, Schmuck und Kleidung der Masai-Frauen. *
Abb. 37 / 284. Schmuck einer jungen Masai-Frau. *
Abb. 38 / 285 Abnehmen der eisernen Drahtspiralen. *
Abb. 39 / 286. Abnehmen der eisernen Drahtspiralen. *
Abb. 40 / 287. Abnehmen der eisernen Drahtspirelen. *
Abb. 41 / 288. Schmuck der Masai-Frauen und -Mädchen. *
Abb. 42 / 289. Schmuck und Tracht der älteren Masai-Weiber. *
Abb. 43 / 290. Schmuck u. Tracht einer Masai-Frau. *
Abb. 44 / 291. Schmuck der Masai-Frauen. *
Abb. 45 / 292. Schmuck und Tracht der Masai-Frauen. *
Abb. 46 / 293. Schmuck und Bemalung der Masai-Frauen und -Mädchen. *
Abb. 47 / 294 u. 295. Kleidung der Masai-Frauen. *
Abb. 48 / 296. Schmuck und Tracht der kleinen Masai-Mädchen. *
Abb. 49 / 297. Masai-Kinder. *
Abb. 50 / 298. Masai-Rinder. *
Abb. 51 / 299. Masai-Kraal in der Steppe. *
Abb. 52 / 300. Im Masai-Kraal. *
Abb. 53 / 301. Masai-Ehepaar auf der Wanderung. *
Abb. 54 / 302. Tanz der Masai-Mädchen. *
Abb. 55 / 303. Masai-Mischblut am Meru-Berg. *
Abb. 56 / 304. Masai-Mischblut am Meru-Berg. *
Abb. 57 / 305. Masai-Misdlblut am Meru-Berg. *
Abb. 58 / 306. Ndorobbo-Mann(Körperbau und Gestalt). *
Abb. 59 / 307. Ndorobbo-Mann(Körperbau und Gestalt). *
Abb. 60 / 308. Ndorobbo-Mann(Körperbau und Gestalt). *
Abb. 61 / 309. Ndorobbo-Jüngling (Körperbau, Gestalt und Ohrschmuck). *
Abb. 62 / 310. Ndorobbo-Jünling(Körperbau und Gestalt). *
Abb. 63 / 31l. Ndorobbo-Mann (Tracht). *
Abb. 64 / 312. Schmuck und Tracht der Wandorobbo-Männer. *
Abb. 65 / 313. Wandorobbo-Männer Schmuck, Haartracht und Kleidung (Rechts ein Häuptling mit umgehängter Schnupftabaksdose). *
Abb. 66 / 314. Wandorobbo-Männer mit ihren Kindern. *
Abb. 67 / 315. Wandorobbo-Frauen. *
Abb. 68 / 316. Wandorobbo-Fruen. *
Abb. 69 / 317. Wandorobbo-Frauen und -Kinder. *
Abb. 70 / 318. Vor einem Wandorobbo-Kraal. *
Abb. 71 / 319. Wdndorobbo-Kinder. *
Abb. 72 / 320. Wandorobbo-Kinder. *


VI. Die Masai und Wandorobbo.

Das Volk, das mir während meiner ganzen vierjährigen afrikanischen Tätigkeit am interessantesten war, sind die Masai. Der Wunsch, sie und die von ihnen bewohnten wildreichen Jagdgründe kennenzulernen, veranlaßten mich seinerzeit, auf meinen Heimatsurlaub zu verzichten und weiter teilzunehmen an den strapazenreichen Arbeiten der Grenzexpedition durch dieses hochinteressante Gebiet hindurch bis zum Indischen Ozean.

Ein eigenartiger Zauber liegt in dem Wort ,,Masai". Sind sie doch als der kriegerischste aller ostafrikanischen Stämme bekannt und haben sowohl den englischen wie auch den deutschen Schutztruppen in vielen Kämpfen schwere Verluste beigebracht. Selbst das Schnellfeuer der Hinterlader hat oft den Ansturm der nur mit Hieb - und Stichwaffen ausgerüsteten Masai nicht abwehren können. Auf die umwohnenden Eingeborenen aber hat der Ruf: ,,Die Masai kommen" zum mindesten dieselbe Wirkung wie seinerzeit bei den Römern das Wort: ,,Hannibal ante portas". Der persönliche Schneid der Masaikrieger, die nicht davor zurückschrecken, dem Könige der Tiere in freier Steppe nur mit dem langen Speer in der Faust gegenüberzutreten, und ihre kriegerischen Tugenden müssen in jedem Mann vollste Sympathie erwecken. Ich gestehe ganz ehrlich, daß sowohl mein Freund Captain T. T. Behrens von der englischen Grenzkommission wie ich die Hoffnung hegten, uns einmal mit solchen Gegnern im Kampfe zu messen. Noch ein weiterer Umstand trat hinzu, der uns reizte, die Grenzexpedition durch die Masaisteppe hindurchzuführen; galt sie doch in dieser Gegend wegen Wassermangels und wegen des Fehlens ackerbautreibender Stämme für unpassierbar. Außerdem war uns bekannt, daß der damalige Gouverneur von Trotha, der nicht einmal wie wir an eine ganz bestimmte Marschrichtung gebunden war, sondern im Bogen weiter südlich die Steppe durchquerte, dieses nur mit Opfern an [318] Menschenleben, Reit- und Lasttieren ermöglichte, so daß auch das Reichskolonialamt lebhaftes Bedenken hatte, uns durch dieses unwirtliche Gebiet ziehen zu lassen, bis Goldfunde in unmittelbarer Nähe der Grenze eine Vermessung derselben dringend erforderlich machten.

Waren dies Momente, die auf uns Europäer einen hohen Reiz ausübten und in uns das Verlangen erweckten, Land und Leute kennenzulernen, so verhielt es sich gerade umgekehrt bei unseren Trägern, den sonst sehr tüchtigen und leistungsfähigen Wassukuma. Sie sahen in einem Zug durch diese Steppe nur ein höchst gefahrvolles Unternehmen, bei dem ihnen ständige Überfälle der kriegslustigen Masai bevorstanden. Hatten sie doch selbst schon häufig in ihrer Heimat Ussukuma räuberische Einfälle zu erdulden gehabt. Nur der Autorität unseres Expeditionsleiters, des Hauptmanns Schlobach, der früher ihr Stationschef war, gelang es, sie zu dieser Durchquerung zu verpflichten. Wie es auch lediglich seiner Umsicht und Tatkraft zuzuschreiben ist, daß die uns gestellte Aufgabe, wenn auch unter großen Anstrengungen und Entbehrungen, zur vollsten Zufriedenheit des Reichskolonialamtes gelöst wurde.

Am Rande des über 300 m tief fast senkrecht abfallenden Utimbaruplateaus stehend, lassen wir die Blicke in sehnsuchtsvoller Erwartung dessen, was uns die nächsten Monate bringen werden, nach Osten schweifen. Unter uns breitet sich schier endlos die mit hohem Gras und Akazienbusch bestandene Masaisteppe, und in ihr sehe ich mit meinem guten Buschglase deutlich zahlreiche Wildherden, aber soweit das Auge reicht keinen Menschen. In vorsichtig zögerndem Schritt, fest auf den Bergstock gestützt, steigen wir den Steilabfall des Plateaus hinab und befinden uns jetzt in der Masaisteppe.

Es ist hier nicht der Ort, die Eindrücke zu schildern, die mir gleich am ersten Tage das so außerordentlich wechselreiche Bild der Tierwelt bereitete; nicht die Empfindungen, die in mir ausgelöst wurden, als ich gleich in der ersten Nacht die gewaltig packenden Töne eines brüllenden Löwen horte. Der so eigenartige Zauber der Masaisteppe hielt mich gleich vom ersten Tage an umfangen, und immer wieder drängte sich mir die Frage auf, wann werde ich mit dem ersten Masai zusammentreffen, und wann werde ich den ersten Löwen strecken? So unglaublich es klingt: ich habe erst die ganze Masaisteppe durchqueren müssen, um dann endlich am Nordhange des Kilimandscharo in Leitokitok die erste Masainiederlassung zu finden. Auch nicht einer von uns 15 Europäern der gemeinsamen deutsch-englischen Grenzexpedition, die wir doch stets mit nur ganz kleiner bewaffneter Macht getrennt marschiert sind und gearbeitet haben, ist mit den Masai zusammengestoßen.

Der Grund lag einmal darin, daß die Masai schon kurze Zeit nach dem Eintreffen der Grenzexpedition am Ostufer des Viktoria-Sees genau [319] unterrichtet waren von der Stärke und Zahl der Europäer, und daß sie es deshalb nicht für ratsam hielten, einen Angriff zu unternehmen, um so mehr, als es bei uns ja nichts zu holen gab und wir auch nichts von ihnen wollten. Die andere Ursache hatten wir wohl darin zu suchen, daß mitten in der Steppe dicht an der Grenze das Gouvernement einen Offizierwanderposten errichtet hatte, der von Leutnant (jetzt Oberleutnant) von Wiese und Kaiserswaldau geführt wurde. Mit seiner kleinen aber hervorragend disziplinierten Askaritruppe zog er ununterbrochen in anstrengenden Märschen im Grenzgebiet umher und hielt so die Masai in Schach. Sein weiteres, nicht zu unterschätzendes Verdienst bestand darin, daß er sich das volle Vertrauen der sonst so scheuen und europäerfeindlichen Wandorobbo erwarb und stets über landeskundige Führer verfügte, was nie so dringend erforderlich war für das Vorwärtskommen unserer Karawane, wie gerade hier in dem wasserarmen und unbewohnten Gebiet.

Daß in bewohnten Gegenden sich mit großer Schnelligkeit und Genauigkeit die Nachrichten über den Anmarsch einer Karawane im Lande verbreiten, haben wir bereits gehört; geradezu erstaunlich aber war es, daß durch diese weiten unbewohnten Gefilde in kurzer Zeit die Kunde von dem Anmarsch der Grenzexpedition bis zum Kilimandscharo gelangt [320] war, und zwar vollkommen richtig, was die Zahl der Europäer anbelangte, nur die Stärke unserer bewaffneten Macht war viel zu hoch angegeben worden. Die Träger dieser Botschaft waren zweifellos die Wandorobbo.

Die Bezeichnung Masaisteppe für das weite von den Masai und auch den Wandorobbo bewohnte Gebiet, das etwa zwischen dem 34. und 38. Längengrad, sowie dem 3. Grad nördlicher und 6. Grad südlicher Breite liegt, erweckt die falsche Vorstellung, daß wir es hier nur mit einem Steppenland zu tun haben. Wohl finden wir weite Gras- und Buschsteppen, wie am Mara, bei Olgoß und an vielen anderen Punkten, aber in diesen wieder Hochplateaus und stark zerklüftete Gebirge von über 2000 m Durchschnittshöhe, so daß wir bei unserer Durchquerung nach höchstens zweitägigem Marsche durch Steppenland wieder einen Gebirgszug vor uns hatten, und das war unsere Rettung. Denn zur Trockenzeit konnte man vergeblich in der Steppe nach Wasser suchen; ja selbst das Graben in den ausgetrockneten Flußbetten blieb ergebnislos. Stets jedoch [321] fanden wir -- oft allerdings erst nach langem mühseligem Suchen -- in den Bergen Wasser.

Die Hauptschwierigkeit bei Durchquerung dieses Gebietes bestand darin, daß wir durch unsere Arbeit an eine bestimmte Marschroute gebunden waren und unsern Weg nicht mit Rücksicht auf die Wasserstellen [322] wählen konnten. Oft kamen meine Führer zu mir und baten mich: ,,Herr, wir müssen nach Süden; wenn wir diese Richtung beibehalten, werden wir nie Wasser finden." Das Wort ,,ngare medi", kein Wasser, das wir so oft zu hören bekamen, wirkte stets auf uns Europäer, noch mehr aber auf die armen, nach langem Marsche ermatteten Träger recht niederdrückend.

Ich entsinne mich deutlich eines Tages: die Trockenzeit hatte ihren Höhepunkt erreicht, um 6 Uhr früh waren wir von unserm Lagerplatz abmarschiert und zogen schon 7 Stunden in der sonnendurchglühten, verdorrten Steppe lautlos, matt und stumpfsinnig dahin, ohne die geringste Aussicht auf Wasser. Mehrere Male hatten wir ausgetrocknete Flußbetten passiert, an deren Struktur man erkennen konnte, wie hier zur Regenzeit wildschäumende Wassermengen dahingebraust waren. Jetzt fanden wir selbst durch Nachgraben nicht einen Tropfen Wasser. Acht Stunden zogen wir bereits durch die Steppe, da kam mein Führer zu mir und sagte: ,,Herr, wenn wir jetzt nicht nach Süden marschieren, dann müssen wir verdursten."

Ich hatte jedoch nicht im Süden zu arbeiten, sondern im Norden. Wir gingen also nach Norden weiter. Um 5 Uhr nachmittags machte ich an einem Hügel mit meiner völlig ermatteten Karawane Halt und suchte mit dem Glase die Gegend ab. Hierbei fand ich am Hange eines Höhenzuges in zwei Kilometer Entfernung eine kleine Stelle mit frischem grünen Gras. Sofort begab ich mich dorthin und entdeckte zu unserer größten Freude eine, allerdings nur tropfenweise rieselnde Quelle. Um 12 Uhr nachts hatte auch der letzte Träger seinen Krug gefüllt.

Häufig mußten wir froh sein, nach angestrengten zehnstündigen Märschen unser Lager an einer Wasserstelle aufzuschlagen, die weiter nichts wie eine dunkelbraune Flüssigkeit enthielt, in der vielleicht kurz vorher noch sich ein Nashorn gewälzt hatte. Jedoch ohne Besinnen stürzte sich alles auf diesen Tümpel und sog mit gierigen Zügen das höchst zweifelhafte Naß.

Betrachten wir uns ganz kurz die sogenannte Masaisteppe dort, wo die Grenzexpedition sie berührt hat: Vom Utimbaruplateau aus marschieren wir durch lichte Akaziensteppe, die im Durchschnitt 1350 - 1400 m hoch liegt, mit zum Teil niedrigem, zum Teil meterhohem Grasbestand, und erreichen nach 4 - 5 Stunden den Marafluß (Tafel XVII), der südlich Schirati in den Viktoria-See mündet. In dieser Steppe liegen Weideplätze und am Tikitei, dem Nebenfluß des Mara, Tränken der Bakulia. Die Steppe selbst ist sehr wildreich, vorherrschend finden wir Jimera, Swala (Schwarzfersenantilope), Thomsongazellen und am Mara selbst Wasserböcke; daneben noch zahlreiche kleine Antilopenarten. Nach Durchquerung [323] des Mara setzen wir den Marsch durch welliges Steppenland fort und treffen hier, nur einen Tagemarsch östlich des Flusses, die ersten Spuren kürzlich verlassener Wandorobboniederlassungen und am nächsten Tage bereits einen bewohnten Kraal. Achtlos wären wir an dem ganz im dichten Buschwerk versteckten Dorf vorübergegangen, wenn uns nicht das Blöken der Schafe angelockt hätte.

Der nächste Tagemarsch bereits brachte mich wieder an ein Wandorobbolager, in dessen unmittelbarer Nähe ich auf einer saftigen, großen Wiese das Lager aufschlug. Eingesäumt ist mein Lagerplatz von großen Bosketts, die gerade jenem Teil der Masaisteppe, den ich in den letzten zwei Tagen durchquert hatte, ein so eigenartiges Gepräge geben; dicht vor mir liegt der steil 2200 m hoch ragende Gipfel des Kogaberges, den wir als trigonometrischen Punkt benutzten. Er gehört zu einem Gebirgsstock, der hier auf unserer Route zum erstenmal die zum Teil hügelige zum Teil ganze flache Steppe unterbricht und das kleine, klare Bächlein, das mir zu Füßen plätschert, mit Wasser versorgt. Hier fand ich bei dem Ältesten der Wandorobbo ein sehr liebenswürdiges Entgegenkommen; er ließ mir sogar einen Hammel überreichen und gab mir Gelegenheit [324] zum Erwerb verschiedener interessanter ethnographischer Gegenstände und zu photographischen Aufnahmen.

Von hier aus zieht sich ein mehrfach unterbrochener Gebirgsstock von 2200 m Durchschnittshöhe in südlicher Richtung auf Olgoß zu bis etwa auf 10 km an dasselbe heran. Die dazwischenliegenden Längs - und Quertäler zeigen meist lichten Baum- und Buschbestand, zum Teil sind sie aber auch, ebenso wie die Hänge, mit undurchdringlichem Dickicht bewachsen, wodurch das Besteigen der Berge außerordentlich erschwert wird. Hat man nicht das Glück, auf Nashorn- oder Büffelpfaden durchzukommen, so ist stundenlanges Arbeiten mit Axt und Buschmesser nötig, um sich einen Weg zu bahnen. Das Betreten der Nashorn- und Büffelpfade ist nicht ungefährlich. Verschiedene Male kamen uns Nashörner entgegen oder Büffel brachen, wütend schnaubend, in unmittelbarer Nähe von uns durch das Dickicht, so daß einem meiner Wandorobboführer die Situation zu ungemütlich wurde und er spurlos im Dickicht verschwand, um nicht wiederzukommen.

Der schon vorstehend erwähnte Offizierposten Olgoß liegt 40 km von der Grenze entfernt. Er ist auf einem freiliegenden steinigen Hügel, der guten Umblick gestattet, errichtet.

Folgen wir vom Berge Koga aus dem Verlauf der Grenzlinie, so haben wir auf dem 90 km langen Weg bis zum Ostafrikanischen Graben ein stark zerklüftetes Gebirgsland, das im Durchschnitt 2200 m hoch ist, aber auch Berge von 2500 m aufweist, zu durchqueren. Vom Posten Olgoß aus führt uns ein bequemerer Weg durch die 33 km breite, außerordentlich wildreiche, leichtgewellte Grassteppe. Bei Oliondo erreichen wir dann wieder Gebirgsland. Zwischen den Bergen, vor allem an dem Flusse Bolloledi, liegen noch kleinere wildreiche Gras- und Buschsteppen, die infolge ihrer Höhenlage von fast 2000 m ein durchaus gesundes, nahezu europäisches Klima aufweisen; hier traf ich wiederholt Wandorobbo. An einem idyllisch schönen Fleck, unmittelbar neben einer klaren Quelle und nahe dem löwenreichen Bolloledi befand sich unser Verpflegungsdepot Mundorossi. In der Anlage dieser drei bis vier Tagemärsche voneinander entfernten Depots bestand für uns die einzige Möglichkeit, die Masaisteppe zu durchqueren. Es bedurfte der langjährigen Erfahrung und der Fähigkeit des Hauptmanns Schlobach, monatelang voraus disponieren zu können, um diese Depots richtig anzulegen und rechtzeitig mit Verpflegung zu versorgen. Wir waren bei unserer trigonometrischen und topographischen Tätigkeit völlig von ihnen abhängig. Der Weitermarsch nach Osten war infolge des fortwährenden Bergauf und Bergab und durch das dichte Gestrüpp und Buschwerk, das wir in den Tälern und auf den Berghängen fanden, sehr beschwerlich. [325]

[326] Von Mundorossi aus haben wir in drei angestrengten Tagemärschen den Westrand des ostafrikanischen Grabens erreicht und genießen hier auf dem Oldonjo-Sambu einen prachtvollen Anblick. Dicht vor unsern Füßen stürzt der Steilabfall von 2022 m Höhe fast senkrecht ab bis zu einer Tiefe von 620 m. Weit unten blinkt in der grellen Tropensonne weißschimmernd der Spiegel des fast 60 km langen Natronsees; kein Lufthauch kräuselt seine glatte Fläche und eigenartig wirkt auf uns, die wir jetzt tagelang durch die üppigste Baum- und Buschvegetation marschiert sind, die völlige Kahlheit und Dürre seiner Ufer. Diese Wirkung wird noch erhöht durch den Anblick des in starrer Nacktheit vor uns auf dem jenseitigen Ufer in fast 3000 m Höhe steil emporragenden, viel zerrissenen, mächtigen Blockes des Vulkans Oldonjo-Gelei.

Der See selbst ist eingefaßt von einem schmalen weißen Band; es ist die Ablagerung des Natronsalzes. Dicht neben diesem weißen Saume erblicke ich am ganzen Nordufer einen rosaschimmernden Streifen, den ich mir anfangs von meinem hohen Standorte aus nicht erklären kann, bis mein gutes Buschglas mir Aufschluß gibt; es sind unzählige Flamingos, die dort im seichten Wasser einherstolzieren und sich mit ihren langen Hälsen und krummen Schnäbeln vom Grunde des Sees ihre Nahrung holen. Der Abstieg zum ostafrikanischen Graben erfolgt in zwei sehr steilen Terrassen. Trotzdem der Weg in zahlreichen Serpentinen sich nach unten windet, ist er doch noch so steil, daß mancher Träger mit seiner Last -- gerade nicht zum Vorteil dieser -- ausgleitet.

Endlich auf der Sohle des Grabens am Nordufer des Sees angelangt, empfängt uns eine Gluthitze, wie wir sie seit Verlassen der Küste, also seit 21/2 Jahren, nicht empfunden haben. Kein Luftzug verschafft uns Kühlung und sengend heiß strahlt der kahle rotbraune Boden die Sonnenglut zurück; er war so stark erhitzt, daß meine Träger trotz ihrer Hornhaut unter den Füßen mit ihren schweren Lasten im Laufschritt bis zum Wasser eilten und in diesem weitermarschierten. Wie wir jetzt deutlich wahrnehmen konnten, ist der See außer mit Flamingos noch mit zahlreichen Pelikanen und Reihern bevölkert. Auch in der Nacht kühlte es sich nicht ab, außerdem wurden wir derartig von Moskitos geplagt, daß meine Träger sich gar nicht zur Ruhe begaben, sondern die ganze Nacht am Feuer saßen und versuchten, durch den Rauch die Moskitos zu verjagen. Ja, einige Träger liefen sogar, um sich von ihren Peinigern zu befreien, in den See hinein.

Zum Glück kamen wir bald wieder in höhergelegene Gegenden und 30 km östlich des Natronsees befanden wir uns wieder in Gebirgsland von 2000 m Durchschnittshöhe. Mit Ausnahme des Natronsee - und Amboseliseegebietes ist die Masaisteppe, dort wo ich sie kennen lernte, [327] gesund, vor allem aber in den gebirgigen Teilen, so daß sie mit ihren weiten, zu Viehweiden hervorragend geeigneten Grassteppen sehr wohl besiedelungsfähig ist, vorausgesetzt, daß Verkehrswege geschaffen werden.

Auf dem Weitermarsch nach Osten treffen wir wieder, wie westlich des Natronsees, Gebirgszüge abwechselnd mit welligem und hügeligem [328] Steppenland, in dem sich zahlreiche Wildherden tummeln und aus dem zwei gewaltige Massive emporragen. Es ist der dunkle, steil abfallende 2570 m hohe Oldonjo-Erok und der 2600 m hohe Longidoberg. Beide sind bewaldet und vor nicht langer Zeit, wie deutliche Spuren zeigten, hatten dort noch Elefanten gehaust. Von hier führt uns der schmale, erst von unsern Trägern angelegte Weg in gleichmäßigem Fall zu einer breiten flachen Grassteppe von nur 1200 m Durchschnittshöhe, in der die Njirisümpfe und der Amboseli-See liegen. Hier befinden sich wieder gute Weideplätze für ungezählte Wildherden. Vor allem zieht sich zur Trockenzeit das Wild aus der wasserlosen Steppe an diesen ständigen Wasserstellen zusammen, und die Löwen haben an den Tränken ein bequemes Jagen.

Nach Durchquerung dieser etwa 30 km breiten Grassteppe, die in ihrem östlichen Teil in einen dichten Buschwald übergeht, stehen wir am Fuße des Kilimandscharo (Abb. 249 und 250), der mir aus dem vortrefflichen Werke des Professors Hans Meyer bekannt war und den aus eigener Anschauung kennen zu lernen jeden, der die packenden Schilderungen dieses Forschers gelesen hat, reizen muß. Leider ist das Haupt des Berges fast immer in Wolken gehüllt und stets nur während der Regenzeit liegt er zu früher Morgenstunde in seiner ganzen majestätischen Pracht vor uns. Schon einmal hatte ich den überwältigenden Anblick dieses mächtigen Bergriesen genossen. Es war südlich vom Berge Longido; wie bei unserer angestrengten Tätigkeit üblich, hatte ich bereits eine Stunde vor Sonnenaufgang mein Lager verlassen und marschierte durch eine weite offene Buschsteppe nach Osten in Richtung auf den Kilimandscharo. Bald zeigte sich vor uns tief unten am Horizonte der erste fahlgraue Dämmerstreifen. -- Die Leute, die behaupten, daß es in den Tropen keine Dämmerung gibt, sind nicht mit offenen Augen durch das Land gegangen; wohl ist sie kürzer wie hier bei uns, doch gibt es eine Morgenund Abenddämmerung. -- Das Tagesgrauen wich einer schwach rosaroten Färbung, die immer intensiver wurde, bis die ersten Strahlen der höher steigenden Sonne den Osten in purpurne Glut tauchten.

Jedoch nicht durch dieses schöne Naturschauspiel, das wir ja schon so oft genossen hatten, wurde unser Auge gebannt, sondern durch ein weit packenderes, bisher noch nicht geschautes: Vor uns in einer Entfernung von 90 km lag in völliger Klarheit das 6000 m hohe, mit ewigem Eis und Schnee bedeckte Haupt des Kilimandscharo. Scharf hoben sich die Umrisse dieses gewaltigen Blockes ab und es machte auf uns, die wir 4000 m tiefer standen, den Eindruck, als rage er mit seinem mächtigen breiten Schneehaupte bis in den Himmel hinein. Nicht in schneeiger Weiße sahen wir seinen Gletschermantel, sondern von der aufgehenden Sonne mit einem zarten rosafarbenen Hauch übergossen, und wie mit der aufsteigenden Sonne der Horizont selbst intensivere Töne annahm, so war auch bald das riesige Schneehaupt wie mit Purpur überzogen. Ein Bild, das wohl nur wenige geschaut haben und das den wenigen für ihr ganzes Leben unvergeßlich bleiben wird, ein Bild, das Meister Kuhnert, der Beherrscher [330] afrikanischer Farbentöne, so herrlich wiedergegeben hat. Mit der höhersteigenden Sonne verblaßten die roten und rosa Tone und der Firnenkranz des Bergriesen lag in blendender Weiße vor uns. Nur kurze Zeit konnten wir dieses herrliche Naturschauspiel genießen. Aus dem breiten Urwaldgürtel, der den ganzen Kilimandscharo umgibt, stiegen wallende Nebel auf, die sich zu Wolken verdichteten und bald den Gipfel eingehüllt hatten, so daß nur noch der dunkle, breite untere Block sichtbar blieb.

Der Weitermarsch unmittelbar am Nordhange des Vulkans entlang war recht beschwerlich und zeitraubend durch die zahlreichen tief eingeschnittenen und häufig noch dicht bewachsenen Taler, die in die Ebene führen. Die wie riesige Zungen sich vom Kilimandscharo im gleichmäßigen sanften Abfall erstreckenden Hänge sind unmittelbar am Massiv des Berges mit dichtem, hochstämmigem Urwald bewachsen. Er saugt wie ein Schwamm die Niederschlage auf und hält sie fest; ohne ihn wäre der Kilimandscharo öde und unfruchtbar.

An die Urwaldzone schließt sich eine Region mit dichtem, bis zu drei Meter hohem Urbusch, der nur auf Elefantenpfaden oder mit Axt und Buschmesser zu durchdringen ist. Hochst mühsam war hier das Topographieren; um die genügende Fernsicht zu gewinnen, mußten meine Träger erst in stundenlanger Arbeit das Dickicht niederlegen (Abb 251). Nach Beendigung dieser Aufnahmen langte ich in unserem astronomischen Beobachtungslager Leitokitok an, das unmittelbar am Urwaldrande, ja schon unter den schattigen, weitverzweigten Bäumen desselben lag. Hier machte sich die Nahe des ewigen Schnees deutlich fühlbar. Angenehm erfrischende Kühle herrschte selbst zur Mittagszeit, so daß wir während unseres ganzen Aufenthaltes nur europäische Kleidung trugen. Bitter kalt wurde es bei den nächtlichen Beobachtungen, trotzdem unser Lager nur 1860 m hoch lag. Ein eisiger Wind wehte Nacht für Nacht zu uns herüber, so daß die Finger am Instrument erstarrten und wir Blechgefäße mit glühender Holzkohle in unserer Nähe aufstellten, um arbeiten zu können.

Eine hocherfreuliche Nachricht erhielt ich bei meinem Eintreffen in Leitokitok, nämlich die, daß nur zwei Stunden von hier entfernt sich eine größere Masainiederlassung befinde. Also endlich treffe ich sie doch noch! Ein Jahr lang war ich nun in der Masaisteppe herumgezogen und hatte vergeblich nach ihnen ausgespäht. Am nächsten Morgen bereits versuchte ich mit den Leuten Fühlung zu gewinnen; ich schickte Boten zu ihnen mit der Aufforderung, sie möchten zu mir ins Lager kommen, sie würden auch Geschenke erhalten. Stolz ließen sie mir sagen, wenn ich etwas von ihnen wollte, möchte ich zu ihnen kommen. Was blieb mir weiter übrig. Ich mußte sie kennen lernen, möglichst gründlich sogar, also war ich genötigt zu ihnen zu gehen. Wohl trieben sich täglich Masaiweiber [331] genug in unserem Lager herum, aber kein Krieger kam, und anderen Bekanntschaft lag mir doch besonders.

Abb. 9 / 256 u. 257. Masai-Krieger (Körperbau und Gestalt). Abb. 10 / 11 Masai-Krieger (Körperbau und Gestalt).

Sofort nach Beendigung meiner astronomischen Arbeiten marschierte ich in die Steppe hinab und schlug mein Lager unmittelbar neben [332] der Masainiederlassung auf. Doch damit war ich noch lange nicht am Ziel. Erst mußte ich an den Häuptling und an die Krieger zahlreiche Geschenke verteilen ehe sie mir gestatteten, sie, ihre Weiber, Mädchen und Kinder zu photographieren. Von Leitokitok aus behielt ich dann noch mehrere Monate Fühlung mit ihnen und habe mit großem Interesse das Leben dieses mir hochsympathischen Stammes, so weit es meine karg bemessene freie Zeit erlaubte, studiert.

Die Masai, Langschädel wie die Wahima (Watussi), gehören zur semitischen Rasse, deren Heimat die arabische Halbinsel ist. Der Grund ihrer Wanderung war, wie bei den Wahima, durch Uebervölkerung entstandener Raum- und Nahrungsmangel. So sahen sie sich gezwungen, neue Weidegründe aufzusuchen Von Norden kommend, den Nil stromauf ziehend, gelangten sie schließlich auf ihrem Zuge in die weiten Grasländer der heutigen Masaisteppe und fanden hier vortreffliches Weideland und Raum für ihr Nomadenleben. die umwohnenden zahlreichen, Akkerbau treibenden Eingeborenen boten ihnen gute Gelegenheit, ihre kriegerischen Neigungen zu betätigen.

Eine offene Frage ist die: Führten die Masai, wie die Wahima, bei ihrem Einfall in das Land Rinderherden mit sich oder nicht? Da sie ein Hirtenvolk sind, genau wie die Wahima, so ist wohl anzunehmen, daß sie mit ihren Rindern diesen Zug unternahmen und daß diese gleichfalls zur Sangagruppe gehörten. Dagegen spricht allerdings, daß man jetzt bei den Masairindern nicht mehr die Merkmale der Sanga-Rasse [333] findet; es sind durchweg Zebu-Rinder. Berücksichtigt man aber, daß die Masai durch zahlreiche Raubzuge immer wieder frisches Blut in ihre Herden brachten, so kann doch die Möglichkeit vorliegen, daß sie mit ihren Sanga-Rindern in das Land kamen, daß aber durch die so häufige Vermischung mit dem erbeuteten Vieh im Laufe der Jahrhunderte die charakteristischen Merkmale dieser Rasse völlig schwanden.

Auf die Geschichte der Masai will ich hier nicht weiter eingehen. Ich verweise jeden, der sich hierfür interessiert, auf das vortreffliche Merker'sche Buch. In nachstehender Beschreibung beschränke ich mich lediglich auf das von mir Gesehene und Erfragte. Zu meiner Freude traf ich bei meinen Nachforschungen wiederholt Leute, die mir von Merker und seiner Forschertätigkeit berichteten. Geradezu verblüffend wirkte auf mich die ganz selbstverständlich klingende Frage eines Kriegers von [334] Leitokitok, der mich beobachtete, wie ich meinen photographischen Apparat aufstellte. Er kam auf mich zu mit den Worten: „Ach, du willst uns photographieren?" Auf meine erstaunte Frage, woher er das wisse, erwiderte er mir: ,,Ja, hier war vor nicht langer Zeit der bana Schillingsi (Herr Schillings), und hat uns auch photographiert." -- Und ich hatte mir eingebildet, im dunklen Afrika zu sein!

Die Schädelbildung und Gestalt der Masai veranschaulichen die Abbildungen 256, 257, 258, 259 und folgende. Wir sehen hier ebenso typische Langschädel wie bei den Wahima. Das längliche Gesicht zeigt feingeschnittene, hübsche und intelligente Zuge. Die Stirn ist gut gewölbt; die Nase schmal mit dünnen, flachen Flügeln und geradem oder leicht gewölbtem Rucken. Die Augen sind mandelförmig, die Lippen gut geschwungen, voll, aber dabei nie wulstig. Die wohlgeformten Ohren sind mittelgroß, werden aber leider, wie nachstehend geschildert, stark verunstaltet.

Die Gestalten der Masai sind proportionierter, als die der überschlanken Wahima, denn der feine Knochenbau trägt gut entwickelte Muskeln, die infolge des Kriegshandwerks wohl geübt sind und dem ganzen Körper Straffheit und Elastizität verleihen. Wie bei den Wahima, so fällt uns auch bei den Masai ihre selbstbewußte Haltung auf, die bedingt ist durch ein außerordentlich stark entwickeltes National- und Rassebewußtsein. So erkennt er den Europäer absolut nicht als höherstehend an, bewahrt auch ihm gegenüber sein Selbstbewußtsein, das häufig sogar in Unverschämtheit ausartet. Die Hautfarbe zeigt ein verschieden getöntes Schokoladenbraun. Weitere charakteristische Merkmale sind die langen Arme und Beine, zierliche dünne Hand- und Fußgelenke, schmale Hände und Füße, schlanke, lange Finger mit leichtgewölbten, schmalen, langen Nageln. Wie die Wahima, so bewahren sich auch die Masai selbst im vorgerückten Mannesalter ihre Schlankheit.

Tätowierung ist, allerdings nur in bescheidenem Maße, gebräuchlich. Es handelt sich hierbei lediglich um Ziernarben, die durch Schnitte mit einem kleinen scharfen Messer oder auch dem Rasiermesser ausgeführt werden. Eine Behandlung der Schnittwunden mit ätzenden Mitteln findet nicht statt, so daß die Tätowierung nur wenig hervortritt und dem flüchtigen Beschauer garnicht auffällt. Die gebräuchlichsten Formen sind Lyra und Hufeisen, doch finden wir auch Strichtätowierung. Meist wird sie auf dem Oberarm, seltener auf dem Bauche angebracht. Eine weitere ,,Verschönerung" ist das Entfernen der unteren beiden Schneidezähne. Sie werden in frühester Jugend bereits mit dem Messer gelockert, dann mit der Hand entfernt. Beim Zahnwechsel wird dieser Eingriff wiederholt. Es handelt sich hierbei fraglos um eine alte religiöse [335] Sitte, deren Bedeutung ich aber selbst bei den Dorfältesten nicht mehr erfragen konnte. Sie gaben mir vielmehr als Grund an: Sie entfernten diese beiden Zähne, damit in der Zahnreihe eine Lücke entstünde, durch die sie beim Bier- und Milchtrinken in langem Strahl spucken könnten.

An der schlanken schmalen Hand tragen sie lange Fingernägel, die nicht abgeschnitten, sondern abgebissen werden, wenn sie zu lang sind. [336]

Schon in früher Kindheit werden die Ohrläppchen mit einem Akaziendorn durchstochen und der unmittelbar darüber befindliche Knorpel durchschnitten. Das Dehnen und Erweitern geschieht dadurch, daß sie Holzpflöcke, anfangs von kleinem, dann immer größerem Durchmesser, einsetzen. Ohrlappen, die, in dieser Weise gedehnt, bis auf die Schultern herabhängen, sind nicht selten.

Ferner ist bei den Masai das Durchlöchern des oberen Randes der Ohrmuschel Sitte. Ueber die Art dieser Verunstaltung verweise ich auf das Kapitel V ,,Die Bakulia".

Außer den soeben erwähnten Gebräuchen üben die Masai noch die Beschneidung, und zwar beider Geschlechter. Die Beschneidung der Knaben erfolgt erst dann, wenn sie kräftig genug sind, in den Kriegerstand einzutreten; das ist in der Regel im Alter zwischen 116 Jahren, doch kann sie bei besonders gut Entwickelten auch früher stattfinden. Mit vollzogener Beschneidung rechnen sie zu den Erwachsenen.

Sämtliche Knaben eines Distriktes werden an einem und demselben Tage beschnitten. Dieser Tag wird nach Beratungen der Altesten von diesen festgesetzt. Die Knaben feiern schon Wochen vorher dieses für sie so bedeutsame Fest, das sie zur Aufnahme in den bevorzugten Kriegerstand berechtigt, durch Tänze und Gesang in ihren und in befreundeten Kraalen. Am Tage vorher wird dem Knaben das Kopfhaar rasiert; Fellumhang und Schmuck legt er ab und trägt dafür nur einen langen, von seiner Mutter angefertigten Lederschurz. Am Beschneidungstage selbst versammeln sich sämtliche Knaben bereits vor Sonnenaufgang an dem vereinbarten Orte. Dieser liegt in der Nähe eines Kraals und wird von den Alten, die berufsmäßig die Beschneidung ausüben, bestimmt. Mit Rücksicht auf die recht schmerzhafte Operation wählt man die früheste Morgenstunde und die Knaben begießen sich noch gegenseitig zur Abhärtung den Penis mit kaltem Wasser. Kein weibliches Wesen darf sich in der Nahe der Beschneidungsstätte aufhalten, dagegen wohnen die Krieger diesem Akte bei und bespötteln und beschimpfen die Knaben, die nicht standhaft und lautlos die Schmerzen ertragen. Wer schreit, erhält einen Spottnamen und wird von den Kriegern mit Verachtung gestraft. Diese erstreckt sich sogar noch auf die Eltern des Knaben. Die Beschneidung wird mit einem kleinen, spitzen, zweischneidigen Messer folgendermaßen ausgeführt: Die äußere Haut des Gliedes wird zurückgezogen und dann das innere Blatt der Vorhaut dicht hinter der Eichel mit dem Messer ringsherum durchschnitten. Hierauf gleitet die Eichel in der verlängerten Haut zurück, die jetzt oben eingeschnitten wird dort, wo die Eichel hindurchtreten soll. Von der Haut, welche auf diese Weise unter der Eichel lang herabhängt, wird die Hälfte abgetrennt, der übrige Teil wachst in 14 Tagen zusammen und erscheint nach der Heilung wie ein [337] Zäpfchen. Die Betreffenden sitzen mit gespreizten Beinen auf ihrem Lederschurz. Ein blutstillendes oder heilendes Mittel wird nicht angewandt; man begnügt sich damit, nach der Operation den Penis mit Milch abzuwaschen. [338]

Naturgemäß wird dieser so hoch bedeutsame Akt der Beschneidung auch gebührend gefeiert. Die glücklichen Väter sind die Gastgeber; in ihrem Kraal versammeln sich alle umwohnenden Masai und lassen sich in recht ausgiebigem Maße mit Fleisch und Honigbier bewirten. Bei diesen Festen geht es recht lebhaft zu; es wird viel gescherzt und gelacht und tapfer gezecht. Die Krieger brüsten sich mit ihren Heldentaten und geben ihr Urteil ab über die kriegerischen Fähigkeiten der heute Beschnittenen. Die Väter unterhalten sich voll freudigen Stolzes über die kommenden Taten der Söhne und überschlagen schon im Geiste, wie sich ihr Besitz durch deren Kriegszüge mehren wird. Bis in die Nacht hinein, so lange es noch etwas zu essen und zu trinken gibt, sitzen die Alten schwatzend und zechend beisammen. Den Kriegern wird das Erzählen jedoch bald langweilig und sie begeben sich mit den jungen Mädchen auf den Tanzplatz und vergnügen sich hier mit Tanz und Gesang. Gegen 10 Uhr etwa kehren sie in ihren Kraal zurück. Die jungen Mädchen erbitten sich noch Milch für ihre Liebhaber und begeben sich dann gleichfalls in den Kriegerkraal.

Die Haartracht ist recht verschieden. Wir haben sie, vor allem die eigenartige Zopffrisur der Krieger, bereits bei den Bakulia kennen gelernt, die sie ja erst von den Masai übernommen haben. In jedem Kriegerkraal finden wir nur einen derartigen Haarkünstler, der gleichfalls zu den Kriegern gehört und nur im Nebenamt die Tätigkeit eines Friseurs ausübt. Die Abbildung 260 veranschaulicht uns einen solchen beim Zopfflechten. Verheiratete Männer und Knaben rasieren die Haare des öfteren. Als Rasiermesser dient ein angeschärftes Eisenblech. Die Haare werden zum Rasieren eingefettet oder auch nur mit Wasser angefeuchtet. Ferner rasiert man Augenbrauen und Achselhaare; die Schamhaare werden mit einer Pinzette oder auch nur mit den Fingern ausgerissen.

Bei den jungen Kriegern finden wir auch noch die bereits bei den Bakulia geschilderte perückenartige Haartracht, die darin besteht, da das natürlich gewachsene, halblange Haar in zahlreiche kurze dicke Strähnen gedreht wird, die häufig noch mit einer roten Pomade zusammengehalten werden.

Oft sehen wir bei den Kriegern, wie es uns die Abbildungen 261 und 262 zeigen, auch ganz kurzes Haar, das sie mindestens jeden Monat einmal abrasieren. Selten konnte ich die bei den Bakulia beschriebene Sitte feststellen, daß sie sich nämlich um den Kopf herum einen schmalen Streifen der Kopfhaare abrasieren. Wie bei dem hamitischen Volk der Wahima (Watussi) können wir auch hier bei den Masai beobachten, daß sie ein leichtgewelltes, weiches Haar haben, im Gegensatz zu dem krausen, harten Wollhaar der Bantuneger. [339]

Recht zahlreich und phantastisch ist der Schmuck der Masai, in erster Linie der Kriegsschmuck. Auf dem Kopf tragen sie, wie es uns die Abbildung 263 veranschaulicht, Fellmützen, in der Regel aus Affenfell--bevorzugt wird hierbei der Kolobusaffe--, oder auch, wie wir es bei dem Jüngling rechts auf derselben Abbildung sehen, einen ganz eigenartigen [340] Schmuck, den ich nur selten beobachten konnte. Er besteht darin, da an einem langen Stock, der auf dem Kopfe festgebunden wird, die weißen Haare des Kolobusaffen befestigt werden, so daß das Ganze dem Haarbusch bei unseren Paraden nicht unähnlich ist.

Sehr häufig ist der schon in den Kapiteln IV und V geschilderte Gesichtsrahmen, der sowohl Kriegs- wie Tanzschmuck ist. (Abb. 264, rechts). Zwei oval ausgeschnittene Lederplatten werden aufeinandergenäht und in diese eng aneinander Straußenfedern eingefügt; am häufigsten finden wir schwarze, doch kommen auch Gesichtsrahmen mit weißen Straußenfedern vor oder solche aus schwarzen Federn, die nur oben eine größere weiße tragen.

Der begehrteste Kriegsschmuck, den in jedem Kriegerkraal nur wenige, besonders schneidige Leute tragen, ist die auf den Abbildungen 265 und 266 sichtbare Löwenfellmütze. Erst drei Tage bevor ich diese Aufnahme machte, hatte dieser mutige Bursche den Löwen in freier Steppe bei Leitokitok am hellen lichten Tage, völlig, allein, mit seinem. Speere durch einen kräftigen, gut gezielten Blattstoß gestreckt und sich aus der Mähne des kapitalen Tieres die Kopfbedeckung hergestellt. Einen der stärksten Schlachtochsen mußte ich daran wenden, um diesen schönen und seltenen Kopfschmuck von dem Manne erwerben zu können, und auch dies erst nach stundenlangen Verhandlungen.

Anstelle der Löwenmähnenmützen finden wir häufig solche aus Hundsaffenfell, die jenen bei flüchtiger Betrachtung außerordentlich ähnlich sind. Mit einem Riemen um Stirn und Kinn werden diese Mützen festgehalten. Während sonst die Näharbeiten nur von den Frauen ausgeführt werden, stellt diese Kopfbedeckung sich der Krieger selbst her. [341] Eine Nähnadel in unserm Sinne kennt er nicht, sondern benutzt zum Durchstechen des Felles eine Ahle und zieht dann mit der Hand den Faden, der aus einer gedrehten Rindersehne besteht, durch das Loch hindurch.

Seltener tragen sie den bereits im Kapitel IV geschilderten und abgebildeten Kopfschmuck, der aus einer W-förmig gebogenen Liane besteht und noch mit Federn, zuweilen auch Perlenstickerei verziert ist. [342] (Vergleiche Abb. 141 auf Seite 191). Ein anderer von mir beobachteter Kopfschmuck ist die gleichfalls schon im Kapitel V geschilderte Mütze, hergestellt aus einem Rindermagen deren Ränder häufig noch mit kleinen Perlen recht geschmackvoll benäht sind, meist in den Farben rot und weiß, und die mit der bekannten roten Tonpomade eingefettet ist.

Als Ohrschmuck tragen sie in den Löchern der oberen Ohrmuschel kleine Holzpflöcke oder Holzstäbchen, an deren Stelle selten Stacheln des Stachelschweines treten, Ringe, kleine 10-20 cm lange Eisenkettchen, an einem kleinen Drahtringe auch zuweilen ein Stück abgeschliffene Muschelschale. Der gebräuchlichste Schmuck des Ohrlappens besteht aus einer 3-4 cm langen

Drahtspirale, von der zahl reiche Eisenkettchen herabhängen. Sind diese nur kurz, so werden sie, wie wir es auf Abbildung 257 und 267 sehen, mit der roten Tonpomade derart verschmiert, daß sie vollkommen zusammenkleben und ein einziges Stück bilden. Die längeren Kettchen hängen frei herab oder werden um den Hals geschlungen. Anstelle dieses Schmuckes treten auch ovale Scheiben aus dünnem Zinkblech (Abb. 262), oder U-förmig gebogene Stücke aus Kupferdraht, die in kleinen Kügelchen enden (Abb. 268).

Der Halsschmuck besteht aus zahlreichen [343] verschiedenartigen Ringen. So finden wir einfache Eisendrahtringe, die vorn noch einige kleine Ketten tragen, Perlketten aus kleinen bunten (bevorzugt weiße und rote) und aus erbsengroßen farbigen Perlen, aus länglichen, mehrfarbig gemusterten Perlen, auch Kränze, gedreht aus den wohlriechenden Wurzeln einer Liane. Die Perlen reiht man auf Fäden bestehend aus Rindersehne, zuweilen auch auf dünnen Draht.

Um die Ober arme legen die Männer Perlenbänder, und zwar hier häufig an zwei Stellen, dicht unter der Achsel und dicht über dem Ellbogengelenk. Daneben auch schmale Lederbänder, die mit Perlen benäht sind. Ein eigenartiger Schmuck der nur am linken Oberarm getragen wird, ist eine Spange aus Rinderhorn, Schafhorn, selten auch aus dem Horn des Nashorns, die zwei dornartige Fortsätze hat und mit dünnem Eisendraht, oft auch Kupferdraht umwickelt wird (Abb. 259, links und 269); an dieser Spange hängen häufig noch kleine Perlenoder Eisenkettchen herab. Bei Tanz und Krieg wird ein etwa meterlanger gedrehter Fellstreifen vom Leoparden, Schakal oder Ginsterkatze angelegt.

Um die Handgelenke tragen sie gleichfalls Perlenketten oder Ringe aus Eisen- oder Kupferdraht. Während wir jetzt fast nur noch Glasperlen finden, hatten sie früher eiserne, die in der Weise hergestellt wurden, daß man kleine Drahtringe breitklopfte. Einen recht eigenartigen Unterarmschmuck veranschaulicht uns die Abbildung 270, rechts. Es ist eine lange Manschette bestehend aus zahlreichen Perlenbändern. Sie kennzeichnet uns einen besonders begüterten Mann, der in freigiebiger Weise sein Hab und Gut mit seinen Kameraden teilt, als ihr Wohltäter eine besonders geachtete Stellung einnimmt und zum Danke von denen, die er beschenkt hat, derartige Perlenbänder erhält.

Die Finger schmücken sie mit Ringen. Teils sind dies aus drei bis [344] fünf Windungen bestehende von Eisen- oder Kupferdraht, teils aus Eisenblech, die längliche Fortsätze haben, so daß ein derartiger Ring oft den ganzen Finger bedeckt. Die Blechringe sollen übrigens nicht Masaisitte, sondern erst von den Wakamba und Wakikuju übernommen sein. Die Anordnung der Ringe erfolgt in der Weise, daß der erste auf den Mittelfinger der rechten, der zweite auf den der linken Hand gesteckt wird, und die übrigen in beliebiger Reihenfolge auf die anderen Finger verteilt werden.

Um die Hüften legen sie gleichfalls Perlenketten und als Tanzund Kriegsschmuck einen Ledergürtel, der von den Lieblingsmädchen des Kriegers in recht geschmackvoller Weise mit kleinen buntfarbigen Perlen benäht ist.

Um das Knie tragen sie wiederum Perlenketten oder auch Fellschlaufen, deren eines Ende etwa 5 cm lang herabhängt. Zum Krieg und Tanz binden sie um die Unterschenkel Streifen aus dem hübschen Fell des Kolobusaffen, so daß der weißhaarige Behang oft bis auf die Erde fällt (Abb. 262 und 269). Um die Fußgelenke legen sie seltener kleine Perlenketten, häufiger aber dünne Lederbänder mit der behaarten Seite nach außen, die oft mit kleinen eisernen Schellen versehen sind. Man sagt, daß sie dadurch bezwecken, beim Marsch durch die Steppe die im Grase versteckt liegenden Raubtiere aufzuscheuchen, oder auch daß sie im Kriege von den Anführern getragen werden, um bei den nächtlichen Märschen die Leute zusammenzuhalten. Nur zum Tanz dient die auf Abbildung 26 um den Oberschenkel gebundene, große längliche eiserne Schelle.

Bei Kriegs- und Tanzfesten reiben sie den ganzen Körper mit der schon mehrfach erwähnten roten Tonpomade ein. In diese Bemalung zeichnen sie mit dem Finger alle möglichen Figuren in Strich- und Schlangenlinien, vor allen Dingen auf den Beinen. Eine besondere Zeichnung wenden die Krieger an, die einen Feind erschlagen haben; sie bestreichen ihren Körper streifenweise abwechselnd mit roter und weißer Erde. Auch eine Gesichtsbemalung Konen wir oft bei ihnen feststellen, und zwar ist es ein Dreieck, das von den Nasenflügeln bis etwa zur Mitte der Backe reicht.

Die Kleidung besteht aus Tierfellen, doch sind diese jetzt schon durch von Händlerkarawanen eingeführte Stoffe vielfach verdrängt. Die Bekleidung der Männer, in erster Linie aber der Krieger, besteht aus einem nicht enthaarten Umhang aus Kalbfell, der in folgender einfacher Weise hergerichtet wird: Die Felle werden an kleinen Holzpflöcken auf dem Boden ausgespannt und getrocknet. Darauf entfernt man mit einem Messer die noch etwa anhaftenden Fleisch- und Fetteilchen, dann reibt man es gründlich mit Butter ein und walkt es. Ein derartiges [345] Kleidungsstück fühlt sich fettig und weich an. Die Bearbeitung und Herstellung der Fellkleidung ist Sache der Frauen.

Der Umhang der Krieger, der etwa 60-70 cm breit und 120 cm lang ist, wird in recht geschmackvoller Weise hergestellt. Man nimmt hierzu die glänzenden Felle ganz junger Kälber und näht mehrere von ihnen zusammen. Meist wird dieses Kleidungsstück noch von dem Lieblingsmädchen des Kriegers mit ein oder zwei Reihen von roten und weißen kleinen Perlen benäht. Selten nur kommt es vor, daß andere Felle, z. B. das der Meerkatze, zur Verarbeitung genommen werden. Der Umhang wird auf der rechten Schulter zusammengeknotet und läßt die rechte Hüfte frei, damit der Krieger ungehindert an das dort befindliche Schwert heran kann. Der rechte Arm bleibt somit auch unbedeckt, den linken stecken sie zuweilen, besonders bei kühler, nasser Witterung, noch mit unter das Fell. (Abb. 271, 272,273 u. 274.)

Bei den älteren Männern sehen wir dieselbe Art des Fellumhangs (Abb. 275 und 276), nur wird auf dessen Herstellung und vor allem auf das Zusammennähen der einzelnen Fellstücke weniger Sorgfalt gelegt, auch sind sie nicht mit Perlen geschmückt und meist länger. Häufig tragen sie anstelle dieser behaarten Fellkleidung enthaarte Felle, wie wir sie bei den Weibern kennen lernen werden.

Nur die Krieger und Knaben, nicht aber die älteren Männer legen als weiteres Kleidungsstück ein Sitzleder an. Es wird an einem Riemen oder auch gleich am Schwertgurt getragen, hergestellt wird es aus [346] Rindoder Kalbleder. Es hat eine dreieckige Form, ist jedoch nicht geradlinig, sondern etwas abgerundet zugeschnitten. Die Außenseite zeigt meist geschmackvolle Verzierungen von Perlenstickerei, auch sind häufig noch kurze Eisenkettchen an dem oberen Rande angenäht. Zweck ist. wie der Name es ja schon sagt, das Gesäß gegen Dornen und Schmutz zu schützen.

Selbst bei kühler Witterung und bei Regen sieht man die Krieger nur mit einem Fellumhang bekleidet, wahrend die älteren Männer häufig noch ein Fellunterkleid tragen (Abb. 275). Knaben tragen gleichfalls nur einen Fellumhang ähnlich wie die Krieger, doch ist er bei ihnen kürzer. Als Fussbekleidung finden wir die allgemein übliche Sandale, hergestellt aus möglichst dicker Rinderhaut; in der Regel verwendet man hierzu das Rückenstück eines Ochsenfelles. Befestigt wird diese Sandale am Fuß durch ein Lederband, das zwischen der großen und der zweiten [347] Zehe liegt und mit einem zweiten Lederband verknotet ist, das über Spann und Ferse lauft.

Die Hauptwaffe der Masai ist der schöne, lange eiserne Speer, den wir auf den Abbildungen 261, 262, 263, 264, 265, 266, 269, 27(), 271, 277 deutlich wiedergegeben sehen.. Wir unterscheiden an ihm drei Teile: [348] Das lange, schlanke eiserne Blatt, den Holzgriff, der beim echten Masaispeer nicht großer sein soll, als daß ihn die Faust gerade umfassen kann, und der die Verbindung herstellt mit dem dritten Teil, dem langen massiven eisernen Schuh. Spitze sowohl wie Schuh sind mittels eiserner Tüllen auf den kurzen Holzschaft aufgesetzt.

 

Noch nicht lange führen die Masai diesen eigenartigen Speer, sondern er hat sich erst im Laufe vieler Jahre aus anderen Speerformen heraus entwickelt. Abbildung 277 stellt einige alte Modelle dar und den allmählichen Übergang zu der heutigen Speerform. Die älteste ist wohl die

mit der breiten blattförmigen Spitze, die man heute so gut wie garnicht mehr findet Das Blatt wurde allmählich länger, behielt aber immer noch eine Breite von 10--15 cm. Der Holzschaft war erheblich länger wie heute und der eiserne Schuh kürzer. Erst nach und nach wurde das Blatt schlanker und länger, der Holzschaft kurzer und der eiserne Schuh länger, bis sich hieraus die nun schon seit vielen Jahren bestehende Speerform entwickelt hat. Die drei Speere ganz rechts auf dem Bilde sind übrigens keine eisernen sondern Holzspeere. Die Krieger fertigten sich diese an, als ihnen seitens der Militärstation Aruscha infolge verschiedener Bluttaten das Tragen der eisernen Speere verboten wurde.

Die Abmessungen des heutigen Speeres sind die folgenden: Das Blatt zeigt eine Länge von etwa 80--90 cm, ist nur etwa 2--3 cm breit, mit einer starken Mittelrippe versehen, und mißt an seiner unteren umfangreichsten Stelle nur 4 cm in der Breite. Der Holzschaft ist nicht langer [349] wie 10 bis höchstens 15 cm und an ihm sitzt der etwa meterlange Schuh. Die Spitzen sind stets sorgfältig poliert und zum Schutze gegen Rost mit einer dünnen Fettschicht versehen.

Hergestellt werden diese Speere von einer besonderen Kaste, den Schmieden, die man wohl mit zum Stamme der Masai rechnet. die aber eine untergeordnete Stellung einnehmen, ja oft sogar mißachtet sind. Ihre Kraale liegen --abseits von denen der Masai. Sie werden eben nur geduldet, weil man sie ihrer Kunst wegen gebraucht. Nie wird ein Masai einem Schmied Gastrecht gewähren, noch dessen Gastfreundschaft in Anspruch zwischen Masai und Angehörigen der Schmiedekaste ist verboten. Man sagt sogar, daß selbst der außereheliche Umgang mit der Tochter eines Schmiedes dem Masai Unglück bringen wurde.

Nicht nur von den Masaischmieden werden diese schönen Speere gefertigt, sondern auch von den Handwerkern der umwohnenden Negerstämme, vor allem von den Wadschagga. An der Form des unteren Blattendes jedoch soll sich feststellen lassen, wo der Masaispeer angefertigt worden ist, denn wir finden hier herzförmig abgerundete Blattenden, Abb. 73. Masai-Krieger. geschweifte löffelförmige und schließlich geradlinige. Auch der Schuh ist verschieden gearbeitet, denn neben der gebräuchlichsten ganz runden Form finden wir auch Speere, die dicht unterhalb der Tülle etwa handbreit eine vierkantige Form zeigen, auf deren Flachen man oft noch besondere Marken eingeritzt findet, die dem Eigentümer das Erkennen seiner Waffe ermöglichen sollen. [350]

Mit großem Stolz führt der Masai seine schöne Waffe und würde sich nur höchst ungern von ihr trennen. Auch zu den Tanzfesten sehen wir sie meist in seiner Rechten. Dann ist sie häufig, teils nur zum Schmuck, teils aber wohl auch um Verletzungen anderer durch die scharfe Spitze zu verhindern, mit kugelförmigem Fellkopf versehen (Abb. 269 und 271). Man kann sich denken, daß dieser Speer in der kriegsgeübten Hand eines Masaikriegers eine Tod und Verderben bringende Waffe ist. Wie sicher sich die Krieger im Besitz ihres Speeres fühlen geht daraus hervor, daß sie ohne zu zaudern selbst dem König der Tiere in offener Steppe entgegentreten, und mehr wie einmal ist mir berichtet worden, daß ein kapitaler Mähnenlöwe von einem Masai gespeert sei. Während meines kurzen Aufenthaltes in Nairobi im Jahre 1902 durchzog ein Masaikrieger die Straßen dieser Stadt und bot das noch frische Fell eines männlichen Löwen und dazu den krummgebogenen Speer, mit dem er in der Nacht vorher das Tier gestreckt hatte, zum Kauf an.

Eine andere gefürchtete Waffe, die wir als Masainachahmung bereits bei den Wageia und Bakulia kennen gelernt haben, ist das eiserne zweischneidige Schwert. Auch dieses hat sich, ähnlich wie der Speer, erst im Laufe der Jahr zehnte vom kurzen breiten Dolch bis zur heutigen Form entwickelt. Das etwa 75 cm lange Schwert ist mit einem gerippten Holzgriff versehen und seinem Zweck als Hiebwaffe entsprechend so [351] gebaut, daß der Schwerpunkt der kräftigen, an der Spitze breiten, sich nach hinten verjüngenden Klinge nach vorn gelegt ist. Getragen wird das Schwert in einer Lederscheide, die sorgfältig aus Rinderfell gearbeitet und meist rot gefärbt ist (Abb. 259 und 268). Die Längsnaht befindet sich in der Mitte der Rückseite. Etwa zwei handbreit vom oberen Ende entfernt ist auf der Vorderseite eine Lederöse angebracht, durch welche der Leibriemen gezogen wird. Er ist gleichfalls aus Rinderhaut angefertigt und endigt in einem schmalen Lederstück, das durch eine entsprechende Oese gezogen wird. Man tragt das Schwert auf der rechten Seite und es wird auch mit der rechten Hand gezogen.

Als weitere Hiebwaffe führen die Masai eine aus hartem Holz gefertigte Keule, die derartig aus einem Stück gearbeitet ist, daß der schlanke runde Griff in einer schweren Keule endigt (Abb. 268). Sie wird von den Leuten stets getragen, auch dann, wenn sie Speer und Schwert ablegen. Eine Bedeutung als Kriegswaffe hat sie wohl nach Entwickelung des Dolches zum Schwerte nicht mehr, sie kommt jetzt nur bei Prügeleien in Anwendung, kann aber, von kräftiger Faust geführt, den [352] Tod des Gegners verursachen, zum mindesten aber, was recht häufig vorkommt, ein Zerschmettern der Knochen zur Folge haben. Diese Keulen sind etwa 1/2 m lang und ihr Kopf hat einen Durchmesser von mindestens 6 cm.

Selten sieht man die Krieger auch mit Bogen und Pfeilen bewaffnet, stets jedoch führen die Älteren Masai diese. Sie verwenden sie zur Verteidigung des eigenen Kraals und gegen Raubtiere. Die Pfeile sind vergiftet. Die etwa 11/ m langen Bogen sind leicht gekrümmt und an den Schenkeln verjüngt. Die Sehne ist aus Rindersehnen hergestellt. Der Pfeil tragt eiserne Spitzen verschiedenster Form; die häufigste ist die lanzettförmige. Weiter finden wir solche, die mit Widerhaken versehen sind, oder andere, deren eiserner Schaft zahlreiche, durch Einkerbung entstandene kleine Widerhaken aufweist. Die Spitze wird in den hölzernen Schaft eingelassen. Das untere Ende des Pfeiles ist zum auflegen auf die Bogensehne eingekerbt und mit einer dreiflügeligen Befiederung versehen, die aus den Federn des Aasgeiers hergestellt wird. Selten finden neben den Eisenspitzen auch dornartige Spitzen aus hartem Holz Verwendung. Das Gift ist das durch Auskochen von Rinde und Holz durch die Wandorobbo gewonnene Pflanzengift. Über seine Herstellung spreche ich bei den Wandorobbo. Man trägt die Pfeile in einem Kocher, der aus Rindleder genaht und mit einem aufgestülpten, gleichfalls genähten Lederdeckel geschlossen wird.

Besondere Erwähnung verdient noch, daß die Masai es verschmäht haben, sich mit Feuerwaffen zu versehen, trotzdem sie in zahlreichen Kämpfen mit der Schutztruppe wiederholt Gelegenheit hierzu hatten.

Als Schutzwaffe dient ihnen der Schild. Auch dieser hat im Laufe der Zeit eine veränderte Form erhalten. Während in früheren Jahren die Masai nur kleine Rundschilde von etwa 30 cm Durchmesser führten, die ich jetzt fieberhaft nicht mehr bei ihnen antraf, zeigt die heutige Form eine Höhe von etwa 1--1,20 m und eine Breite von 500 cm. Sie bestehen meist aus der außerordentlich dicken und widerstandsfähigen Büffel - und Giraffenhaut und nur in Ermangelung dieser aus Rinderfell. Zur größeren Haltbarkeit ist der nach außen umgebogene Rand mit einem Lederstreifen eingefasst. Der leicht gewölbte Schild erhält Form und Halt durch eine kräftige hölzerne Längsrisse. An dieser befindet sich in der Mitte auch der Griff. Er ist auf der Innenseite mit einem Stück weichen Schaffells abgefüttert, um so die Hand besser zu schützen.

Die Vorderseite tragt in recht geschmackvoller Anordnung das mehrfarbige Wappen, meist in den Farben schwarz, weiß, rot, zuweilen aber auch nur in den beiden Farben schwarz und weiß. Doch hiermit nicht genug, haben viele Schilde noch auf der Innenseite eine [353] Bemalung. Sehr selten kommt auch als vierte Farbe grau hinzu. Die Farben werden auf folgende Weise gewonnen: Schwarz aus der zerstampften Kohle von Kürbisschale, weiß aus einer weißen Kalkerde, rot aus einer Mischung von Blut und Pflanzensaft, und grau endlich aus gepulverten verkohlten Rinderknochen.

Die Bemalung, die aus Strichen, Dreiecken, Rhomben und Kreisausschnitten besteht, ist keine willkürliche, sondern hat ihre bestimmte Bedeutung. Der in der Mitte des Schildes (Abb. 266) verlaufende gemalte schmale Längsstreifen dient nur zum Schmuck, richtet sich ganz nach dem Geschmack des Schildeigentümers und hat weiter keine Bedeutung. Dagegen hat die auf der vom Beschauer aus linken Schildseite angebrachte Bemalung ihre Bedeutung, und zwar eine sehr wichtige: sie stellt das Kriegerzeichen dar. Es wird in roter Farbe aufgetragen und [353] findet sich auch zuweilen auf beiden Seiten des Schildes; dann zeigt die andere Schildhälfte das Spiegelbild desselben. Meist jedoch, wie wir es hier auf unserer Abbildung sehen, trägt die andere Schildhälfte eine schwarze bogenförmige Bemalung, die das Geschlechtswappen zeigt.

Die beschnittenen Jünglinge legen wohl dieselbe Bewaffnung an wie die Masaikrieger, werden aber vorläufig noch nicht als vollwertige Streitgenossen betrachtet, sondern müssen sich diese Stellung erst durch einen erfolgreichen Kriegszug erkämpfen. Als äußeres Abzeichen dafür, daß sie noch nicht in den Kriegerstand Aufnahme gefunden haben, führen sie auf ihren Schilden auch nur ganz einfache Bemalung schwarz und weiß und dürfen erst nach bestandener Probe das rote Kriegerzeichen hinzufügen.

Sehr erstaunt war ich, daß die Masai, die Kinder der so außerordentlich wildreichen Jagdgefilde, keine Jäger sind. Dies hat seinen Hauptgrund darin, daß sie ein reines Hirtenvolk sind und als solches Wildfleisch verschmähen. Die Folge hiervon wiederum ist, daß die Wildherden in Nähe ihrer Kraale absolut nicht scheu sind. So kann man wiederholt das ungemein reizvolle Bild beobachten, daß friedlich neben, ja zuweilen sogar zwischen den Rinderherden der Masai große Rudel von Zebras, Gnus, Grant - und Thomsongazellen äsen. Die verheirateten Masai haben nur Interesse dafür, ihre Viehherden zu pflegen, und das [356] Sehnen und Trachten der Masaikrieger geht lediglich darauf hinaus, diesen Besitzstand durch räuberische Ueberfälle der Nachbarn zu mehren Ich werde an dieser Stelle eine ganz kurze Schilderung über den Verlauf eines Kriegszuges einflechten:

Nur wenige Monate vertragen die Krieger das Nichtstun in ihren Kraalen, trotzdem die Zeit ausgefüllt wird durch zahlreiche Gelage und Tanzfeste, und auch die jungen Mädchen nach besten Kräften bemüht sind, den Kriegern den Aufenthalt in ihrem Kraal so angenehm wie möglich zu gestalten. Ja auch Besuche in der Nachbarschaft und aus der Nachbarschaft, die häufig stattfinden, können die Krieger die Reize eines Feldzuges nicht vergessen machen. Die angesehensten unter ihnen setzen sich mit dem Sprecher des Kriegerkraals, der eine führende Rolle einnimmt und sich in erster Linie durch Intelligenz, dann aber auch durch Kriegstüchtigkeit auszeichnet in Verbindung und fordern von ihm, beim Häuptling die Genehmigung zu einem Kriegszuge zu erwirken. Inzwischen nehmen sie Fühlung mit benachbarten Kriegerkraalen und versichern sich der Teilnahme dieser. In längeren Beratungen wird ein genauer Feldzugsplan entworfen.

Nicht immer ist hier eine schnelle Einigung zu erzielen, vor allem dann nicht, wenn es sich um Bekämpfung eines kriegstüchtigen Nachbarn handelt und der Ausgang des Zuges ein fraglicher ist. Sind sich jedoch die Führer einig, so werden die übrigen warnenden oder abratenden Stimmen bald zum Schweigen gebracht, im äußersten Falle dadurch, daß man sie "Feiglinge" schimpft, ein Wort, das kein Masaikrieger ertragen kann. Erst nach völlig ausgearbeitetem Kriegsplan und wenn die Beteiligung aller Krieger sichergestellt ist, trägt der Führer dem Häuptling den Plan vor. Dieser erteilt nun seinen guten Rat und genaue Vorschriften über die Ausführung des Kriegszuges. Das kann er mit gutem [356] Recht tun, denn seine Aufgabe ist es, sich dauernd über die umwohnenden Völkerstämme auf dem Laufenden zu halten. Nach längerer gewandter Rede, die oft orakelhaft ist, besonders was den Ausgang des Kriegszuges anlangt, überreicht er den Führern noch einige Kriegsamulette und entläßt sie dann mit seinen Segenswünschen.

In den Kriegerkraalen wird ihre Ankunft schon mit großer Spannung erwartet. Kaum haben sie von ihren Führern die zustimmende Antwort des Häuptlings erhalten, so legt jeder von ihnen ein Kriegsamulett an, bestehend aus mehreren Lederstreifen, die aus dem Schurz ihres Lieblingsmädchens herausgeschnitten und von jener noch mit aufgenähten Perlen verziert werden. Jeder, der dieses Amulett trägt, ist zur Beteiligung am Kriegszuge verpflichtet. Sollte er trotzdem aus Furcht zurückbleiben, so wird er nicht allein mit Verachtung gestraft sondern ist vogelfrei und jeder Krieger darf ihn niederschlagen.

Jedoch der Aufbruch findet nicht sofort statt, vielmehr halten sie erst tagelange, ja bei besonders starken Gegnern wochenlange Feste ab. die fern der Kriegerkraale im Busch gefeiert werden, und zwar nur von den Kriegern ohne Beteiligung der jungen Mädchen, die im Kraal zurückbleiben. Große Mengen Rindfleisch werden in dieser Zeit verzehrt, vermischt mit der Fleischbrühe genießen sie außerdem noch Verschiedene nervenerregende Mittel, die zum Teil so stark sind, daß sie regelrechte Tobsuchtsanfälle zur Folge haben. Derartige Mittel sind die Rinde von Albizzia anthelmintica, Myrica kilimandscharica und die Wurzel von Acacia abyssinica (nach Merker). Zweck dieser nervenpeitschenden Mittel soll fraglos sein, den Tatendurst der Krieger zu erhöhen. Auch wird diese Vorbereitungszeit dazu benutzt, Waffen, Kriegsschmuck und Kleidung in Ordnung zu setzen. Während der Zeit und auch während des Kriegszuges selbst beten die Mütter für ihre Söhne und die jungen Mädchen begleiten ihre Tänze mit Bittgesängen Für ihre Krieger.

Nach Beendigung des Vorbereitungsfestes kehren die Krieger nur noch auf wenige Stunden in ihren Kraal zurück, um hier ihre Ausrüstung zu vervollständigen und sich noch Verpflegung für den Marsch mitzunehmen. nie Angehörigen haben sich dort zum Abschied versammelt. Die Väter tragen in der Rechten eine Kalebasse mit Honigbier, in der Linken eine mit Milch, die Frauen in der Rechten nur ein Milchgefäß. Mit lauter Stimme flehen sie Gott um seinen Segen, verschütten hierbei einen Teil aus den Kürbisflaschen und besprengen die Krieger.

Es erfolgt jetzt der Aufbruch und nach dem ersten, nur 2 - 3 stündigen Kriegsmarsch lagern sie bei Sonnenuntergang in freier Steppe. Einige der mitgefühlten linder werden geschlachtet und deren Fleisch am Feuer gerostet. Auch bestreichen sie jetzt die blanken Speere mit Erde oder [357] umwickeln sie mit Gras, damit ihr Blinken sie nicht verrät. Schon während des Waldfestes haben sich die Krieger immer zu zweien zusammengetan mit dem gegenseitigen Gelübde, einander in Not und Gefahr beizustehen und, falls einer von ihnen im Kampfe fallen sollte, seine Waffen zu retten. Gleich am ersten Marschtage gliedert sich die ganze Kriegerschar in Gruppen zu 10--20, die man etwa mit unsern Korporalschaften vergleichen kann. Jede Gruppe lagert, kocht und ißt zusammen und errichtet sich auch zur lacht ein durch Dornengestrüpp befestigtes kleines Lager. Am Abend vor dem liberal fällt die Befestigung fort und sie lagern im Halbkreis derart, daß die Speere in die Erde gesteckt und gegen diese die Schilde gelehnt werden. Unter ihrem Schutze verbringen sie, angetan mit ihren Waffen, die Stunden bis zum Überfall. Unter der Kriegerschar befinden sich ein oder auch mehrere Aeltere, die in der Kunst der Wundheilung bewandert sind.

Bald nach Einbruch der Dunkelheit werden Späher entsandt, um die Oertlichkeit, vor allem aber den Stand der Rinderherden genau zu erkunden. Kurz vor dem feindlichen Dorf verstecken sie ihre Waffen im Busch und ahmen Tracht und Kleidung der zu Ueberfallenden nach. Im [358] festen Glauben an die ihnen vom Häuptling mitgegebenen Amulette, die den Krieger angeblich unsichtbar machen, bewegen sie sich mit großer Kühnheit im feindlichen Dorfe. Haben sie alles genügend erforscht, so kehren sie schleunigst zu der Kriegerschar zurück, die nur ein bis zwei Stunden entfernt lagert, und bringen zum Beweise frischen Rindermist und auch den Rindern ausgerissene Schwanzhaare mit.

Der Angriff erfolgt in fünf verschiedenen Trupps. Bald nach Mitternacht brechen sie auf, jedem Trupp voraus gehen Patrouillen, die dicht am feindlichen Dorf in den hohen Bäumen versteckt Umschau halten. Drei kleine Abteilungen, bestehend aus den schneidigsten und tüchtigsten Kriegern, setzen sich nun in den verschiedenen Richtungen auf das feindliche Dorf zu in Bewegung. Ihnen folgt ausgeschwärmt das Gros der Krieger, an deren äußersten Flügeln sich wiederum besonders tüchtige und zuverlässige Leute befinden. Der Trupp, der zuerst auf die Viehherden stößt, ruft die anderen durch weithin hallende, gellende Rufe herbei. Während die vordersten Abteilungen mit dem Gegner noch im blutigen Handgemenge liegen, wird von den nachfolgenden Trupps das Vieh schnell fortgetrieben. Aufgabe einer vierten Abteilung ist es, den Weg hierfür freizuhalten.

Gefangene machen die Masai nicht. Alles was ihnen in den Weg kommt, wird niedergemetzelt, Weiber hingegen und Kinder werden geschont. Nur selten kommt es vor, daß sie auch Frauen mitführen, diese werden aber nicht u Sklaven gemacht, sondern von dem Betreffenden, der sie erbeutet hat, geheiratet.

Mitten in freier Steppe wird jetzt ein mit Dornenumzäunung befestigtes Lager errichtet und in diesem das Vieh untergebracht. Einige Rinder werden sofort geschlachtet und verzehrt, denn noch ist die ganze Kriegsbeute Gemeingut. In Einmärschen geht es nun noch vor Sonnenaufgang weiter.

Bewundernswert ist ihre Ausdauer im Marschieren und ihre Geschicklichkeit, mit den Rindern fertig zu werden. Nur wenige Masai setzen sich an die Spitze der Herden, pfeifen in langgezogenen Tönen durch die Zähne und die Tiere folgen ihnen wie die Hunde, auch dann, wenn es im beschleunigten Tempo durch das Land geht. Auf dem Marsch gegen den Feind sind Tagesleistungen von 70---80 km absolut nicht selten. Ebenso erstaunlich ist ihre Fähigkeit, lange Zeit ohne Wasser auszukommen So fühlen sie nie, im Gegensatz zu allen anderen Negerstämmen, auf ihrem Marsche Wasserkalebassen mit. Man sieht es dieser schneidigen Schar an, daß sie nur für den Krieg trainiert ist und im Ertragen von Strapazen alle anderen weit übertrifft. Zustatten kommt diesen Naturkindern allerdings auch. daß sie verwachsen sind mit dem Steppenlande und hier [359] jedes Fleckchen Erde genau kennen. Sie wissen, wo die Quelle - und sei sie noch so klein - rieselt, sie wissen, wo auch im trockenen Bachbett durch Nachgraben Wasser zu finden ist. ja sogar wo sich in alten, hohlen Bäumen, vor allem den Affenbrotbäumen, Wasser angesammelt haben könnte, und wenn dies versagt, so kennen sie genügend wasserreiche Knollen und Wurzeln, deren Kauen genügt, ihren Durst zu löschen.

Ebensowenig wie Vorrat an Wasser führen sie Nahrungsmittel mit sich. Tagelang genügt ihnen als einzige Nahrung der wilde Honig. Sie finden ihn mit Hilfe eines Kuckucks, der durch sein Rufen die Bienenstöcke verrät. Als Lohn überläßt man ihm die ausgekauten Waben.

Haben die Krieger mit ihrer Beute mehrere Tagemärsche im beschleunigten Tempo zurückgelegt, so daß sie sich vor dem etwa nachdrängenden Feinde sicherfühlen können, dann erfolgt seitens der Führer die Verteilung der Beute. Sämtliche Kämpfer erhalten die gleiche Anzahl von dem geraubten Vieh, nur denen, die sich besonders im Kampfe ausgezeichnet haben, sowie den vorangegangenen Kundschaftern werden noch besondere Stücke als Belohnung zugesprochen. Bei der Verteilung gibt es oft blutige Köpfe, da viele versuchen, ihren Kameraden einige Stücke fortzunehmen.

In den Kraalen der Verheirateten Ist es inzwischen recht still geworden. Die Eltern, die in Sorge sind um das Leben ihrer Söhne, beten täglich und bringen hierbei Trankopfer mit Milch dar. Auch in den Kriegerkraalen geht es naturgemäß ruhiger zu, jedoch nehmen die jungen Mädchen den Kriegszug nicht allzu tragisch. Das einzige ist, daß sie die [360] Tänze mit Bittgesängen für ihre Liebsten und Freunde begleiten. Während der Abwesenheit der Krieger versuchen die halberwachsenen Knaben in den Kriegerkraal einzubrechen und mit den jungen Mädchen anzubändeln, werden aber von diesen mit Stöcken in die Flucht gejagt.

Abb. 33 / 280. Masai-Mädchen (Körperbau und Gestalt).

Glaubt man, daß die Rückkehr der Kriegerschar nahe bevorsteht, so wird fleißig von erhöhten Punkten aus Umschau gehalten. Kaum sind in der Ferne die ersten Staubwolken sichtbar, so eilt alles, in erster Linie aber die jungen Frauen und jungen Mädchen, den Heimkehrenden [361] entgegen. Zuweilen beteiligen sich nämlich auch noch die jüngsten und kräftigsten der Verheirateten an diesen Zügen. Es findet eine außerordentlich herzliche Begrüßung statt. Große Trauer herrscht bei den Eltern der im Felde Gefallenen, weniger groß ist diese aber bei den jungen Mädchen, denn haben sie auch augenblicklich ihren Liebsten verloren. so trösten sie sich damit, da sie bald einen neuen finden.

Abb. 34 / 281. Masai-Mädchen (Körperbau und Gestalt).

Abb. 35 / 282. Masai-Mädchen (Körperbau und Gestalt).

Die gesamte Beute wird großmütig von den Kriegern verteilt. Den Hauptanteil erhalten die Eltern, 1--2 Milchkühe schenkt jeder seinem [362] Lieblingsmädchen und den Rest den Verwandten, die ihm besonders nahe stehen. Ist die Beute nicht so groß, alle zu bedenken, so wird dies beim nächsten Kriegszuge nachgeholt, und die Angehörigen, die diesmal leer ausgehen, finden dann Berücksichtigung. Denn lange währt die Friedenspause ja nicht, bald treibt ihr kriegerischer Sinn sie wieder hinaus zu neuen Taten.

Selten nur werden die Masai angegriffen. Meist erfahren sie rechtzeitig von diesem Vorhaben, denn durch ihre Kundschafter bleiben sie ständig in Fühlung mit den umwohnenden Stämmen. Sie beobachten hierbei folgendes Verteidigungssystem: Kaum ist von den Kundschaftern die Meldung von einem bevorstehenden Angriff überbracht, so werden in der wahrscheinlichen Anmarschrichtung kleine Vorposten von sechs bis acht Mann ausgestellt, die von übersichtlichen erhöhten Punkten aus das Vorgelände beobachten. Außerdem wird, um ein Durchstoßen des Feindes zu verhindern, ein fleißiger Patrouillengang aufrechterhalten. Naturgemäß richtet sich der Ansturm des Gegners auf die Rinderherden und hier erfolgt auch die Verteidigung. Die Hauptmacht der Masaikrieger hält sich in der Nähe der Herden verborgen und wartet hier, bis der Angreifer sich des Viehs bemächtigen will. Dann stürzen sie vor, und aus dem sich nun entspinnenden erbitterten Handgemenge gehen sie fast immer als Sieger hervor.

Eine andere Taktik besteht darin, daß sich ein Teil der Krieger mitten in der Rinderherde versteckt und die übrigen dem Feinde einen Hinterhalt legen. Auch hier kommt es erst zum Kampf, wenn die Angreifer sich bereits bei den Rindern befinden. Einfacher wäre es wohl. wenn die Masai ihrem Gegner, sobald sein Anmarsch gemeldet ist, entgegenziehen und ihn in offener Feldschlacht zurückwerfen würden. Jedoch sie verfolgen mit ihrer Kampfesweise einen bestimmten Zweck: Der Gegner, der sich bereits im Besitze der Rinder glaubt, wird, angestachelt durch seine Beutegier, zu längerem Ausharren bewogen, und somit haben sie Gelegenheit, ihm erheblich größere Verluste beizubringen als im offenen Felde, und ihm das Wiederkommen für immer oder doch für lange Zeit zu verleiden.

Die Masai sind nicht nur schneidige Draufgänger, die im plötzlichen nächtlichen Ansturm den Feind überrennen, sondern auch ganz verschlagene Burschen, die mit Kriegslist den Gegner zu täuschen wissen und sich so den Angriff wesentlich erleichtern. Das beweisen die besonders in früheren Zeiten stattgehabten zahlreichen Überfälle von Karawanen. Auch hier arbeiten sie erst mit Kundschaftern, deren Rolle zuweilen die Wandorobbo übernehmen. Sie gesellen sich zu den Karawanenleuten und versuchen mit ihnen ein freundschaftliches Verhältnis anzuknüpfen. Im [363]

[364] Laufe der Unterhaltung erzählen sie ihnen so ganz nebenbei, daß weit und breit keine Masai zu sehen seien, einen Überfall habe man also garnicht zu befürchten. So marschieren sie oft tagelang mit der Karawane und lagern auch des Nachts bei den Trägern. Es dauert nicht lange, so sind die Fremdlinge in Sicherheit gewiegt und der geeignete Zeitpunkt zum Angriff ist gekommen. Einer der Kundschafter geht zurück und ruft die Krieger herbei, die dann im nächtlichen Überfall die ahnungslos schlafende Karawane überrumpeln.

Wie schon aus der ganzen Kampfesweise hervorgeht, kennen sie keine Kriegserklärung. Offizielle Friedensschlüsse sind selten, kommen aber doch zuweilen vor. Wir müssen hier Friedensschlüsse unterscheiden, die nur zum Schein mit dem Gegner vollzogen werden, um ihn in Sicherheit zu wiegen, und ernstgemeinte. Letztere gehen sie aber nur dann ein, wenn der Feind besonders mächtig ist, ihnen also unbequem werden kann, oder wenn er ganz in ihrer Nahe wohnt und sie auf freundnachbarlichen Verkehr mit ihm zwecks Austauschens von Vegetabilien angewiesen sind. Dementsprechend verschieden sind auch die Zeremonien beim Friedensschluß. Im ersten Falle wird folgendermaßen verfahren: Die Masai schicken einige Alte, die zum Zeichen der friedlichen Absicht in der rechten Hand Grasbüschel tragen und ein mit Perlenketten geschmücktes Schaf mit sich fuhren, zu dem feindlichen Häuptling. Dieser, hocherfreut, nunmehr mit den so gefürchteten Gegnern in Frieden leben zu können, gibt ihnen einige Dorfälteste mit. In Nähe des Masaikraals wird nun im Beisein sämtlicher Masaikrieger feierlich Blutsfreundschaft zwischen den .Ältesten beider Parteien geschlossen. Sie sitzen hierbei einander gegenüber und machen sich gegenseitig einen Schnitt in den linken Unterarm. Das hervorquellende Blut wird mit einem Stück gerösteten Fleisches abgewischt und verzehrt.

Im zweiten Falle, also bei einem wirklich ernstgemeinten Friedensschluß, besteht die Zeremonie darin, daß nach vorheriger Vereinbarung durch abgesandte Älteste ein Platz zwischen den Wohnstätten der beiden Parteien bestimmt wird. Hier finden sich die Abgeordneten mit je einem Weib und deren Säugling ein. Zuerst schließen die beiden Frauen Blutsfreundschaft, jedoch wird der Schnitt nicht auf dem Unterarm, sondern auf dem Bauche ausgeführt. Ist dies geschehen, so tauschen beide Weiber die Säuglinge aus und legen sie für kurze Zeit an ihre Brust. Dann nimmt jedes Weib wieder ihr Kind zurück und die feierliche Handlung eines ernstgemeinten Friedensschlusses ist beendet.

Das was ich über Schädelbildung, Gestalt und Körperbau bei den Männern gesagt habe, gilt auch für die Weiber. Einen besonders typischen Masaischädel zeigt uns das Weib auf Abbildung 278. [365]

Nach Anschauung der Masai ist der Körper eines Weibes schön, wenn er wohlproportioniert und schlank ist, dabei aber gutgerundete Formen zeigt. Soll eine Masaifrau als schön gelten, so darf sie in erster Linie nicht fett sein. Die Gliedmaßen dürfen nicht mehr Rundung besitzen [366] als nötig ist, um den Körper nicht eckig erscheinen zu lassen. außerdem verlangen sie von einer Masaischönen ein ovales Gesicht, blendend weiße Zähne, dunkles Zahnfleisch, eine möglichst helle Hautfarbe, starke Hüften, aber kein vorspringendes Gesäß, und eine tiefe Nabelgrube. nie Lippen sollen nicht zu stark sein; als besonders schön gelten dunkle und schmale. Sehr kräftig entwickelte Muskulatur an Armen und Waden halten sie für unschön; man sagt von ihren Besitzern, da sie keine reinen Masai sondern Mischbluter oder Neger seien. Ein weiteres Schönheitsideal sind beim weiblichen Geschlecht zarte Knochen, kleine, schmale Hände und Füße und wohlgeformte, stehende, halbkugelige Brüste. Die jungen Mädchen bemalen häufig ihren Oberkörper mit einer roten Pomade, um die Formen noch wirkungsvoller hervortreten zu lassen.

Tätowierung ist bei den Frauen üblich, jedoch nicht allgemein vorgeschrieben, und es handelt sich hierbei auch nur um Ziernarben. Da sie nicht mit einer ätzenden Flüssigkeit eingerieben werden, so treten sie nur wenig aus der Haut heraus und fallen dem flüchtigen Beschauer nicht auf. Ein Tätowieren der Arme habe ich nie beobachtet, dagegen häufiger kreis-, ornament- und lyraförmige Tätowierung auf dem Bauch und eine kreisförmige Punkttätowierung um die Brüste.

Wie bei den Knaben so werden auch bei den Mädchen im frühesten Alter die beiden mittleren unteren Schneidezähne mit einem Messer gelockert und dann mit der Hand entfernt. Beim Zahnwechsel wird dieser Vorgang wiederholt. Die Verunstaltung der Ohren, oder, wie die Masai es nennen, deren Verschönerung, wird in genau derselben Weise erzielt wie bei den Männern.

Auch bei den Masaimädchen findet eine Beschneidung statt, jedoch macht man von ihr bei weitem nicht so viel Aufhebens wie von der Beschneidung der Knaben. Ein bestimmtes Alter für diesen Akt ist nicht vorgeschrieben, meist jedoch findet er zwischen dem 12. und 14. Lebensjahre statt. Die jungen Mädchen, die, wie wir später noch hören werden, im Kriegerkraal ein freies und ungebundenes Leben fuhren, verlassen diesen und begeben sich zu ihrer Mutter, sobald sie merken, daß sie sich zum Weibe entwickeln. Mehrere Mütter verabreden nun, die Beschneidung ihrer Tochter gemeinschaftlich vornehmen zu lassen. Findet demnächst eine Knabenbeschneidung statt, so wartet man bis zu diesem Tage; jedoch wird die Handlung nicht auf demselben Platz gemeinschaftlich mit den Knaben vollzogen, sondern an einem entfernten Orte, häufig auch in der mütterlichen Hütte.

Die Operation wird von einer weisen Frau ausgeführt und besteht in einem einfachen Abtrennen der Klitoris mit einem kleinen, scharfen Messer; meist benutzt man hierzu das Rasiermesser. Am Tage vorher [367] wird dem jungen Mädchen noch das Kopfhaar abrasiert. An Stelle ihrer bisherigen Kleidung tritt ein langer, schmuckloser Lederschurz, auf dem die Betreffende bei der Beschneidung sitzt. Vorher hat die weise Frau noch mit kaltem Wasser den zu operierenden Teil unempfindlich gemacht. Blutstillende oder heilende Mittel finden keine Anwendung; die ja auch [368] nur unbedeutende Wunde wird mit Milch gewaschen. Während des Heilungsprozesses verweilt das junge Mädchen in der Hatte seiner Mutter. Wie bei den Knaben, findet auch hier ein Beschneidungsfest statt. Sämtliche Weiber des Kraals werden von den Vätern der Beschnittenen mit Fleisch und Honigbier bewirtet.

Die Haartracht der Masaiweiber ist die denkbar einfachste. Sie rasieren den Kopf sehr häufig, so daß ihr Haar selten langer wird wie einen Zentimeter. Zuweilen konnte ich bei jungen Mädchen auch eine Tonsur beobachten (siehe Abb. 279, links) und bei jungen Frauen, daß sie um das Haupt herum einer. etwa drei Finger breiten Streifen abrasieren. Als Rasiermesser dient ein geschärftes Stückchen Eisenblech. Vor dem Rasieren fetten sie das Haar ein oder feuchten es auch nur mit Wasser an.

Außerordentlich reich ist der Schmuck der Masaiweiber, vor allem aber der jungen Frauen. Besonders auffallend sind große, schwere eiserne Drahtspiralen, die um den Hals, um Arme und Beine getragen werden (Abb. 283 und 284). Diese werden von besonderen Künstlerinnen um die betreffenden Stellen gelegt und nur während der Schwangerschaft abgenommen. Die Abbildungen 285, 286 und 28/ zeigen uns, in welcher Weise sie die Drahtspiralen anlegen. Es gehört wirklich eine ganz eigenartige Geschmacksrichtung dazu, sich mit diesem schweren Schmuck Tag und Nacht bis an das Lebensende herumzuschleppen. Die Enden der Hals-, Arm- und Beinspiralen werden meist noch mit einer Umwickelung von dünnem Kupfer- oder Messingdraht geschmückt.

Doch hiermit nicht genug, tragen sie um den Hals noch, wie die Abbildung 288 zeigt, zahlreiche Ringe und Ketten. Neben Ringen, die aus der wohlriechenden Wurzelrinde einer Liane gedreht sind, tragen sie solche aus Eisendraht, an denen vorn zuweilen dünne Eisenkettchen hängen. Daneben Perlenketten aus erbsengroßen weißen oder blauen, ferner aus kleinen bunten--meist wechselt rot und weiß hierbei ab--oder aus länglichen bohnengroßen Perlen, die teils weiß, teils mehrfarbig gemustert sind. Weniger von den jungen Frauen und Mädchen, dagegen recht häufig von den alten Weibern werden, wie es uns die Abbildung 289 zeigt, zahlreiche lange Perlenketten aus ringförmigen blauen und grünen Perlen getragen.

Auch die bereits bei den Bakulia geschilderten, etwa drei Zentimeter breiten flachen Lederriemen, die mit bunten Perlen in geschmackvollen Mustern benäht sind, können wir als Halsschmuck beobachten. Meist haben diese Ringe in der Mitte noch einen etwa talergroßen Ansatz, der ganz dicht mit Perlen bestickt ist und auf die Brust herabhängt.

Sehr reich ist der Ohrschmuck. In dem durchlochten oberen Ohrmuschelrand tragen sie Bündel von 18 dünnen, 10--12 cm langen Eisenkettchen. [369] Seiner Schwere wegen legen die Weiber auch diesen Schmuckhäufig über den Kopf (Abb. 288, Mitte). In den durchlöcherten und erweiterten Ohrläppchen haben sie an einem dünnen Lederriemen große Doppelspiralen aus Messingdraht (Abb. 283 und 284). Die Ohren waren [370] nicht in der Lage diese Last zu tragen, sondern wurden, wie ich es in mehreren Fallen beobachten konnte, durchreißen, wenn nicht zur Unterstützung und zur Entlastung der Ohrlappen über den Scheitel ein Lederriemen oder eine Schnur, zuweilen auch ein dünnes Eisenkettchen siehe Abb. 290) gelegt würde. Zuweilen ziehen sie noch quer aber den Scheitel von Ohr zu Ohr Perlenketten aus roten und weißen kleinen Perlen (Abb. 291).

Hüftschmuck wird nicht angelegt. Um die Fußgelenke tragen sie Ringe, meist aus Eisen-, zuweilen auch aus Messing- oder Kupferdraht.

Eine besonders schöne und vornehme Masaifrau ist derartig mit Schmuck beladen, daß sie sich nur mit schwerfälligem Gang vorwärtsbewegen kann. An den Fingern sehen wir Ringe aus drei bis fünf Windungen von Eisen- und Kupferdraht (Abb. 288, rechts). Häufig endigen diese noch in Spiralen, die auf der Außenseite des Fingers liegen. Die Zahl der Ringe richtet sich naturgemäß, wie auch der ganze Schmuck, nach der Wohlhabenheit des Mannes. So sehen wir Frauen, die gar keine Ringe tragen, und wieder andere, die an allen Fingern, einschließlich der Daumen, mit Ringen geschmückt sind. Als besonderer Schmuck tritt noch bei Tanzfesten hinzu ein Bemalen der Gesichter mit roter oder weißer Erde (Abb. 293).

Die Kleidung der Weiber besteht durchweg aus Fellen. Stoffbekleidung, die wir wohl häufiger bei den Männern finden, hat bei den Frauen, wie wir es ja schon im Kapitel I bei den Wahima (Watussi) kennen gelernt haben, noch keinen Anklang gefunden. Sie legen zwei große Fellschürzen an, über deren Herstellung ich bereits gesprochen habe. Meist bestehen sie aus zusammengenähten Ziegenhäuten, zuweilen aber auch aus Rinderfellen. Die eine tragen sie um die Hüfte derart, daß sie von einem Lederriemen, der häufig noch mit kleinen bunten Perlen benäht ist, festgehalten wird, oder auch ohne Riemen, indem sie das Fell fest anziehen und die Enden nach innen hineinstecken.

Das zweite größere Fell wird auf der rechten Schulter zusammengeknotet, um die Hüften oft noch mit einem Lederriemen zusammengehalten und läßt die linke Brust, Schulter und Arm frei (Abb. 283, rechts, 294 und 295). Zuweilen sind die Felle, in erster Linie aber das Unterkleid, sehr geschmackvoll am Äußeren Rande mit kleinen bunten Perlen --auch hier werden die roten und weißen bevorzugt--in zwei - bis vierfacher Reihe umnäht (siehe Abb. 2/9 und Tafel XVIII).

Die jungen Mädchen sind nur mit einem großen Fell bekleidet, das besonders sorgfältig hergestellt, meist rot gefärbt und stets am unteren Saume mit Perlenschnüren eingefaßt ist. Locher im Fell werden durch eingesetzte kleine Fellstückchen geschlossen, die häufig noch mit einem [371] Perlkranz eingefaßt sind. Das Zubereiten und die Naharbeit ist Aufgabe der Weiber, die sorgfältigen Perlenstickereien werden aber in der Regel von den Mädchen ausgeführt.

Auch die Kinder, vor allem aber die kleinen Mädchen, tragen schon reichen Schmuck, wie es uns die Abbildung 296 veranschaulicht. Ihre Kleidung entspricht derjenigen der Erwachsenen, d. h. die Knaben gehen[372] mit einem umgehängten Stuck Fell oder Zeug bekleidet, wahrend die kleinen Mädchen bereits große, sauber hergestellte und mit Perlen umnähte Fellschurzen anlegen.

Die Masai sind nur Hirten; Ackerbau ist ihnen völlig fremd. Ihr ganzer Stolz sind die Rinderherden, sie zu mehren ist der Hauptzweck ihrer zahlreichen Kriegszuge. Wir sehen bei ihnen nur das Buckelrind, von diesem auch keine reinen Vertreter, sondern infolge ihrer vielen Raubzüge eine starke Vermischung (Abb. 298). Die Euter sind ziemlich klein und der tägliche Milchertrag übersteigt kaum zwei Liter. Es wird zweimal gemolken, morgens und abends. Beim Melken ist, wie wir es ja schon früher kennen gelernt haben, stets das Kalb dabei; die Weiber stellen sich hierbei über dasselbe und halten den Kopf zwischen ihren Knien. Die Kuh leckt liebevoll das Kalb, glaubt, daß dieses sauge und steht infolgedessen ruhig. Man melkt nicht ganz aus, sondern laßt die Kälber [373] noch saugen. Wenn diese ganz jung sind, werden sogar nur zwei Strich ausgemolken.

Einem so ausgesprochenen Hirtenvolk wie die Masai, sind natürlich auch die Regeln der Zuchtwahl bekannt. Bullenkälber, die man nicht zur Zucht verwenden will, werden verschnitten und zwar geschieht dies schon im Alter von zwei Wochen. Ausgewachsene Bullen, die sich nicht so entwickelt haben, daß sie zur Zucht geeignet sind, werden noch nachträglich kastriert, indem man die Samenstränge mit einer Keule zerklopft. In gleicher Weise wird bei Eseln, Ziegen und Schafen verfahren. Bullen und Bocke mit unnatürlichem Geschlechtstrieb werden geschlachtet.

Weitere Haustiere sind Ziegen, Schafe und Esel. Hühner werden nicht gehalten. Von Ziegen gibt es zwei verschiedene Rassen: eine größere und eine kleinere. Die erstere soll erst durch ihre Raubzuge in Unjamwesi eingeführt sein. Sie sind kurz gehörnt, die Spitze der Hörner ist leicht nach hinten gebogen. Nur bei den Böcken sehen wir größere und stärkere Hörner. Die Schafe sind Fettschwanzschafe, von denen man gleichfalls nicht eine bestimmte Rasse vorfindet, sondern verschiedene Kreuzungen. Sie haben ein grobes, dichtes Haar und schlapp herabhängende Ohren. [374]

Die Esel haben ein hellgraues Fell, kurze schwarzhaarige Mahne und als charakteristisches Merkmal I eine schwarze Binde, die aber Schulter und Racken läuft. Sie sind außerordentlich zähe und ausdauernd, werden von den Masai zwar nur als Lasttiere benutzt, sind aber, wie ich das an vielen Exemplaren dort draußen feststellen konnte, sehr gut als Reittiere zu verwenden. Mit ihrem kräftigen, gedrungenen Körperbau erinnern sie stark an das Zebra.

Ebenso wie wir es bei den Waffen kennen gelernt haben, erhalten auch die Rinder Eigentumsmarken; sie bestehen aus Schnitten oder aus einem Brand. Kuhglocken in der bereits bei den Wageia geschilderten Form finden wir häufig, doch werden sie meist nur den Ochsen umgehängt, seltener den Kühen. Die Rinder sowie das Kleinvieh werden von größeren Knaben unter Aufsicht älterer Männer geweidet. Erstaunlich ist es, wie diese Hirten mit dem Vieh umzugehen verstehen. Es gehorcht ihrem Pfiff und Zuruf, ja oft kann man beobachten, daß die Herden nur wenigen voraneilenden pfeifenden und rufenden Hirten folgen, selbst wenn es im schärfsten Tempo durch die Steppe geht.

Schmuck u. Tracht einer Masai-Frau.

Vor Tagesgrauen bereits wird die Wanderung angetreten. Noch in dunkler Nacht werden die Kühe gemolken, dann setzen sich die Rinderherden in Bewegung, ihnen folgen die Ziegen und Schafe, und erst nach ihnen kommen die Kälber. Die jungen Tiere, die den Strapazen des Marsches ]376] noch nicht gewachsen sind, werden getragen. Ganz zum Schlußfolgen die Weiber und Kinder mit den Packtieren. Auch die Jugend beteiligt sich am Tragen, fast jedes Kind schleppt noch irgendein Hausgerät mit. Die einzelnen Trupps werden geschützt durch seitlich marschierende Krieger. Die schon vorher ausgewählte neue Wohnstätte liegt in der Regel nicht weiter als einen Tagemarsch entfernt.

Gleich am Morgen nach dem Eintreffen wird der neue Kraal gebaut. Sie beginnen damit, einen Dornenverhau in Große der anzulegenden Niederlassung herzustellen und in ihm das Vieh unterzubringen. Erst dann wird allmählich zum Hüttenbau geschritten. Stets liegen die Masaikraale in Nahe der Wasserplätze. Sie sind im Kreise angeordnet, so daß sich Hütte an Hütte mit nur geringen Zwischenräumen reiht, die durch Dornenhecken geschlossen werden. Jeder Kraal enthält 20--50 Hütten; die Haupteingänge, die etwa vier Meter breit sind und einander gegenüber liegen, schließt man zur Nachtzeit mit einem starken Dornenverhau.

Die Hütten werden, wie es von einem Nomadenvolk auch nicht anders zu erwarten ist, in flüchtigem, schnellen Bau von den Weibern errichtet. Den ovalen Grundriß ziehen sie erst mit dem Fuß vor. Irgendwelche Hilfsmittel, um die Abmessungen der Hütte festzulegen, gebrauchen sie nicht, haben doch die Frauen schon von frühester Kindheit an der Mutter beim Hüttenbau oft geholfen. Alsdann stecken sie Stangen, [377] Aeste oder auch Schilf--je nach dem Baumaterial, das sie in Nahe des neuen Wohnplatzes finden--in kurzen Abständen in den Erdboden, verflechten sie durch Ruten, so daß ein gitterartiges Untergestell entsteht. und biegen sie in 11/o m Hohe zu einem flachen Dach zusammen.

An geeigneten saftigen Weideplätzen fehlt es in der Masaisteppe ja nicht, ebensowenig an natürlichen Salzlecken, die dadurch entstehen, daß in einer Bodensenke das Regenwasser den salzhaltigen Boden auslaugt und nach Verdunstung eine kleine Salzkruste zurücklaßt.

Wie wir es ja auch schon bei den Wahima (Watussi) kennen gelernt haben, wandern die Masai mit ihrem Vieh, sobald der eine [375] Weideplatz abgegrast ist. Große Schwierigkeiten verursacht das nicht, daswenige Hausgerät und das geringe sonstige Gepäck ist bald auf die Esel verteilt; selten werden auch noch Ochsen und Kühe als Lasttiere verwandt. Einen großen Teil tragen übrigens die Weiber selbst. Den dürftig errichteten Kraal, dessen Herstellung wir weiter unten kennen lernen werden, lassen sie ohne Bedenken im Stich, denn in kurzer Zeit ist eine neue Wohnstätte errichtet.

Die Abmessungen einer derartigen Hütte betragen im Durchschnitt etwa vier Meter in der Länge, drei Meter in der Breite. Als Bedachung dienten früher, ehe die Rinderpest Tausende dahingerafft hat, nur deren Felle. Jetzt wird die Hütte erst mit langhalmigem Gras leicht eingedeckt und alsdann etwa zolldick mit frischem Rindermist bestrichen. Nur schadhafte Stellen bedeckt man zum Schutze gegen das eindringende Regenwasser nachträglich mit Rinderhäuten.

Die Schlafstätte für Mann und Weib besteht aus einem Polster von trockenem Gras. Auf dieses werden zwei enthaarte Rinderhäute gebreitet. In einer Ecke der Hütte befindet sich ein Stall für junge Kälber, doch kommt es auch vor, daß sie noch besondere kleine Ställe anbauen. Die Feuerstelle befindet sich neben dem Eingang; dieser wird zur Nachtzeit mit einem Dornenverhau geschlossen. [378] Das Hausgerät ist, wie bei jedem Nomadenvolk, recht einfach und beschränkt sich auf das Notwendigste. In jeder Hütte befinden sich etwa zwei bis drei Kochtöpfe aus Ton und mehrere große und kleine Kürbiskalebassen, die zur Aufnahme der Milch, zum Buttern und für das Honigbier bestimmt sind. Wir sehen alle möglichen Größen und Formen, am häufigsten hohe und schlanke. Meist legt man um die Kalebassen auch einige schmale, mit Kaurimuscheln verzierte Lederstreifen, um ihre Haltbarkeit zu erhöhen. Die Milchgefäße werden täglich zur Reinigung mit Rinderurin ausgespült und des öfteren noch ausgeräuchert. Die Kürbispflanzen, aus denen die Kalebassen gewonnen werden, sind das einzige Gewächs, das die Masai bei ihren Kraalen anbauen.

Zum Aufbewahren des Honigs benutzen sie ein selbst angefertigtes Gefäß, das aus einem ausgehöhlten Holzstamme von etwa 20 cm Durchmesser besteht und oben und unten mit einem Deckel aus Rinderhaut geschlossen wird. Zum Transport von Lebensmitteln dienen große und kleine Lederbeutel. Die hölzernen Eßnäpfe verschiedener Form und Größe, die sie gebrauchen, sind nicht von ihnen gefertigt, sondern von den umwohnenden Ackerbauern eingetauscht. Dasselbe gilt auch von den niedrigen, vierbeinigen runden Holzschemeln. Einige Messer, mehrere Kochlöffel und Holzkellen zum Umrühren und eine kleine Axt vervollständigen die Ausrüstung der Hütte.

Das Hauptnahrungsmittel der Masai sind Milch, Fleisch und Blut, seltener Vegetabilien, die sie von den umwohnenden Ackerbauern einhandeln. Die Milch wird nicht gekocht, sie trinken sie in frischem oder in saurem Zustande, und zwar nicht allein Kuh-, sondern auch Schafmilch.

Blut genießen sie frisch oder geronnen; sehr beliebt ist auch eine Mischung von Milch und Blut. Letzteres wird den lebenden Rindern abgezapft und zwar in folgender Weise: Man bindet dem Tier einen Riemen um den Hals, so daß sich vor dem Riemen das zum Herzen zurückströmende Blut in der großen Vene staut. Der Riemen darf aber nicht zu fest angezogen werden, damit die Atmung nicht beeinträchtigt wird. Dann schießt ein Mann aus unmittelbarer Nähe einen Pfeil mit kolbenförmig dicker Spitze, in der ein kleines Stückchen scharfes Eisenblech steckt, in die geschwollene Vene. Das Blut spritzt in kräftigem Strahl heraus und wird in einer Kürbisflasche aufgefangen. Durch einfaches Lösen des Riemens bringt man die Blutung zum Stehen. Von einem starken Stier erhalten sie auf diese Weise jedesmal ungefähr 4--5 Liter Blut, bei einer Kuh die Hälfte; die Operation kann, ohne dem Tier zu schaden, alle Monate wiederholt werden.

Das Fleisch kochen sie und Würzen es häufig mit den bereits bei den Vorbereitungsfesten zum Kriegszuge erwähnten Zusätzen, oder sie stecken das Fleisch auf einen Stock und rosten es am offenen Feuer. [379]

Butter gewinnen sie in der bekannten Weise durch Schütteln der abgeschöpften Sahne in einer großen Kalebasse. Sie wird jedoch, ganz wie bei den Wahima, nicht genossen, sondern dient als Tauschartikel, zum Herstellen der roten Tonpomade und zum Geschmeidigmachen der [380] Felle. Von dem geschlachteten Tier lassen sie das Fett aus und verwenden es zuweilen als Zutat für die anderen Speisen, noch häufiger aber genießen sie es im reinen Zustande.

Sehr ängstlich achten die Masai darauf, da niemals Milch und Fleisch in enge Berührung kommen, weil nach ihrer Ansicht die Kuh dadurch erkranken und keine Milch mehr geben wurde. So darf nie ein Topf, in dem Fleisch gekocht wird, für die Milch verwandt werden oder umgekehrt. Aus gleichem Grunde nehmen sie an dem Tage einer Fleischmahlzeit keine Milch zu sich. Auch am Tage nach dem Genuß von Fleisch trinken sie nicht unmittelbar die Milch, sondern erst vorher noch einen Schluck Blut. Sehr ungern verkaufen sie Milch, in der Besorgnis, daß gegen ihre Speisegesetze verstoßen werden könnte.

So leidenschaftliche Fleischesser die Masai auch sind--in erster Linie genießen sie Rindfleisch, daneben aber auch Ziegen- und Schaffleisch--so verschmähen sie gänzlich Wild, Vögel und Fische.

Die Honiggewinnung ist Aufgabe der Älteren Masai, die mit ihren großen Ledertaschen in die Steppe ziehen und die Stocke der wilden Bienen ausnehmen. Häufig wird der Honig auch von den Wandorobbo eingehandelt. Sie genießen ihn roh und unvermischt, außerdem bereiten sie aus ihm nach Zusatz von Wasser ein Bier, das einen 3 - 5 tägigen Gärungsprozeß durchmacht und stark berauschend ist, so daß die Masaitrinkgelage meist mit völliger Bezechtheit, sowohl der Männer wie der Weiber, enden. Daneben trinken sie auch aus Bananen oder Hülsenfrüchten hergestellte Biere, die sie jedoch nicht selbst zubereiten, sondern von den umwohnenden Ackerbauern kaufen.

An Vegetabilien genießen sie gekochte Sußkartoffeln (Bataten), unreife gekochte Bananen, Mais, Bohnen, Eleusine und Sorghum, die sämtlich eingehandelt werden. Wöchentlich etwa einmal treffen in den Masaikraalen mit Vegetabilien beladene ältere Frauen und Männer ein, die oft tageweit hierher marschieren müssen. Es beginnt nun ein stundenlanges, mit viel Geschrei verbundenes Feilschen, bis jede Hausfrau das von ihr Begehrte gegen Butter, Fleisch oder Felle eingetauscht hat. Während die Verheirateten sehr oft vegetabilische Kost zu sich nehmen, wird sie von den Kriegern völlig verschmäht. Diese genießen nur Milch als Hauptnahrung, daneben Fleisch.

Ein weiteres Genußmittel, das aber gleichfalls nur von den Verheirateten genommen wird, ist der von den Ackerbauern eingehandelte Tabak. Die Männer rauchen, schnupfen und kauen ihn, die Frauen rauchen zwar nicht, doch kauen und schnupfen sie. Die 'Tabakspfeife besteht aus dem tönernen Kopf und dem Holzrohr. Letzteres stellen sie sich selbst her, die Köpfe kaufen sie von den Ackerbauern. Der Kautabak ist der gleiche wie der Rauchtabak. Der Schnupftabak wird aus [380] dem Rauchtabak gewonnen, indem man ihn erst fein schneidet und dann mit einem Stein zerreibt. Häufig setzt man auch noch etwas gepulverte Rinde und Salz hinzu. Den fertigen I abak füllen sie in Büchsen, die meist aus Holz-, Schilf- oder Bambusstücken bestehen und mit eingebrannten Mustern verziert sind. nie Enden werden mit je einem Lederdeckel, der oft noch durch bunte Perlenstickerei verziert ist, geschlossen. Man trägt diese Tabaksdosen an einem eisernen Kettchen, einem Draht oder Lederband um den Hals. Auch aus Rinder- und Schafhorn, seltener aus Nashorn verfertigen sie derartige Tabaksdosen.

Als Wertmesser gilt bei den Masai naturgemäß in erster Linie das Vieh. In neuerer Zeit sind durch die Handlerkarawanen bereits Tauschartikel, wie Messing- und Kupferdraht, Glasperlen, sowie Baumwollstoffe und bunte Tücher, eingeführt; unter sich handeln die Masai aber auch heute noch nur mit Vieh. So zahlt man für einen fetten Schlachtochsen eine weibliche Ferse, für einen Esel fünf Ziegen, und für eine große Ziege [382] oder ein Schaf erhält man ein etwa zwei Monate altes Kalb. Ein eiserner Speer kostet zwei Ziegen oder einen Ochsen, eine große Viehglocke oder eine kleine Axt kauft man für eine Ziege.

Ich will hier noch einiges über die Eisengewinnung und seine Verarbeitung anfügen, soweit sie sich von der Art, die ich im Handwerkerkapitel schildere, unterscheidet. Bemerkenswert ist die abweichende Form des Blasebalges, der aus zwei länglichen, vorn spitz zulaufenden Säcken aus Ziegen- oder Schaffell besteht. Der vordere Teil dieser enthält eine etwa 20 cm lange Holz- oder Eisenrohre, zuweilen auch eine ausgehöhlte Astgabel, und an diese endlich schleißt sich die tönerne Düse. Der hintere Teil jedes Sackes zeigt einen Schlitz, der durch zwei kleine Holzleisten eingefaßt wird. Die Bedienung der Blasebälge erfolgt mit der Hand durch einen Älteren Mann oder ein Weib derart, daß sie abwechselnd die beiden Schlitze öffnen und schließen.

Noch eine zweite Art Blasebalg ist bei den Masaischmieden gebräuchlich, sie besteht aus einer hölzernen Schussel, die unten ein Luftrohr hat, das gleichfalls in eine tönerne Düse mündet. Über diese Schüssel ist luftdicht ein Fell gebunden, das zur Erzeugung des Luftzuges auf - und niederbewegt wird.

Die Eisengewinnung erfolgt hier nicht in einem Hochofen, sondern im offenen Feuer.

Wie bereits bei Schilderung der Krieger erwähnt, verheiraten die Masai sich erst, wenn sie aus dem Kriegerstande austreten, also etwa mit 230 Jahren. Sie verloben sich jedoch bereits im Alter von etwa 20 Jahren mit einem 10 - 12 jährigen Mädchen. Hat der Bräutigam das Jawort der Braut, so begibt sein Vater sich zu deren Mutter und wirbt im Namen seines Sohnes. Ist diese und auch der Vater einverstanden, so wird dem Mädchen, zum Zeichen daß sie verlobt ist, der Kopf mit Fett eingerieben.

Der gute Ton bei den Masai verlangt es, daß das Brautpaar während der ganzen Verlobungszeit nicht in Berührung kommt. Der Bräutigam lebt als Krieger in einem Kriegerkraal, die Braut mit ihren Gespielinnen in einem anderen. Wird sie, was naturgemäß sehr häufig vorkommt, während der Verlobungszeit schwanger, so gilt das als ein Verstoß gegen die guten Sitten und führt meist zur Aufhebung der Verlobung. Vor der Heirat ist der Rest des Heiratsgutes, von dem bereits ein Teil bei der Verlobung ausgezahlt ist, zu entrichten. Es besteht in der Regel aus drei Kühen, einem Ochsen, einigen Ziegen und Schafen und fünf Töpfen Honig. Der Ochse, die Ziegen und die Schafe dienen zum Hochzeitsschmaus, ebenso der gelieferte Honig, aus dem Bier gebraut wird. [383]

Früher betrug das Heiratsgut erheblich mehr - etwa 10 Kühe und ist erst, nachdem die Rinderpest die Herden der Masai stark vermindert hat, so gering geworden. Es kommt jetzt auch vor, daß arme Masai nur eine Kuh zahlen. Besondere Schönheiten sowie Töchter von einflußreichen Leuten stehen etwas höher im Preise. Für kinderlose Witwen und ebenso für kinderlose geschiedene Frauen zahlt man denselben Preis wie für junge Mädchen. Für die nächster) Frauen ist das Heiratsgut in gleicher Höhe zu entrichten wie für die zuerst geheiratete Hauptfrau.

Verläßt eine Frau ihren Mann und kehrt zu ihren Eltern zurück, so haben diese, falls sie ihre Tochter wieder aufnehmen, (las Heiratsgut zurückzuzahlen. Nicht gestattet ist eine Ehe zwischen Blutsverwandten, ebensowenig darf der Mann die Schwestern seines Weibes heiraten. Die Zahl der Frauen richtet sich lediglich nach dem Vermögen des Mannes, in der Regel hat der Masai vier bis sechs. Die Hochzeitsfeier besteht, wie allgemein üblich, in einem Schmaus, verbunden mit Trinkgelage und Tanz. Häufig währt sie mehrere Tage, am ersten wird ein Rind geschlachtet, am nächsten Ziegen oder Schafe. Bei dem Festessen selbst sitzen alle Anwesenden in einem großen Kreis beisammen; auf der einen Seite der Bräutigam mit den Männern, auf der anderen die Braut mit den Weibern und Kindern der Anverwandten. [384]

Nach dem Fest zieht sich das junge Ehepaar in die neuerbaute Hütte zurück. Es ist üblich, daß der Mann einem oder auch zweien seiner alten Kampfgenossen das jus primae noctis gewährt. Er darf dieses nicht, wenn es gefordert wird, verweigern und kann sich dem höchstens dadurch entziehen, daß er seine Hochzeit ganz im Stillen begeht. Kaum hat das junge Paar sein Heim betreten, so wird von der Mutter des Mannes ein kleines Kind dorthin gebracht und in den Schoß des Weibes gesetzt, die ihm etwas Milch zu trinken gibt. Durch diese Handlung glaubt man einen günstigen Einfluß auf die Fruchtbarkeit der Frau auszuüben.

Fühlt das Weib sich schwanger, so trennen sich die Ehegatten. Während der ganzen Schwangerschaft und auch später bis nach beendeter Säugezeit, also bis das Kind etwa ein Jahr alt ist, darf die Frau weder mit dem Ehemann noch mit irgendeinem anderen Manne geschlechtlichen Verkehr üben. Auch muß sie in dieser Zeit ihren Schmuck ablegen, um nicht andere Männer in Versuchung zu führen. Kurz vor der Geburt darf der Ehemann nicht mehr auf Reisen gehen oder in den Krieg ziehen, sondern hat sich in Nahe des Kraals oder in diesem aufzuhalten; das Betreten der Hütte seines Weibes ist ihm jedoch verboten. Die Geburt findet im Beisein von Weibern der Verwandtschaft mit Unterstützung einer weisen Frau statt. Man sieht die Geburt von Knaben lieber als die von Mädchen. Besonders große Freude herrscht, wenn die Frau Zwillinge zur Welt bringt. Die Weiber des Kraals feiern die Geburt durch Gesang und Tanz, der glückliche Vater hat zu diesem Fest einen Ochsen und Honigbier zu liefern. Häufig wahren diese Feste mehrere Tage. [384]

Mißgestaltete und besonders schwächliche Kinder werden gleich nach der Geburt getötet. Sobald es der Zustand der Mutter wieder erlaubt, kann sie die Hütte verlassen, die der Vater erst nach 10 Tagen betreten darf. Hat er mit einer anderen Frau geschlechtlich verkehrt, so ist es ihm untersagt, am nächsten Tage den Säugling anzurühren, denn dieser wurde krank werden. Wahrend es nicht selten vorkommt, daß der Ehemann seine Frau prügelt, wird das Kind mit großer Liebe und Sorgfalt aufgezogen. Schlage sind außerordentlich selten. werden, wenn sie erforderlich sind, auch nicht von dem Vater, sondern nur on der Mutter verabfolgt, und zwar in der Regel mit der flachen Hand oder mit dem Ledergürtel auf den entsprechenden Körperteil.

Die ehelichen Verhältnisse der Masai sind recht locker. Außer seinen Ehefrauen hält er sich meist noch einige Nebenfrauen. Diese rekrutieren sich aus Witwen, die sich nicht wieder verheiraten dürfen oder können und den Beruf einer Nebenfrau als gute Versorgung betrachten. Es ist nämlich den Witwen, welche Söhne haben, nicht gestattet wieder zu heiraten. Jede Frau hat ihre eigene Hütte und bewohnt diese mit ihren Kindern. Die zuerst geheiratete ist die Hauptfrau; ihre Aufgabe ist es, die anderen zu beaufsichtigen und zur Arbeit anzuhalten. Ebensowenig wie der Mann die eheliche Treue hält, erwartet er es von seinem Weibe. Nicht selten ist es, daß die Masai ihre Weiber austauschen.

Einen Beweis dafür, wie wenig dem Masai der Begriff ,,eheliche Treue" bekannt ist, hatte ich in Leitokitok. Hier trafen täglich in unserm Lager zahlreiche Masaifrauen ein, angeblich um an unsere Soldaten und Träger Milch zu verkaufen. Doch war das Mitbringen einer Kalebasse Milch nur ein Scheinmanöver und hätte ihnen auch nur wenige Heller oder Perlen eingebracht. Der Umstand, daß sie nach mehrstündigem Aufenthalt mit reichen Perlengeschenken, oft auch noch mit Stoffen beladen das Lager verließen, war ein Beweis dafür, daß sie aus einem [386] anderen Grunde das Lager aufgesucht hatten; sicherlich mit Wissen ihrer Ehegatten, wenn nicht gar auf deren Geheiß. Charakteristisch für die sittliche Anschauung der Masai ist noch, daß widernatürliche Unzucht und Abtreibung allgemein üblich sind und daß auch die Notzucht nicht bestraft wird. Sodomie mit Eseln wird besonders von den älteren Knaben getrieben, die mit den jungen Mädchen noch nicht in geschlechtlichen Verkehr treten dürfen. Das Tier wird hierbei von vier Knaben gehalten.

Eine eigenartige Auffassung hat der Masai von der Gastfreundschaft, die wohl bei keinem anderen Volke in so ausgedehntem Maße gehandhabt wird wie hier. Die Masai gehen, um sich die Zeit bis zum nächsten Kriegszuge zu vertreiben, sehr häufig auf Reisen. Kommen sie in einen befreundten Kraal, so sehen sie sich erst prüfend um, gehen dann auf eine Hütte zu und stecken vor dem Eingang ihren Speer in den Boden. Hiermit gehört sie ihnen mit lebendem und totem Inventar, der Wirt schläft in dieser Nacht in einer anderen Hütte. Genau umgekehrt ist es, wenn ein Weib zu Besuch kommt. [387]

Im Kraal der Verheirateten herrscht meist großer Stumpfsinn. Das bißchen Arbeit verrichten die Weiber, der Mann geht höchstens zuweilen hinaus, sich um die Rinder zu kümmern. Gegen 1 Uhr mittags nehmen sie die Hauptmahlzeit; Männer und Weiber essen getrennt. Nach dem Essen schlafen sie etwa eine Stunde und dann versammeln sie sich in [388] der Regel zu einem Brettspiel. Nur bei Festen oder auch in hellen Mondscheinnächten wird gesungen und getanzt. Männer und Weiber tanzen in getrennten Gruppen. Sehr gern gesehen ist der Besuch von Kriegern, die stets etwas Abwechslung in das einförmige Familienleben bringen.

Verlassen wir jetzt den langweiligen Kraal der Verheirateten und begeben uns in den interessanteren Kriegerkraal. In jedem Distrikt finden wir meist nur einen, der sämtliche Krieger beherbergt. Er unterscheidet sich äußerlich durch nichts von den Übrigen. Bewohnt wird er meist von 50--100 Kriegern, der fast doppelten Zahl junger Mädchen und einigen Müttern. Aufgabe der letzteren ist es, die häuslichen Arbeiten zu verrichten und die Kühe zu melken. Durch die Mädchen finden sie hierbei nur wenig Unterstützung, denn diese sind in erster Linie zur Unterhaltung der Krieger da. Auch die Anlage des Kriegerkraals ist Aufgabe der Mütter.

Jeder Krieger hat sein Lieblingsmädchen. Solange er zu Hause ist, wohnt sie bei ihm, kümmert sich um sein Vieh und fertigt ihm Schmucksachen an. Auch soll sie ihm während dieser Zeit die Treue halten. Verläßt er aber auch nur auf einen Tag den Kraal, so fallt letztere Verpflichtung fort. Den Häuptling von Leitokitok, mit dem ich mich Über diese eigenartigen Zustände unterhielt, fragte ich: ,,Warum heiraten denn [388] die Krieger nicht die Mädchen, das wäre doch viel Vernünftiger, als hier in freier Liebe mit ihnen zusammenzuleben ?" Auf meine Frage gab mir der Mann eine sehr verständige Antwort: ,,Die Krieger ziehen Für uns ins Feld, lassen sich Für uns erschlagen und versorgen uns mit Vieh; von ihrer Tüchtigkeit hängt der Wohlstand des ganzen Stammes ab. Wir wollen aber, daß sie leichten Herzens in den Kampf ziehen und nicht durch Sorge um Weib und Kind an der Ausübung ihres Berufes gehindert werden."

Zur Friedenszeit verlebt der Krieger nur Feiertage. Irgendwelche Arbeit oder eine Beschäftigung, die außerhalb des Kriegshandwerkes steht, ist unter seiner Wurde. Das Leben im Kraal spielt sich etwa in folgender Weise ab: Kurz vor Sonnenaufgang beginnen die Mütter mit dem Melken des Viehs, wobei sie zuweilen von den jungen Mädchen unterstützt werden. Alsdann treiben die Knaben das Vieh auf die Weide. Erst zwischen / und 8 Uhr erheben sich die Krieger von ihrem Lager und nehmen die erste Mahlzeit, bestehend aus frischer Milch, zu sich. Die Weiber fegen den Kraal und verrichten sonstige Hausarbeiten. Etwa um 1 Uhr mittags findet die Hauptmahlzeit statt, die meist aus Fleisch besteht. Am Nachmittage ziehen die Krieger mit ihren Mädchen unter einen großen, schattigen Baum und unterhalten sich hier mit Tanz und Gesang. [390]

Der gebräuchlichste Tanz ist folgender: Die Mädchen gehen mit kurzen, stampfenden Schritten in einer Reihe nebeneinander auf die gleichfalls in einer Reihe stehenden Krieger zu. Sie knicken hierbei taktmäßig in den Knien ein und bewegen Oberkörper und Arme ruckartig nach dem Takt der Musik. In der Regel endet der Tanz damit, da die jungen Mädchen, deren Liebhaber augenblicklich abwesend sind, sich in kurzen Hochsprangen auf einen Krieger zubewegen. Dieses Hochhüpfen soll eine Aufforderung sein zu einem Zusammentreffen noch am selben Abend. Springt er gleichfalls in die Hohe, so heißt das soviel als: ,,Ich werde kommen."

Kurz vor Sonnenuntergang kehren alle in den Kraal zurück. Bald ist auch das Vieh zur Stelle und wird zum zweiten Male gemolken. Dann nehmen sie die Abendmahlzeit ein, die wiederum nur aus frischer Milch [391] besteht. Nach dem Essen wird bis gegen 10 Uhr abends getanzt, es sei denn, daß besondere Feste oder auch schone mondhelle Nachte die Jugend noch langer zusammenhalten. Nach dem Tanz ziehen sich die Krieger mit ihren Mädchen in die Hütten zurück. Aufgabe der älteren Knaben ist es, bei dem Vieh zu wachen.

Tiefe Stille liegt über dem Kraal, nur zeitweise unterbrochen durch das klagende Geheul einer Hyäne, das Bellen eines Schakals oder durch Löwengebrüll. Nicht selten ereignet es sich, daß ein Löwe mit mächtigem Satze über die Dorneneinzäunung springt, um sich ein Rind zu holen. Dann Stürzen auf das Geschrei der Wache die Krieger mit ihren Speeren heraus und stechen den Räuber nieder. Oft muß einer oder der andere Krieger dieses mutige Vorgehen mit dem Tode büßen, jedoch fast immer wird dem Löwen das Rind wieder abgejagt.

Zuweilen befolgt der hungrige Löwe eine andere Taktik: Ohne zu brüllen schleicht er auf leisen Sohlen um den Kraal. Das Vieh wittert ihn, jagt hin und her, ja bricht auch zuweilen in seiner Todesangst durch die Dornenumzäunung hindurch und eilt in die Steppe. Das hat der Löwe nur bezweckt, denn hier ist es ihm ein Leichtes, sich seine Beute zu holen. In den meisten Fallen jedoch wird die Wache durch das unruhige Hinund Herrennen der Rinder beizeiten aufmerksam gemacht, schlagt Lärm, und die mit Speeren bewaffneten Männer eilen hinaus und verjagen den Räuber.

Von verschiedenen Seiten ist es angezweifelt worden, daß die Masai persönlichen Mut besitzen, weil sie ihre Kriegszuge stets in nächtlichem Überfall ausführen. Nach meiner Überzeugung ist dies nur ein Zeichen von Klugheit, denn warum sollten sie so töricht sein, einem vorher gewarnten und vorbereiteten Gegner am hellen Tage in offener Feldschlacht gegenüberzutreten? Die Art und Weise, wie sie selbst zur Nachtzeit, nur mit ihren Speeren bewaffnet, dem von allen Negern so gefürchteten König der Tiere zu Leibe gehen, durfte ein Beweis dafür sein, daß sie hohen persönlichen Mut besitzen.

Wie ich bereits kurz erwähnte, hat die Rinderpest große Verheerungen unter dem Masaivieh verursacht. Hierdurch sind viele Familien gänzlich verarmt und mußten eines elenden Hungertodes sterben, andere retteten sich zu den umwohnenden Ackerbauern, ergriffen gleichfalls diesen Beruf und vermischten sich mit ihnen. Die Abbildungen 303, 304 und 305 zeigen uns derartige Mischlinge, die am Fuße des Meruberges wohnen. Wieder andere verarmte Masai haben sich den Wandorobbo angeschlossen und sind, wie diese, Jäger geworden.

Die Wandorobbo, über die ich jetzt noch einiges sagen werde, gehören zu derselben Rasse wie die Masai, zum Teil sind es ia auch, wie wir soeben gehört haben, verarmte Angehörige dieses Hirtenvolkes. [392]

Abb. 58 / 306. Ndorobbo-Mann(Körperbau und Gestalt).   Abb. 59 / 307. Ndorobbo-Mann(Körperbau und Gestalt).

Nur der Not gehorchend haben sie zu Pfeil und Bogen gegriffen und sind zu gewandten und listigen Jägern geworden. Daß sie viel lieber, wie ihre höherstehenden Vettern, Hirten wären, geht daraus hervor, daß sie keine Gelegenheit vorübergehen lassen, sich Vieh zu erwerben. Man kann einem Ndorobbo kein wertvolleres Geschenk geben, als eine Kuh. Stellt man ihm diese in Aussicht, so ist er, wie mein tüchtiger Fährtensucher, Tag und Nacht zu den anstrengendsten Dienstleistungen bereit. [393]

Das scheue, verborgen in der weiten Steppe, nur von und mit dem Wilde lebende Volk hat sich fast völlig von fremdem Einfluß und fremder Kultur frei gehalten. Bär Kopfbildung, Gestalt, Tätowierung und Haartracht brauche ich nichts Besonderes anzuführen; ich verweise auf das über die Masai Gesagte. Die sehnige, schlanke Gestalt eines Ndorobbo, der sich als besonders tüchtiger Pfadfinder sowie als gewandter und unerschrockener Jäger erwies, zeigen uns die Abbildungen 306, 307 und [391] 308. Ihm verdanke ich es, daß ich nach langen, vergeblichen Bemühungen endlich auf Löwen zu Schuß kam.

Abb. 60 / 308. Ndorobbo-Mann(Körperbau und Gestalt).   Abb. 61 / 309. Ndorobbo-Jüngling (Körperbau, Gestalt und Ohrschmuck).

Auch die Beschneidung findet in derselben Weise und im gleichen Lebensalter statt wie bei den Masai. Die Abbildungen 309 und 310 zeigen uns einen Ndorobbojüngling, der kurz vor der Beschneidung steht. Er tragt einen eigenartigen Ohrschmuck, der aus der Frucht eines Steppenstrauches hergestellt ist.

Über den Schmuck der Männer ist ebenfalls nichts Neues zu sagen, er ist nur bei weitem nicht so reich wie bei den Masai. Dies liegt einmal an ihrer Armut und ferner daran, daß auffallender, blitzender Zierrat sie bei Ausübung ihres Jägerhandwerks stören würde. Aus dem gleichen Grunde tragen sie keine Ringe an den Fingern.

Die Kleidung besteht durchweg aus Fellen. Selten handeln sie von den Masai Umhänge aus Kalbfell ein, meist stellen sie sich solche aus Antilopenhäuten selbst her. Besonders bevorzugt wird wegen seines glatten Haares und seiner schönen Farbe das Fell der Schwarzfersenantilope. Während altere Männer meist noch ein langes Unterkleid tragen. sind die jüngeren stets nur mit dem kurzen Fellumhang bekleidet, den wir auf Abbildung 311 sehen. Sie verschmähen jedes weitere Gewand, weil sie dadurch bei Ausübung der Jagd gehindert wurden. Als Fußbekleidung finden wir gleichfalls die Sandale (Abb. 312, rechts).

Ihre Hauptwaffen sind Bogen und Pfeil, die sie meisterhaft zu handhaben verstehen. Erstere sind etwa 11/2 m lang, an den Enden leicht geschweift und haben eine Sehne aus Tiersehnen. Sie besitzen eine außerordentlich starke Federkraft und tragen infolgedessen weit, Für den Nichtgeübten sind sie aber recht schwer zu sannen. So gelang es mir nicht bei wiederholten Versuchen, zur Freude der Wandorobbo, den Bogen voll zu spannen, d. h. bei ausgestrecktem linken Arm die Sehne mit der rechten Hand bis fast an das Ohr zurückzuführen. Die Pfeile sind dreiflügelig, haben einen Einschnitt zum Aufsetzen auf die Bogensehne und tragen vorn eine stark vergiftete eiserne Spitze, die meist lanzettförmig ist. Nur in Ausnahmefallen verfertigen sich die Wandorobbo diese Pfeilspitzen selbst, meist werden sie von den Masaischmieden oder auch bei umwohnenden Stämmen eingehandelt. Zuweilen verwenden sie als Pfeilspitzen einen gehärteten Holzdorn, der natürlich gleichfalls vergiftet ist.

Ferner sah ich bei ihnen hölzerne Wurfspeere, die allerdings nicht allgemein üblich sind. Sie tragen vorn eine lose eingesetzte vergiftete Eisenspitze. Die Handhabung dieses Wurfspeeres ist derart, daß die Leute sich an die schlafenden Tiere bis auf kurze Entfernung heranpirschen und dann die Waffe auf das Tier schleudern. Hierbei fallt der Schaft zu Boden und nur die vergiftete Spitze bleibt im Körper stecken.[395]

Es dürfte von Interesse sein, hier etwas über Pfeilgifte zu Hören. Nachstehende Ausführung verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. M. Krause, der sich bereits seit acht Jahren mit Untersuchung der Pfeilgifte beschäftigt und wohl mit Recht als Autorität auf diesem Gebiete gilt:

Abb. 62 / 310. Ndorobbo-Jünling(Körperbau und Gestalt).

,,Die Volker des östlichen Afrikas benutzen hauptsächlich die Gifte von Acocanthera, eine Apocynacee, die von der Somaliküste bis zur Nord [396] grenze Natals verbreitet ist und die nach den neuesten Zusammenstellungen, wie aus der Flora of tropical Africa zu ersehen ist, hauptsächlich in 3 Arten vorkommt: abyssinica, venenata und spectabilis. Die tödliche Dosis des isolierten Giftes ist außerordentlich gering und schwankt bei den einzelnen Giften der Volker Afrikas zwischen /l00 und 7/100 Milligramm pro Kilo Meerschwein. Dr. Krause, der Wandorobbopfeile von der Expedition des Regierungsrats Busse untersuchte, konnte feststellen, daß diese Pfeile auch hauptsächlich die Glycoside von Acocanthera venenata enthielten.

Die Pfeilgifte der Volker Ostafrikas sind hauptsächlich Herzgifte und nur aus Pflanzen hergestellt. Während z. B. in Togo auch Schlangengifte Verwendung finden, werden in Südwestafrika, außer verschiedenen Pflanzengiften, solche aus Käferlarven (Diamphidia locusta) benutzt. Seine Untersuchungen ergaben, daß 20 Jahre alte Gifte noch dieselbe tödliche Dosis enthielten wie frisch aus frika angekommene, im Gegensatz zu der oft aufgestellten Behauptung, daß sie mit der Zeit an Wirksamkeit verlieren. Eine Zerstörung des Giftes konnte nur durch Schimmelpilze stattfinden, wenn der Belag sehr feucht geworden ist. Er kann aber auch von Anfang an nur eine geringe Wirkung gehabt haben, wenn nämlich die Eingeborenen beim Abkochen der Pflanzen diese zu hoch erhitzen, da Einmal das Erwärmen in saurer Lösung oder Erhitzen auf 104° C. resp. Fermentation zerstörend wirkt."

Die Zubereitung des Giftes ist Aufgabe der Männer. Sie entfernen sich mehrere tausend Meter von ihrem Lager und sammeln hier Aste und Wurzeln der Acocanthera abyssinica, spalten diese in daumendicke Stücke und schütten sie in einen halb mit Wasser gefüllten Topf. Hier werden sie mehrere Stunden lang gekocht. Glaubt man das Holz genügend ausgelaugt zu haben, so nimmt man es heraus und verdickt durch weiteres Einkochen die Flüssigkeit zu einem zähen Brei, der schwarz ist und wie Pech aussieht. Bei der Tätigkeit des Giftkochens darf kein weibliches Wesen zugegen sein. ja nicht einmal in die Nahe kommen, denn sofort würde nach Auffassung der Wandorobbo das Gift seine tödliche Wirkung verlieren. Dies tritt sogar dann schon ein, wenn die Frau während der Giftbereitung mit einem anderen Manne geschlechtlich verkehrt.

Ist das Gift gekocht, so tut man es in einen hölzernen Topf oder in einen Lederbeutel und hängt es zusammen mit dem Kocher, in dem sich die bereits vergifteten Pfeile befinden, auf einen Baum in der Nahe des Lagers. Bei Regenwetter jedoch bringen sie es in die Hatte eines alten Weibes, das aber so alt sein muß, daß sie für geschlechtlichen Verkehr nicht mehr in Frage kommt. Der zum Giftkochen benutzte Topf wird kräftig aufgescheuert und kann dann wieder als Kochtopf für die [397] Bereitung der Speisen benutzt werden. Die Pfeilspitzen sowohl als auch ihr eiserner Schaft werden mittels eines kleinen Holzspatels mit dem Gift bestrichen. Die ziemlich dick aufgetragene Schicht wird durch Umwicklung mit einem dünnen Fellstreifen geschützt.

Wie bereits von Herrn Dr. Krause kurz erwähnt, ist die Wirkung dieses Giftes eine außerordentlich starke und erheblich schnellere wie beim Schlangengift; sie besteht in einer Aufhebung der Herztätigkeit. Bei mittelgroßen Antilopen tritt der Tod bereits nach mehreren Minuten ein, bei Elefanten kommt es allerdings vor, daß die Jäger tageweit folgen müssen, bis das riesige Tier dem Gift erlegen ist.

Wie außerordentlich stark die Wirkung ist, davon noch folgendes Beispiel: Ich traf am Mara einen Trupp Wandorobbo, die ersten die ich sah. Sie waren soeben im Begriff auf Jagd zu gehen. Ich winkte sie heran und betrachtete ihre Waffen. Als ich den Kocher öffnete und einen Pfeil herausnehmen wollte, hielt mir einer der Jäger den Arm fest und sagte mir, ich dürfte die Pfeile nicht vorn an der Spitze berühren, weil die geringste Hautwunde genügen würde, um eine Vergiftung herbeizuführen. [398]

Noch eine weitere Waffe findet zuweilen bei ihnen Anwendung: es ist ein Stoß- oder Wurfspeer, den sie sich in einfacher Weise derart herstellen, daß sie ihr scharfes Schwert an einen langen Stock binden. Sie stoßen es dem schlafenden Wild in die Seite, lassen es dann stecken, und das flüchtig werdende Tier stoßt mit dem Schaft gegen Bäume und Sträucher und reißt sich die Wunde immer größer.

Die Spitzen der Pfeile sowohl wie der Speere tragen eingefeilte Eigentumsmarken, so daß man beim Auffinden eines geschossenen Wildes ohne weiteres den Jäger feststellen kann.

Auf die Jagd gehen sowohl die Älteren wie die jüngeren Wandorobbo, jedoch erfolgt hier eine praktische Teilung. Das anstrengende Pirschen in der weiten, freien Steppe ist Aufgabe der jüngeren, wahrend die älteren sich an den Wasserstellen auf Anstand setzen. Da zur Abgabe eines guten Schusses mit dem Bogen der Jäger sich auf dreißig bis vierzig Schritt dem Wilde nähern muß, so gehört zur Pirsche in offener Steppe sehr viel Ausdauer und Gewandtheit. Besonders sorgfältig muß der Ndorobbo auf den Wind achten, da von seinem Körper, der niemals mit Wasser in Berührung kommt, ein sehr kräftiger Duft ausgeht. Des weiteren muß er mit großer Vorsicht pirschen, damit die scharf äugenden Antilopen ihn nicht erblicken. Hebt sich doch seine schwarzbraune Haut sehr scharf von der strohgelben Steppe ab und fehlt ihm doch gänzlich die Möglichkeit, sich dem Gelände anzupassen, wie sie dem Europäer der Khakianzug gibt.

Zuweilen jagen die Wandorobbo mit Unterstützung von Hunden, die den Fährten folgen, bis der Jäger das Wild erblickt. Dann legt er seinen Fellumhang ab, um sich besser heranschleichen zu Konen, und der Hund bleibt bei dem Kleidungsstück zurück. Ist das Wild getroffen, so treten die Hunde zum zweitenmal in Tätigkeit. Ihre Aufgabe ist es, die Schweißfährte aufzunehmen. Außerdem warnen sie den Jäger vor den im Grase versteckt liegenden Raubtieren.

Die Älteren Wandorobbo, die sich nicht mehr kräftig genug Fühlen, im freien Pirschgang das Wild zu erlegen, bauen sich an den Tranken aus Asten und Gras eine Deckung und setzen sich hier an. Kaum haben die durstigen Tiere mit gierigen Zügen begonnen das erquickende Naß zu schlürfen, so schnellt auch schon der Giftpfeil von der Sehne. Das getroffene Wild eilt davon, meist mit ihm das ganze Rudel, doch kommt es auch vor, daß die anderen Tiere, die noch nichts von der Anwesenheit des Schützen bemerkt haben und das Flüchten des angeschossenen nicht weiter beachten, ruhig an der Tränke verharren und so dem verborgenen Jäger Gelegenheit geben, noch ein oder zwei weitere Stücke anzuschießen. Die Verfolgung der Schweißfährten nimmt er nicht selbst auf, sondern. Überläßt sie jüngeren Kräften, häufig sogar den Knaben. [399]

Jedoch die Hunde sind nicht unbedingt nötig, um selbst im schwierigen Gelände die Fahrten zu verfolgen, denn der Ndorobbo, der von frühester Jugend an weiter nichts getan hat, als zu jagen, besitzt selbst einen ganz hervorragenden Spürsinn und ein selten scharfes Auge. Hierfür hatte ich einen deutlichen Beweis:

Es war bei Mundorossi. Noch vor Sonnenaufgang ging ich mit meinem Ndorobboführer in Richtung auf ein Löwengebrüll im beschleunigten Tempo zu. Bald waren wir an der Stelle, wo nach Ansicht meines Führers der Löwe vor etwa einer halben Stunde gebrüllt hatte. Es war am Rande des Bolloledi. Jedoch w eit und breit war nichts zu sehen, auch konnte ich nicht die geringste Spur auf dem harten Erdboden, der nur mit einer kurzen Grasnarbe bedeckt war, bemerken. Mein Führer lief in gebückter Haltung wie ein Spürhund hin und her; es dauerte nicht lange, so stutzte er und kniete auf dem Boden. Auf meine Frage, was er denn entdeckt habe, antwortete er lakonisch: ,,Löwe." Ich legte mich nun gleichfalls auf den Erdboden, doch war es mir, trotzdem ich doch schon verschiedene Löwenfährten gesehen hatte, absolut nicht möglich, auch nur das geringste zu entdecken, bis mir mein Führer aus wenigen kleinen umgebogenen Crashalmen den Abdruck einer starken Löwentatze herauskonstruierte. Jetzt war es auch mir deutlich ersichtlich. Wir nahmen die Fährte auf, verloren sie noch einige Male, fanden sie aber, dank des Scharfsinns meines Führers, immer wieder, und eine Stunde später lag der Löwe.

Die dritte Art der Jagdausübung (wir haben sie schon bei einigen bereits geschilderten Völkern kennen gelernt) ist die Treibjagd; Knaben und junge Männer ziehen in die Steppe hinaus und jagen den in dünner Schützenlinie gedeckt liegenden Männern das Wild zu. Anerkennen muß man bei ihnen, im Gegensatz zu anderen, nicht berufsmäßigen Jägern, daß sie den Tieren keine Schlingen legen und auch keine Gruben und Fallen verwenden. Dies ist aber nicht auf eine edlere Regung zur Schonung des Wildes zurückzuführen, sondern beruht lediglich auf der praktischen Erwägung, daß die in Fallen, Schlingen und Gruben gefangenen Tiere, noch ehe der Jäger an Ort und Stelle ist, dem Raubzeug zum Opfer fallen. Sehr bedauerlicherweise sind die Wandorobbo keine weidgerechten Jäger. Ohne Bedenken bringen sie, nur geleitet von dem Gedanken, möglichst schnell und möglichst viel Fleisch zu gewinnen, Muttertiere und Kälber zur Strecke.

Mit der Vertilgung von Raubzeug befassen sie sich nicht. Sein Fleisch genießen sie ja doch nicht, warum sollen sie also hiermit unnütz Zeit verlieren ? Die so außerordentlich zahlreichen Wildherden der Masaisteppe ernähren sowohl den zweibeinigen wie den vierbeinigen Jäger. Nicht nur List und Gewandtheit sowie zähe Ausdauer bei weiten Pirschgängen zeichnen diese Berufsjäger aus, sondern auch ein persönlicher Schneid, der uns wieder ihre nahe Verwandtschaft mit den Masai deutlich zeigt. So gehen sie, ohne zu zaudern, selbst zur Nachtzeit dem Löwen, der das Fleisch gewittert hat und beutegierig ihr Lager umkreist, nur mit dem Speer in der Faust zu Leibe. An das Flußpferd, ia sogar an das Nashorn schleichen sie sich heran und stoßen ihm den Speer in die Flanke.

Die Wildarten, auf die die Wandorobbo jagen, sind: Elefanten, Nashorn, Flußpferd, Zebra, Schweine, sämtliche Antilopen -- von der riesigen Giraffe bis zur zierlichen Zwergantilope--, Hasen, Klippschliefer und Strauße; letztere weniger ihres Fleisches als der Federn wegen, die sie an die Masai verkaufen.

In einem Wandorobbo-Kraal.
Tafel. 1 XIX In einem Wandorobbo-Kraal.

Über Gestalt, Haartracht, Schmuck und Kleidung der Wandorobboweiber ist gleichfalls nichts Neues zu berichten; ich verweise wieder auf die Schilderung der Masaifrauen. Zu bemerken wäre nur, was ja auch [401]die Abbildungen 315 und 316 veranschaulichen, daß der Schmuck armer ist. Nie werden wir bei den Wandorobbo so aufgeputzte und begehrte Dorfschönheiten finden wie in den Masaikraalen. Auch bei den Wandorobbomädchen findet in gleicher Weise und im gleichen Alter wie bei den Masai eine Beschneidung statt.

Haben wir schon bei dem Hirtenvolk der Masai mit Rücksicht auf ihr Nomadenleben eine recht flüchtige Dorfanlage und einen dürftigen Hüttenbau kennen gelernt, so finden wir eine noch einfachere Bauart in den Kraalen der Wandorobbo, denn noch häufiger wie die Masai wechseln sie ihre Wohnplätze. Ständig ziehen sie mit den Wildherden, die ihnen sowohl Nahrung wie Kleidung liefern, in der Steppe umher. Durch diese Lebensart bedingt ist auch die Notwendigkeit, in kleineren Gemeinden zusammenzuleben .

Eine eigentliche Kraalanlage kennen sie nicht, sie bauen ihre kümmerlichen Hütten meist in dichtes Gebüsch hinein. Die zu ihrem Lager [402] führenden Pfade und Wildwechsel werden durch Dornengestrüpp geschlossen. Man kann in unmittelbarer Nähe eines Wandorobbokraals vorbeimarschieren, ohne etwas von dessen Anwesenheit zu bemerken, es sei denn, wie ich es erlebte, daß das Blöken der Schafe einem die Stelle verrät. Selten wohnen mehr als drei Familien in einem derartigen Lager zusammen. Die Form der aus Zweigen und Gras hergestellten Hütten ist die gleiche wie bei den Masai (siehe Tafel XIX und Abb. 318). Die Zwischenräume werden, falls sie nicht durch Anlehnung an natürlichen Busch bereits geschlossen sind, durch Dornenverhaue ausgefüllt; zum Schutze gegen Regen bedeckt man das Dach mit Wildhäuten.

Können wir bei den Masai schon eine recht einfache Ausstattung der Hütte feststellen, so sehen wir bei den Wandorobbo eine noch größere Beschränkung auf das notwendigste Hausgerät. Enthaarte Wildfelle, die, auf den Boden gelegt, die Lagerstätte bilden und auch zum Zudecken benutzt werden, einige größere und kleinere Kochtopfe aus Ton, mehrere Holznäpfe, ein Honigtopf, zwei bis drei Kürbisflaschen für Trinkwasser und Honigbier, ein kleinerer lederner Beutel zum Einsammeln des Honigs, einige größere Ledertaschen zum Fleischtransport, zum gleichen Zwecke mehrere starke und breite Lederriemen, gleichfalls aus Wildfellen geschnitten, ein aus den Rindenfasern des Affenbrotbaumes hergestellter Strick zum Heraufziehen und Herablassen der auf die Bäume gehängten Bienenkörbe, eine kleine Axt und einige Messer ist alles, was wir im Innern einer Wandorobbohütte vorfinden.

Das Anfertigen der Kochtopfe ist Arbeit der Weiber. Die rohe einfache Form stellen sie mit der Hand ohne Drehscheibe her. außerdem ist es ihre Aufgabe den Kraal zu bauen und die Felle herzurichten. Nachdem Fleisch- und Fetteilchen entfernt sind, werden sie mit zahlreichen Holzpflöcken auf den Boden gespannt und so getrocknet. Die Felle, die zur Bekleidung der Weiber verwandt werden, enthaaren und walken sie in der bereits bei den Masai geschilderten Weise. Die Naharbeit wird gleichfalls wie bei den Masai mit Ahle und Tiersehne ausgeführt.

Eine Wandorobbofamilie, mit Ausnahme der beschnittenen jungen Mädchen, die in besonderen Hütten zusammenwohnen, hat nur eine Hütte. Auch hier hat jeder Ndorobbojüngling sein Lieblingsmädchen. Wahrend die Masai keine Frühaufsteher sind, sondern warten, bis die Sonne den Tau getrocknet hat, verlassen die Wandorobbo bereits vor Sonnenaufgang ihren Kraal, um beim ersten fahlen Dämmerschein sich am Wild zu befinden, da jetzt die Tiere noch eifrig äsen und ein Heranpirschen leichter machen als einige Stunden später, wo sie nicht so sorglos sind. Ihre einzige Wegzehrung besteht aus einem Stückchen gekochten oder gerosteten Fleisch. Gehen die Männer nicht auf Jagd, so hocken sie im Lager, rauchen und schwatzen oder sind mit Schnitzarbeit beschäftigt. Denn ihre Aufgabe ist es, die Bienenkörbe, Bogen und Pfeile herzustellen.

Bald nach Tagesanbruch beginnt auch die Tätigkeit der Frauen und Kinder. Sie verlassen den Kraal und holen Brennholz und Wasser herbei, um das Essen zu bereiten; es besteht aus gekochtem Fleisch. Man bewahrt es nicht in den Hütten auf, sondern, damit es sich besser halt, hängt man es, in lange Streifen geschnitten, an einen hohen Baum in Nähe des Kraals. Dies ist die Morgenmahlzeit; an sie reihen sich im Laufe des Tages noch verschiedene andere, vorausgesetzt daß genug Vorrat vorhanden ist, denn die Wandorobbo nehmen nicht, wie die anderen Stämme, ihre Nahrung zu bestimmten Tagesstunden zu sich, sondern essen solange der Vorrat reicht. Es ist ganz erstaunlich, wie riesige Mengen Fleisches die Leute vertilgen Konen. Ist doch auch schon von frühester Jugend an ihr Magen an Fleischgenuß gewohnt und bleibt dieses während ihres ganzen Lebens ihr Hauptnahrungsmittel. Meist wird das Fleisch gekocht gegessen, häufig auch gerostet, seltener roh. Auch die bei den Masai geschilderten nervenerregenden Zutaten zu dem Fleisch finden bei den Wandorobbo Anwendung, allerdings nicht in so ausgedehntem Maße wie dort. Wiederholt sah ich, wenn meine Leute das von mir erlegte Wild teilten, daß die Wandorobbo sich hierbei gleich einige Fleischstücke abschnitten und sofort verzehrten. Ja ich konnte sogar beobachten, daß die Wandorobbo sich das Fleisch vom Löwen geschlagener und von ihm schon halb verzehrter Antilopen abschnitten.

Daneben genießen sie, allerdings nicht als Hauptnahrung, sondern nur um etwas Abwechselung in den Küchenzettel zu bringen, auch Vegetabilien, die sie gegen Fleisch und ·Tierfelle von den umwohnenden Ackerbauern eingetauscht haben. Männer, Frauen und Kinder essen gemeinsam, auch wird für die ganze Familie in einem Topfe gekocht. Ebenso nimmt der Jüngling mit seinem Lieblingsmädchen zusammen die Mahlzeit ein, die ihm letztere zubereitet hat. Jedoch genießt man das Essen nicht gleich aus dem Topf, in dem es gekocht ist, sondern schüttet es in kleine Holzschalen, von denen jeder eine besitzt.

Weitere Genußmittel sind Honig und Honigbier, das sie genau in derselben Weise zubereiten wie die Masai. Den jungen unverheirateten Wandorobbomännern ist es verboten, Honigbier zu trinken. Den Honig gewinnt man aus den auf Bäumen gehängten Bienenkörben. Sie zu beaufsichtigen und ihren Inhalt rechtzeitig zu entleeren, ist Aufgabe der Älteren Männer. In großer Zahl und in weitem Umkreise kann man solche Körbe sehen.

Ihre Herstellung ist bei dem außerordentlich dürftigen Handwerkszeug der Wandorobbo recht mühselig. Etwa meterlange und 30 cm dicke Holzstamme werden roh behauen, so daß sie sich nach dem Ende zu etwas konisch verjüngen. Hierauf beginnt die Arbeit des Aushöhlens mittels Axt und Messers. Ist dies geschehen, so schneidet man zwei starke Holzscheiben zum Schließen der beiden Oeffnungen; jede erhält zwei Fluglocher. Um die Mitte dieser Holzrohre legt man eine Schlinge, an der mit dem schon vorher erwähnten Bastseile der Bienenkorb an einem Hakenast aufgehängt wird. Wie die Pfeil- und Speerspitzen, so erhalten auch die Bienenkörbe Eigentumsmarken.

Will man den Korb entleeren, so ist es erforderlich, die Bienen erst daraus zu vertreiben. nies geschieht durch ein stark qualmendes Feuer, das unten angelegt wird. Hierauf werden von einem Mann, der auf den Baum gestiegen ist, an dem Seile die Bienenkörbe vorsichtig zur Erde herabgelassen. Beim Ausnehmen des Honigs bleibt etwa ein Viertel zurück, damit die Bienen wiederkommen. Leider verliert der Honig durch den Räucherprozeß sehr an Geschmack und hat meist eine dunkelbraune Farbe, auch findet man in ihm noch oft tote Bienen und Larven. Trotzdem war ich stets hocherfreut, von den Wandorobbo Honig einhandeln zu Konen; durch einmaliges Kochen und Filtrieren wurde er sehr wohl genießbar. Zur Gewinnung des Honigs suchen sie ferner in der Steppe Bienenstöcke auf, die sich in hohlen Bäumen befinden, und vertreiben die Bienen gleichfalls durch Ausrauchern.

Auch Tabak, den sie nicht selbst bauen sondern einhandeln, dient als Genußmittel, aber nur bei den Verheirateten. Die Männer rauchen ihn aus rohgeformten Tonpfeifen, kauen ihn wohl auch und verwenden ihn ferner, zu Pulver zerrieben und mit etwas Steppensalz und Fett vermischt, als Schnupftabak. Die Frauen rauchen selten, kauen und schnupfen jedoch den Tabak gern.

Haben die Jäger einmal, was allerdings sehr selten vorkommt, kein Glück auf der Jagd gehabt, so begnügen sie sich, ihr Leben mit Honig, wilden Frachten und Wurzeln zu fristen. Nach besonders reicher Jagdbeute gehen alte Wandorobbomänner und -Weiber zu den umwohnenden Ackerbauern, um Vegetabilien einzuhandeln. Wildhäute sowohl wie Fleisch und Steppensalz werden in große Ledertaschen verpackt oder mit Hilfe der schon geschilderten starken Riemen zu Bandeln zusammengeschnürt, und oft wandern sie tageweit bis zur Nächsten Ansiedelung.

Hier gehen sie von Hatte zu Hatte und bieten ihre Waren an. Es beginnt, wie es der Neger gern tut, ein langes Feilschen, doch stets finden sie Abnehmer, denn Fleisch ist für die Ackerbauer eine seltene Delikatesse, und auch die Felle, ganz besonders aber das Salz Schätzen sie sehr. Lange handeln sie um das Wildbret, und es geht hierbei nie ohne Kostproben ab, denn der mißtrauische Neger prüft erst sehr sorgfältig, ob die Wandorobbo nicht den Versuch machen, ihm Fleisch von Raubtieren, das er nicht genießt, zu verkaufen.

Als Wertmesser treten außer den soeben erwähnten noch hinzu, die Zähne der erlegten Elefanten und Flußpferde sowie die Hörner des Nashorns. Erst in neuester Zeit ist den Wandorobbo deren hoher Wert durch Händler--in erster Linie Inder und Araber--bekannt geworden. Früher gaben sie das kostbare Elfenbein für einen Spottpreis an die Masai ab, wurden häufig sogar gezwungen, es ihnen als Tribut zu entrichten.

Ueber die ehelichen Verhältnisse der Wandorobbo läßt sich dasselbe sagen wie bei den Masai, mit dem geringen Unterschied, daß die armen Wandorobbo nur eine Frau besitzen, seltener zwei und in ganz wenigen Ausnahmefallen deren drei. Auch hier ist der Grund, wie gesagt, nur Armut, nicht etwa eine andere Moral. Gleich nach der Beschneidung verlobt sich der Jüngling mit einem acht - bis zehnjährigen Mädchen, lebt aber von diesem getrennt und mit einem anderen Mädchen zusammen. In den Ehestand treten die Wandorobbo dann erst, wenn sie ihre Blütezeit hinter sich haben und sich gewissermaßen zur Ruhe setzen wollen.

Das Heiratsgut, von dem ein geringer Teil bereits bei der Verlobung gezahlt wird, muß kurz vor der Hochzeit ganz entrichtet werden. Es besteht in der Regel aus fünf Topfen Honig, fünf Bienenkörben, einem halben Elefanten mit dazugehörigem Stoßzahn und der Hälfte einer größeren Antilope. Kinderlose Witwen kosten dasselbe, dagegen ist ein von ihrem Manne verjagtes Weib umsonst zu haben. Ist der Bräutigam zu arm, um das Heiratsgut aufbringen zu Konen, so hat er, wie wir es ja in ähnlicher Weise schon bei den Ackerbauern kennen gelernt haben, seinem Schwiegervater eine Reihe von Monaten als Jäger Dienste zu leisten. Wenn dieser zu hartnäckig ist, so Daß es zu einer Einigung betreffs des Heiratsgutes nicht kommt, dann holt sich der Bräutigam einfach seine Braut heimlich, natürlich im Einverständnis mit dieser.

Wie die Masai tauschen die verheirateten Wandorobbo ihre Weiber aus, in der Regel nur für sechs bis zehn Monate. Das Hochzeitsfest findet in der üblichen Weise statt wie bei den Masai geschildert. Auch hier muß der junge Ehemann einem oder zweien seiner Jagdgenossen das jus primae noctis gewahren. Wahrend der Schwangerschaft hat der Ehemann seine Frau gut zu behandeln und darf sie nicht schlagen. In dieser Zeit ist ihr der Genuß des Fleisches von gefallenem oder von einem Raubtier geschlagenem Wild verboten. Will sie Angehörige in einem benachbarten Kraal besuchen, so bestreicht sie vorher ihre Stirn mit weißem Ton, um dadurch ihren Zustand kenntlich zu machen. Während der letzten zwei Monate vor ihrer Entbindung darf sie nur noch in mäßigen Portionen Fleisch genießen. Die Geburt erfolgt in der bereits bei den Masai geschilderten Weise. Auch hier werden mißgestaltet Kinder gleich nach der Geburt getötet.

Die jungen Wandorobbo fahren bei weitem nicht ein so beschauliches Dasein wie die Masaikrieger. Selten nur hört man in ihren Kraalen fröhlichen Gesang, denn die von der anstrengenden Tätigkeit des Pirschganges müden Leute begeben sich frühzeitig zur Ruhe. Nur an mondhellen Abenden versammelt sich die Jugend innerhalb des Kraals zu einem Tanz, wahrend die Alten, vor den Hatten sitzend, bei einer Flasche Honigbier ein Plauderstündchen verbringen.

Der Tanz wird ganz ähnlich wie bei den Masai von Gesang begleitet, der durch schrille Triller unterbrochen ist, doch besteht er nur in einem Anheben der Fersen, die Tanzenden bleiben auf der Stelle und bewegen sich nicht aufeinander zu. Der Grund liegt wohl einfach darin, daß im engen Wandorobbokraal nicht Raum genug für andere Tanze vorhanden ist. Selten dehnen sich diese Feste länger als bis zehn Uhr aus, dann begeben sich die jungen Männer mit ihren Mädchen in ihren benachbarten kleinen Kraal.

Die Krankheiten, an denen die Wandorobbo leiden, sind neben Brust- und Leibschmerzen, die recht häufig sind, Durchfall, Verstopfung, Gonorrhoe, Lues, Windpocken, Elephantiasis und Fieber.

Selten kommt es vor, daß sie ihre Toten im Kraal nahe der Hatte bestatten. Sie tun dies dann aus Pietät, damit der Tote noch die Gespräche seiner Angehörigen hören und den Duft ihrer Mahlzeiten genießen kann. In der Regel jedoch werfen sie einfach die Leichen nur einige hundert Meter von dem Kraal entfernt in den Busch und überlassen sie dort den Hyänen.

Nur ganz kurz habe ich das so eigenartige und interessante Volk der Wandorobbo hier skizzieren können, doch dürfte diese Schilderung wohl zur Genüge bewiesen haben, daß sie enge Verwandte der Masai sind, sich andererseits aber infolge ihres so grundverschiedenen Berufes, ihrer Abgeschlossenheit in weiter, freier Wildsteppe und ihrer Scheu, mit anderen Stammen in Berührung zu kommen, ihre Eigenart bewahrt haben. Wie die unzähligen vielartigen Wildherden, die sich hier tummeln, wie der Löwe, den ich nie so zahlreich wieder wie in diesen Gefilden angetroffen habe, so gehören auch die Wandorobbo, die Kinder der Steppe, dazu, das Gesamtbild der so außerordentlich reizvollen Masaisteppe zu vervollständigen. Keiner, der je dies Gebiet durchquert und das so eigenartige Naturvolk kennen gelernt hat, wird es je vergessen.

 

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