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© IGB 2007, Sabine Hilt

Kapitel 17: Massenentwicklung von Wasserpflanzen in den Ruhrstauseen

Bearbeiter: Nusch/Brinkmann

Im Harkortsee haben sich seit dem Frühjahr 2000 verschiedene Wasserpflanzen massenhaft vermehrt. Es handelt sich im Wesentlichen um die Wasserpest (Elodea) und um Fadenalgen der Gattung Cladophora (Bild 17.1). Seit Sommer 2001 sind auch der Hengsteysee und der Kemnader See betroffen. Elodea canadensis, eine bereits um 1840 in Europa aus Nordamerika eingeschleppte Art, kann in mäßig bis hocheutrophen, stehenden und langsam fließenden Gewässern, z.B. Teichen, Seen, Stauseen, Talsperren, Flüssen und Kanälen, hohe Bestandsdichten in Wassertiefen bis etwa 4 m erreichen. Ihr deutscher Name „Wasserpest“ deutet auf die enorme Expansions- und Vermehrungsfähigkeit und die unerwünschten Begleiterscheinungen bei Massenentwicklungen hin. Wassersport und Badebetrieb können erheblich beeinträchtigt und die einheimische Unterwasserflora aggressiv verdrängt werden.

Seit einigen Jahrzehnten wird auch eine zweite Elodea-Art, Elodea nuttallii (Bild 17.2), in unseren Gewässern häufiger beobachtet, während Elodea canadensis im Rückgang begriffen ist.

Eine maßvolle Entwicklung von höheren Wasserpflanzen ist ökologisch durchaus positiv zu bewerten, da sie Jungfischen und Fischnährtieren Unterstände bieten und da sie zum natürlichen biologischen Inventar von Binnengewässern zählen. Außerdem tragen sie zur Selbstreinigung des Gewässers bei, indem sie Aufwuchsflächen für Mikroorganismen darstellen, die Sedimentation von Trübstoffen fördern und die Resuspension von Sedimenten verhindern [17.0; 17.1].

Leider sind aber durch die übermäßige Entwicklung dieses Neophyts (Ruhrwassergütebericht 1998) die einheimischen Litoralpflanzen, z.B. die Bestände der früher im Harkortsee in weiten Bereichen anzutreffenden Gelben Teichrosen (Nuphar lutea), weitestgehend verdrängt worden. Offenbar hatte die raschwüchsige Wasserpest bei den günstigen Witterungsverhältnissen im Frühjahr 2000 gegenüber den aus Wurzelstöcken austreibenden Teichrosen einen Startvorsprung, der von den anderen potenziellen „Mitbewerbern um den Platz an der Sonne“ nicht mehr wettgemacht werden konnte.

Das Licht zur rechten Zeit spielt auch bei den Dominanzverhältnissen zwischen Makrophyten (höheren Wasserpflanzen), benthischen Algen und Phytoplankton eine Rolle. Für die erstmalig im Jahr 2000 an der Ruhr in diesem Ausmaß zu beobachtende Massenentwicklung von höheren Wasserpflanzen (Makrophyten) und benthischen Algen (Phytobenthos), – auch Fadenalgen der Gattung Cladophora wuchsen über den Wasserpeststängeln (Bild 17.3) – kommen mehrere Ursachen in Betracht.

Der Phosphatgehalt des Wassers, der früher ausschließlich die Planktonalgen gefördert hat, ist seit Einführung phosphatfreier Waschmittel und Entfernung dieses wichtigsten Pflanzennährstoffs in den Kläranlagen des Ruhrverbands stark zurückgegangen, mit der Folge, dass die Planktonalgen nicht mehr so schnell wachsen. Das Wasser ist klarer geworden, so dass das Licht nunmehr bis auf den Seeboden durchscheinen kann.

Das ermöglicht nun den höheren Wasserpflanzen und Fadenalgen erfolgreich mit den Planktonalgen um das für die Photosynthese erforderliche Licht zu konkurrieren. Wenn sich die Makrophytenbestände erst einmal etabliert haben, können sich in deren Schatten kaum noch Planktonalgen entwickeln, zumal hier der Fraßdruck durch Kleinkrebse und benthische Filtrierer besonders hoch ist. Dies erklärt auch die Beobachtung der Anwohner, dass das Wasser der Ruhr im Harkortsee „noch nie so klar“ gewesen sei.

Es ist allerdings der Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln, dass die Wasserqualität nachweislich besser geworden ist, die Probleme aber zumindest für einige Nutzungsansprüche, z.B. Wassersport, größer geworden sind. Immerhin haben im Jahr 2001 im Kemnader See aufgrund der Elodea-Massenentwicklung Segelregatten ausfallen müssen.

Die Elodea hat, wie alle wurzelnden Makrophyten, gegenüber den Planktonalgen bei niedrigen Nährstoffgehalten im Wasser einen wesentlichen Selektionsvorteil: Sie kann die Nährstoffe aus der fließenden Welle über die Sprosse aufnehmen, ohne wie die Planktonalgen bei niedriger Wachstumsrate ausgeschwemmt zu werden. Außerdem kann sie auch die Nährstoffe aus dem Interstitialwasser des Sediments über die Wurzeln aufnehmen, wie durch Isotopen-Tracerversuche nachgewiesen wurde [17.2].

Aus einer Literaturstudie des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft [17.3] zur Ökologie verschiedener Makrophytenarten, insbesondere über deren Ansprüche an spezielle Umweltbedingungen, geht hervor, dass Elodea nuttallii eine auffallend weite ökologische Amplitude aufweist. Ihre bevorzugte Stickstoffquelle ist Ammonium. 0,1 mg/l N und 20 µg/l P sind bereits ausreichend für optimales Wachstum. Hinsichtlich ihres Nährstoffbedarfs, Toleranz gegenüber Beschattung, Salz und Ammoniak ist Elodea nuttallii weitgehend indifferent. pH-Werte unter 6,5 werden nicht ertragen. Sommerwarme stehende oder langsam fließende Gewässer werden bevorzugt. Auch stärkere Gewässerverschmutzung wird ertragen.

Offenbar gibt es zwei stabile Systemzustände: entweder Makrophyten- oder Phytoplanktondominanz [17.4; 17.5; 17.6]. Es gibt Hinweise, dass Elodea nuttallii allelopathische Aktivität ausübt, d.h. konkurrierende Algen durch „chemische Kampfführung“ im Wachstum unterdrückt [17.7; 17.8]. An der Universität Konstanz wird dieses Phänomen zur Zeit erforscht. Es wird versucht, den „Kampfstoff“, der inzwischen auch in den Elodea-Proben aus dem Harkortsee nachgewiesen wurde (Prof. Gross, pers. Mitt.), chemisch zu identifizieren.

Sobald das Ausmaß der Elodea- und Cladophora-Massenentwicklung offenbar wurde – zunächst waren nur die an die Wasseroberfläche aufgetriebenen Cladophora-Ansammlungen vom Ufer aus sichtbar (Bild 17.4) – und sich die Beschwerden der Wassersportler , deren Boote durch die Wasserpestbestände behindert wurden, häuften, wurden Überlegungen angestellt, ob und gegebenenfalls mit welchen Maßnahmen der Kalamität zu begegnen sei.

Eine Bekämpfung durch Einsatz von Herbiziden, was z.B. in den USA als Maßnahme des „Aquatic Plant Management and Weed Control“ nicht ausgeschlossen wird [17.9], kommt selbstverständlich an der für die Trinkwassergewinnung wichtigen Ruhr nicht in Frage.

Eine Absenkung des Wasserspiegels mit Trockenfallen und Ausfrieren der Pflanzen, wie es an der Listertalsperre erfolgreich praktiziert wurde, ist aus wassermengen- und energiewirtschaftlichen Gründen an Harkort- und Hengsteysee schwierig und wegen Gefährdung des in Winterruhe befindlichen Fischbestands auch im Stausee Kemnade nicht ohne begleitende Maßnahmen denkbar. Die Durchführbarkeit und behördliche Genehmigungsfähigkeit einer solchen Maßnahme, die auch mit anderen ökologischen Nachteilen, z.B. für die Wasservögel und Großmuscheln, verbunden ist, ist daher nicht gesichert.

Der Einsatz von Karpfen bzw. anderen Fischen, die den Gewässergrund bei Nahrungsaufnahme durchwühlen und so das Wasser eintrüben, wurde aufgrund positiver Erfahrungen in den Niederlanden [17.10] zwar erwogen, aber verworfen, da auch dies keinen nachhaltigen Erfolg garantieren kann, zumal die Elodea, wenn sie sich erst einmal angesiedelt hat, auch bei stärkerer Trübung mit wenig Licht gedeihen kann [17.11]. Sie wurde sogar in einem nordrhein-westfälischen Baggersee bis in 13 m Wassertiefe wachsend angetroffen [v.d. Weyer, pers. Mitt.].

Der Einsatz pflanzenfressender Fische („Graskarpfen“, Ctenopharyngodon idella) (Bild 17.5) wäre in geschlossenen Gewässern, z.B. Garten- oder Schönungsteichen, erfolgversprechend und ohne Weiteres. Nach § 18 Landesfischereiordnung NW (LFischO v. 6. Juni 1993) dürfen jedoch nichteinheimische Fische grundsätzlich nicht in (offene) Gewässer ausgesetzt werden. Zudem würde damit das Problem aufgrund der Freisetzung von Pflanzennährstoffen aus den Faeces in das Wasser in Richtung Phytoplankton verlagert.

Als heimischer pflanzenfressender Fisch könnte sich die Rotfeder (Scardinius eryophthalmus) (Bild 17.6), wenn sich durch Besatz eine Population aufbauen ließe, neben Blässhühnern (= Blessrallen) (Fulica atra) und Höckerschwänen (Cygnus olor) an der Dezimierung der Wasserpest beteiligen, wobei ein verstärkter Besatz wegen logistischer Probleme bei der Beschaffung größerer Stückzahlen nur langfristig zur Stützung einer sich selbst erhaltenden Population angelegt werden kann. Positive Erfahrungen zur Effizienz herbivorer Wasservögel und Fische werden aus Holland berichtet [17.12].

Aus Polen liegen quantitative Angaben zur Konsumption von Elodea und anderen Makrophyten in Abhängigkeit vom Fischbestand von Rotaugen und Rotfedern vor [17.3]. Zwei bis fünf Jahre alte Rotfedern fressen täglich etwa 10 bis 15 % ihres Körpergewichts an Makrophyten [17.13]. Der gesamte Bestand fraß in einem eutrophen 460 ha großen See mit einer mittleren Tiefe von 11 m während 100 bis 130 Tagen in der Vegetationsperiode etwa 1.800 kg Makrophyten und 3.800 kg Fadenalgen pro 1 ha, wobei Elodea canadensis etwa 50 % der konsumierten Makrophytenbiomasse ausmachte. Demnach spielen pflanzenfressende Fische, zumal sie als schlechte Futterverwerter relativ viel fressen müssen („efficient grazers but inefficient assimilators“), eine nicht unbedeutende Rolle bei der Begrenzung von Unterwasserpflanzen (submersen Makrophyten und Fadenalgen). Insbesondere, wenn vor allem die jungen Triebe verzehrt werden, kann das Wachstum erheblich verzögert oder gar auf die Streckung der älteren Sprossteile beschränkt werden.

Auch Wasservögel, Schnecken und Krebse tragen effektiv zur Dezimierung von Makrophyten bei [17.14; 17.15] („many grazers destroy much more macrophyte tissue than they eat“).

Von Blässhühnern (Bild 17.7) wird beobachtet, dass sie nicht nur die jungen Triebe abbeißen, sondern auch ganze Pflanzen ausreißen. Der Haupteinfluss der herbivoren Wasservögel liegt wohl weniger in der aktuellen Konsumption als im Verlust des künftigen Wachstumspotenzials, das sich summiert („biomass compounding“) [17.14]. So können kleine Unterschiede zum Wachstumsbeginn, d.h., wenn im Frühjahr das Wachstum einsetzt, zu größeren Unterschieden in der während der Vegetationsperiode erreichbaren Biomasse werden. Dies kann konsequenterweise genutzt werden, indem man möglichst früh mit dem Abmähen der überwinterten Wasserpest beginnt. Offenbar gibt es ökologische Regulationsmechanismen, die verhindern, dass die Elodea auf Dauer dominiert. Von einem schwedischen See (Lake Vaeng) wird von einer zyklischen Bestandsentwicklung von Elodea canadensis berichtet [17.16], die im Zusammenhang mit der Fresstätigkeit von Schwänen (Cygnus olor) und Blässhühnern (Fulica atra) steht. Die individuellen Konsumptionsraten

Auch am Kemnader See ist seit dem Auftreten der Wasserpest eine starke Bestandzunahme von Wasservögeln, vor allem der pflanzenfressenden Arten, zu beobachten [17.17]. So hat sich die Zahl der Blässhühner von Juli 2001 bis Mitte Januar 2002 um das Dreißigfache bis auf fast 4.000 Exemplare erhöht. Die Höckerschwäne, die sich ebenfalls überwiegend von Wasserpflanzen ernähren, verdreifachten ihren Bestand auf ca. 130 Tiere.

Die Rolle der herbivoren Konsumenten bei der natürlichen Regulation von Massenentwicklungen der Wasserpest lässt sich anhand des Nahrungsbedarfs der Pflanzenfresser abschätzen [17.18]. Für das Blässhuhn gelten, wie bereits erwähnt, 45 g mT pro Tag [17.16; 17.19]. Wenn man annimmt, dass ein Blässhuhn von 850 g täglich ca. 5 % seines Körpergewichts an Pflanzenbiomasse verzehrt, hätten 3.700 Blässhühner (3,145 t) etwa 157 kg/d an Pflanzentrockenmasse aufgenommen. Bei einem Wasseranteil von 92 % entspräche dies etwa 1,9 t/d Frischmasse. Zusammen mit den übrigen pflanzenfressenden Wasservögeln von etwa 2 t Körpergewicht, davon allein 1,15 t Höckerschwäne, hätte die Gesamtvogelbiomasse von ca. 5,15 t pro Tag etwa 3,2 t Frischmasse an Pflanzen verzehrt.

Es ist damit zu rechnen, dass über kurz oder lang die ökologischen Regulationsprozesse einsetzen werden und so, z.B. durch Herbivorie, interspezifische Konkurrenz, ein übermäßiges Wachstum des Neophyts antagonistisch begrenzen. Allerdings werden sich die betroffenen Wassersportler wohl kaum mit der Hoffnung zufrieden geben, dass sich das Problem der Wasserpest irgendwann „quasi von selbst“ lösen wird.

Die mechanische Entfernung der Wasserpest mit Hilfe eines Mäh/Sammelbootes, so wie es am Niederrhein und in Holland regelmäßig geschieht, bleibt somit zur Zeit als einzig praktikable, aber kostenintensive Alternative übrig, um die natürliche Bestandsregulierung zu unterstützen und die Verhältnisse für die Wassersportler verbessern zu helfen. Auch die durch das „Auskämmen“ von Feststoffpartikeln in den Elodea-Beständen zunehmende Verlandung soll damit unterbrochen werden. Der Ruhrverband hat ein solches Mähboot (Bild 17.8) in Auftrag gegeben und wird es ab Mai 2002 nach Bedarf auf seinen Stauseen einsetzen. Allerdings ist auch das Mähen kein Allheilmittel, denn die verbleibenden oder abgebrochenen Pflanzenteile können wieder, ggf. sehr schnell, nachwachsen.

Wie die Erfahrungen des Ruhrverbands am Harkortsee im Sommer 2001 gezeigt haben, kommt der technischen Ausstattung eines solchen Spezialschiffes hinsichtlich der Effizienz seines Einsatzes besondere Bedeutung zu. Neben der erforderlichen Leistungsfähigkeit muss das Boot mit einer Aufnahme- bzw. Sammelvorrichtung für die abgeschnittenen Wasserpflanzen ausgerüstet sein (Bild 17.9). Bei dem von Ende Juni bis Mitte September 2001 eingesetzten Mähboot wurde das 3 m breite „Schneidmaul“ aus einem horizontalen und zwei vertikalen, seitlich begrenzenden Messerbalken gebildet (Bild 17.9). Dieses ließ sich hydraulisch bis in eine Tiefe von ca. 2 m auf den Gewässergrund absenken. Zur effizienten Abwicklung der Mähaktion am Harkortsee wurde das Mähboot von einem Arbeitsboot mit Krangreifer und Schuteneinheit begleitet. So konnte das über ein Förderband in den Laderaum des Mähbootes transportierte Mähgut auf dem Wasser umgeschlagen und abtransportiert werden, ohne den kontinuierlichen Fortgang der Mäharbeiten zu unterbrechen. Zur maximalen Auslastung des Mähboots wurde jeweils wöchentlich an sechs Tagen gearbeitet.

Die Arbeitsgeschwindigkeit und letztendlich Flächenleistung resultierte aus der Dichte des Pflanzenteppichs und dem täglichen Arbeitseinsatz. Insgesamt wurden über die Dauer der Maßnahme vier bis fünf Mitarbeiter täglich für ca. 10 Stunden eingesetzt. Durchschnittlich „erntete“ das Mähschiff täglich ca. 150 m3 Biomasse.

Das Mähgut wurde per Containertransport zur verbandseigenen Treibzeugkompostieranlage gebracht. Im Verlauf der ca. vierwöchigen Mähaktion wurden ca. 15 ha in den Bereichen des stärksten Bewuchses, vor allem der an der Oberfläche aufgetriebenen, leicht zersetzbaren Fadenalgen, von den Pflanzenmassen befreit. Die Arbeiten konnten ohne besondere Vorkommnisse oder Schwierigkeiten durchgeführt werden. Gelegentlich zu Tage geförderte Fische, Krebse oder Muscheln wurden, soweit möglich, in das Gewässer zurückgesetzt.

Die Kosten für die Entfernung der Wasserpflanzen beliefen sich auf ca. € 130.000 brutto einschließlich Personalkosten.

Bei einer Gesamtmenge entfernter Biomasse von 1.125 t (Feuchtgewicht) betrugen die spezifischen Kosten 115 €/t.

Die Zusammensetzung der Elodea-Biomasse wurde wie folgt analysiert:
Wassergehalt 92 %
Phosphorgehalt 9,7 kg/t mT
Stickstoff 39 kg/t mT
Kohlenstoff 370 kg/t mT

Demnach sind bei 8 % des Frischgewichts mit 90 t Trockensubstanz
873 kg Phosphor
3.510 kg Stickstoff
33.300 kg Kohlenstoff
aus dem Harkortsee entfernt worden.

Bei MNQ von 18 m³/s am Pegel Wetter und einer TP-Konzentration von 0,15 g/m³ entspricht die TP-Tagesfracht 2,7 g/s › 86.400 s/d = 233 kg.

873 kg TP entsprechen einer Phosphorfracht, wie sie in 90 Stunden (3 ¾ Tagen) durch den Harkortsee fließt. Man kann also die Entfernung der pflanzlichen Biomasse nicht als Mittel der Phosphoreliminierung einsetzen, da nur ein Bruchteil der Phosphorfrachten in der Biomasse gespeichert ist.

Laborversuche und frühere Erfahrungen mit Massenentwicklungen von Fadenalgen ließen die Besorgnis begründen, dass nach Absterben der Algen am Ende der Vegetationsperiode infolge mikrobieller Abbauprozesse unter ungünstigen Umständen Sauerstoffmangel im Gewässer auftreten könnte. Daraufhin wurde kurzfristig eine Sauerstoffmesseinrichtung im Auslauf des Harkortsees installiert, um gegebenenfalls rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können.

So konnte nachgewiesen werden, dass die O2-Sättigung im Spätherbst zwar rückläufig war, aber nicht unter 50 % (entsprechend 5 bis 6 mg/l) absank. Dies ist dem Umstand zu verdanken, dass die fäulnisfähige organische Substanz durch erhöhte Abflüsse verdünnt bzw. mit der fließenden Welle abtransportiert wurde.

Fazit

Es handelt sich bei der Massenentwicklung aquatischer Pflanzen um ein natürliches Phänomen, das die Nutzungsmöglichkeiten des Wassers und Gewässers einschränkt. Der Aspektwechsel von Phytoplankton- zu Makrophyten-Dominanz ist eine häufig zu beobachtende Erscheinung beim Übergang von hocheutrophen zu mesotrophen Zuständen und wird somit allgemein als ökologisch positiv bewertet. Die Tatsache, dass sich ausgerechnet ein Neophyt gegenüber den einheimischen Makrophyten derart massenhaft durchgesetzt hat, ist zwar ökologisch erklärbar, aber nicht prognostizierbar. Solche Massenentwicklungen („overshooting“) sind bei Neophyten in den ersten Jahren ihres lokalen Auftretens nicht selten, da antagonistische Arten (Konkurrenten, Predatoren, Parasiten) sich (noch) nicht eingestellt haben. Die Elodea nuttallii ist aufgrund ihrer hohen Wachstumsgeschwindigkeit, ihres weiten ökologischen Spektrums, d.h. weitgehender Indifferenz gegenüber Fließgeschwindigkeit, Beschattung, Temperatur und Nährstoffangebot, sowie aufgrund ihrer Verbreitungsstrategie (Abbrechen und Weiterwachsen von Sprossstücken) äußerst anpassungs- und konkurrenzfähig.

Ein Patentrezept zur Bekämpfung der Elodea gibt es nicht. Ziel möglicher Maßnahmen ist nicht die „Ausrottung“ der Wasserpest, sondern eine Begrenzung der Bestandsdichte auf eine Maß, das die vielfältigen Nutzungen der Ruhrstauseen auch weiterhin ermöglicht. Eine Prognose, wie sich die Art zukünftig entwickeln wird, kann aufgrund der zufallsbedingten Faktorenkonstellationen (z.B. Licht, Temperatur, Abfluss, Zeitraum von Phyto- und Zooplanktonentwicklungen, Impfmaterial zu Beginn der Vegetationsperiode) seriöserweise nicht vorgenommen werden.

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Bild 17.1: Massenentwicklung von Wasserpflanzen im Harkortsee

Bild 17.2: Wasserpest Elodea nuttallii
? überwinterte (bräunliche) und
· neu ausgetriebene Sprosse

Bild 17.3: Fadenalgen (Cladophora glomerata) an der Wasseroberfläche
darunter (freigelegt) Wasserpest (Elodea nuttallii) im Harkortsee

Bild 17.4: Massenentwicklung von Wasserpflanzen im Harkortsee

Bild 17.5: Grasfisch (Ctenopharyngodon idella)

Bild 17.6: Rotfeder (Scardinius eryophthalmus)

Bild 17.7: Blässhuhn (Fulica atra)

Bild 17.8: Mäh-Sammelboot (neu)

Bild 17.9: Mäh-Sammelboot im Einsatz am Harkortsee