Lübecker Nachrichten: Wie soll ich Sie anreden? Janosch? Herr Janosch? Oder Herr Eckert?
Janosch: Sagen Sie einfach Hallo.
LN: Hallo, wie gefällt es Ihnen in Deutschland?
Janosch: Bestens. Ich habe mir gestern schon einiges in Lübeck angesehen.
LN: Ist es Ihnen nicht zu kühl hier?
Janosch: Nö. Auf Teneriffa ist es gerade viel kälter.
LN: Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag dort?
Janosch: Ich liege in meiner Hängematte.
LN: Das sagen Sie immer. Ich glaube, Sie haben gar keine Hängematte.
Janosch: Doch, echt. Hier auf dem kleinen Filmchen ist der Beweis. (Das Video ist in der Ausstellung zu sehen)
LN: Und was machen Sie in der Hängematte?
Janosch: Gar nichts. Ich versuche, nichts zu denken.
LN: Das geht gar nicht.
Janosch: Aber ich versuche es trotzdem.
LN: Ist das nicht langweilig?
Janosch: Nein, mir ist nur langweilig, wenn ich mit vielen Leuten zusammen bin.
LN: Verfolgen Sie eigentlich, was hier in Deutschland so vor sich geht?
Janosch: Ja klar, im Internet und Fernsehen. Man muss doch wissen, was in der Welt los ist, worüber man wütend sein kann.
LN: Zum Beispiel über die große Zahl von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Sie haben ja schon vor Jahrzehnten in Ihren Büchern detailliert beschrieben, wie die katholische Erziehung junge Menschen kaputtmachen kann.
Janosch: Aber ich bin nicht missbraucht worden.
LN: Seelisch schon.
Janosch: Ja, das ist eigentlich noch schlimmer als körperlich. Aber darüber reden ja die Leute nicht. Alle Katholiken werden seelisch missbraucht. Aber die meisten sind zu dumm, um das zu kapieren. Ich finde es ganz schlimm, dass man gezwungen wird, etwas zu glauben, was eigentlich blöde ist. Es ist doch blöde, wenn Gott zwei Menschen erschafft und dann alle anderen dafür bestraft für das, was diese zwei getan haben. Das ist Sippenhaft.
LN: Warum sprechen viele Betroffene erst jetzt, nach so vielen Jahren, über den Missbrauch?
Janosch: Die sagen es ja nicht. Was meinen Sie, was los wäre, wenn die sagen würden, wie es wirklich ist. Im Krieg habe ich durchs Fenster gesehen, wie russische Gefangene vorbeigetrieben wurden. Zerlumpt, zerfetzt, barfuß im Winter. Wir saßen drin zusammen mit dem Pfarrer, und der sagte: Gott weiß, was er tut, und wir sollen uns nicht einmischen in das, wofür er sich entscheidet.
LN: So sieht es die Kirche wohl auch in Bezug auf den Missbrauch. Was sollte der Papst tun?
Janosch: Zurücktreten.
LN: Soll dann ein anderer weitermachen?
Janosch: Kommt drauf an. Will man das Christentum behalten oder will man es reformieren?
LN: Und?
Janosch: An sich wäre das Christentum ja nicht schlecht. Nach meiner Meinung hat Jesus die Welt erlösen wollen von Gott. Das Beste, was uns passieren kann, ist, dass es keinen Gott gibt.
LN: Warum?
Janosch: Wenn das, was hier auf der Erde angerichtet wird, von einem Gott kommt, also mit dem möchte ich nichts zu tun haben.
LN: Woran glauben Sie?
Janosch: An schöne Mädels.
LN: Worüber freuen Sie sich?
Janosch: Dass ich noch lebe.
LN: Wovor haben Sie Angst?
Janosch: Ich habe keine Angst. Höchstens vorm Staat. Und vor denen, die die Macht im Staate haben.
LN: Was haben Sie denn konkret mit dem Staat zu tun?
Janosch: Ich muss meinen Pass verlängern. Ich will ihn gerne auf 30 Jahre verlängern lassen, aber die haben ja keinen Humor.
LN: In 30 Jahren wären Sie 109. Keine Gedanken an den Tod?
Janosch: Ich will doch leben und nicht sterben. Aber wenn es soweit ist, und mein Arzt sieht, dass es nur noch eine Quälerei ist, dann soll er mir eine Spritze geben und mich ruhig einschlafen lassen.
LN: Haben Sie eine Patientenverfügung?
Janosch: Nein, die Ärzte halten sich ja nicht dran. Man muss einen guten Arzt kennen.
LN: Sie leben inzwischen seit 30 Jahren auf Teneriffa. Wollen Sie da auch begraben werden?
Janosch: Ich will gar nicht begraben werden. Ich will ja nicht sterben. Am besten ist natürlich, sich verbrennen zu lassen. Und dann die Asche mit dem Wind auf die Straße pusten.
LN: Sie haben oft erzählt, dass Sie Ihre Bücher im Suff geschrieben haben. Wie sieht es heute mit alkoholhaltigen Getränken aus?
Janosch: Ich trinke nicht mehr. Naja. Wenn ich mal ein bisschen Freude brauche, dann besauf’ ich mich. Aber immer allein.
LN: Warum das?
Janosch: Die anderen Leute werden so blöd, wenn sie besoffen sind, das kann ich nicht ertragen.
LN: Stellen wir uns vor, Sie leben noch 30 Jahre. Was haben Sie vor? Und sagen Sie jetzt nichts von der Hängematte.
Janosch: Ich will in der Hängematte liegen. Und ich will mir Städte ansehen.
LN: Jetzt haben wir in dem ganzen Interview überhaupt nicht über die Tigerente gesprochen. Ist das schlimm?
Janosch: Das ist schön. Scheiß Tigerente. Ich halte die für Kitsch.
Oliver schrieb am 17.04.2010 23:43:
Einfach ungezwungen sympathisch. Von beiden
Seiten.
Philipp schrieb am 18.04.2010 17:30:
Ungezwungen sympathisch? Ich find eher gezwungen unsympathisch.
Kater Garfield schrieb am 19.04.2010 08:38:
vermutlich findet der sich locker toll. Ist schon irgendwie bezeichnend, wenn man sein Lebensende auf Teneriffa in der Hängematte erwartet ohne zu denken. Naja: und wenn man nie nachdenkt, dann kommt halt so etwas zu stande...
Schade um den Speicherplatz die Druckerschwärze.
dokape schrieb am 19.04.2010 10:24:
Ja, so ist er, der Herr Janosch. Mag den Medienrummel nicht. Für seine Leser ist er dafür bei den seltenen öffentlichen Auftritten immer für ein Autogramm da und unterbricht dafür auch sein Essen oder ein Interview. Trotz aller Zurückhaltung ist er sympathisch.
Christina Tiecke schrieb am 20.04.2010 16:20:
Janosch hat mich durch meine ganze Kindheit begleitet und die scheint anzudauern bin schon über 40... ich würde so gerne mal neben Janosch auf Teneriffa in einer Hängematte neben der seinen schaukeln und über Speicherplätze, Druckerschwärze, Sinn und Unsinn der Medien und sind hübsche Mädchen und der liebe Gott nicht ein-und- dasselbe-philosophieren...Danke, JANOSCH. Tigerenten sind verschenkt
marcus stolz schrieb am 23.04.2010 01:38:
schoenes interview, wenn ich das lese weiss ich , ich bin nicht allein. ich hoffe er hat noch viel gelegenheit in seiner haengematte zu liegen und an nichts zu denken.
@Kater Garfield, was wuerde wohl garfield dazu sagen"naja, wenn man nie nachdenkt...
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