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Das Wissen der San

Namibia: Wie Kulturen aufeinander treffen


Jäger und Sammler: Die San kennen sich mit den wilden Früchten der Kalahari aus
Foto: Steve Felton

Die alte Qoama kennt sich mit den wilden Früchten der Kalahari aus. Dass ihre Enkelkinder gerne die Morama-Nüsse essen, die sie im April von den gedrungenen buschigen Bäumen pflücken, macht sie sehr zufrieden. Sie weiß, dass diese Nüsse nicht nur eine Abwechslung auf dem Speiseplan ihrer Familie sind, sondern eine wichtige Ergänzung zu dem eher eintönigen Maisbrei bedeuten, der heute normalerweise ihre Kinder und Enkel satt macht.

Dass diese Nuss reich an Vitaminen ist, weiß sie nicht. Ein Wort für Vitamin gibt es in ihrer Ju|’hoan- Sprache – einer von vielen Sprachen der San-Gruppen im südlichen Afrika – nicht. Auch ihre Nachbarn, die Naro sprechen, und auch die !Kung können mit diesem Begriff aus den Wissenschaften des Nordens wenig anfangen. Qoama lebte mit ihrem Mann Gamnqoa lange in der Wüste. Wasser, das sie nach morgendlichem Tau-Nebel fanden, füllten sie in Straußeneier, die sie dort vergruben, wo Gamnqoa mit den anderen Männern auf Jagd ging. Nahrung konnten sie auf ihren langen Treibjagden nicht zu sich nehmen. Die bis zu 40 Stunden dauernden Hetzjagden, in denen sie die großen Kudu-Antilopen bis zur Erschöpfung trieben, ließen ihnen keine Zeit dazu. »Der Große Tanz« nannten sie diese Hetzjagden. Hier wurde der Jäger eins mit dem Kudu, er versetzte sich in das Kudu, ahnte seine Wege voraus und erlegte es zuletzt aus kurzer Distanz mit seinem Speer. Die getrockneten Fleischstreifen der Beute waren dann für viele Wochen die Proteingabe, die die Menschen am Leben hielten. Aushalten konnten sie die Strapazen in der Kalahari, indem sie während der Jagd auf Stücken des Hoodia-Kaktus kauten, einer gurkengroßen Pflanze, die das Hunger- und Durstgefühl unterdrückte.

Buschmann-Folklore statt Anerkennung

Die San – früher auch Buschmänner genannt – wissen wie kein anderes Volk Afrikas in den unwirtlichsten Gegenden dieses Kontinents zu überleben. Viele meinen deswegen – manchmal in romantischer Verklärung nach dem »edlen Wilden« Ausschau haltend –, dass die San schon immer als ihr eigener Souverän in den Wüsten gelebt hätten und hierfür ideal ausgestattet seien. Aber das Leben in der Wüste ist ein Überleben in den Refugien, in die sie die schwarzen Bantu-Stämme schon vor hunderten von Jahren vertrieben haben, als diese aus dem zentralen Afrika kommend den Süden des Kontinents besiedelten. Kleiner im Körperbau, mit einer eher gelblichen Haut, lassen sich die San leicht von den dunklen und groß gewachsenen Bantus unterscheiden. Welche Bedeutung die San hatten, zeigt sich auch daran, dass sich die typischen Klicklaute ihrer Sprache – im Zeitalter der Computertastatur mit vor- oder nachgestellten Sonderzeichen wie !, | , ’ oder ???dargestellt – auch in heute weit verbreiteten afrikanischen Sprachen wie der der !Xhosa wiederfinden. Auch wenn das Bild des frei in der Wüste jagenden Buschmanns in den Broschüren der Namibia- und Botswana-Touristen gerne weiter kolportiert wird – es ist anders um die San bestellt: Die freien Flächen, die sie zum Jagen und zum Auffinden der Feldfrüchte brauchen, werden immer mehr reduziert; ehemalige San-Gebiete gehören weißen Farmern oder wurden in Gemeinschaftsland (»Communal Land«) umgewandelt, welches überwiegend von Schwarzen bewohnt wird. In Botswana wurden große Gebiete zu Safari-Parks umdeklariert, die hohe Einnahmen versprechen. Die Ethno-Touristen stoßen an den Bars der schicken Lodgen auf das Pflanzenwissen der San mit industriell gefertigtem »Kahlahari Liquor« aus der Wüstenmelone an. Die San haben sich vielfach mit diesem Tourismus arrangiert, auch wenn es nur die Brocken vom Tisch der Reichen sind, die beim Verkauf von Schmuck aus Straußeneiern und dem Vorführen ihrer traditionellen Tänze für sie abfallen.



Harter Überlebenskampf: Gemüsebeet mitten in der Wüste
Foto: Steve Felton
Pflanzenwissen für Diät-Wahn

Nun hat die westliche Pharmaindustrie den Hoodia-Kaktus entdeckt: Im April letzten Jahres verkündete die kleine Firma Phythopharm, dass sie sich unter dem Codenamen P57 die Patentrechte eines Appetitzüglers, basierend auf einem afrikanischen Kaktus, gesichert hat: eine mögliche Wunderdroge für alle, die ohne Nebenwirkung dünner werden wollen. Phythopharm hatte die Rechte vom »Südafrikanischen Rat für Wissenschafts- und Industrieforschung « (CSIR) gekauft. Die Presse feierte die Droge schon als »Schlankheitstraum« und die Pharmaindustrie prognostizierte eine Revolutionierung des sieben Milliarden Euro schweren Diätmarktes. Kein Wunder also, dass der amerikanische Pharmagigant Pfizer, erfolgreich bereits mit der Lifestyle-Droge Viagra, kurz darauf die Rechte an P57 für 17 Millionen Euro erwarb und sich sofort an die klinische Prüfung machte. Sehr bald stellte sich aber heraus, dass die Firmen ganz offensichtlich in keiner Weise an die !Kung gedacht hatten, auf deren Wissen ihre Entdeckung basierte. Die San fühlten sich betrogen: »100.000 San, die in Südafrika, Namibia, Botswana und Angola leben, sind empört«, sagte Roger Chenells, Anwalt der San in dieser Sache. »Es ist, als ob ihnen jemand das Familiensilber gestohlen hätte und es jetzt mit riesigem Gewinn verkauft. Sie haben nichts dagegen, dass ihr Wissen zur Herstellung von Medikamenten genutzt wird, aber man hätte zuerst mit ihnen darüber reden müssen.« Richard Dixey, der Geschäftsführer von Phythopharm, beteuerte treuherzig: »Ich hatte wirklich geglaubt, sie wären längst alle ausgestorben.« Jetzt hat sich ein erster Erfolg eingestellt: Nachdem Roger Chenells angekündigt hatte, den amerikanischen Multi Pfizer wegen Biopiraterie zu verklagen, lenkten die Pharma-Unternehmen ein: Im März 2002 einigte man sich auf eine Beteiligung der San an den zu erwartenden Einnahmen. Zum ersten Mal gelang es, eine internationale Firma daran zu hindern, sich das Wissen über lokale Pflanzen anzueignen und damit ungestraft zu verschwinden.

Ob Qoamas Enkel tatsächlich etwas von diesem Erfolg haben werden, hängt auch von dem terre des hommes-Partner WIMSA, der »Arbeitsgruppe für einheimische Minderheiten im südlichen Afrika«, ab. Farmprojekte sind geplant, vielleicht auch die großflächige Kultivierung des Hoodia-Kaktus. An den Details wird noch emsig gearbeitet.

Unterdessen geht es für WIMSA aber auch weiter darum, die Rechte der San zu verteidigen: Erst kürzlich half WIMSA den !Kung, sich gegen die Verlegung des Flüchtlingslagers Osire in ihr traditionelles Siedlungsgebiet zu wehren. Und in den Siedlungen Sonneblom und Donkerboos wird nach Wasser gebohrt, um den dort lebenden San-Gruppen der Naro und Ju|’hoansi durch Viehhaltung ein Überleben ohne ihre traditionellen Jagdgründe zu ermöglichen. Joram |Useb, stellvertretender Direktor von WIMSA im namibischen Windhoek, beklagt: »Nur ein kleiner Bruchteil der 38.000 San in Namibia hat wirklich Zugang zum Land ihrer Vorfahren.« Es ist eine Frage des Überlebens für die San, sich auch auf neue Lebensformen einzustellen.

Weitere Ökologie-Projekte von terre des hommes in Afrika

Ökologie-Unterricht an Schulen

An 97 Schulen in ganz Zimbabwe unterstützt SCOPE, das »Schul- und College Permakultur-Programm«, Schüler, Lehrer und Eltern bei der Gestaltung von Schulhöfen nach den Prinzipien der Permakultur. Durch den schonenden Anbau von vitaminreichem Obst und Gemüse sowie Heilkräutern wird die Ernährung der Schüler und ihrer Familien verbessert. Außerdem helfen die Schüler den Familien von AIDS-Kranken, kleine Gemüsegärten anzulegen, die eine gesündere Ernährung ermöglichen. So lernen die Schüler die Grundlagen der ökologischen Landnutzung kennen.

Die Blätter der Ilala-Palme

Die meisten Bewohner der trockenen Sengwe Communal Lands im Südosten Zimbabwes sind Frauen und Kinder. Sie leben vor allem von Subsistenzwirtschaft und den Überweisungen der in Südafrika arbeitenden Männer. Seit kurzem haben sie ein Zusatzeinkommen durch den Verkauf von Matten und Körben, die sie traditionell aus den Blättern der Ilala-Palme herstellen. Mit Hilfe der Organisation SAFIRE (Südliche Allianz für lokale Ressourcen) wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen und ein Konzept zur nachhaltigen Nutzung der Ilala-Palme entwickelt.

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