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Stellungnahme von "Schönerfriedrichshain" zum Musikprogramm auf der Kundgebung am 7.8.2004

Wir, eine der vorbereitenden Gruppen zum Gegenprogramm der Friedrichshainer Biermeile, sind ob unseres Musikprogramms kritisiert worden. Stein des Anstoßes ist die Gruppe Egotronic. Die Gestaltung des Musikprogramms hat leider dazu geführt, dass Gruppen, die wir gerne als Bündnispartner gewonnen hätten, ihre Teilnahme abgesagt haben

Es gibt bei uns einige, die ein politisches Problem damit haben, dass Egotronic spielen werden und unsere Entscheidung sie einzuladen, muss rückblickend als nicht konsensual bezeichnet werden. Das heißt aber nicht, dass Schoenerfriedrichshain sich an der leidigen Debatte spaltet. Die politische Arbeit ist uns in jedem Fall wichtiger als die punktgenaue Positionierung in einem oft nur identitätsversichernden linken Szenestreit. In kurz: Wir sind keine antideutsche, antiimperialistische, rassistische, antisemitische, sexistische oder sonst wat -Gruppe. Schoenerfriedrichshain ist ein heterogenes Bündnis von Einzelpersonen, die sich dereinst zusammengefunden haben, weil ihnen die Nazis im Friedrichshainer Kiez auf die Nerven gehen. Zusammen mit einem Blick darauf in welchen gesellschaftlichen Räumen sich die Nazis bewegen und wo sie Anknüpfungspunkte für ihre Ideologien finden, ist die Kundgebung gegen das Treiben auf der "Biermeile" - wie auch die Kundgebung an "Vatertag" - konsequente Folge dieses Verständnisses von antifaschistischer, antirassistischer und antisexistischer Politik.

Dass bzw. warum Egotronic auf ihrer Website zur "Bahamas" verlinken und die Wahl der aufgenommenen Texte stößt bei Teilen von uns auf großes Befremden. Es ist vielen von uns nicht klar, ob das eine reine Provokation darstellen soll oder ein ebenso identitätsversicherndes Moment. Man bleibt halt im Gespräch. Es wäre insofern wünschenswert, würde die Band diese sehr "machtvolle" Position aufgeben und sich in der seit nun gut einem Jahr laufenden Diskussion um sie mal selber zu Wort melden. Das würde vielleicht auch helfen, die Diskussion auf ein anderes Niveau zu heben, das über ein gegenseitiges Abgrenzen hinaus geht. Darin steckt ebenso die Frage an "die andere Seite", nämlich die Gruppen, die aufgrund der Teilnahm von Egotronic der Kundgebung die Unterstützung entziehen. Die Auseinandersetzung auf diesem Niveau halten einige von uns für reine Ressourcenverschwendung.

Unser Konsens ist ein antifaschistischer und antirassistischer. Wir wehren uns gegen Sexismus, Chauvinismus und natürlich auch gegen Antisemitismus. Auf dieser Grundlage finden unsere Aktivitäten statt, auf dieser Grundlage arbeiten wir zusammen, diese Bedingungen müssen unsere Bündnispartner erfüllen.

Die Aktion "Unser Spaß sieht anders aus" ist eine Aktion, die sich gegen den Charakter der Biermeile in Friedrichshain richtet. Dort werden Nazis geduldet, für Nicht-Normal@s herrscht eine latent aggressive Stimmung. Es ist ein Fest, auf dem Männlichkeitsrituale auf ihre unangenehmste Art und Weise ausgelebt werden dürfen. Chauvinismus, Rassismus und Sexismus inbegriffen. Vor diesem Hintergrund werden wir nicht zulassen, dass eine antirassistische und antifaschistische Aktion, die zum Ziel hat, das immer dreister werdende Auftreten von Nazis in Friedrichshain zurückzudrängen, durch die linke Debatte zum israelisch-palästinensischen Konflikt überlagert oder gar gespalten wird.

In unserer Gruppe gibt es unterschiedliche Meinungen zum Nahostkonflikt. Uns eint aber eine antifaschistische Grundhaltung. Wir lehnen es nicht nur ab, die beteiligten Bündnispartner bei jeder politischen Aktion nur an ihrer Position zu dieser einen Frage auszuwählen. Wir halten dies politisch für grundfalsch, dumm und gefährlich. Die radikale Linke benutzt dieses Thema u.a. zur eigenen Identitätsstiftung. Diesen Quatsch machen wir nicht mit.

Wir haben lange diskutiert, ob wir Egotronic dennoch ausladen sollen. Es war möglicherweise naiv zu glauben, dass die Frage, ob ein antifaschistisches Projekt unterstützt wird oder nicht, an einer Band festgemacht werden könnte. Wir wünschen uns, dass bei Kritik an einzelnen RednerInnen - und am "Kulturprogramm" - niemand die Unterstützung für diese Aktion insgesamt verweigern wird. Wenn jetzt möglicherweise Leute und Gruppen an unserer Aktion nicht teilnehmen oder sie boykottieren, dann bedauern wir dieses. Wir finden, dass sich die Teilnahme an der Aktion und eine Kritik an Egotronic nicht ausschließen sollten (auch in unserer Gruppe befinden sich Leute, bei denen sich bei einzelnen Statements der "20 Thesen über Israel" die Fußnägel kräuseln).
Die Kundgebung zur Biermeile ist nicht der Ort für eine Auseinandersetzung darüber, was Egotronic ist oder nicht. Das sollte an anderer Stelle diskutiert werden.

Wie dem auch sei, Egotronic werden spielen. Und zwar aus folgenden Gründen:

Schönerfriedrichshain arbeiten auf der genannten Grundlage zusammen, und wir finden, dass die Frage der politischen Zusammenarbeit nicht nur an der Position zum Nahostkonflikt fest gemacht werden darf.

Eine Ausladung von Egotronic hätte den Eindruck erweckt, dass wir uns dem Druck der linken Debatte beugten, dass wir in der innerlinken Debatte die Praxis duldeten, ein Hinweis auf eine irgendwie geartete antideutsche Beteiligung genüge, um ein Projekt insgesamt zu bewerten. Wir hätten den Eindruck erweckt, auch nur das geringste Verständnis dafür zu haben, eine Teilnahme an einer antifaschistischen Aktion abzusagen, weil einem die politische Einstellung der eingeladenen Band nicht gefällt, statt die Aktion in Gänze zu beurteilen.

Letztlich hätte die Ausladung diejenigen unterstützt, die alles und jede/n an der Position zum israelisch-palästinensischen Konflikt festmachen wollen, die Denken durch Stigmatisierung ersetzen wollen. Darauf haben wir keinen Bock. Unsere Aktion soll nicht unter dem Gesichtspunkt durchführt werden, dass nur eingeladen sei, wer sich einer bestimmten Fraktion der radikalen Linken zurechnet.

Damit abschließend keine Missverständnisse aufkommen: Wenn wir es richtig wissen, versteht sich die Redaktion der Bahamas nicht mehr als Teil der Linken. Eine Einschätzung, die viele von uns als richtig wahrnehmen. Die Affinität der eingeladenen Band für diese Zeitschrift können wir daher so gar nicht teilen, sie ist uns allen fremd.

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