Dienstag, 21. September 2010

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Thema: Wien-Wahl

Dramaturgen des Wiener Wahlkampfs

Wahlkampf-Manager: Diese Menschen organisieren und planen die Strategien, um die absolute Mehrheit der SPÖ zu brechen.

Letztes Update am 19.09.2010, 16:38

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SPÖ-Plakat SPÖ-Plakate in Wien Ihr direkter Gegner ist US-Wahlkampfguru Stanley Greenberg - jener Mann, der bereits Bill Clinton, Tony Blair, Nelson Mandela und Gerhard Schröder in ihren Wahlkämpfen beraten hat. Er ist einer der profiliertesten Polit-Berater der Welt und soll nun Wiens Bürgermeister Michael Häupl dabei helfen, am 10. Oktober die absolute Mehrheit in Wien zu halten (der KURIER berichtete).

Ihr Ziel ist es, eben dies zu verhindern: Norbert Walter (VP), Herbert Kickl (FP), Robert Korbei und Romana Bartl (Grüne) ziehen die Fäden im Hintergrund der Herausforderer. Sie akkordieren Termine, schreiben Reden und bestimmen Wahlslogans. Sie legen Spitzenkandidaten Wörter in den Mund und fahnden nach den Stärken der Gegner, um deren Schwächen besser auszunutzen.

Ihr Problem: Sie verfügen über deutlich weniger Personal und - was noch schwerer wiegt - über deutlich weniger Wahlkampfbudget als die regierende SP. Zwischen fünf und zehn Millionen Euro dürften die Roten für den Kampf ums Rathaus aufwenden. Ein Match David gegen Goliath.

Norbert Walter: "Wir versetzen der SPÖ viele kleine Nadelstiche"

Walter Landesgeschäftsführer Walter organisiert den VP-WahlkampfWas an diesem Job am meisten nerven kann", sagt Norbert Walter mit einem Lächeln, "ist das ständige Telefonieren. Jeder erwartet einen Rückruf innerhalb von fünf Minuten."
Derzeit warten viele auf einen Rückruf des schwarzen Landesgeschäftsführers. Er sitzt in seinem Büro in der Wiener Parteizentrale. Vor ihm liegen Aktenordner gefüllt mit Wahlanalysen und detaillierten Ergebnissen vergangener Urnengänge.

Seit acht Jahren organisiert der gebürtige Tiroler die Wahlen in der Bundeshauptstadt. "Keine Wahl gleicht der anderen", sagt Walter. Den Vergleich mit Guru Stanley Greenberg scheut er nicht. "Auch er kocht nur mit Wasser." Seine Strategie: "Wir müssen der SPÖ viele kleine Nadelstiche versetzen."

70 Funktionäre hat Walter für die Nadelstiche um sich versammelt. Weitere 400 Freiwillige unterstützen die Partei bei Bedarf. Ein Kreativteam kümmert sich um den in Schwarz-Gelb gehaltenen Auftritt der Partei. Werbe- und Polit-Agenturen werden sporadisch beauftragt. In regelmäßigen Abständen werden Umfragen in Auftrag gegeben, um Slogans und einzelne Manöver bei den Leuten abzutesten. Für die Wahl haben die Schwarzen 2,5 Millionen Euro veranschlagt.

Seit der letzten Gemeinderatswahl 2005 kam der Landesgeschäftsführer viel herum: 2009 beobachtete er den Bundestagswahlkampf in Deutschland. Zuvor bereiste er die USA, um Barack Obamas Wahlkampfmethoden im Internet zu studieren.

Die Herausforderung, die Walter in diesem Wahlkampf zu bewältigen hat: Spitzenkandidatin und Familienstaatssekretärin Christine Marek steht für liberale Familienpolitik im Bund. In Wien muss sie auch aufs Thema Sicherheit setzen. Burkaverbot und Homoehe sind schwer unter einen Hut zu bekommen. "Das ist ein bisserl ein Spagat", gibt Walter zu, "aber liberal denken und Klartext reden muss kein Widerspruch sein."


Robert Korbei und Romana Bartl: Brösel hin, Brösel her - Ehrgeiz ist groß

Romana Bartl und Robert Korbei Zu zweit managen Romana Bartl und Robert Korbei den Wahlkampf der Grünen in Wien.Drei Tage vor der Wahl werden die Grünen den letzten Folder veröffentlichen. Die Druckmaschinen sind gebucht, das Layout gezeichnet. Allein, was in dem Heft zu lesen sein wird, weiß niemand. "So funktioniert Wahlkampf", sagt Robert Korbei, Landesgeschäftsführer der Grünen. "Viele Dinge müssen lange vorab geplant werden. Der Rest geschieht spontan." Seit eineinhalb Jahren beschäftigen sich Korbei und Romana Bartl mit der Wahl. Strategie- und Mediapläne hängen an den Wänden.

"Jede Vorfeldorganisation der SPÖ", scherzt Korbei "hat ein höheres Wahlkampfbudget als wir." Bei der Ökopartei kümmern sich knapp 40 Leute um den Wahlkampf. 1,5 Millionen Euro stehen zur Verfügung.

Nach zehn Jahren als Landesgeschäftsführer ist es der letzte Wahlkampf, den Korbei leitet. "Mit meiner Motivation hat das nichts zu tun. Aber nach zehn Jahren würde ich jedem in vergleichbarer Position einen Wechsel anraten." Auf der Landesversammlung im November soll seine Nachfolge geregelt werden.

Romana Bartl ist für die sogenannten Kipferlbezirke (Wieden bis Alsergrund) zuständig - für jene Bezirke also, welche die Grünen im Oktober grün einfärben bzw. halten wollen. Ausgerechnet in den Hoffnungsbezirken Josefstadt und Mariahilf wurden zuletzt neue Listen gegründet. Politische Gegner beschwören seither das Bild der linken Chaostruppe. "Brösel hin, Brösel her", sagt Bartl, "der Ehrgeiz ist bei allen denkbar groß." 70 Wahlkämpfe hat sie für die Grünen bestritten: von der ÖH- bis zur Nationalratswahl.

Korbei und Bartl wissen genau, dass es für Strategen wie sie darauf ankommt, wenige Botschaften gezielt über Monate hinweg zu transportieren. "Den Wählern muss klar sein, wofür wir stehen", sagt Korbei. Die Grün-Botschaften: "Wir glauben an eine gestaltbare Zukunft, wir sind Kontrollinstanz, und wir sind regierungsfähig."

Herbert Kickl: "Slogans müssen spielerisch sein"

Herbert Kickl Der Reimer der FP: Herbert KicklInnerhalb der FPÖ nennen ihn viele nur "das Hirn von Strache". Herbert Kickl ist der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt und doch wissen dieser Tage Zehntausende, was der Generalsekretär denkt. Kickl schreibt viele Reden für seinen Chef Heinz-Christian Strache, so wie er es einst für Jörg Haider getan hat.

Der blaue Stratege ist auch Herr über jene Endreime, für die die FPÖ seit Jahren heftigst kritisiert wird: Er prägte Slogans wie "Daham statt Islam", "Pummerin statt Muezzin" oder jüngst "Wiener Blut - zu viel Fremdes tut niemandem gut". "Ich stand zu Hause am Fenster", erzählt Kickl, "und dachte gerade an gar nichts. Da fiel mir dieser Reim ein."
Er habe sofort gewusst, der Spruch sitzt. Slogans müssten kurz sein, sagt Kickl, "spielerisch wie die Werbung von McDonald's". Was er "spielerisch" nennt, nennen andere hetzerisch. Kritiker machen ihn für menschenverachtende Wahlkampftöne verantwortlich. Diesen Vorwurf weist er von sich: "Ein Plakat, über das man nicht spricht, ist kein gutes Plakat."

Für die Wahlen im Herbst hat er ein kleines Team um sich geschart. "Drei bis vier Millionen Euro" stehen den Blauen zur Verfügung. Auf Meinungsumfragen wolle man verzichten. Wichtiger sei, dass man "eine Geschichte erzählt". Die Geschichte, die der blaue Stratege immer wieder erzählt, beginnt 2005. Damals wurde Strache Chef einer am Boden liegenden FPÖ. Die Blauen wurden nach der Abspaltung des BZÖ von vielen totgesagt.

Dennoch ließ Kickl bereits damals das "Duell um Wien" ausrufen. "Es ist die Geschichte von David gegen Goliath", sagt er. In der Bibel besiegte David Goliath einst mit seiner Steinschleuder. Kickl schleudert Reime. Ein Sieg über die SP scheint dennoch mehr als fraglich. Die FP erreichte bei den Wahlen 2005 14,8 Prozent der Stimmen. Die SP 49 Prozent.

Letztes Update am 19.09.2010, 16:38

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Artikel vom 19.09.2010 16:00 | KURIER | Martin Gantner | « zurück zu Wien


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