GRASSE IN SÜDFRANKREICH
Weltstadt der Nasen

Chanel, Galimard, Molinard - was Parfüm angeht, wartet die südfranzösische Stadt Grasse mit wahrhaft großen Namen auf. Rund um die Stadt wachsen die Grundstoffe für die Kompositionen: Lavendel, Rosen und Jasmin blühen und duften um die Wette.


Grasse - Augen schließen und auf den Geruch konzentrieren. Frisches Baguette duftet aus der nahen Patisserie. Vorbeihastende Menschen hinterlassen Wolken von Aftershave, und natürlich riecht es nach Autos. Schließlich ist Grasse eine 40.000-Einwohner-Stadt. Aber es duftet auch nach Rosen und Lavendel, Zitrone, Rosmarin, Jasmin und betörenden Mischungen aus allem zusammen in den Fabriken der Parfümerien. 30 von ihnen gibt es in der südfranzösischen Stadt, die nicht ohne Grund die "Stadt der Düfte" genannt wird. Und so führt dort kein Weg am Parfüm vorbei.

PARFÜMSTADT GRASSE: ROSENZUPFEN UND LAVENDELPRESSEN
 
"Riecht genau! Woran denkt ihr bei Verbenen?" Corinne Marie-Tosello hält den schmalen Papierstreifen an die Nase und schaut in die Runde.
"Zitrone",
"etwas Bizzelndes", "Zitronenbonbons", "Urlaub", lauten die Antworten der Parfüm-Schüler im Workshop
.

Sie sitzen in der Parfümfabrik Fragonard aufgereiht wie eine Klasse an Pulten, vor sich statt Lehrbüchern verschraubbare Gläser mit duftenden Flüssigkeiten, Pipetten, zwei Miniaturmessbecher und viele Streifen Papier, mit deren Hilfe sie sich durch die unterschiedlichen Gerüche probieren. Profis nehmen jeden einzelnen Duftstoff in ihr "Geruchsgedächtnis" auf, im Geiste werden die Gerüche dann so geschickt kombiniert, dass aus den Einzelteilen etwas Großes wird. Erst wenn die "Nase" - der Parfümeur - einen Duft erdacht hat, fängt er an, ihn zu mischen. Das Riechen am Schluss gilt also vor allem der Kontrolle. Eine "Nase" kann 3000 Gerüche erkennen und auseinanderhalten, die Schüler im Parfüm-Workshop sind schon mit den angebotenen neun fast überfordert. Weltweit gibt es rund 1000 "Nasen", allein in Grasse arbeiten 50. Von hier kommen so berühmte Parfüms wie Chanel Nr. 5.
Schmale Gässchen, gemütliche Plätze

Die Geschichte des Parfüms ist zunächst eine der Gerber. Weil es in Grasse sehr viel Wasser gab, war die Verarbeitung der Tierhäute im 17. Jahrhundert hier das wichtigste Geschäftsfeld. Die Gerbereien reihten sich auf dem Place aux Aires aneinander, heute bauen auf dem Vorzeigeplatz der Stadt allabendlich Restaurants ihre Tische auf.

Die Altstadt von Grasse ist eng, zusammengepfercht von der Stadtmauer wuchsen die Häuser vor allem in die Höhe. "Die Häuser standen in manchen Vierteln so dicht, dass für die Durchlässe und Treppchen nur noch eine Elle weit Platz blieb. Und selbst auf den Plätzen und den wenigen breiteren Straßen konnten die Fuhrwerke einander kaum ausweichen" - so schildert Jean-Baptiste Grenouille, der gleichermaßen geniale wie abartige Parfümeur aus Patrick Süskinds Bestseller "Das Parfüm", das "Rom der Düfte".

Tatsächlich sind die Gassen der Altstadt nur wenige Meter breit, Sonnenstrahlen schaffen es kaum bis auf den Gehweg. Viele der Häuser stammen aus dem Mittelalter, der gelb-braune Putz bröckelt an etlichen Fassaden. Wer sich hier treiben lässt, fühlt sich schnell in frühere Zeiten zurückversetzt, als noch sehr viele Menschen auf sehr engem Raum zusammenlebten. Auch heute noch scheinen die Häuser ihren Bewohnern zu eng zu sein - abends nutzen die Kinder die Straßen als Spielzimmer, während sich ihre Väter dort mit Freunden treffen.

Nach und nach wird jetzt die Altstadt saniert. Wo das bereits geschehen ist, strahlen die Häuser in Gelb, Orange und Rot, und Blumenampeln hängen an schmiedeeisernen Laternen. Sobald eine Straßenausbuchtung Platz bietet, stehen Tische und Stühle für Besucher bereit. An der zentralen Straße Rue de Droite reihen sich Crêperien, Bistrots und Restaurants aneinander. Von dort zweigt die Rue Gazan zur Kathedrale Notre Dame du Puy ab, die ihren Ursprung im 13. Jahrhundert hat, zwischenzeitlich aber immer wieder umgebaut wurde. Heute hängen in ihr Gemälde von Rubens und Fragonard.

Die Weltstadt der Düfte hat ihren Titel vor allem dem Klima zu verdanken. Im Hinterland der Côte d'Azur ist der Sommer lang und das Wetter freundlich. Die Sonne scheint 300 Tage im Jahr auf Menschen und Pflanzen, und so konnten die Parfümfabriken ihre Rohstoffe gleich vor der Haustür anbauen.

Sechs Wochen lang Rosenzupfen

Zwischen 20 und 100 Kilogramm Rosen am Tag pflücken Carol Biancalana und ihre Kollegen am Tag - das sind unglaubliche 7000 bis 35.000 Rosen. Die Saison dauert sechs Wochen, denn auf der Blumenfarm in Plascassier, wenige Autominuten von Grasse entfernt, baut Carol ausschließlich die Mairose Centifolia an.

Die sieht zwar für eine Rose recht unscheinbar aus, duftet aber dafür umso intensiver - ideal für die Herstellung hochwertiger Düfte. Wie alle anderen Blumenfarmer konkurriert auch Carol mit billigen Blütenexporten aus Marokko oder der Türkei, weshalb man im Umland von Grasse heutzutage nur noch wenige Blumenfelder sieht.

Einmal im Jahr aber erobert die Rose die Stadt: Während der "Expo Rose" im Mai zeigen Züchter vier Tage lang, wie unterschiedlich Rosen sein können. Sorten mit handtellergroße Blüten in Karminrot stehen neben rosa-rot gesprenkelten Exemplaren, weiße neben knallgelben, langstielige neben buschigen. Gigantische Sträuße aus makellosen Rosen sind überall in der Stadt verteilt - sogar die Kanzel in der Kathedrale wird in eine überdimensionale Vase mit dunkelroten Rosen umfunktioniert.

Ihre Rosen aber, sagt Carol Biancalana, sind von ganz besonders hoher Qualität. Sie werden frisch vom Feld an die Parfümerien in Grasse geliefert und finden sich dann beispielsweise in den Düften von Chanel oder Guerlain wieder. Besucher können sich von der Blumenfarmerin über das Feld führen lassen und ihre Nase in die rosafarbenen Blüten der Mairose stecken. Im Herbst ist dann der Jasmin dran, der dummerweise in der Nacht blüht. Um 6 Uhr stehen die Pflücker deshalb auf, um die kostbaren Blüten zu ernten. Ein Kilogramm, rund 10.000 Blüten, schafft ein guter Pflücker in zwei Stunden. 800 Kilo frische Blüten ergeben einen Liter Absolut - die hochkonzentrierte und daher so wertvolle wie teure Duftflüssigkeit.

Training für die Nase

Gewonnen werden die duftenden Rohstoffe über unterschiedliche Verfahren - den Ausdruck zum Beispiel, bei dem die Schalen von Früchten gepresst werden, oder die Destillation, die schon im 8. Jahrhundert von den Arabern erfunden wurde. In den Räumen von Fragonard stehen zur Verdeutlichung große Glaszylinder aufgereiht, mal mit himbeerfarbener, dann mit dunkelroter Flüssigkeit gefüllt.

Daneben liegen Glasplatten in Holzrahmen, dick mit Tierfett bestrichen und mit Blüten gespickt - ertrunken im Fett. Die Enfleurage, bei der Fett benutzt wird, um den Blumen ihre duftende Substanz zu entziehen, hat wesentlich zum Ruhm der Stadt Grasse beigetragen. Das Verfahren wurde im 19. Jahrhundert von den Fabriken der Stadt perfektioniert, ist aber heute Geschichte. "Wer will schon Parfüm aus Schweinefett", sagt Corinne Marie-Tosello.

Wie aus Blüten Parfüm wird, soll das neue Parfüm-Museum zeigen. Die Wiedereröffnung nach vier Jahren Umbauzeit ist für den Herbst 2008 geplant. Auf 3500 Quadratmetern Fläche sollen Besucher dann auf eine Zeitreise durch die Geschichte des Parfüms gehen - und, ganz nebenbei, auch auf eine Reise durch die Geschichte der Stadt.

Architekt Frédéric Jung hat das ursprüngliche Parfüm-Museum um eine unter Denkmalschutz stehende Villa und einen Neubau erweitert, dessen Längswand die Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert bildet. Auf dem Weg durch das Museum passiert der Besucher immer wieder die Befestigungsanlage, die nirgendwo sonst in Grasse mehr zu sehen ist. Kupferfarbene Bottiche, Handpressen und antike Parfümflaschen zeigen auch die drei Parfümhersteller Molinard, Galimard und Fragonard in ihren hauseigenen Museen. Daneben können Besucher die Fabriken besichtigen oder ihre eigenen Düfte kreieren.

Bei den Profis dauert es schon mal drei Jahre, bis aus der Idee ein Parfüm wird. Bei Corinne Marie-Tosello haben die Schüler 90 Minuten Zeit, ein Eau de Toilette zusammenstellen. Die Basis bilden 85 Milliliter Orange, Zitrone und Bergamotte. Für die restlichen 15 Milliliter stehen unter anderem Rosmarin, Lavendel und italienische Mandarine bereit, deren Geruch an Farbe aus dem Baumarkt erinnert.

Milliliter für Milliliter ziehen die Schüler ihre Pipetten auf und lernen dabei, dass auch das eher stinkende Neroli im Eau de Toilette keinesfalls fehlen darf. Immer wieder schnuppern sie skeptisch an ihrer Mixtur, Corinne rät hier zu ein paar Tropfen Verbena und dort zu mehr Lavendel. Irgendwann ist der Messbecher voll, die Schüler füllen die Mixtur in einen Flakon und führen ihre Kreationen vor - die trotz erheblichen Schnuppereinsatzes bei allen dann doch irgendwie nach Zitrone riecht.

Carina Frey, dpa
16.06.08




für Reisende, Feinschmecker und Hungrige, für Neugierige und Freunde zitroniger und anderer Leckereien:

der TIPP!! in Grasse



   
zwei wundervoll kreative Menschen führen in der historischen Altstadt von Grasse diesen etwas versteckt liegenden
"Salon de Dégustation "   


 

und hier ein Blick in diese köstliche Welt











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