Seitentitel

Ethik und Journalismus | 10.06.2009 23:00 Uhr

Verdeckte PR – Wie Firmen ihr Image schönen

Auch Unternehmen wollen glänzen, ihr Bild in der Öffentlichkeit kontrollieren. Und wenn nötig: Korrigieren. Die Deutsche Bahn hat es bitter nötig. Und hat sich die Imagepolitur unter Ex Chef Mehdorn deshalb nicht nur einiges kosten lassen. Sie kam in Sachen PR auch auf sehr kreative Ideen. So kreativ, dass auch Journalisten jahrelang nichts bemerkt haben. Der gemeinnützige Verein Lobbycontrol hat es aber und hat Licht ins Dunkel gebracht. Gita Datta und Anna Orth über einen PR Coup der viel zu lange unentdeckt geblieben ist. 

Das Logo der Deutschen Bahn neben einer roten Ampel © AP Fotograf: Michael Sohn
große Bildversion anzeigen

Berlin. Potsdamer Platz. Die Zentrale der Deutschen Bahn. Kritische Fragen von Journalisten waren hier oft unerwünscht. Die Bahn bevorzugte eine andere Form der Kommunikation. Ulrich Müller LobbyControl: „Sie hat versucht, Externe auftreten zu lassen, die als scheinbar neutral und glaubwürdig gelten und aber eigentlich von der Bahn bezahlt wurden, ohne dass es erkennbar war. Und dadurch sollten die Leser, Zuschauer und Zuhörer verführt werden, diese Botschaften als besonders glaubwürdig einzustufen und nicht zu hinterfragen, in welchem Interesse das eigentlich ist.“ Sie ist eine von denen, die sich dafür zur Verfügung stellten. Stimmung für die Bahn machten. Sendungsausschnitt: „Mein Name ist Barbara Eligmann.“ Die ehemalige RTL Moderatorin schwärmte zum Beispiel vom Nachtzug der Deutschen Bahn. Zeitungsartikel „Bild am Sonntag“, vom 08. Juli 2007: „Statt im Billigflieger irgendwo hinzuhecheln, lieber ein romantisches Abenteuer wagen, das tut nicht nur der Seele gut.„ Auch ihr Kollege Hans Meiser trommelte für die Bahn. Im „Rhein-Ruhr Magazin“ verteidigte er sogar die ewigen Verspätungen -  Zeitungsartikel „Rhein-Ruhr Magazin“ 04/2007: „Ich weiß doch als Bahnfahrer, dass die Pünktlichkeit des Zuges von vielfachen Faktoren abhängt.“ Mit dem Auto sei man schließlich auch nicht immer pünktlich. Deshalb sein Fazit: „Also fahre ich Bahn.“ Den Lesern wurde verschwiegen, dass all diese Artikel gut getarnte PR-Aktionen der Deutschen Bahn waren.

„Schweinerei“

Promis wurden für diese Meinungsmache ebenso mobilisiert wie vermeintlich „normale“ Bahnkunden. Die äußerten sich bei Youtube positiv zur geplanten Bahnprivatisierung. Ausschnitt, YouTube – Voxpop: „`Ich bin dafür.´, `Das ist keine schlechte Idee, die Bahn muss wirtschaftlicher arbeiten, sie muss ihre Schulden abbauen - und ich denke schon, das ist eine gute Idee.´“ Klaus Kocks, PR-Berater: „Das ist nämlich das, was Geheimdienste Desinformation nennen. Und wenn man diese Geheimdiensttätigkeiten in die Öffentlichkeit überträgt, in Nichtgeheimdienstbereichen, versucht man zu beeinflussen, zu manipulieren, ohne dass erkennbar ist, wer will das und wer hat das bezahlt. In sich eine Schweinerei.“ Berlin Mitte. Hier residiert eine der Firmen, die sich unerkannt für die Bahn engagierte. Ihr Name: berlinpolis. Sie war besonders aktiv. Thomas Leif, „netzwerk recherche“: „berlinpolis hatte den Auftrag und hat das gesamte Arsenal, was zur Verfügung steht, benutzt und hat über Kommentare aber auch über Meinungsbeiträge des sogenannten Blogs Öffentlichkeitstexten und anderen Dingen, immer pro Bahn, also pro Privatisierung und auch pro Positionierung der Deutschen Bahn gearbeitet.“ Sie waren überall aktiv. In Foren und Blogs von vielen Zeitschriften und Zeitungen. „zukunftmobil“ – einer ihrer Usernamen. Keiner wusste, dass die Blogger im Auftrag der Bahn Stimmung machten: Für die umstrittene Bahnprivatisierung, die von vielen abgelehnt wurde. „zukunftmobil“ mischte immer mit. Klaus Kocks, PR-Berater: „Es gibt ganz krasse Fälle. Man hat ja versucht, Tarifverhandlungen, öffentliche Meinungsbildung während Tarifverhandlungen  zu beeinflussen. Hier purzeln eine ganze Reihe von Grundrechten wie die Dominosteine.“

Suggestiv-Fragen

So wie 2007. Die Lokführer begannen einen wochenlangen Streik. Die Bahn tat alles, um die Position der Streikenden zu schwächen. Deshalb stellte berlinpolis Suggestiv-Fragen, wie diese: „Soll sich die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) auf das fünfte Angebot der Deutschen Bahn, wonach das Fachpersonal einen eigenen Tarifvertrag, 4,5 Prozent mehr Lohn und eine Einmalzahlung von 2000 Euro erhalten solle, zufrieden geben?“ (Forsa im Auftrag von berlinpolis) Das wenig überraschende Ergebnis: 64 Prozent antworteten mit JA. Klaus Kocks, PR-Berater: „Das ist ganz einfach. Die Manipulierbarkeit, durch und mit Meinungsforschung, besteht darin, wie ich die Frage stelle. Es gibt die einfachste Form der Suggestivfrage. Stehen Sie gerne morgens vier Stunden auf dem Bahnsteig und sind Sie für den Streik? Da haben Sie Ihre Antwort.“ Die Antwort, die man eben mit solchen Fragen erhält: „Haben sie Verständnis, wenn die Lokführer nun wieder zum Streik aufrufen?“ (Forsa im Auftrag von berlinpolis) Das erwartbare Ergebnis: Die Mehrheit sagt nein. Ein Erfolg für den heimlichen Auftraggeber: Die Deutsche Bahn. Ulrich Müller, LobbyControl: „Wir wissen, dass die Umfragen, die von berlinpolis gemacht wurden, die in den Tätigkeitsberichten für die DB auftauchen. Das hat die Bahn uns bestätigt. Das heißt, die Umfragen sind auch Teil dieser verdeckten PR gewesen.“

Manipulation

Eine verdeckte PR mit dem erhofftem Erfolg. Zeitungsartikel „Die Welt“ vom 19.10.2007: „Lokführer verlieren Rückhalt“ titeln die einen. Andere behaupten: Zeitungsartikel „Frankfurter Rundschau vom 19.10.2007: „Die Stimmung kippt“ - gegen die streikenden Lokführer. Die Medien wissen nicht, dass hinter dieser Umfrage die Deutsche Bahn steckt. Für sie ist es lediglich eine „Forsa-Umfrage“ im Auftrag des „Instituts Berlinpolis“. Berlinpolis versteht sich als „Ideenproduzent für die nächste Generation.“ Die Agentur behauptet, sie sei eine „unabhängige und eigenverantwortliche Denkfabrik.“ (Auszug der Homepage berlinpolis) Ein Think Tank. Thomas Leif, „netzwerk recherche“: „Think Tanks sind in Berlin eigentlich nur verkappte PR-Agenturen. Und quasi Ableger von Lobby-Organisationen. Sie haben politische Motive und sie benutzen den Begriff Denkfabrik oder Think Tank um in der Öffentlichkeit seriöser dazustehen.“ Auch renommierte Magazine wie „Capital“ vertrauten auf die vermeintliche Seriosität von berlinpolis. Ihr Chef, Daniel Dettling durfte hier ebenso agitieren, wie in der „Financial Times“. Zeitungsartikel „Financial Times Deutschland“ vom 23.05.2007 „Freiheit für die Bahn“ - so seine immergleiche Forderung. Viele Berichte und Kommentare von Daniel Dettling waren Teil der geheimen Bahn-PR. Klaus Kocks, PR-Berater: „Es führt dazu, dass der Leser, der Zuschauer, der Bürger nicht mehr erkennen kann, wo eine bestimmte Meinung herkommt. Hat ein Journalist in seiner Weisheit oder Dummheit so gesagt oder hat es ein Dritter finanziert. Wir erleben hier Fälle, dass Geld geflossen ist, ohne dass erkennbar wird, wer das Geld bezahlt hat und warum er es bezahlt hat. Das ist wirklich Manipulation.“ Manipulation, weil niemand wusste, dass die Bahn all die Stimmungsmache finanziert hat.  Der neue Bahn-Chef hat jetzt die damals Verantwortlichen gefeuert. Die Aufklärung aber muss weitergehen.

Natürlich hätten wir gerne mit den Unternehmen gesprochen - aber - Fehlanzeige, die nicht mit uns!

Autorin/Autor: Gita Datta, Anna Orth
Logo der Sendung Zapp © NDR
Nächste Sendung
01.09.2010 23:05 Uhr

ZAPP

Von Boulevardschlachten über Rosenkriege bis hin zu den Image-Kampagnen der Polit-Szene - Zapp blickt hinter die Kulissen der Medienwelt.

Zur Vorschau Zur Vorschau

Wiederholung der Sendung

03.09.2010 02:00 Uhr

Weitere Informationen
In einer gestellten Szene hält eine Frau eine Zeitung in den Händen. © ddp Fotograf: Sebastian Willnow

Klare Feindbilder - Wie sich Konzerne gegen Recherche wehren

08.06.2008 23:30

Zapp-Beitrag vom 08.06.2008

Internet-Links

Das Projekt LobbyControl will über Lobbying und PR-Kampagnen aufklären.