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Medizin: Stärkere Waffen gegen Krebs
Ende Februar tagt der Deutsche Krebskongress. Bezwungen ist die Krankheit nicht, aber Forscher entdecken ihre Schwachstellen
Die meisten Krebspatienten sterben nicht an einem Primärtumor, sondern an Tochtergeschwülsten. Mediziner interessieren sich deshalb besonders dafür, ob, wann und wo ein Tumor metastasieren wird. Nach neuen Studien scheint dies stärker in den Genen verankert zu sein, als Mediziner früher gedacht haben. So konnte Sridhar Ramaswamy an der Harvard Medical School anhand von Genanalysen an Tumorzellen vorhersagen, bei welchen Patienten mit Lungen-, Brust- und Prostatatumoren sich weitere Herde entwickeln würden und bei welchen nicht.
Die Größe des Primärtumors spielt laut Dieter Hölzel vom Krebsregister des Tumorzentrums München und seinem Kollegen Christoph Klein von der Ludwig-Maximilians-Universität bei der Metastasierung anscheinend nur eine untergeordnete Rolle. Das zeigen Brustkrebs-Fälle, in denen die Ausgangsgeschwulst kaum aufzufinden ist, stattdessen aber Metastasen nachweisbar sind. Und gelegentlich können Tumore bis zu fünf Zentimeter groß werden, ohne zu streuen. Diese Erkenntnis bestimmt die Aussagekraft von Screeningprogrammen - wie beim Mamma- und Prostatakarzinom. Außerdem hat sie Konsequenzen für die Chemotherapie: Metastasen müssen anders als der Haupttumor behandelt werden.
Auch die Frage, wohin Tumore streuen, haben Forscher jetzt beantwortet: Metastasen bilden sich nicht einfach dort, wo die Krebszellen zufällig hingeschwemmt werden. Vielmehr wandern Krebszellen in bestimmte Organe, weil sie Rezeptoren für Stoffe besitzen, die es dort gibt. Neurotrans-mitter, eigentlich Botenstoffe im Nervensystem, locken die bösartigen Zellen an. Im Immunologischen Institut der Universität Witten/Herdecke hat ein Team um Frank Entschladen ermittelt, dass Brustkrebs- und Darmkrebszellen vor allem Noradrenalin nachgehen, einem der Stresshormone. "Wir konnten damit erstmals auf molekularer Ebene bestätigen, dass negative psychosoziale Einflüsse die Verbreitung des Krebses beschleunigen", deutet der Forscher das Ergebnis.
Die Studien des Teams weisen auch den Weg, wie man therapeutisch eingreifen könnte: Gamma-Amino-Buttersäure (GABA), ein auf Stoffe wie Noradrenalin hemmend wirkender Neurotransmitter im Zentralnervensystem, kann vermut-lich die Metastasenbildung unterdrücken; diese Hypothese konnte im Tierexperiment bestätigt werden. Zudem sollten Krebspatienten darauf bedacht sein, Stress zu reduzieren.
Doch ein grundsätzliches Problem bei der Krebsbekämpfung ist nach wie vor, dass die Erkrankung von Mensch zu Mensch und von einem Karzinomtyp zum anderen unterschiedlich angelegt ist. Selbst ein Tumortyp kann in diversen Formen auftreten. Todd Golub vom Dana Farber Cancer Institute in Boston verfolgt, wie die Gene einer Zelle interagieren und was passiert, wenn sich diese krebsartig verändert. Anhand solcher Genkarten, wie sie der Forscher erstellt, kann er Gendefekten nachgehen, die im Einzelfall zum Ausbruch der Krankheit geführt haben. Sein Ziel ist: die Behandlung weiter zu individualisieren, das heißt, je nach Genmuster die beste Behandlungsmethode auszuwählen, um Betroffenen mit Krebs in Lunge, Darm, Brust oder Prostata besser helfen zu können. Mit rund 170 000 von etwa 340 000 Neuerkrankungen im Jahr sind dies die häufigsten Tumorarten in Deutschland.
Der Entwicklung von neuen Krebsmedikamenten liegen derzeit zwei Hauptstrategien zugrunde: dem Krebs die Blutzufuhr abzuschneiden oder seine Zellteilungs- und Wachstumssignale auszuschalten. Glivec zum Beispiel ist ein Stoff, der zielgenau einen molekularen Schalter ausknipst, welcher der krankhaften Vermehrung von Blutzellen Vorschub leistet. Anders als normale Chemo- und Strahlentherapie attackiert Glivec nicht schrotschussartig gesunde und bösartige Zellen zugleich. Andere maßgeschneiderte Medikamente stellen "monoklonale Antikörper" dar. Ein Beispiel für diese Proteine, die den natürlichen Antikörpern des Immunsystems nachgebildet sind, ist "Omnitarg". An der Tumor-Oberfläche blockiert es die Rezeptoren für den Wachstumsfaktor "HER-2" und hemmt so die Gefäßneubildung. Das Vorgängerpräparat "Herceptin" ist in Deutschland bereits seit längerem für die Behandlung des fortgeschrittenen Brustkrebses zugelassen.
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