Freitag, 10. September 2010

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Die Fehler des Teamchefs

Auch der Zittersieg gegen Fußballzwerg Kasachstan konnte die Position von Constantini nicht stärken.

Letztes Update am 08.09.2010, 16:22

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apa Sieger mit Schmerzen: Kapitän Marc Janko konnte nichts beitragen zum glücklichen Sieg der Österreicher.

Am Tag danach setzt Dietmar Constantini im Garten des Teamhotels gerade zur Analyse an, als plötzlich die Alarmglocken schrillen. Unerbittlich dröhnt die Sirene vom Hausdach nebenan und er, Constantini, weiß die Signale durchaus zu deuten. "Wenn uns die Tore nicht gelungen wären", sinniert der österreichische Teamchef, "dann würde heute womöglich jemand anderer hier sitzen und analysieren."

Es ist im österreichischen Team zwar nicht Feuer am Dach, aber die Mannschaft rund um den selbst ernannten Feuerwehrmann Constantini bleibt weiterhin ein Brandherd, der kaum einen Funken Hoffnung auf eine EM-Teilnahme 2012 gibt. Darüber kann, ja vor allem darf auch der glückliche Last-Minute-Erfolg gegen die Biedermänner aus Kasachstan (2:0) nicht hinwegtäuschen. Da mag Constantini am Tag danach noch so darauf hinweisen, "dass man gesehen hat, dass man auch mit einem schlechten Spiel gewinnen kann. Das passiert auch großen Mannschaften."

Von einer "großen Mannschaft" ist diese rot-weiß-rote Nationalmannschaft fußballerisch in etwa so weit entfernt, wie Österreich geografisch von Kasachstan. Nur zur Erinnerung: Das Team, gegen das sich die ÖFB-Elf dermaßen hilflos und harmlos präsentierte, ist die Nummer 125 der Welt, ein Niemandsland im europäischen Fußball und der schwächste Rivale in Gruppe A. "Das ist nicht unbedingt eine Riesengeschichte", erklärt Constantini, "aber es ist aufgegangen, wir haben drei Punkte." Und Verbandspräsident Leo Windtner ergänzt: "Wir haben die Pflicht erfüllt."
Schluss. Aus. Ende der Debatte.

Flucht

apa Hand aufs Herz: Teamchef mit Assistenten.Die fehlende Spielkultur? Kein Thema. Der indiskutable Auftritt einiger Spieler? Nicht der Rede wert. Die Stagnation auf niedrigem Niveau? Wird schon werden. Ein Hauch von Selbstkritik? "Mich beunruhigt nichts", meint Constantini in seiner gewohnt jovialen Art und flüchtet in den Konjunktiv. "Wenn uns das frühe Tor gelungen wäre, wäre es viel leichter gegangen."

Die nackte Realität sah am Dienstag anders aus. Fehlpässe, Unordnung, Standard-Situationen mit Substandard-Niveau, Spieler, die sich selbst ins Abseits stellten (Janko, Jantscher), Akteure, die in völlig neue Rollen schlüpften, wie der gelernte Strafraumstürmer Linz, der plötzlich eine Mischung aus Spielgestalter und hängender Spitze geben musste, kaum einen Hauch von Ballstafetten, Esprit oder einstudierten Spielzügen nach einer Woche gemeinsamer Vorbereitung.

Dabei hatte Constantini vor dem Match noch frohlockt: "In acht Tagen geht schon was weiter."


Experiment

Constantini: "Man gewinnt nicht mit dem System, sondern mit den Spielern." Constantini: "Man gewinnt nicht mit dem System, sondern mit den Spielern."Tatsächlich bewegen sich die fußballerischen Fortschritte der Nationalmannschaft in mikroskopisch geringen Dosen. Auch nach zwölf Partien der Ära Constantini fällt es noch schwer, eine eindeutige Linie zu erkennen. So strikt der Teamchef in der Causa Ivanschitz vorgegangen war, so flexibel ist er in der Zusammenstellung von Kadern und Formationen. Mit der Konsequenz, dass sich das Nationalteam immer noch in der Experimentierphase befindet. Aber für Constantini werden Taktik oder Spielsysteme ohnehin überbewertet. "Man gewinnt nicht mit dem System, sondern mit den Spielern", sagt er.

Eine Meinung, die vermutlich nicht jeder Branchenkollege mit dem österreichischen Teamchef teilt.

Unruhe

Teamchef Dietmar Constantini. Constantini: Zweckoptimismus?Warum Spieler wie Fuchs oder Dag bei ihren internationalen Vereinen zum hochgelobten Stammpersonal zählen, dann aber in der Nationalmannschaft nur ein Schatten ihrer selbst sind - auch dafür hat Constantini eine Erklärung parat. "Das Team ist eben eine andere Belastung. Wir haben im Moment die Leute nicht, die Ruhe ausstrahlen."

Das registrierten auch die Fans, die lange auf das Team pfiffen. Weshalb sich einige Spieler sofort nach dem Match in der Kabine verkrochen. "Ich verstehe, dass die Zuschauer nicht begeistert waren", sagt Constantini. Aber nicht ohne sofort wieder Positives zu finden. "Das ist eine super Truppe", schwärmt er, "von der Einstellung her. Sonst hätten wir nicht gewonnen."

Realitätsverweigerung? Zweckoptimismus? Gar Überzeugung?
Und über ihm, auf dem Hausdach, da dröhnte weiter die Sirene.

Letztes Update am 08.09.2010, 16:22

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Artikel vom 08.09.2010 15:00 | KURIER | Christoph Geiler | « zurück zu Fußball


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