Tarek Al-Wazir, MdL

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Hier geboren, hier zuhause!

 

Tarek Al-Wazir wurde als Kind eines jemenitischen Vaters und einer deutschen Mutter in Offenbach im Jahr 1971 geboren. In diesem Artikel beschreibt der Offenbacher Politiker seine persönlichen Erfahrungen mit dem deutschen Staatsangehörigkeitsrecht, mit dem Wahlkampf 1999 in Offenbach und wie diese Erfahrungen seine politische Arbeit beeinflussen.

Als ich am 03.Januar 1971 im Offenbacher Stadtkrankenhaus auf die Welt kam, galt in der Bundesrepublik Deutschland ein Staatsangehörigkeitsrecht, das noch vorsintflutlicher als das antiquierte Recht war, das mit dem 01.01.2000 endlich überwunden ist: Vom Territorialprinzip war 1971 noch nicht einmal eine Ahnung vorhanden, aber auch das damals geltende Abstammungsprinzip war ein sehr eingeschränktes. Deutscher ist, wer von Deutschen abstammt – allerdings nur, wenn der Deutsche ein Deutscher ist, eine Deutsche war nicht genug für die Ehre, Deutscher zu sein.

Der Pass, edelster Teil des Menschen...

Und so geschah mit mir das, was in dieser Zeit mit allen Kinder deutscher Mütter und ausländischer Väter geschah – ich war ein ",Ausländer", genauer gesagt, ein Bürger der Arabischen Republik Jemen ( Die ich übrigens erst zehn Jahre später zum ersten Mal betrat). Mir persönlich war das allerdings höchstwahrscheinlich erst einmal egal, ich hatte genug damit zu tun, mich an die Welt im allgemeinen und den Brutkasten, in dem ich lag, im besonderen zu gewöhnen, wie das nun einmal bei einem Säugling ist, der es zu allem Überfluß auch noch besonders eilig hatte, Offenbacher zu werden. Seit Bert Brecht wissen wir, dass der Pass der edelste Teil eines Menschen ist - aber vor den Pass hat die Bürokratie die Geburtsurkunde gesetzt. Meine Tante wurde beauftragt, beim Offenbacher Standesamt die Bescheinigung meiner Existenz in die Wege zu leiten, ein Unterfangen, das sich als schwieriger als gedacht erwies. Der wackere Beamte lehnte nämlich erst einmal die Ausstellung einer Geburtsurkunde auf den Namen "Tarek Al-Wazir" ab. Begründung: Aus dem Vornamen Tarek gehe nicht zweifelsfrei hervor, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handele, deswegen sei, falls die Eltern auf diesem Vornamen bestünden, ein zweiter Vorname unabweislich notwendig, aus dem das Geschlecht deutlich hervorgehen müsse. Und er machte meiner Tante auch noch gleich einen herrlichen Vorschlag: Meine Mutter sei ja Deutsche, ob denn nicht wenigstens als zweiter Vorname ein "Fritz" oder "Hans" in Frage käme? Erst nach telefonischer Rücksprache, der Weigerung meiner Eltern, einen Fritz oder Hans zu akzeptieren und dem Vorschlag, mir nach arabischer Sitte einfach den Vornamen meines Vaters, Mohamed, als Zweitnamen zu geben, war der Standesbeamte bereit, meine Existenz zu bescheinigen, und so folgt dem "Tarek" nur im jemenitischen Pass ein "Mohamed" und meine Geburtsurkunde und damit auch mein später erworbener deutscher Pass ist von einem Fritz oder Hans verschont geblieben – ach, welch gruselige Steinzeit des Einwanderungslandes Bundesrepublik.......

Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit

Mein erster "Pass" bestand dann aus einem mit Schreibmaschine geschriebenen DIN-A-4 Blatt mit angeheftetem Foto, ausgestellt von der jemenitischen Botschaft in Prag, wo mein Vater zu dieser Zeit studierte, (so viele Botschaften des Jemen gab es damals nicht, von den Schwierigkeiten des Abbruchs und der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehung wegen der Anerkennung Israels durch die Bundesrepublik ganz zu schweigen....), und wenn nicht Organisationen wie z.B. die IAF (Verband binationaler Familien und Partnerschaften) dafür gesorgt hätte, dass das Bundesverfassungsgericht endlich einen Musterfall zur Entscheidung bekam, dann könnte ich wahrscheinlich noch viel mehr Geschichten über Visa- und Einreisebestimmungen erzählen. Das Bundesverfassungsgericht erkannte aber, dass das damals geltende Staatsangehörigkeitsrecht eklatant dem Grundgesetzartikel 3 Absatz 2 widersprach ("Männer und Frauen sind gleichberechtigt"), eine wahrhaft bahnbrechende Erkenntnis, und so besitze ich seit dem 19. August 1975 eine "Urkunde über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Erklärung". Was ich im Alter von vier Jahren erklärt haben soll, wird mir ein ewiges Mysterium bleiben, aber, um mit Helmut Kohl zu sprechen: Wichtig ist, was hinten rauskommt, und das war nun einmal der deutsche Pass.

"Doppelstaatler" und bekennender Offenbacher

Und so wurde aus mir ein Mitglied der großen Gruppe, von deren Existenz die staunende Öffentlichkeit erst im Januar 1999 erfuhr: Die legalen Doppelstaatler. Mir persönlich war meine doppelte Staatsbürgerschaft eigentlich immer ziemlich egal, ich war vor allem immer zuerst einmal bekennender Offenbacher. Von 1975 bis 1985 hatte ich keinen gültigen jemenitischen Pass (Obwohl ich die Staatsbürgerschaft natürlich nie verloren habe), von 1985 bis 1987 lebte ich allerdings in Sana'a, und da war der Besitz von jemenitischen Dokumenten von Vorteil, weil sonst nicht nur bei jeder Einreise, sondern damals auch bei jeder Ausreise aus dem Jemen ein Visum nötig gewesen wäre. Denn entgegen landläufiger Meinung, nach der die Bundesrepublik Deutschland eines der Länder mit der weltweit höchsten bürokratischen Überregulierung sei gibt es durchaus bürokratische Apparate, die Deutschland mühelos in der Erfindung bürokratischer Notwendigkeiten überholen

Wahlkampf 1999 in meiner Heimatstadt

Meine doppelte Staatsbürgerschaft spielte weder bei mir noch bei anderen eine große Rolle, bis am 04. Januar 1999, einen Tag und 28 Jahre nach dem eingangs geschilderten Tag meiner Geburt, der CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble, getrieben vom Kämpfer gegen die "durchmischte und durchrasste Gesellschaft", Edmund Stoiber, den Beginn einer Unterschriftenkampagne der Unionsparteien gegen die von SPD und GRÜNEN geplante Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts ankündigte. Es begannen die bisher härtesten Wochen meines politischen Lebens. Nicht nur, weil diese Kampagne die letzten fünf Wochen des Landtagswahlkampfes in Hessen bestimmte, ein Wahlkampf, der für mich als dem für den Innen- und Rechtsbereich zuständigen Abgeordneten der GRÜNEN sowieso schon anstrengend genug war. Sondern weil über mich, gerade aufgrund meines persönlichen Hintergrundes, in dieser Zeit eine geradezu unglaubliche Welle von Anforderungen und Veranstaltungsanfragen hereinbrach. Zum allerersten Mal in meinem Leben wurde ich in meiner Heimatstadt von wutschnaubenden Rentnern, die gerade vom Unterschreiben am CDU-Stand kamen, mit der über den Marktplatz gebrüllten Frage behelligt, ob ich denn überhaupt "gedient" hätte. Und obwohl mir eine Antwort auf diese Frage leicht gefallen wäre (Ja, 15 Monate, vor allem beschäftigt mit Menschen im Alter der Fragesteller) wurde doch klar, dass die CDU mehr losgetreten hatte als nur eine Debatte über Sinn oder Unsinn von Paragrafen in einem Bundesgesetz. Wir bemühten uns in der verbleibenden Zeit bis zum 07.Februar 1999, dieser unglaublichen Welle von Gefühlen aus dem Bauch Argumente für den Kopf entgegenzusetzen – Das Ergebnis ist bekannt.

Was bleibt....

Und so bleiben mehrere Erkenntnisse. Erstens: Wenn wesentliche Teile der politischen Klasse in Deutschland bestimmte Hemmungen über Bord werfen und in der politischen Auseinandersetzung auf die Gefühle der Mehrheit gegenüber einer Minderheit setzen, dann kann selbst für die Initiatoren eine solche Aktion ein unkontrollierbares Eigenleben entwickeln. Zweitens: Notwendige Reformvorhaben, die für genau solche Instrumentalisierungen geeignet sind, müssen auch von einer Bundestagsmehrheit besser in die Gesellschaft hinein vermittelt werden. Drittens: Die maßgeblich von den GRÜNEN im Vorfeld der Bundestagswahl 1994 angeschobene Kampagne "Eine Million Unterschriften für die doppelte Staatsbürgerschaft" hätte besser "Eine Million Unterschriften für erleichterte Einbürgerung" geheißen.

 

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