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Das aktive Corps ist Mittelpunkt!

von Lerch Masoviae, Vorortsprecher des KSCV

Unter diesem Leitsatz führt die masurische Vorortmannschaft ihre Amtsgeschäfte und stellt damit den einzelnen CC, seine Aktivität, seine Impulskraft und Leistung in den Mittelpunkt der corpsstudentischen Aufmerksamkeit.

Aktuell bedeutet das zum Beispiel, daß der Vorort des KSCV gegenüber dem WSC die Rechtshoheit eines Kösener CC über seine eigenen Angelegenheiten verteidigt. Ein Weinheimer Corps hatte einen i.p. dimittierten ehemaligen Angehörigen eines Kösener Corps aufgenommen und gegen dessen Protest an dieser Entscheidung festgehalten. Begründet wurde dieser Schritt insbesondere mit der Erklärung, der Ausschlußgrund des Kösener Corps sei dem Weinheimer Corps nicht einleuchtend und werde deshalb nicht akzeptiert. Diese Handlung mit der sich das Weinheimer Corps die Position einer Berufungsinstanz über den rechtmäßig und verbindlich entscheidenden Kösener CC anmaßte, wurde dem Vorort des KSCV gemeldet.

Schon auf dem oKC des vergangenen Jahres stand der Fall auf der Tagesordnung, wurde aber noch nicht entschieden, um dem Vorort noch Gelegenheit zu geben, die Angelegenheit über die Kartellkommission zu klären. Diese Kommission, der je ein Vertreter von KSCV, VAC, WSC und WVAC angehört, hat bislang die in sie gesetzten Erwartungen leider nicht erfüllen können. Noch im Sommer stellte sie einstimmig fest, daß das Verhalten des Weinheimer Corps einen Verstoß gegen den Geist des Kartellvertrags zwischen den Kösener und Weinheimer Corpsverbänden darstelle. Trotz dieser Einhelligkeit in der Beurteilung des Sachverhalts scheiterte auf der jüngsten Sitzung der Kartellkommission im Januar dieses Jahres der von den Kösener Vertretern geforderte Ausschlußbeschluß am Widerstand der weinheimer Seite.

Der zahnlose Ersatzbeschluß, ein Strafverfahren gegen das betreffende Weinheimer Corps einzuleiten, erfüllt aus drei Gründen nicht die Erwartungen des KSCV: Erstens räumt noch nicht einmal die Weinheimer Seite diesem Verfahren ernste Erfolgschancen ein. Zweitens ist der Auftrag des letzten oKC an den Vorort, bis zum kommenden oKC 2006 Ergebnisse zu liefern und nicht bloß neue Verfahren anzukündigen. Drittens verfolgt dieser Beschluß nicht das eigentliche Ziel des KSCV, sich schützend vor eines seiner Mitgliedscorps zu stellen und die Anerkennung von dessen statusrechtlicher Entscheidung durchzusetzen. Solange der entlassene ehemalige Kösener Corpsstudent in den Reihen des WSC geduldet wird, ist dieses Ziel nicht erreicht und das Verhältnis der Verbände unverändert belastet.

Deshalb hat der Vorort des KSCV die Verfahrensmaschinerie der Kartellkommission verlassen, seinen Vertretungsauftrag wieder unmittelbar an sich genommen und über den Vorort des WSC das betreffende Weinheimer Corps aufgefordert, den betreffenden Herrn bis zum 1. April 2006, also rechtzeitig bis Antragschluß für den kommenden oKC, auszuschließen. Der Vorort des KSCV hofft auf ein Einschwenken des betreffenden Weinheimer Corps auf die Linie corpsstudentischer Gepflogenheiten und den Geist des Kartellvertrags, um so dem Kartellverhältnis der Corpsverbände auch weiterhin eine Perspektive zu geben.

Grundsätzlich hat dieses Verfahren erhebliche Mängel der Konstruktion des Kartellvertrags aufgedeckt, die unabhängig vom Ausgang dieses Vorfalls eine Überarbeitung dringend erforderlich machen. Der Vertrag ist überfrachtet mit Aufgaben für die Vororte und Erklärungen zu Wünschbarkeiten bezogen auf den Umgang zwischen Kösener und Weinheimer Corps, die hinter der Lebenswelt des einen SC weit zurückbleiben, die des nächsten wiederum völlig überfordern.

Klare Verkehrsregeln für den Umgang miteinander, wie zum Beispiel die Regelung gegenseitiger Anerkennung statusrechtlicher Entscheidungen oder eine Meldepflicht, die erst die erforderliche Transparenz für den Austausch von Corpsstudenten herstellen würde, fehlen hingegen. Nicht bewährt hat sich außerdem die Verflechtung von Aktiven- und Altherrenverbänden bei der Klärung eines Problems, das lediglich zwischen Aktiven besteht. Unterschiedliche Zeithorizonte von Aktivenund Altherrenhandeln lassen sich nicht leicht in Einklang bringen, wenn, wie im Fall einer beanstandeten Aufnahme, schnelles Handeln geboten ist. Maßnahmen gegen eine unechtmäßige Admission verlieren erheblich an Sinn, wenn sie erst nach der Inaktivierung oder Philistrierung durchgesetzt werden können. Außerdem sind solche Verfahrenslängen weder den Klagenden noch den Beklagten zuzumuten. Straffung und Präzisierung des Regelwerks, Beschränkung auf das Regelungsnotwendige, Entflechtung der Zuständigkeiten und Beschleunigung der Verfahrensweisen sind also Anforderungen, die an eine Überarbeitung des Kartellvertrags zu stellen sind. Im Rahmen der anstehenden Beratungen der Kartellkommission wird der Vorort des KSCV sich dafür einsetzen und entsprechende Anträge zum kommenden oKC vorbereiten.

FÜNF JAHRE CORPSSTUDENTENTUM IN POTSDAM.

Am 18. Januar 2001, dem dreihundertsten Jubiläum der Erhebung Preußens zum Königreich in Königsberg, nahm die Masovia-Königsberg ihren unabhängigen Aktivenbetrieb in der Schwesterresidenz Potsdam wieder auf. Masovia ist das ostpreußische Landescorps, das einzig noch bestehende Corps des Königsberger SC und die einzige Studentenverbindung in der alten Garnisons- aber jungen Universitätsstadt Potsdam.

Jedes Jahr im Januar feiern Masuren und zahlreiche weitere Corpsstudenten aus dem ganzen Dachverband diese Sitznahme eines Kösener Corps in der preußischen Residenzstadt. Das diesjährige „5. Potsdamer Residenzfest“ wurde mit Kommers, Festakt und Ball im Logenhaus des Holländischen Viertels der Potsdamer Altstadt begangen und neben vielen weiteren Gästen vom designierten Vorortsprecher Michelsburg Franconiae Jena, dem Vorsitzenden des VAC Kroll Sueviae München und dessen Stellvertreter Sigler Bavariae München besucht. Die Festrede hielt Professor Dr. Wolfgang Wippermann Hildeso-Guestphaliae, Vandaliae Rostock, Professor für Neuere Geschichte am Friedrich- Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin zum Thema „Was ist Preußentum?“: „So sehr Preußen zur deutschen Geschichte gehört und damit auch Teil unserer historischen und nationalen Identität ist, so sehr sind rechte und linke Ideologien des Preußentums zu kritisieren, weil sie undemokratisch und unhistorisch sind und kaum etwas zur politischen Kultur in einer und für eine Demokratie beitragen. Zwischen Geschichtsvergessenheit und Geschichtsverherrlichung ist ein Mittelweg zu wählen. Neben der preußischen und in großen Teilen antidemokratischen gibt es eine demokratische Tradition, die vom H u m a n i s - mus und Kosmopolitismus des ausgehenden 18. Jahrhunderts über Vormärz und Revolution von 1848 bis in die Bundesrepublik reicht. Neben schwarz-weiß gab es schwarz-rot-gold. Preußen ja, aber Preußentum nein! Geschichte ja, aber Ideologie nein! Nein zu schwarz-weiß und ja zu schwarz-rot-gold!“, sind die abschließenden Forderungen des richtungsweisenden Vortrags.

Im Anschluß an den Festakt fand auf gemeinsame Initiative von KSCV und VAC unter der wissenschaftlichen Leitung von Professor Wippermann die Arbeitstagung „Corps und Nationalsozialismus. Ziele, Wege und Werkzeuge zur Erforschung und Dokumentation der eigenen Corpsgeschichte“ statt. Auf dem kommenden Kösener Congress wird dieses Vorhaben einer breiteren corpsstudentischen Öffentlichkeit vorgestellt werden. Sein Ziel ist es, auch Corpsstudenten, die keine Fachhistoriker sind, Hilfsmittel an die Hand zu geben, die Geschichte des eigenen Corps zu erforschen. Eine gesammelte Dokumentation soll sich den Einzelforschungen anschließen.

Warum jetzt dieses Projekt? Sechzig Jahre nach Kriegsende haben zahlreiche gesellschaftliche Gruppen und Institutionen zu ihrem großen eigenen Nutzen ihre Geschichte in der Zeit zwischen 1933 und 1945 erforscht und damit die Voraussetzungen geschaffen, sich auf die unterstützenswerten Teile zu berufen und sich von den verwerflichen glaubhaft zu distanzieren. Es ist höchste Zeit, daß die Kösener Corps insgesamt sich diesen Dienst ebenfalls erweisen und sich selbst, ihrem Nachwuchs sowie interessierten und kritischen Außenstehenden die Frage nach ihrer Rolle und der ihrer Angehörigen in der Zeit des Nationalsozialismus beantworten. Nur der, der um seine Fehler und sein Versagen weiß, kann sich auch glaubhaft seiner Aufrichtigkeit berühmen. Konkret: Wer sich als Corpsstudent zum Beispiel mit Widerstandskämpfern schmücken will, muß um Verantwortliche des NS-Regimes in den eigenen Reihen wissen und sie auch benennen können. Dabei gilt es, in zwei Fallen nicht hineinzulaufen: Erstens dürfen nicht aus der bequemen Perspektive des Nachgeborenen die Leistungen oder Fehlleistungen damals Handelnder mit moralischer Überheblichkeit abgeurteilt werden. Wer könnte heute schon mit Sicherheit sagen, wie er sich unter den damaligen Umständen verhalten hätte?

Zweitens darf diese Zurückhaltung vor dem Urteil über den Menschen nicht zu einer Verweigerung eines eindeutigen Urteils über die Tat führen. Auf absehbare Zeit bleibt die Erinnerung und Deutung der Zeit des Nationalsozialismus wesentliche Quelle überparteilicher politischer Integration und gesellschaftlicher Selbstdeutung – nicht nur in Deutschland. Die Corps machen da keine Ausnahme. Im Gegenteil; als Gemeinschaften, die ihr Selbstverständnis zum Großteil auf die Pflege und Weitergabe ihrer Tradition und Geschichte gründen, sind sie besonders gefordert, ihre eigene Vergangenheit vollständig zu durchschauen und beurteilen zu können. Die corpsstudentische Idee war immer Teil der bürgerlich-humanistischen Aufklärung gewesen. Dies läßt sich um so klarer darstellen, je unbefangener Corps auch über diejenigen berichten, die diesem Anspruch nicht gerecht wurden.

An dieser Stelle sei noch auf eine Förderung hingewiesen, die der KSCV zur Zeit die Ehre hat, unternehmen zu dürfen. Im kommenden Jahr gibt Herr Professor Dr. Julius H. Schoeps, Leiter des Moses-Mendelssohn- Zentrums in Potsdam, mit der „Bibliothek Verbrannter Bücher“ mit 350 Titeln den Großteil der von Nationalsozialisten verfemten und im Frühjahr 1933 in deutschen Universitätsstädten verbrannten Werke der deutschen Literatur in einer geschlossenen Sammlung heraus. Der KSCV freut sich, die erste Bestellung für diese Reihe abgegeben zu haben. Studenten haben diese geistigen Schätze damals ins Feuer geworfen, Kösener Corpsstudenten sind nun die ersten, die sie wieder in ihren Bücherschrank einstellen.

Corps gehen nicht deckungsgleich in jeglicher Form bürgerlicher Liberalität auf, sind aber immer ein besonders tief verwurzelter und pointierter Teil dieser gesellschaftlichen Formation. Dafür gilt es beharrlich einzutreten und dies immer wieder mit Geduld deutlich zu machen, sei es gegenüber ideologisch motivierten Anfeindungen, sei es innerhalb von Lebenswelten, die noch auf lange Zeit die Folgen einer Jahrzehnte währenden Entbürgerlichung zu bewältigen haben. Diese Aufgabe, ein Dienst an unserer ganzen Gesellschaft, ist eine ständige Aufgabe aller Corpsstudenten.

 




Teilnehmer der Arbeitstagung in Potsdam zu Corps und Nationalsozialismus. Am Tisch links (v.l.n.r.): Professor Dr. Wolfgang Wippermann Hildeso-Guestphaliae, Vandaliae Rostock; Vorortsprecher Lerch Masoviae und der stellvertretende VAC-Vorsitzende Sigler Bavariae München. Foto: Schur.

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