Leitlinien von BVA und DOG
Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA)
Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft e.V. (DOG)
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Leitlinie Nr. 26 b
Nichtparetisches Schielen (1)
Leitlinien sind Orientierungshilfen im Sinne von "Handlungs- und
Entscheidungskorridoren", von denen in begründeten Fällen abgewichen
werden kann oder sogar muss. Sie beschreiben, was Augenärzte für
eine angemessene Patientenversorgung in der Praxis für geboten halten.
Dies entspricht in vielen Fällen nicht dem Leistungsniveau der
gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland (siehe
Präambel).
Definition
Nicht durch eine Parese verursachter Stellungsfehler der Augen zueinander, bei
dem die Fixierlinie nur eines Auges auf den Fixationspunkt gerichtet ist.
Unterschieden werden u.a.:
- Heterophorie oder latentes Schielen
- Heterotropie oder manifestes Schielen
Bei Heterotropien gibt es Formen mit normaler Sensorik (z.B. normosensorisches
Spätschielen, intermittierende Exotropie), mit eingeschränktem
Binokularsehen (z.B. Mikrostrabismus) und mit fehlenden Binokularfunktionen.
Schielformen mit gestörter Sensorik neigen zur Amblyopie.
Epidemiologie
- Schielhäufigkeit in Mitteleuropa ca. 6 %
- Einwärtsschielen 4- bis 5-mal häufiger als
Auswärtsschielen
- Amblyopie bei ca. 60 % der Schielerkrankungen, wenn der Schielbeginn vor
dem 5. Lebensjahr liegt
Risikofaktoren
- familiäre Belastung
- Frühgeburt
- perinatale Komplikationen
Ziel
- Verhütung und Beseitigung einer Schielamblyopie (siehe
Leitlinie Nr. 26 a)
- Verbesserung des Binokularsehens
- Beseitigung binokular bedingter Beschwerden
- Beseitigung einer binokular bedingten Kopffehlhaltung
- Normalisierung temporaler Außengrenzen des binokularen
Gesichtsfeldes bei Esotropie
- Beseitigung psychosozialer Benachteiligung
Vorgehen
Notwendig:
bei Folgeuntersuchungen:
- Anamnese (meist Fremdanamnese) u.a.
- Therapiecompliance (Brille, Okklusion) ?
- zwischenzeitliche Erkrankungen ?
- Inspektion der Augen und ihrer Adnexe
- Prüfung von Stellung und Beweglichkeit der Augen
- Überprüfung von Fixation, monokulares Abdecken
- Überprüfung des Schielwinkels (mit Korrektur, wenn vorhanden)
- Überprüfung des Führungsverhaltens
- altersgemäße Bestimmung der Sehschärfe / Prüfung
auf Trennschwierigkeiten mit Reihen-Sehzeichen (z.B. C-Test für die
Nähe und Ferne) (ggf. mit bekannter Korrektur), ggf. Ausmessen und
Kontrolle vorhandener Sehhilfen
- Dokumentation
- Befundbesprechung und Beratung
Im Einzelfall erforderlich:
Bei Erstuntersuchung bzw. bei Kindern bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, die
nach einem Intervall von 6 Monaten, oder älteren Kindern bis zum 14.
Lebensjahr, die nach einem Intervall von 12 Monaten untersucht werden:
- Anamnese bei Erstuntersuchung (meist Fremdanamnese)
- familiäre Belastung ?
- perinatale Probleme ?
- Entwicklungsverzögerung ?
- Schielbeginn (welches Auge ? Konstanz ? Schielrichtung ?)
- Begleitsymptome bei Beginn (z.B. Zukneifen eines Auges) ?
- Kopffehlhaltung (immer ? beim Fixieren ?)
- Verdacht auf Sehschwäche ?
- bisherige Behandlung ?
- weitere Untersuchung der altersentsprechenden Basisdiagnostik (siehe
Leitlinien Nr. 2 - 4)
- Prüfung auf afferente/efferente Pupillenstörung
- einseitiger/alternierender Abdecktest, Aufdecktest, Brücknertest
(ergänzend bzw. ersatzweise Prüfung der Hornhautreflexbilder
nach Hirschberg)
- Beobachtung spontan eingenommener Kopfhaltung unter Visusanforderung
- Untersuchung der Motilität in 9 Blickrichtungen
- Prüfung der sensorischen Binokularfunktionen, einschließlich
Stereopsis (z.B. Lang-Test, Titmus-Test, TNO-Test)
- Schielwinkelmessung mit Korrektur (ggf. auch ohne Korrektur oder mit
Nahzusatz)
- objektive Refraktionsbestimmung mindestens jährlich in Zykloplegie
(mit altersgemäßer Methodik)
- Untersuchung des Augenhintergrundes und ophthalmoskopische
Fixationsprüfung mindestens anläßlich der Untersuchung in
Zykloplegie
- Kommunikation mit dem Kinder-/Hausarzt (zumindest bei Erstuntersuchung
und wesentlicher Befundänderung)
Bei Sonderfällen:
- diagnostische Okklusion z.B. bei Asthenopie, Heterophorie oder
Kopffehlhaltung
- binokularer Visus in Kopfgeradehaltung und Kopffehlhaltung
- Untersuchung auf Spontandiplopie zur Abgrenzung von paretischen
Schielformen
- weitergehende Diagnostik des motorischen und sensorischen Verhaltens
(z.B. Korrespondenzprüfung, haploskopische Untersuchung, ggf.
Nystagmographie)
- bei (latentem) Nystagmus
- monokulare Sehschärfenprüfung unter Vernebelung des
nichtfixierenden Auges
- zusätzlich binokulare Sehschärfenprüfung
Therapie
- Refraktionsausgleich bei Ametropie (siehe
Leitlinie Nr. 26 a)
- Amblyopiebehandlung (siehe
Leitlinie Nr. 26 a)
- Stellungskorrektion in der Regel nach Beseitigung oder Verminderung der
Amblyopie und unter Ametropieausgleich (siehe
Leitlinie Nr. 26 a)
-
operativ
- bei normosensorischem Spätschielen möglichst bald nach
Diagnosestellung
- ansonsten in der Regel im Vorschulalter unter
Berücksichtigung funktioneller und psychosozialer Kriterien
-
prismatisch
- präoperativ als prolongierter Prismenadaptationstest
- postoperativ ggf. zur Besserung der Binokularfunktionen
- als Dauerbehandlung bei Heterophorie mit bis zu maximal je 6,0
pdpt
-
Mehrstärkenbrille
- bei akkommodativem Konvergenzexzeß Bifokalbrille
- bei hypoakkomodativem Konvergenzexzeß Gleitsichtbrille als
Dauerlösung
- Fusionsübungen ggf. bei dekompensierender Heterophorie, vor allem
bei juveniler Nahexophorie
Ambulant/Stationär
- ambulant
- Operationen ggf. stationär
Kontrollintervalle
- bei Erstverordnung einer Sehhilfe spätestens nach vier bis sechs
Wochen Kontrolle von Sehschärfe und Brille
- ansonsten in Abhängigkeit von Lebensalter, Befund und Therapie
(1)
Kaufmann, H.:
"Strabismus",
Enke Verlag, Stuttgart, 1995, 2. Auflage
© 1998 BVA, alle Rechte vorbehalten
Zum Verständnis der Leitlinie: siehe Präambel
Letzte Durchsicht und Aktualisierung: 20.12.1998
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