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Als am 2. Mai 1945 die letzten deutschen Soldaten in Berlin kapitulierten,
war die Stadt ein Trümmerhaufen. Nach jahrelangen Bombenangriffen
war Berlin in zehntägigem Häuserkampf erobert worden.
70000 Menschen waren in diesen Kämpfen getötet worden.
Die zwei Millionen Bewohner Berlins, von denen noch viele unter
marodierenden Soldaten zu leiden hatten, zweifelten in diesen
Tag den mit guten Gründen an ihren Überlebenschancen.
Dann passierte, was niemand erwartet hatte. Noch während
im Zentrum Berlins die Kämpfe tobten, begann der sowjetische
Stadtkommandant, das Überleben und den Aufbau zivilen Lebens
zu organisieren: knappe, aber ausreichende Lebensmittelversorgung,
Krankenversorgung und Hygienevorsorge, Instandsetzung von Wasserversorgung,
Kanalisation, Strom- und Gasversorgung, Inbetriebnahme der Verkehrsmittel;
dazu aber auch Aufbau einer neuen Kommunalverwaltung, Stimulierung
des Handels, Vorbereitung des Schulunterrichts, Öffnung der
Kirchen und schon im Mai der Beginn der Kulturarbeit, die am 2.
Mai niemand für möglich gehalten hätte. Am 26.
Mai gaben die Berliner Philharmoniker ihr erstes Konzert.
Die Rückkehr der Menschen vom Schlachtfeld Berlin zum Leben
in der Trümmerstadt Berlin organisierte ein Mann, der sein
Leben seit dem vierzehnten Lebensjahr nur im Krieg und in der
Kaserne verbracht hatte. Nikolaj Bersarin, 1904 in einer Arbeiterfamilie
in St. Petersburg geboren, trat 1918, nach dem Tod beider Eltern,
in die Rote Armee ein und blieb dort auch nach dem Ende des Bürgerkriegs.
Sibirien wurde seine zweite Heimat, zwischen den Schulbänken
ständiger Fortbildung und immer neuen Kriegseinsätzen
machte er eine bemerkenswerte Militärkarriere. 1938 stand
in den Stalinschen Säuberungen sein Leben auf Messers Schneide.
1941, bei Kriegsbeginn, befehligte er eine Armee in Lettland,
sein Weg führte von dort zurück bis nach Moskau und
im Verlauf mehrerer Jahre dann bis nach Berlin.
Nach dem frühen Unfalltod im Juni 1945 schienen seine Verdienste
bei Kommunisten wie bei Konservativen unbestritten, aber der Kalte
Krieg formte dann auch die Erinnerung auf beiden Seiten. Nicht
nur unbegründete Beschuldigungen über angebliche Beteiligungen
Bersarins an Verbrechen, auch die Vermittlung der Erinnerung über
die Rituale sozialistischer Heldenverehrung trug dazu bei, dass
nach dem Ende des Kalten Krieges Nikolaj Bersarin aus der Liste
der Berliner Ehrenbürger gestrichen wurde und sein Name fast
völlig aus dem Berliner Stadtbild verschwand.
Inzwischen wurde nach einer langen Diskussion, nicht zuletzt durch
diese Ausstellung angeregt, im März 2003 Nikolaj Bersarin
die Ehrenbürgerwürde zurückgegeben.
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