Glossar

Gottesgnadentum

Das Gottesgnadentum bezeichnet ein Herrschaftssystem, bei dem der Herrscher als direkt von Gott eingesetzt gilt, ohne selbst von göttlichem Wesen oder Geblüt zu sein. Die theoretische Grundlage für das christliche Gottesgnadentum lieferte der Apostel Paulus, als er feststellte, dass jede Obrigkeit von Gott sei und daher in seinem Auftrag walte (Röm. 13, 1 u. 4).

Wenngleich in der Formel „Dei gratia“, die schon von den Merowingerkönigen geführt wurde, bereits die Idee des Gottesgnadentums ihren Ausdruck findet, so ist der Gebrauch des Begriffs erst ab den Karolingern gerechtfertigt. Denn für die Legitimation der Dynastie der Merowinger dürfte die in vorchristlicher Zeit entwickelte, heidnisch geprägte Vorstellung vom germanischen Königsheil noch eine zentrale Rolle gespielt haben. Durch das von Papst Zacharias getroffene Urteil, nach Gottes Ordnung solle sich nur derjenige König nennen dürfen, der die tatsächliche Macht habe, erfuhr das fränkische Königtum eine stärkere christlich-sakrale Prägung. Die anschließende Salbung Pippins war der zentrale Legitimationsakt, und das Königsheil trat als Legitimationsgrundlage fortan in den Hintergrund.

Die dem Gottesgnadentum zugrundeliegende Vorstellung, der Herrscher sei direkt von Gott über seine Untertanen gesetzt worden, führte insbesondere bei den Saliern und Staufern zum Postulat der Eigenständigkeit des weltlichen Herrschers gegenüber der Kurie. Begründet wurde diese Eigenständigkeit mittels der Zweigewaltenlehre

Literatur: 
- Steffen Schlinker, Dietmar Willoweit, Artikel: Gottesgnadentum, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Band 4, Freiburg etc. 1995, Sp. 917-919.
- Hans Hubert Anton, Artikel: Gottesgnadentum, in: Lexikon des Mittelalters, Band 4, München 1999, Sp. 1592-1593.
- Heinrich Fichtenau, Dei gratia und Königssalbung, in: Reinhard Härtel (Hg.), Geschichte und ihre Quellen. Festschrift für Friedrich Hausmann, Graz 1987, S. 25-35.
- Jack Autrey Dabbs, Dei gratia in Royal Titles, Studies in European History 22, La Hague 1971.

Quelle:
- Römerbrief des Paulus

(Björn Riecken)