Terraforming - Wie man einen Planeten bewohnbar macht

von Christoph Kulmann
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First heat your planet by at least 60°C.
Then use sunlight to remove carbon dioxide.
Wait 100,000 years and add humans.
New Scientist, 1997




Schon seit längerem geistert eine Idee durch die Köpfe einiger Planetologen, Raumfahrtingenieure und Weltraumfans. Eine gigantische Vision. Das Konzept heißt Terraforming - Die Schaffung einer erdähnlichen Umwelt auf einem anderen Planeten. Der beste Kandidat für dieses gewagte Unternehmen ist Mars. Zahlreiche Philosophen jedoch sehen in der gesamten Idee den Mars umzuwandeln ein beispielloses Umweltverbrechen.
Aus dem einst beliebten Science-Fictionthema ist heute ein ernsthafter Forschungsgegenstand gweorden. Ende 1997 gab die NASA sogar eine eigene Terraformingkonferenz mit über 100 Teilnehmern. Und so erstaunlich es auch klingen mag: Es scheint tatsächlich möglich zu sein den kalten, trockenen Wüstenplaneten in eine etwas freundlichere Welt zu verwandeln. Die grundlegenden Technologien dafür sind zumindest in Ansätzen bekannt, und in einem sehr viel kleineren Maßstab werden ähnliche Veränderungen bereits auf der Erde vollzogen. Der von Menschen ausgelöste Temperaturanstieg ist bereits eine unfreiwillige Umformung unseres Heimatplaneten. Mit etwas intelligenterer Lenkung könnte man mit sehr ähnlichen Verfahren auf dem Mars sogar etwas Gutes bewirken.
Es wird einige vielleicht erstaunen, daß wir keine nennenswerten Mengen an flüchtigen Verbindungen auf den Mars importieren können. Dies wird jedoch sofort deutlich wenn man sieht, daß für einen Druck von 1 bar die gewaltige Masse von 4*1015 Tonnen Gas nötig ist. Das Space Shuttle kann gerade mal 40 Tonnen in eine niedrige Umlaufbahn befördern und selbst zukünftige Transporter sind bisher für maximal 140 Tonnen geplant. Ein derartiges Vorhaben wäre einfach nicht durchführbar.
Auch die Möglichkeit, große Asteroiden oder Kometen auf Kollisionskurs mit Mars zu bringen, ist nicht besonders realistisch. Für eine 1 bar-Atmosphäre bräuchte man nämlich 1 Million Kometen mit einem Durchmesser von 1 km.
Das was wir realischerweise ändern könnten, sind aber die allgemeinen Umwelteigenschaften des Planeten: Die Verteilung der gasförmigen Stoffe, Oberflächentemperatur und -druck, die Zusammensetzung und Lichtdurchlässigkeit, der Atmosphäre, Albedo, Niederschlag und Bodenfeuchtigkeit.
 


Mars in seinem heutigen Gewand: Eine tote, rostige Staubwüste

Schon nach 500 Jahren künstlicher Erwärmung sammeln sich die ersten flachen Gewässer, die Luft wird feuchter und dichter.

10.000 Jahre später haben die Meere ihr volles Volumen erreicht, und irdische Pflanzen sprießen auf dem Roten Planeten.

Trotz aller Bemühungen bleibt es auf dem Mars immer noch einige Grad kühler als auf der Erde - selbst in Äquatornähe wird der Winter bitterkalt sein.

1.1 Allgemeine Bewohnbarkeit

Die Rotationsrate des Mars ist mit etwas mehr als 24 Stunden fast identisch mit der irdischen Umdrehung. Auch die Schwerkraft (0,39g) würde vermutlich für eine langfristige biologische Anpassung ausreichen. Da der Planet 1,52mal weiter von der Sonne entfernt ist als die Erde, bekommt er nur 43% des irdischen Sonnenlichts. Das ist aber immer noch viel mehr als für die Photosysnthese gebraucht wird, also wird das Licht selbst kein begrenzender Faktor sein.
Eine der wichtigsten Eigenschaften eines bewohnbaren Planeten ist seine durchschnittliche Oberflächentemperatur. Auf der Erde herrschen heute 15°C, auf dem Mars dagegen -60°C. Jeder bewohnbare Planet muß auf seiner Oberfläche flüssiges Wasser aufweisen, darum muß die Temperatur zwischen 0°C und 30°C liegen. Die Untergrenze wird durch den Gefrierpunkt des Wassers vorgegeben, die Obergrenze ist hier eher willkürlich gewählt, aber wegen der Eiseskälte auf dem Mars ist sie auch relativ bedeutungslos.

1.1.1 Pflanzen

Zuerst wollen wir uns mal eine Welt für Pflanzen und Mikroorganismen ansehen, deren Schaffung man auch als Ökopoese bezeichnet. Der CO2-Druck der Erde (0,35mbar) ist immerhin niedrig genug, um viele Pflanzen (vor allem C3-Pflanzen) in ihrer Photosysntheseleistung zu beschränken. C3-Pflanzen können sogar bei 35 - 45 ppm CO2 keine gewinnbringende Photosysnthese mehr betreiben. C4-Pflanzen dagegen können sogar noch bei verschwindend geringen CO2-Konzentrationen einen Nettogewinn erzielen. Im allgemeinen gilt jedoch, daß die Photosynthese bei Partialdrücken unter 0,25 mbar deutlich gehemmt wird. Deshalb gehen wir hier von 0,15 mbar als absolute Untergrenze aus. Nach oben hin ist alles offen, obwohl sich einige Arten bei hohen Konzetrationen nicht mehr so wohl fühlen. Manche Algen gedeihen jedoch am besten in reinem CO2.
Sauerstoff wird von anaeroben Mikroorganismen nicht benötigt, wohl aber von Pflanzen für die Atmung in den Mitochondrien. Pflanzen bevorzugen dabei Konzentrationen weit unterhalb des heutigen Wertes. Die Anforderungen variieren dabei von Art zu Art, aber allgemein steigt die Photosysntheseleistung, je weiter die Sauerstoffkonzentration sinkt, bis hinunter zu 20 mbar, wo sich dann Störungen inm Stoffwechsel bemerkbar machen. Es wäre sogar möglich, Pflanzen so weit anzupassen, daß sie auch noch einen O2-Druck von 1 mbar verkraften, denn das mitochondriale Enzym, das den Sauerstoff benötigt, hat dafür so eine starke Bindungskraft, daß es sogar noch bei 0,1 mbar O2 funktioniert.
Stickstoff dagegen wird von allen Organismen benötigt und der N2-Gehalt der Luft muß hoch genug sein, damit Bakterien das Gas in Form von Nitraten und Nitriten fixieren können. Diese Fixierung scheint aber auch nöch bei Drücken von 10 mbar oder noch weniger zu funktionieren.
Pflanzen und Bakterien können Gesamtdrücke von weit unter 1 bar tolerieren. Zusätzlich zu ein paar mbar N2 und O2 sowie 0,15 mbar CO2 muß die Atmosphäre nur noch dem Dampfdruck des Wassers standhalten können (6,1 mbar bei 0°C). Ein Druck von 10 mbar wäre also genug, damit irdische Pflanzen und Bakterien auf dem Mars überleben können.
Zusätzlich zur richtigen Atmosphäre muß aber auch eine große Menge flüssiges Wasser vorhanden sein. Einerseits ist Wasser die absolute Grundvoraussetzung für jedes Leben und ist mit seiner hohen Wärmekapazität ein idealer Klimastabilisator. Andererseits muß Kohlenstoff in Form von organischem Material im Wasser versenkt werden, damit überhaupt eine spürbare Menge an Sauerstoff freigesetzt werden kann. Auch sind die hydrodynamischen Kreisläufe auf einem Planeten entscheidend für die langfristige Bewohnbarkeit.

1.1.2 Menschen

Die Schaffung einer künstlichen Welt, in der Menschn überleben können, ist das eigentliche Terraforming. Der unterste von Menschen gerade noch verkraftete O2-Partialdruck beträgt 130 mbar. Die genaue Gasmischung und der Gesamtdruck sind dabei relativ unerheblich. Steigt der O2-Druck jedoch über den heutigen Meereshöhendruck (210 mbar), machen sich langsam die Effekte der Sauerstoffvergiftung bemerkbar. Schon nach einer geringfügigen Überschreitung dieses Drucks lassen sich schon nach 200 Stunden die ersten Anzeichen beobachten. Bei 500 mbar treten schon nach 24 Stunden Probleme auf. Die Obergrenze des O2-Partialdrucks scheint also wirklich bei den heutigen 210 mbar zu liegen. Aber auch 345 mbar scheinen zumindest kurzfristig noch verkraftet zu werden (wie bei den Apollo-Missionen).
Das andere Problem mit Sauerstoff ist extreme Brandgefahr bei hohen Partialdrücken. Deshalb sollte man die realistische Obergrenze bei ungefähr 300 mbar ansiedeln.
CO2 wird für das Blut von Menschen und Tieren giftig, wenn der Partialdruck 10 mbar übersteigt. Der heutige CO2-Druck des Mars liegt knapp darunter.
Damit eine Atmosphäre auch zum Atmen geeignet ist, muß noch ein Puffergas vorhanden sein, um spontane Verbrennung und die Giftwirkung des Sauerstoffs zu verhindern. Auf der Erde ist Stickstoff dieser Puffer. Es hätte aber auch anders kommen können. Das Sonnensystem enthält viel mehr Helium und Neon als Stickstoff, und auch Argon, Krypton und Xenon wären als Puffergase geeignet, kommen aber seltener vor als Stickstoff. Die Vorräte dieser Edelgase auf dem Mars sind aber so klein, daß man sie als Puffer vernachlässigen kann. Andere Gase wie H2, F2 oder Cl2, die man dort herstellen könnte, sind entweder explosiv oder giftig. CO2 scheidet wegen seiner Giftigkeit bei mehr als 10 mbar ebenfalls aus. Weitere komplexe Gase wie CH4, H2O, CO, HCN, Halogenverbindungen oder SF6 sind ebenfalls nicht in ausreichenden Mengen verfügbar, um einen Druck von mehreren 100 mbar aufzubauen. Es bleibt also Stickstoff als einziges Puffergas übrig. Der Stickstoff der Marsatmosphäre ist jedoch viel zu wenig um eine atembare Gashülle bilden zu können. Der Boden könnte jedoch feste Sticktoffquellen wie Nitrite oder Nitrate enthalten.
Bei 37°C, der Körpertemperatur eines Menschen, beträgt der Dampfdruck des Wassers ca. 60 mbar, was auch dem Partialdruck des Wasserdampfes in unseren Lungen entspricht. Zusammen mit dem CO2-Druck und dem Sauerstoffdruck (130 mbar) der menschlichen Lunge ergibt sich eine feste Untergrenze des Umgebungsdrucks einer reinen Sauerstoffatmosphäre von 250 mbar. Bei noch niedrigeren Drücken können Menschen und warmblütige Tiere nur in Schutzanzügen überleben. Für erdähnliche Luftgemische kann man die Untergrenze abschätzen, wenn man das Leben von Menschen in hohen Gebirgslagen berücksichtigt. Eine langfristige Anpassung an Höhen von 5.000 bis 6.000 m (500 mbar) ist grundsätzlich möglich, während Höhen unter 3.000 m (700 mbar) überhaupt keine spürbaren Auswirkungen haben. Trotzdem ist eine gewisse Masse der Luftsäule nötig, um uns vor kosmischer Strahlung und dem Sonnenlicht zu schützen. Wegen der geringeren Schwerkraft des Mars hätte eine Atmosphäre mit einem Druck von 390 bar dort dieselbe Säulenmasse wie die irdische Luft.
500 mbar sollte also die Untergrenze für ein luftähnliches Gasgemisch sein. Davon entfallen 300 mbar auf das Puffergas und 200 mbar auf den Sauerstoff. Die Obergrenze für den Druck liegt bei 5 bar. Ab dann bekommt der Stickstoff nämlich eine narkotisierende und giftige Wirkung, was für eine Kolonie etwas unpraktisch wäre.
In Tabelle 7 sind zwei völlig verschiedene Biosphären für den Mars aufgeführt: Erstens die Ökopoese für Pflanzen und zweitens das Terraforming für Menschen und Tiere.

Die Grenzen der Bewohnbarkeit (McKay et. al. 1991)
 

Parameter 

Grenzen 

Bemerkungen 

Globale Temperatur 0 - 30°C Erdtemperatur 15°C

Nur Pflanzen 

Gesamtdruck > 10 mbar Wasserdampfdruck + O2, N2, CO2
Kohlendioxid > 0,15 mbar Untergrenze der Photosynthese; keine klare Obergrenze
Stickstoff > 1 - 10 mbar Stickstoffixierung
Sauerstoff > 1 mbar Pflanzliche Atmung

Menschen 

Gesamtdruck reines O2 > 250 mbar Wasserdampfdruck in der Lunge + CO2, O2
Normales Luftgemisch > 500 mbar 

< 5.000 mbar 

Obergrenze in Gebirgen 

Stickstoffnarkose 

Kohlendioxid < 10 mbar Begrenzt durch CO2-Vergiftung
Stickstoff > 300 mbar Pufferwirkung
Sauerstoff > 130 mbar 

< 300 mbar 

Untergrenze durch Atemnot 

Obergrenze durch Brandgefahr 

1.2 Wäre das überhaupt möglich?

Nachdem wir nun die genauen Umweltbedingungen aufgestellt haben, die der Mars für eine Besiedlung erfüllen muß, wollen wir uns nun einmal ansehen, ob der Mars überhaupt grundsätzlich auf diese Bedingungen gebracht werden kann..

1.2.1 Pflanzen

Zuerst schauen wir uns eine für Pflanzen geeignete CO2-Atmosphäre an. Die Menge an Kohlendioxid wird dabei eher von den Temperaturbedürfnissen der Pflanzen als von ihrer Physiologie bestimmt. Mehrere aktuelle Klimamodelle liefern dafür ganz gute Schätzwerte. Demnach muß der CO2-Druck knapp über 2 bar liegen, um die Oberflächentemperatur dauerhaft über dem Gefrierpunkt zu halten. Natürlich kann auch heute die Mittagstemperatur am Marsäquator über 0°C liegen, aber nachts geht es dann wieder runter auf -60°C. Wenn man diese lebensfeindlichen Schwankungen verringern und den Mars dauerhaft warm haben möchte, braucht man diesen enormen CO2-Druck.
Sauerstoff ist in der heutigen Marsatmosphäre zwar nur zu 0,13% vertreten, wird aber durch photochemische Effekte ständig nachgeliefert. Zudem gibt es auf dem Mars keine nennenswerte vulkanische Aktivität. Es fehlen also reduzierte Vulkangase, die den Sauerstoff binden könnten. Außerdem ist der Marsboden stark oxidierend und ist deshalb wohl eher eine Quelle als eine Senke für Sauerstoff. Selbst ohne biologische Aktivität kann die O2-Konzentration relativ hohe Werte erreichen. Wenn die Gasmischung dieselbe bleibt, aber der Druck auf 2 bar angehoben wird, läge der O2-Druck bei 2,5 mbar, was Pflanzen genügen würde. Noch höhere O2-Drücke würden sich natürlich als Ergebnis der Photosynthese einstellen.
Etwas kritischer dagegen wird die Versorgung mit Stickstoff. Um genügend Stickstoff für die Fixierung und Produktion von Biomasse bereitzustellen, muß der jetzige N2-Partialdruck von 0,3 mbar auf mehrere mbar angehoben werden. Es ist aber noch völlig offen, ob der Marsboden überhaupt die dafür nötige Menge an Stickstoff enthält. Falls doch, dann könnte eine CO2-Atmosphäre von 1 - 3 bar aus dem Mars einen Planeten machen, auf dem sich Pflanzen durchaus wohlfühlen können.

1.2.2 Menschen

Eine für Menschen halbwegs erträgliche Atmosphäre sieht dagegen etwas anders aus: 200 mbar Sauerstoff, 790 mbar Stickstoff, 10 mbar Kohlendioxid und etwas Wasserdampf. Auf der Erde würde solch eine Gasmischung die Temperatur drastisch erhöhen, da die CO2-Konzentration 30mal höher wäre als heute.
Wenn man diese Atmosphäre jedoch auf den Mars überträgt, liegt das Temperaturgleichgewicht bei -55°C! Dieser überraschende Frost läßt sich damit erklären, daß der Mars viel weiter von der Sonne entfernt ist als die Erde und deshalb auch weniger Wärme erhält. Und diese erdähnliche Atmosphäre ist sehr durchlässig für Wärmestrahlung. Sollte man also dieses Gasgemisch auf dem Mars einrichten und die Temperatur auf 15°C setzen, dann verliert der Planet viel mehr Wärme als die Sonne ihm nachliefern kann, bis schließlich klirrende -55°C erreicht sind. Nur weil die Erde der Sonne so nahe ist kommt sie mit solch einer wärmedurchlässigen Atmosphäre aus. Auf dem Mars müßte man die Atmosphäre für Infrarotstrahlung erheblich undurchlässiger machen, um ein Gleichgewicht oberhalb des Gefrierpunktes zu erreichen.
Um das zu verstehen muß man wissen, daß der Treibhauseffekt auf dem Mars heute nur für eine Erwärmung um 6°C sorgt. Die Zugabe von Stickstoff und Sauerstoff, die kein Infrarot absorbieren können, verbreitert zwar die Kohlendioxidlinien und erhöht den Treibhauseffekt, aber nur minimal. Der Treibhauseffekt der Erde dagegen macht 33°C aus, trotz der viel geringeren CO2-Konzentration. Grund dafür ist die viel höhere Konzentration von Wasserdampf in der Erdatmosphäre, der ein sehr viel besseres Treibhausgas ist als CO2. Wenn der Mars wärmer wird, dann erhöht sich zwar auch dort der Gehalt an Wasserdampf in der Luft und der Treibhauseffekt nimmt zu. Dennoch wäre er mit einer erdähnlichen Atmosphäre immer noch viel zu kalt.

1.3 Der galoppierende Treibhauseffekt

Schon frühere Diskussionen um die Erwärmung des Roten Planeten drehten sich um einen sich selbst verstärkenden Effekt, der auf einer Rückkopplung der CO2-Atmosphäre mit den Trockeneiskappen der Pole beruht. Das Prinzip ist ganz einfach: Wenn der Mars zu Anfang ein bißchen erwärmt wird, verdampfen die Polkappen aus gefrorenem Kohlendioxid. Dadurch wird die Atmosphäre dichter und hält mehr Wärme zurück, der Planet wird noch wärmer. Auch der Regolith enthält eine Menge Kohlendioxid, das für diesen Effekt genutzt werden könnte.
Schon wenn der Luftdruck an der Oberfläche auf nur 100 mbar steigt, verstärkt sich dadurch der Wärmetransport von den mittleren Breiten und wird zu einem wichtigen Faktor für die Erwärmung der Polarregionen und die Verdampfung des Trockeneises. Berücksichtigt man dazu noch den Treibhauseffekt des CO2, dann fällt die Erwärmung noch viel stärker aus (Abbildung 12-1:).
Die künstliche Erwärmung des Mars setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Zum einen wird schon die dichter werdende Atmosphäre mehr Wärme zurückhalten. Ab einem Druck von 100 mbar werden die Polarregionen durch den Transport warmer äquatorialer Luftmassen um fast 50°C erwärmt. Der wichtigste Mechanismus ist jedoch der vom Kohlendioxid erzeugte Treibhauseffekt, der in Abhängigkeit vom CO2-Druck exponentiell zunimmt und die Oberflächentemperatur über den Gefrierpunkt von Wasser anheben kann.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Zuerst gibt es ein stabiles Gleichgewicht bei einem sehr niedrigen Druck, aber sobald der Schwellenwert überschritten wird gerät das System völlig außer Kontrolle und die Polkappen verdampfen vollständig. Die endgültige Temperatur und der Druck hängen dann nur noch davon ab, wieviel CO2 überhaupt vorhanden ist.
Der Haken an der Sache ist nur die Annahme, daß die Polkappen eine große Menge Trockeneis enthalten. Für den Nordpol trifft das aber mit Sicherheit nicht zu. Bestenfalls am Südpol könnte es ein ganzjähriges CO2-Reservoir geben. Aber noch weiß niemand, wie groß dieser Vorrat wirklich ist. Die Südkappe ist jedenfalls klein (nur 350 km im Durchmesser) und kann nicht unbegrenzt CO2 enthalten, da sie an der Untergrenze ständig schmilzt. Immerhin kann schon eine Kappe von 1 km Dicke genug Kohlendioxid für einen Druck von 100 mbar enthalten. Aber solange noch keine genaueren Daten vorliegen, kann man hier nur spekulieren.
Etwas anders sieht es dagegen mit den CO2-Vorräten im Regolith aus, die auf mindestens 300 mbar geschätzt werden. Auch wenn sich das Kohlendioxid wohl eher in der Nähe der kälteren Polarregionen befinden dürfte, wird der gesamte Vorrat an die Atmosphäre abgegeben, sobald es wärmer wird.
Der galoppierende Treibhauseffekt bringt sogar eine höchst interessante Möglichkeit mit sich: Falls man die Temperatur am Anfang um 25°C anheben kann (z.B. mit Hilfe zusätzlicher Treibhausgase), dann gerät der Luftdruck über den Schwellenwert von 30 mbar und das ganze System pendelt sich bei einem neuen Gleichgewicht von 800 mbar und 250 K (-23°C) ein. Mit 2 bar CO2 hätte man das Gleichgewicht bei 273 K (0°C), und mit 3 bar würde die Temperatur auf weit über 280 K (8°C) ansteigen. Das würde schon reichen um Pflanzen anzusiedeln, obwohl es immer noch etwas mager ist im Vergleich zu den 15°C auf der Erde.
Eine sehr große Unsicherheit besteht allerdings darin, wie stark die Kohlendioxidvorräte an den Regolith gebunden sind. Anders ausgedrückt: Man weiß nicht genau, wielviel Grad Celsius man erst einmal per Gewalt "vorschießen" muß, damit die Erwärmung außer Kontrolle gerät. Eben haben wir 25°C erwähnt; aber tatsächlich schwanken die Schätzungen zwischen 5°C und 60°C. 20 - 25°C sind dabei nur der wahrscheinlichste Kompromiß, aber alles weitere muß durch Untersuchungen vor Ort geklärt werden. Natürlich ist es besser wenn die Schwellentemperatur möglichst niedrig liegt, weil dann das ganze Terraforming schneller abläuft und viel, viel weniger Geld kostet...


Der gewaltige Vulkankegel des Olympus Mons nach erfolgreichem Terraforming.
Werden jemals Menschen eines fernen Tages solch einen Anblick genießen können?

1.4 Terraformtechniken

Ein relativ schonendes und unkompliziertes Verfahren wäre die Anreicherung der Marsatmosphäre mit Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW). Diese Verbindungen absorbieren nämlich genau die Wellenlängen, die Kohlendioxid und Wasserdampf kaum zurückhalten können. Von besonderem Interesse sind dabei CF3Br, C2F6, CF3Cl und CF2Cl2. Diese Gase bestehen aus Elementen, die auf dem Mars natürlich vorkommen und ihre Halbwertszeiten sind relativ lang verglichen mit ihrer Zerstörung durch UV-Strahlung. In einem Mischungsverhältnis von 1:109 (1 ppb) können diese Gase die Temperatur schon um 0,1°C erhöhen.
Das erste dieser Gase, CF3Br, wurde bis vor wenigen Jahren als Kühl- und Feuerschutzmittel verwendet. Auf der Erde hat es eine Halbwertszeit von mehr als 100 Jahren und wird erst in der Stratosphäre abgebaut. C2F6, CF3Cl und CF2Cl2 sind sogar noch stabiler mit Halbwertszeiten von mehr als 500, 400 bzw. 110 Jahren. Ein weiteres Treibhausgas wäre SF6, ein sehr starker Infrarotabsorber. Alle dies Gase haben den großen Vorteil, daß sie bis in Konzentrationen von Teilchen pro Millionen (ppm) nicht giftig sind.
Um den Mars bewohnbar zu machen, müßte man ihn um mindestens 60°C erwärmen. Die FCKWs bräuchte man dafür in Konzentrationen von mehreren ppm oder sogar noch höher, um die künstliche Stickstoff/Sauerstoffatmosphäre auf eine erträgliche Temperatur zu bringen. Angenommen, man verwendet eine Konzentration von 10 ppm (0,01 mbar), dann ergibt das eine Gesamtmasse von 4*1010 Tonnen, ganz entschieden zu viel, um es von der Erde importieren zu können. Man müßte die Treibhausgase also direkt auf dem Mars produzieren und das in einer Menge, welche den Verlust durch die UV-Photolyse ausgleicht. Dafür genügt bereits eine jährliche Produktion von 100.000 Tonnen (bei einer Halbwertszeit von 400 Jahren).

Umfang der für das Terraforming benötigten FCKW-Produktion
 

Induzierte Erwärmung [°C] 

FCKW-Druck [µbar] 

FCKW-Produktion [Tonnen/Stunde] 

Energiebedarf [MW] 

5 0,012 263 1315
10 0,04 878 4490
20 0,11 2414 12070
30 0,22 4829 24145
40 0,80 17569 87845

Allerdings würde diese gewaltige Menge an FCKW jegliche Ozonschicht der künstlichen Atmosphäre zerstören und die Gase würden viel schneller von der UV-Strahlung zerstört werden. Um diesen Verlust auszugleichen, müßte man dann schon 3*1012 Tonnen im Jahr produzieren.
Für eine Kolonie auf dem Mars hätte die fehlende Ozonschicht allerdings keine schädlichen Folgen. Diese enorme Menge an FCKW würde nämlich dieselbe Aufgabe erfüllen wie das Ozon. Und auf der Erde schützt uns die Ozonschicht bekanntlich dadurch, daß sie das UV-Licht absorbiert, wobei das Ozon zerstört wird.
Der technische Aufwand dafür ist zwar gewaltig, aber durchführbar. In Tabelle 8 ist der Produktionsumfang und der Energiebedarf zur Anreicherung der Marsatmosphäre mit FCKW dargestellt. Um z.B. innerhalb von 20 Jahren einen FCKW-Druck von 0,012 µbar zu erzeugen und damit die Marstemperatur um 5°C zu erhöhen, müßten pro Stunde 263 Tonnen dieser Gase freigesetzt werden. Nach unserer heutigen Kenntnis muß eine solche Anlage mit 1315 MW gespeist werden. Wählt man Gase mit einer Halbwertszeit von 100 Jahren, kann die Produktion nach den ersten 20 Jahren auf ein Fünftel heruntergefahren werden. Ein durchschnittliches Atomkraftwerk hat bereits eine Leistung von 1000 MW, genug um eine mittlere Stadt mit Energie zu versorgen. Troztdem muß solch eine Terraforminganlage stündlich ganze Waggonladungen FCKW erzeugen, was nur mit einem gigantischen Industriekomplex und einer ständigen Mannschaft von mehreren Tausend Personen erreicht werden kann. Allein die Kosten für den Bau der Anlage und die ersten Jahre ihres Betriebs können leicht in den Bereich von mehreren 100 Milliarden Dollar abheben. Aber auch wenn uns das heute als sehr viel erscheint, könnten die wirtschaftlichen Verhältnisse Mitte des nächten Jahrhunderts doch sehr viel günstiger aussehen.
Allerdings gibt es bisher keine verläßlichen Daten darüber, wie stark diese FCKW den Treibhauseffekt in diesen hohen Konzentrationen tatsächlich beeinflussen würden. Aber man kann das mal modellhaft durchrechnen: In einem Fall erfolgt die Absorption nur im Bereich von 800 - 1200 nm, im anderen Fall im gesamten Infrarotbereich und mit gleichmäßiger Absorption auf allen Wellenlängen. Und schnell zeigt sich, daß im ersten Fall die Absorption immer noch nicht ausreicht, um die Durchschnittstemperatur über den Gefrierpunkt zu liften, selbst wenn die Absorption sehr hoch wäre (denn die anderen Spektralbereiche geben die eingefangene Energie wieder ab). Im zweiten Fall steigt die Temperatur immer steiler an, je undurchlässiger die Atmosphäre für Infrarotstrahlung wird. Gibt man die FCKWs dagegen einfach in die heutige Marsatmosphäre, dann fällt die Wirkung sogar noch magerer aus als im ersten Fall.


Die künstliche Erwärmung des Mars mit Hilfe von Infrarotabsorbern, z.B. FCKW. Dargestellt sind die Auswirkungen auf eine erdähnliche 1 bar Stickstoff/Sauerstoff-Atmosphäre. Im Fall A wird die Infrarotstrahlung nur im Bereich von 800 - 1200 nm absorbiert. Dies reicht jedoch nicht aus, um die Oberflächentemperatur dauerhaft über den Gefrierpunkt zu heben. Im Fall B schluckt der Absorber die Energie des gesamten Infrarotspektrums. Erst dann steigt die Temperatur über 0°C (273 K). Im Fall C wird einfach die heutige dünne Marsatmosphäre mit dem Absorber angereichert. Auch hier kommt die Temperatur nicht über -30°C hinaus. (McKay et. al 1991)

Die Erzeugung einer warmen, sauerstoffhaltigen Marsatmosphäre scheint also grundsätzlich machbar zu sein. Wenn Stickstoff und Sauerstoff in ausreichender Menge vorhanden sind, muß man nur einen geeigneten FCKW-Cocktail zusammenstellen und die "Heizung" läuft.

Aber auch wenn die Erwärmung der Atmosphäre gut voranschreitet, so bleibt doch immer noch das Problem des Permafrostbodens, der auch unter einer warmen Atmosphäre noch Zigtausende von Jahren gefroren bliebe. Auch die Karbonatfelsen, deren Kohlendioxidvoräte dringendst zum Terraforming benötigt werden, sind nur mit FCKW alleine nicht so schnell zu knacken. Man wird dem Mars wohl Gewalt antun müssen, um an die unterirdischen Gas- und Wasservorräte heranzukommen.
Sobald Forschungsteams die unterirdischen Eis- und Karbonatlager kartographisch erfaßt haben, kann man an möglichst vielen Stellen Wasserstoffbomben im Felsen versenken. Die Zündung von 70.000 dieser Waffen würde die Gasvorräte schlagartig freisetzen. Nachdem sich der Staub gelegt hat und die Strahlung nach einigen Jahrhunderten abgeklungen ist, kann man die ersten FCKW-Fabriken aufbauen. Ganz offensichtlich muß dieser "nukleare Bergbau" aber erfolgen, bevor irgendwelche Siedlungen errichtet wurden. Allerdings ist fraglich, ob sich solch ein Vorhaben in der Bevölkerung durchsetzen ließe. Schließlich ist schon der bloße Gedanke, die in über 3 Mrd. Jahren gewachsene Oberfläche des Mars mit den uralten Flußtälern, den großen Canyons und möglichen Fossilien mit Kernwaffen zu zerstören für viele Menschen eine schockierende Vorstellung.
Mit etwas weniger verheerenden Folgen, aber immer noch nach der Holzhammermethode funktioniert der Plan, große Asteroiden von ihren Kurs abzulenken und auf den Mars krachen zu lassen. Astronomen vermuten, daß sich jenseits von 10 AU große eis- und ammoniakreiche Asteroiden befinden (eigentlich sind es dann ja Kometen). Chiron ist eines dieser noch wenig bekannten Objekte, obwohl er mit 180 km Durchmesser doch etwas zu groß geraten ist. Aber sollte ein solcher Eisklotz mit einer Masse von 10 Mrd. Tonnen auf dem Mars einschlagen, würde er auf einen Schlag 1 Billion Tonnen Wasser (auch aus dem Permafrost, versteht sich) freisetzen. Das in ihm enthaltene Ammoniak würde die Temperatur global um 3°C erhöhen und dringend benötigten Stickstoff für den Aufbau von Biomasse liefern.
Die Umlenkung weit entfernter Asteroiden ist übrigens weitaus einfacher als bei Objekten im inneren Sonnensystem, einfach weil sie dort draußen eine viel geringere Geschwindigkeit aufweisen. Um einen Asteroiden von 25 AU in Richtung Mars zu lenken muß man seine Geschwindigkeit nur um 0,3 km/sec ändern; von 2,7 AU aus ist die zehnfache Energie nötig.
Versieht man einen 10 Mrd. Tonnen schweren Kometen mit mit vier großen Nuklearantrieben von jeweils 5.000 MW, dann kann man damit einen Teil des Eises auf 2.200°C erhitzen und mit 4 km/sec abstoßen. Läuft der Antrieb 10 Jahre lang, wird nur 8% der Kometenmasse verloren. Nach weiteren 20 Jahren im freien Fall wird er mit einer Gewalt von 70.000 Mt TNT auf dem Mars einschlagen. Nur vierzig Brocken dieses Kalibers und es ist genug Ammoniak freigeworden, um den Stickstoffgehalt der Atmosphäre zu verdoppeln - und noch mehr, wenn die Kometen direkt in unteridische Stickstofflager hineinkrachen und sie verdampfen lassen. Zudem wäre dabei soviel Eis geschmolzen, daß ein Viertel des Planeten 1 m hoch mit Wasser bedeckt werden könnte.
Aber wehe eines dieser Geschosse geht daneben und trifft den falschen Planeten... - den Blauen statt den Roten. Diese Gefahr ist latent immer gegeben, da weder Menschen noch Maschinen fehlerfrei arbeiten - das ist heute so und wird auch in 100 Jahren nicht anders sein. Auch durch schlichte Sabotage kann solch ein Klotz außer Kontrolle geraten - und wo ein Großprojekt ist, da finden sich immer auch 100 Leute, die es unbedingt kaputtmachen wollen, egal ob es nationalistisch verblendete Spinner oder Ökofundamentalisten sind. Es ist auch typisch für die Amerikaner, daß sie solch ein Vorhaben etwas verharmlosend als "Import ammoniakreicher Objekte" bezeichnen (als ob sie am Zoll anhalten würden...). McKay erwähnt in seiner Arbeit nur ganz kurz am Rande, daß das Umlenken von Kometen ja wohl "inkompatibel" mit der gleichzeitigen Errichtung von Siedlungen "sein könnte" - mit anderen Worten, es würde nicht viel von einer Stadt übrigbleiben, sollte ein Komet auch nur 1.000 km von ihr entfernt einschlagen.
Das Problem beim "Ammoniakimport" ist zudem die Zerstörung dieses Gases durch das Sonnenlicht. Entweder schießt man regelmäßig Kometen nach (aber dann kann man das Terraforming auch gleich sein lassen...) oder man bringt Bakterien auf den Mars, die den vorhandenen Stickstoff laufend in Ammoniak umwandeln und den Verlust ausgleichen.
Natürlich gibt es auch noch eine "sanfte" Lösung. Wenn man daran geht und den Mars auftauen will, sollte man mit den Polkappen anfangen - schließlich enthalten sie die größten sichtbaren Vorräte an CO2 und Wasser. Die billigste Lösung wäre es, einen Absorber (z.B. Ruß) großflächig über beiden Polkappen zu verteilen. Die eingepuderten Kappen behalten dadurch mehr Wärme zurück und tauen langsam auf - und sobald die Südkappe ihre 100 mbar Kohlendioxid abgegeben hat, kann die dichtere und schon wärmere Atmosphäre dafür sorgen, daß auch der hartnäckige Regolith seinen "Schatz" herausrückt. Denselben Effekt kann man mit orbitalen Spiegeln erreichen, die über der Südkappe installiert werden. Allerdings müßte ein wirklich wirksamer Spiegel schon einen Durchmesser von 125 km aufweisen. Selbst mit den allerleichtesten Sonnensegeln auf Aluminium-Kunststoffbasis hätte der Spiegel immer noch eine Masse von 4 t/km2 - also knapp 200.000 t insgesamt. Damit könnte dann aber auch die gesamte Region südlich des 70. Breitengrades um 5°C erwärmt werden.
Der Spiegel hätte auch noch einen weiteren Vorteil: In einer Höhe von 214.000 km würden sich Schwerkraft und Lichtdruck gegenseitig ausgleichen, so daß der Spiegel immer in unveränderter Posizion bleiben könnte und sich nicht wie ein gewöhnlicher Satellit um den Planeten drehen müßte.
Gleichzeitig mit dem Auftauen der Polkappen müßte man die FCKW-Fabriken installieren und ammoniakproduzierende Bakterien ansiedeln.

1.5 Die Gas- und Wasservorräte des Mars

Jetzt haben wir hier zwar ein sehr schönes Modell für die Umformung eines gesamten Planeten vorgestellt, aber wie sieht es denn mit der marsianischen Wirklichkeit aus? Hat der Planet überhaupt die Vorräte die wir brauchen, um dort Leben anzusiedeln? Immerhin brauchen wir ja eine ganze Menge davon: Mindestens 2 bar Kohlendioxid, über 300 mbar Stickstoff und mehr als 500 m Wasser.
Das Problem ist: Wir wissen es nicht. Die Modelle über die Entstehung des Sonnensystems sagen uns, daß der Mars eigentlich mehr dieser Stoffe enthalten sollte als die Erde, da sich der Mars weiter von der Sonne entfernt in kühleren Regionen bildete. Aber fast die Hälfte der bisherigen Untersuchungen deutet darauf hin, daß der Rote Planet die geforderten Mengen doch nicht aufbringen kann. Vielleicht müssen wir die Terraforming-Projekte doch als undurchführbar zu den Akten legen. Aber alle bisherigen Ergebnisse über den Mars hängen sehr stark davon ab, welche Meßmethode man wählt und welchen Zustand oder Vorgang man an welcher Stelle mißt. Wie Sie in Tabelle 8 sehr deutlich sehen können, sind die Abweichungen zum Teil sehr drastisch.

Tabelle 9: Flüchtige Verbindungen auf dem Mars (McKay et al 1991)

CO2 [mbar] 

N2 [mbar] 

H2O [m] 

Heutige Marsatmosphäre 10 0,2 7 * 10-6
Für Terraforming benötigt mind. 2.000 mind. 300 mind. 500
Rückschluß aus Erde* 27.000 300 1.200
Geschätzte Vorräte 200 - 20.000 2 - 300 6 - 1.000
* falls der Mars dieselbe Zusammensetzung hat wie die Erde (was aber wahrscheinlich nicht zutrifft)

Gerade für Kohlendioxid, unserem wichtigsten Terraforming-Gas, müssen wir das Fragezeichen stehen lassen. Auch der Wasservorrat ist noch unbekannt. Die beiden Polkappen könnten zwar bis zu 5.000 km3 Wassereis enthalten, aber über den ganzen Planeten verteilt entspricht das nur einer 4 cm hohen Wasserschicht. Für die Ausbildung der lebenswichtigen hydrodynamischen Kreisläufe ist das viel zu wenig. Die einzigen Vorräte, die noch eine Wasserschicht von mehr als 100 m liefern könnten sind die vermuteten Permafrostböden nördlich bzw. südlich des 30. Breitengrades. Aber auf die Bestätigung dieser Vermutung werden wir noch warten müssen.
Kritisch wird es dagegen beim Stickstoff. Falls der Stickstoff in der heutigen dünnen Atmosphäre alles ist, was der Mars zu bieten hat, dann würde das seine biologische Karriere ganz gewaltig behindern. Denn die damit erreichbare Produktion von Biomasse würde höchstens 40 mbar Sauerstoff freisetzen. Bleibt nur noch die Möglichkeit, daß in der feuchten Frühzeit des Mars große Mengen an Nitraten und Nitriten im Boden eingelagert wurden.
Schwefel dagegen wurde von den Vikingsonden in 10 - 100fach höheren Konzentrationen gemessen als auf der Erde. Auch Spurenelemente wie Eisen, Magnesium und Aluminium sind vorhanden. Die Phosphatvorräte dagegen sind bis heute unbekannt.
Um die FCKWs auf dem Mars herzustellen, braucht man natürlich auch Chlor, Fluor und Brom. Chlor kommt im Marsboden zu ca. 0,1% vor, für Fluor und Brom sind die Mengen noch nicht gesichert.

1.6 Der zeitliche Maßstab des Terraformings

Einmal angenommen, der Mars enthält tatsächlich alles, was wir zum Terraforming brauchen. Wie lange würde es dann überhaupt dauern, den Planeten bewohnbar zu machen?
Vom energetischen Standpunkt aus betrachtet muß die Umfaormung jedenfalls in zwei Phasen erfolgen:
1. Erwärmung des Planeten
2. Chemische Veränderung der Atmosphäre

Zur Umformung des Mars benötigte Energie (McKay et. a. 1991)

Anfangszustand bei -58°C 

Endzustand bei 15°C 

Menge 

Energie [J/cm2

Energie in Mars-Sonnen- jahren 

festes CO2 bei -123°C gasförmiges CO2 2 bar; 5.400 g/cm2 3,7 * 106 7,9
Staub Staub ~10 m; 2.000 g/cm2 1,2 * 106 0,3
Wassereis flüssiges Wasser 10 m; 1.000 g/cm2 5,5 * 106 1,2
Wassereis Wasserdampf 20 mbar; 54 g/cm2 1,6 * 106 0,33
Wassereis flüssiges Wasser 500 m; 50.000 g/cm2 2,8 * 107 56
Gasförmiges CO2 und Wasser CH2O + O2 200 mbar; 540 g/cm2 8 * 106 17

1.6.1 Erwärmung

Wie wir gesehen haben, kann eine für Pflanzen erträgliche Welt mit Hilfe der positiven Rückkopplung einer CO2-Atmosphäre geschaffen werden. Mit anderen Worten, sobald man die Temperatur erhöht, werden automatisch mehr CO2 und Wasserdampf freigesetzt, was die Erwärmung noche weiter beschleunigt. Aber unabhängig vom eigentlichen Mechanismus würde man dafür ca. 106 J/cm2 an Energie benötigen, dieselbe Energie, die der Mars innerhalb von 10 Jahren von der Sonne empfängt. Damit können 2 bar Kohlendioxid vergast, der Marsboden 10 m tief erwärmt und eine 10 m tiefe Wasserschicht geschmolzen werden. Wenn man diesen Vorgang aufrechterhalten und das einfallende Sonnenlicht zu 10% nutzen könnte, würde das ganze etwa 100 Jahre dauern.
Schon nach wenigen Jahrhunderten könnte sich der Mars soweit verändert haben, daß Menschen auf seiner Oberfläche zumindest keine Druckanzüge mehr bräuchten - sie müßten nur noch Atemgeräte mitführen, könnten sich aber ansonsten in normaler Kleidung bewegen. Gleichzeitig könnten große, von kuppelartigen Zelten umgebene Städte entstehen, in denen eine atembare Atmosphäre erhalten bleibt. Auch trockenheitsresitente Pflanzen können nach Schaffung des FCKW-Schildes und nach Erreichen einer erträglichen Temperatur ausgesetzt werden.

Über längere Zeiträume hinweg würde der Permafrostboden aufschmelzen. Das Schmelzen einer 500 m tiefen Wasserschicht würde 55 Jahre der vollen Sonneneinstrahlung erfordern, bei 10% Nutzung also 550 Jahre. Aber das Problem ist die Geschwindigkeit, mit der der Regolith die Wärme nach unten weitergibt. Falls die 2 bar CO2 über eine Tiefe von 500 m verteilt sind würde die Ausgasung an sich zwar 100 Jahre dauern, aber erst nach 100.000 Jahren wären auch die untersten Schichten ausreichend erwärmt!

1.6.2 Die chemische Veränderung der Atmosphäre

Der einzige uns bekannte Mechanismus, mit dem man überhaupt die grundlegende Zusammensetzung einer Atmosphäre verändern kann, ist die planetenweite Biologie. Nur damit lassen sich nennenswerte Mengen O2 aus CO2 erzeugen. Und dafür benötigt man wesentlich mehr Energie als für die anfängliche Erwärmung. Erschwerend kommt noch hinzu, daß die irdischen Primärproduzenten die einfallende Sonnenenergie nur zu einem äußerst geringen Teil zum Aufbau von Biomasse nutzen können. Die jährliche Nettoproduktion der Pflanzen und Bakterien liegt zwischen 0,001 und 0,1 g/cm2, im globalen Durchschnitt bei 0,033 g/cm2. Im Klartext heißt das nichts anderes als daß die irdischen Ökosysteme nur 0,0015 bis 0,1% der Sonnenenergie behalten können. Bei einem durchschnittlichen Wirkungsgrad von 0,01% würde die Erzeugung einer atembaren Sauerstoffatmosphäre mehr als 100.000 Jahre dauern! Und diesen Prozeß kann man auch in keiner Weise beschleunigen, da er von der zugrundeliegenden Biochemie vorgegeben wird.

Falls man jemals eine für Menschen atembare Atmosphäre auf dem Mars schaffen will, werden Pflanzen die wichtigsten Terraformer sein. Vielleicht sehen sie irgendwann ja auch etwas besser aus als das Exemplar auf dieser Photomontage.

Aber das größte Problem wäre nicht die biologische Effizienz, sondern der Zwang, große Mengen organischen Materials in tiefen Sedimenten zu versenken, wo sie nicht mehr oxidiert werden können. Das wiederum erfordert einen aktiven hydrologischen Kreislauf und stabile Senken. Und solange nicht große Mengen Wasser (um 500 m) freigesetzt werden, kann sich solch ein Kreislauf nicht ausbilden. Und wenn das organische Material nicht versenkt werden kann, wird praktisch der gesamte freiwerdende Sauerstoff durch Verwesung und Oxidation wieder gebunden. Es tut mir ja leid, aber falls der Mars diese doch recht große Wassermenge nicht liefern kann, wird das Terraforming praktisch undurchführbar.
Ein weiteres langfristig wirkendes Problem ist die Erosion der Atmosphäre, der allmähliche Verlust der lebensspendenden Gashülle. Bei der 2 bar dichten CO2-Atmosphäre wäre die langsame Bildung von Karbonatfelsen das größte "Loch". Ohne Recycling der Karbonate wäre die künstliche Atmosphäre schon nach 10 Mio. Jahren wieder verschwunden. Falls man den Mars wirklich in eine zweite Erde umwandeln will, muß man sich irgendetwas einfallen lassen, was die versenkten Gase wieder in die Atmosphäre zurückbringt. Aber ein Trost bleibt uns trotzdem: Die Vorgänge, durch die die Gashülle wieder ausgedünnt wird, laufen erheblich langsamer ab als die Prozesse, mit denen man diese Hülle erst einmal erzeugen muß.

Es gibt da nur noch ein Problem, daß die Terraformer schon ziemlich früh lösen müssen: Die beiden Marsmonde Phobos und Deimos. Ihre Umlaufbahnen sind nämlich instabil - langsam, aber stetig kommen sie dem Roten Planeten immer näher. Nach heutigen Schätzungen werden sie in ca. 0,5 - 1 Mrd. Jahren abstürzen. Kein Problem, ist ja noch lange hin, oder? Nicht ganz - denn wenn die Atmosphäre des Mars dichter und wärmer wird, dehnt sie sich aus, und zumindest Phobos wird durch die zusätzliche Reibung so weit abgebremst, daß er noch zu Lebzeiten einer Marskolonie herunterkrachen wird. Der dadurch entstehende 200 km-Krater wird sicher beeindruckend sein - nur von den Häusern und Feldern, die an der Stelle mal gewesen sind, wird man nicht mehr allzu viel finden...
Im Grunde gibt es für Phobos nur zwei Entsorgungswege: Man kann ihn entweder zerlegen und ausschlachten, falls die zukünftige Rohstoffsituation dies als lohnend erscheinen läßt, oder man ändert seine Bahn so stark ab, daß er auf den Mars stürzt, bevor dort irgenetwas wichtiges gebaut wurde. Sicherheitshalber sollte man Deimos gleich hinterherschießen, dann hätte man beide Bedrohungen elegant abgewendet.

1.7 Warum das alles?

Terraforming schein möglich zu sein - selbst mit Technologien, die wir heute schon ansatzweise kennen. Aber ist es auch wirklich sinnvoll alles zu tun, was rein technisch machbar ist?
Sicher ist es die beste Lösung, den Mars zuerst einmal gründlich zu erforschen, solange bis man sich wirklich sicher ist, ihn genau zu kennen, und das kann durchaus noch 1.000 Jahren dauern. Denn wenn das Terraforming erst einmal gestartet ist, wird es viele charakteristische Merkmale des Mars vernichten. Bevor man ihn auftaut, sollten Wissenschaftler alle Aspekte dieses Planeten erfassen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil er uns die beste und vorläufig einzige Chance bietet, wirklich außerirdische Lebensformen in ihrer natürlichen Umwelt zu studieren. Wir wissen nicht, ob nicht doch noch marsianische Ökosysteme in abgelegenen Restnischen überlebt haben - im Bereich des Olympus Mons vielleicht, oder im Valles Marineris, oder tief unter dem Permafrost. Das Terraforming würde sie töten - ihre Refugien würden unweigerlich zerstört, aber spätestens in direkter Konkurrenz mit irdischen Organismen hätten sie keine Chance mehr. Bevor wir nicht ganz sicher sind, daß der Mars wirklich eine sterile, rostige Wüste ist, dürfen wir die Umgestaltung nicht in Gang setzen! Niemand könnte es verantworten gerade das zu vernichten was die Biologen so sehnlichst suchen und was dem Mars den größten Teil seiner Faszination verleiht.
Aber wenn wir auch nach den allergründlichsten Forschungen nicht den geringsten Marsorganismus zu Tage gefördert haben? Dann hätten die Terraformer in der Tat grünes Licht - allein schon deshalb, weil jede dauerhafte Gründung von Kolonien auf dem Mars ganz einfach zu teuer ist, wenn man für immer einen Riesenaufwand mit der Abschottung der Wohn- und Farmbereiche treiben müßte. Wenn Mars jemals von Menschen besiedelt wird, dann entweder ganz oder gar nicht.
Zudem hätte das Marsprojekt für die Menschheit als Ganzes zwei entscheidende Vorteile: Zum einen würde die Basis unserer Zivilisation auf zwei Planeten verteilt, was uns eine gewisse Rückversicherung gegen tödliche Fehler auf einem Planeten verleiht. Zum anderen werden für die Besiedlung und erst recht für die Umformung des Mars leistungsfähige und zuverlässige Fusionsreaktoren gebraucht - dieselbe Grundvoraussetzung wie für jegliche Expedition zu benachbarten Sternsystemen. Mars könnte sich als das Sprungbrett zu den Sternen erweisen, sobald diese Technologie wirklich ausgereift ist.
Allerdings darf man eines auch nicht verschweigen: Ein künstliches Gaiasystem, wie es ein umgeformter Mars nun einmal darstellen würde, erfordert Pflege - sehr viel Pflege. Ständig muß dafür gesorgt werden, daß die Erosion der Atmosphäre wieder ausgeglichen wird. Die vom Sonnenwind fortgeblasenen Gase müssen ersetzt werden, und man muß den Felsen das Kohlendioxid wieder entreißen, daß sie unaufhörlich binden werden. Einmal erschaffen darf man den Neuen Mars nicht einfach sich selbst überlassen. Sollten die zukünftigen Marsianer jemals aufhören sich um ihn zu kümmern, wird es ihnen genauso ergehen wie einst den Norwegern in Grönland - die Ausdünnung der Atmosphäre würde ihnen nicht direkt schaden, aber sie würden genau wie die Grönländer an Unterernährung zugrunde gehen, wenn ihnen die Lebensgrundlage Stück für Stück zusammenbräche. Falls wir uns für den Mars entscheiden, werden wir hoffentlich einen etwas pfleglicheren Umgang mit jedem Planeten erlernen.
Mars ist ein Projekt für die gesamte Menschheit. Keine heutige Regierung und auch keine übergeordnete Organisation wird jemals ein Vorhaben planen können, dessen Schaffung alleine 100.000 Jahre dauern wird. Jeder Politiker muß sich schon auslachen lassen, wenn er versuchen sollte für die nächsten 50 Jahre zu planen. 100.000 Jahre? Das muß man anders angehen. Sollte die Besiedlung des Mars in demselben Tempo wie heute seine Erforschung voranschreiten und auch noch in den Händen derselben Organisation (sprich: NASA) liegen, dann wird die Sonne erloschen sein, bevor wir an das Terraforming auch nur denken können. Ein besserer Ansatz wäre es, wenn man den Mars einfach zur Besiedlung freigibt - jeder mit genügend Geld und Fähigkeiten soll dort sein Glück versuchen können. Freiwillige werden sich sicher zuhauf einfinden. Und sobald die Marskolonie eine stabile Größe erreicht hat, werden die "Marsmenschen" schon selber ein starkes Interesse daran haben, diese rostige Staubkugel etwas freundlicher zu gestalten.

Ich glaube nicht, daß das Terraforming grundsätzlich ein falscher Schritt wäre. Vor 3,5 Mrd. Jahren hatte der Mars schon einmal eine dichte, feuchte und warme Atmosphäre - vielleicht sogar Anfänge von Leben. Spricht irgendetwas dagegen, ihn erneut in diesen Zustand zurückzuversetzen?


Eine Raumstation umkreist einen Planeten, der in jahrtausendelanger, mühevoller Arbeit bewohnbar gemacht wurde. Man sieht noch die großen, alten Einschlagskrater, die sich allmählich mit Wasser füllen.



2. Venus

Wo wir schon mal dabei sind: Wie sieht es denn mit der Venus aus? Schließlich ist unser innerer Schwesterplanet der Erde sehr viel ähnlicher als der Mars. Mit 81,5% Erdmasse kann der Planet seine Gashülle doch viel besser zusammenhalten als der etwas zu klein geratene Rote Kriegsplanet.
Das größte Hindernis auf der Venus ist die dichte Kohlendioxidatmosphäre von fast 90 bar. Der darin enthaltene Kohlenstoff würde die Oberfläche des Planeten ca. 100 m hoch bedecken. Selbst wenn man eine Möglichkeit fände, den Kohlenstoff irgendwo zu versenken, so ergeben 90 bar Kohlendioxid immer noch 58 bar Sauerstoff! Venus würde damit zur absolut rauchfreien Zone!
Das nächste Hindernis ist die völlige Trockenheit der Venus. In den letzten 4 Mrd. Jahren hat der Planet alles an Wasser verloren, was er einst besessen hat. Auch die giftige Schwefelsäure in der Atmosphäre würde jede Besiedlung unmöglich machen. Mal ganz abgesehen davon, daß Venustage und –nächte jeweils 121,5 Erdtage dauern, was eine irdische Ökologie vermutlich aufs heftigste durcheinanderbringen würde.
Das Problem der Temperatur (mörderische 457°C) und der zu hohen Sonneneinstrahlung (immerhin 137% des Erdwertes) könnte man dagegen grundsätzlich in den Griff bekommen. So wie man den Mars mit Hilfe orbitaler Spiegel auftauen kann, so könnte man die Venus mit orbitalen Schattenblenden verdunkeln und die Temperatur langfristig auf erdähnliche Werte absenken. Aber trotzdem bleibt Venus der denkbar schlechteste Kandidat fur eine Umformung.

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Christoph Kulmann

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