Regula Stämpfli, Teil 4

Regula Stämpfli hat nichts gegen Männer. Wie könnte sie auch, mit drei Söhnen zu Hause.

15.02.2008 von Birgit Schmid , 1 Kommentar

Rücken wir den Blick mal weg von Frauen als Opfer. Am Beispiel des neuen SVP-Präsidenten Toni Brunner zeigt sich, dass auch Männer über ihr äusseres beurteilt werden. Mit seinem Lausbubengesicht gilt er dann halt als bauernschlau, intellektuell jedoch als unterbelichtet.
Die Klischierung nimmt Männer nicht aus, absolut nicht. Umberto Eco hat es so schön gesagt: Ein einzelnes Klischee ist doof, aber hundert Klischees wirken ergreifend. Wir sind in diesem Schemendenken drin und übernehmen vorgefertigte Bilder unreflektiert. Es war übrigens ein Mann, Bundeskanzler Gerhard Schröder, mit dem die öffentlich diskutierte Haarfrage den Anfang nahm. Darum: Mein nächstes Buch wird ein Männerbuch sein.

Sie zitieren ständig Philosophen. Denken Sie auch in eigenen Sätzen?
Und wie! Aber klar: Die Philosophen sind meine Vor-Denker. Sie haben die Dinge als Erste gedacht. Ich verstehe mich vor allem als übersetzerin. Hey, die haben das alles schon geschrieben, warum gibt es nicht mehr Menschen, die diese klugen Gedanken verstehen wollen?

Man fürchtet bei Ihnen immer, dass man irgendein Wort sagt, in welchem Sie dann eine falsche Weltanschauung entdecken. Männer müssen in Ihrer Gegenwart Kastrationsangst haben.
Ach nein. Männer mögen mich. Frauen sind viel kritischer.

Dann ist es ja ideal, dass Sie drei Söhne haben, die um Sie buhlen.
Das ist wunderbar. Und ich sehe nicht ein, warum man auf den Gedanken kommt, ich sei gegen die Männer, nur weil ich für die Frauen bin. Ich bin für die Menschen.

Was ist Ihnen bei der Erziehung Ihrer Kinder wichtig?
Ich bin keine Missionarin und betrachte meine Kinder nicht als ein zu bearbeitendes Material. Sie sind ein Geschenk. Ich bin eine ziemlich strenge Mutter, Anstand ist mir wichtig, Normen setzen. Ich bin kein Bodenteppich wie viele meiner Kolleginnen. Zudem habe ich drei, ich habe nicht nur eines, das man verhätschelt. Computergames? Erlaubt. Die homöopathisch-feministisch-biologische Erziehung ist nicht mein Ding. Kurz und gut: Ich liebe meine Kinder. Kinder muss man nur lieben.

Sie selbst kommen aus einfachen Verhältnissen. Wie hat Sie Ihre Herkunft geprägt?
Ich wuchs in der Lorraine auf, einem Arbeiterquartier in Bern und dann im Berner Vorortsilo Worblaufen. Mein Vater war Metzger, meistens ein arbeitsloser Metzger. Er war eher ein Cary Grant, ein hochsensibler, intelligenter, schöner Mann. Seine Herkunft hinderte ihn, sein Potenzial auszuleben. Auch ich musste mich fast rechtfertigen, als ich das konservative Gymnasium im Kirchenfeld besuchte; ich musste beweisen, dass ich mich trotz meiner Herkunft zur geistigen Elite zählen darf. Ich verdanke meinen Eltern viel, die mich stützten und förderten, wo sie konnten, im Sinn: Wenn du das nicht schaffst, wer denn sonst? Das meine ich eben. Das ist Liebe.

Und Sie waren als Kind schon so kämpferisch?
Ja. Wohl auch, weil ich eine Nachzüglerin bin. Der Altersunterschied zu meinen zwei Geschwistern beträgt elf und dreizehn Jahre. Ich war das Nesthäkchen, total verwöhnt.

Zum Schluss: Was wird auf Ihrem Grabstein stehen?
Irgend ein Satz. Vielleicht: «Sie lebte.» Oder: «Denkerin ohne Geländer».

Das ist von Hannah Arendt.
Wissen Sie was? Ich habe gar keinen Grabstein. Meine Asche soll nahe einer griechischen Insel ins Meer gestreut werden. Falls es ein Leben nach dem Tod gibt, befände ich mich in einem warmen Klima.

Regula Stämpfli | Bild: Rita Palanikumar
Regula Stämpfli | Bild: Rita Palanikumar

Die Diskussion

Eine Reaktion

  1. Robert Lazzarotto

    Mein Gott! Platitüden bis zum bitteren Ende, bzw bis auf den Grabstein…

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