Borago officinalis L., Borretsch

Übersicht: Sekundärstoffe

Alchemilla vulgaris, Frauenmantel

 

Sekundärstoffe


1. Sekundärstoffe: Definition und Funktion

Einige wichtige pflanzliche Stoffwechselprodukte, wie Eiweiße, Fette, Zucker und Nukleinsäuren, werden von nahezu allen Pflanzen intensiv produziert und genutzt; sie betreiben damit den grundlegenden Energie- und Baustoffwechsel, den Primär- oder Grundstoffwechsel.
Zahlreiche andere Substanzgruppen - wie Wachse, Harze, Balsame, ätherische Öle, Farbstoffe, Alkaloide, Herzglykoside, Saponine, Kumarine, Bitterstoffe, Flavonoide, Lektine, Terpenderivate und viele mehr - werden immer nur teilweise produziert, sind also nicht allen Pflanzen enthalten. In der Regel haben diese Stoffe keine Bedeutung für den Energie-, Speicher- oder Baustoffwechsel, sondern bedienen den sogenannten Sekundärstoffwechsel.
Noch vor 2 Jahrzehnten wurde an Universitäten gelehrt, die sogenannten sekundären Pflanzenstoffe, oder Sekundärstoffe, wären lediglich eine Art Abfallprodukt des Primärstoffwechsels, da die Pflanze keine Möglichkeit besitzt potentielle Schadstoffe aktiv auszuscheiden. In Form der Sekundärstoffe sollten so umgewandelte Schadstoffe unschädlich gemacht werden.
Je intensiver jedoch auf diesem Gebiet geforscht wird, desto häufiger werden biologische Funktionen dieser Stoffwechselprodukte bekannt: Abwehr von Fraßfeinden, Erhöhung des Frostschutzes, Vermeidung übermäßiger Verdunstung, Keimungshemmung von potentiellen Nahrungskonkurrenten, Verständigung von Pflanze zu Pflanze, von Pflanze zu Schadorganismus (pathogen) und von Pflanze zu Nicht-Schadorganismus (z.B. zu einem Bestäuber), Abwehr von Pilzinfektionen, Abwehr bakterieller Infektionen, Anlockung von Nützlingen zur Abwehr von Schädlingen und vermutlich zahlreiche bisher unentdeckte Funktionen mehr.

Zahlreiche Veröffentlichungen in den Bereichen der chemische Ökologie, ökologischen Biochemie und Stoffwechselphysiologie belegen, wie wichtig sekundäre Naturstoffe für den Fortbestand der jeweiligen Art sind. Vor allem im Bereich des pflanzlichen Verteidigungssystems scheinen Sekundärstoffe eine wichtige Rolle zu spielen. Die folgende Liste zeigt einige Beispiele für die biologische Aktivität von Sekundärstoffen:


Pflanzenart Inhaltsstoff Funktion, Wirkung
Trifolium repens, Klee cyanogene Glykoside Fraßschutz
Juglans-Species; Walnuß-Arten Naphtochinone Keimungshemmung, Entwicklungshemmung benachbarter Pflanzen
Salvia leucophylla, Salbeiart Monoterpene Keimungshemmung bei Samen
Artemisia californica 1,8-Cineol, Campher Keimungshemmung
Arctostaphyllos glandulosa, Bäretraubenart
Quercus spec., Eichenart
Vanillinsäure, Salicylsäure
o-p Cumarinsäure
Entwicklungshemmung zahlreicher Pflanzen
Solanum tuberosum, Speisekartoffel
Solanum-Arten, Wildkartoffelarten
Sesquiterpene: Rhishitin, Phytuberin
Demissin
Phytoalexine
Fraßschutz gegen Kartoffelkäfer
Brassica-Species; Kohl-Arten Sinigrin, Allyl-isocyanat Fungitoxin -statikum, Abwehrsubstanz bei Pilzbefall
Pastinaca sativa, Pastinak Xanthotoxin, Psoralen Phytoalexin (Abwehrstoff)
weit verbreitet Gerbstoffe: Gallotannine und Elagtannine Inaktivierung mikrobieller Exo-Enzyme, Schutz vor mikrobiellem Befall
Senecio; Kreuzkraut Pyrrolizidinalkaloide Fraßschutz
Citrus-Species, Zitrus-Arten Limonen Geruchsattraktantium, Anlocken von Bestäubern
weit verbreitet Luteolin, Carotinoide, Anthocyane, Betaxanthin/-cyanin Blütenfarbstoffe, Anlocken von Bestäubern
Koniferen, Nadelbäume Balsame mit Lignanen, Pinoresinol Wundverschluß, antimikrobiell wirksam
Capsicum-spec., Paprika-Arten Capsidiol Fungistatikum
Vitis vinifera, Weinrebe Stilbene: Viniferine Fungistatika, Pilzabwehr
verbreitet; z.B. Gurkenblätter Chitinasen Angriff auf die Zellwand von Pilzen
weit verbreitet Bitterstoffe einige wirken auf Schadinsekten toxisch
weit verbreitet Enzyminhibitoren hemmen abbauende, verdauende Enzyme von Fraßfeinden (Insekten, Säuger)
Nicotiana tabacum, Tabak Nikotin Insektengift, Wirkung DDT-ähnlich
Elletaria cardamomum, Kardamon äther.Öl mit 1,8-Cineol, alpha-Terpineol, Borneol, Campher, Limonen fungistatisch/-zid, antimikrobiell, antiviral
weit verbreitet Saponine fungistatisch/-zid, antimikrobiell, hämolytisch


 

2. Das Abwehrsystem der Pflanzen

Die obige Liste erwähnt lediglich einen kleinen Ausschnitt von Sekundärstoffen, deren biologische Aktivität im Labor belegt wurde. Vor allem die Wirkungen der Substanzen gegen Viren, Pilze und Bakterien sind zahlreich beschrieben.
Erst neueste Forschungsergebnisse vor allem im Bereich der Pflanzenschädlinge, ihrer Wirkung im molekularen und biochemischen Bereich, geben einen Einblick in das Abwehrsystem der Pflanzen - und in die Bedeutung der darin eingebundenen Sekundärstoffe. Entgegen der landläufigen Meinung, Pflanzen bliebe mehr oder weniger nichts anderes übrig als zu hoffen mit Glück die Vegetationsperiode mit all ihren Widrigkeiten zu überstehen, besitzen Pflanzen offensichtlich ein ausgeklügeltes Schutzsystem gegen potentielle Schadensfälle. Innerhalb dieses Schutzsystems der Pflanzen scheinen Sekundärstoffe eine zentrale Rolle zu spielen.
Die Grundlagenforschung beschäftigt sich hier vor allem mit Stoffwechselvorgängen bei Angriffen durch krankheitserregende Bakterien oder Pilze. Sie erlaubt erste Einblicke in das ausgeklügelte Schutz- und Verteidigungssystem der Pflanzen. Wichtig werden diese grundlegenden Erkenntnisse vor allem vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Resistenzprobleme: zahlreiche Landwirtschaftsschädlinge sind gegen synthetisch-chemische Herbizide, Insektizide und andere Biozide nahezu völlig immun.

Pflanzen können sich aktiv, wie passiv auf vielfältige Art und Weise gegen potentielle Parasiten oder Angreifer zur Wehr setzen:

  • passiv, durch eine Art permanente Ausstattung: etwa mit besonders widerstandsfähigen Zellwänden, durch besondere Inhaltsstoffe in der äußeren Pflanzenhülle oder durch permanent bereit gestellte Abwehrstoffe;
  • aktiv, durch die Fähigkeit Schädlinge oder Verwundungen spezifisch unterscheiden zu können, durch die Bereitstellung hochspezifischer Informationswege (Informations-Moleküle, Änderungen im Membranpotential, Molekülkaskaden) und durch die Fähigkeit abgestimmte Stoffwechselprodukte produzieren zu können - beispielsweise durch die gezielte Produktion von Verdauungshemmstoffen (Proteinaseinhibitoren, alpha-Amylasehemmer), durch die Produktion und den Transport von toxischen Stoffen zur Infektionsquelle, durch die Produktion von Substanzschichten, die den Eindringling isolieren oder durch den kontrollierten Zelltod eines kleinen Zellareals, um dem Angreifer die Nahrungsgrundlage zu entziehen.

permanente Schutzmaßnahmen
strukturell Kutikula mit Wachsen; Kutikula mit Abwehrstoffen oder Signalstoffen; spezielle Struktur der Spaltöffnungen ("Lungen" der Pflanze), um Pilzbesiedlung zu erschweren; Behaarung der Blattoberfläche; Einlagerung vorgefertigter Abwehrsubstanzen in Rindenschichten
chemisch Produktion zahlreicher speicherfähiger Formen biologisch aktiver Abwehrsubstanzen; Lagerung in speziellen Behältnissen: Phenolderivate, Alkaloide, Saponine, Senföle, Terpenoide, cyanogene Glykoside, Acetophenone, Flavonoide, Proteinasehemmer...; werden bei Bedarf freigesetzt; Einlagerung von Schutzsubstanzen in der äußeren Pflanzenhülle
induzierbare Schutzmaßnahmen
Produktion von Informationssubstanzen während einer Kalamität (Infektion, Verwundung) werden spezielle Substanzen gebildet, die die Aufgabe haben zwischen dem Streßereignis (Schädlingsbefall, Beschädigung der Zellwand...) und einer geeigneten Reaktion der Pflanze zu vermitteln; in Diskussion: Ethylen, Jasmonsäure, Methyljasmonat, Salicylsäure, Systemin;
Geninduktion während Infektionsvorgängen werden zahlreiche spezifische Gengruppen vermehrt abgelesen; als Auslöser dienen z.T. die von der Pflanze erkannten Schädlinge selbst (über die Oberflächenmoleküle von Pilzen, Bakterien), deren Stoffwechselprodukte oder Teile/Abbauprodukte der geschädigten äußeren pflanzlichen Zellschichten (Kutikula-, Zellwandbestandteile)
Stoffwechselvorgänge Proteinbiosynthese wird reduziert; Plasmabewegung in der Zelle wird gestoppt; zentrale Stoffwechselwege werden umgelenkt: spezielle Enzyme zur Produktion ausgewählter Stoffgruppen werden angeregt (PAL, Chalkonsynthase)
Abwehrsubstanz-Produktion Lignin, Suberin, Gerbstoffe zur mechanischen Abschottung gegen Zellschädlinge; toxische, den Eindringling/Schädling abwehrende Substanzen (Phytoalexine, werden z.T. bis um das mehrere 600-fache angereichert und zum Schadensort transportiert); Produktion von H2O2 (Wasserstoffperoxid zur Abwehr, oxidative burst); Proteinase/Amylaseinhibitoren: hemmen Verdauungsenzyme von Fraßfeinden; Stoffproduktion zur Anlockung von Feinde der Pflanzenschädlingen; gezielter Zelltod, um Eindringling zu isolieren

Erst neueren Forschungsergebnissen verdanken wir die Erkenntnis, daß Pflanzen die Wahrnehmung eines Angriffs innerhalb der ganzen Pflanze kommunizieren können. Somit ist sie in der Lage sämtliche Bereiche in Abwehrstellung zu bringen. Die Pflanze ist daraufhin für einige Zeit immun gegen weitere Attacken. Pflanzen können sich also nicht nur lokal, am Infektions- oder Schadensort zur Wehr setzen, sondern auch systemisch reagieren. Ein flüchtiger Signalstoff, das Methyljasmonat, ist sogar in der Lage ein Bedrohungssignal über die Luft, an entfernt stehende Nachbarpflanzen zu übermitteln; dort führt dieses Signal zur Auslösung spezifischer Stoffwechselvorgänge für die Schadensabwehr.

Exemplarisch soll am Beispiel einer krankheitserregenden Pilzinfektion gezeigt werden, welche Maßnahmen die Pflanze passiv und aktiv ergreift, um sich gegen den Eindringling zu wehren:

Pflanzenabwehr1
Pflanzenabwehr2
Pflanzenabwehr3

An Pilzinfektionen ist belegt, daß Pflanzen in der Lage sind ihre Krankheitserreger spezifisch zu erkennen. Hierzu dienen Oberflächenmoleküle der Pilze, die über Proteine in den Pflanzenmembranen identifiziert werden können - so kann die Pflanze erkennen, ob es sich bei der Kalamität um eine Pilzinfektion oder um eine Verletzung anderer Art handelt. Anders herum erkennt der Pilz darüber seine Wirtspflanze, an der er sich festheftet, um den Infektionsvorgang zu starten.
Mit verschiedenen Enzymen (molekulare Schneidewerkzeuge der Pilze: Kutinase, Cellulase, Hemicellulase) greift der Pilz die Pflanzenwände an und versucht sich Zugang zur Zelle und deren Nährstoffen zu verschaffen.
Die Pflanze startet im Gegenzug ihre Abwehr. Sie setzt einerseits vorgefertigte Abwehrsubstanzen frei und transportiert sie in Richtung Pilz. Zusätzlich produziert sie infolge der Infektion Signalsubstanzen (Salicylsäure, Jasmonsäure, Methyljasmonat, Ethylen, Systemin). Diese aktivieren spezifische Gengruppen, die verschiedene Abwehrreaktionen in Gang setzen können. Bruchstücke der Pflanzenmembranen oder der obersten Kutikularschichten, die durch den enzymatischen Angriff des Pilzes entstanden sind, können ebenfalls als Signalsubstanz zum Start der Abwehrreaktionen dienen. Der pflanzliche Stoffwechsel wird umgelenkt, zentrale Stoffwechselwege werden gestoppt und dem Ziel der Pilzabwehr unterworfen: Fungistatika oder Fungizide (Pilzgifte) werden gebildet, Wasserstoffperoxid (giftig) produziert, Zellwände werden verstärkt (Lignineinlagerung), die Zellmembranen verstärkt.
Wenn dies alles nicht hilft, wird ein lokaler Zelltod eingeleitet. Ein kleines Zellareal um den Pilz herum wird mit stark-vernetzbaren Sekundärstoffen, Polyphenolen, angereichert und diese mittels Wasserstoffperoxid schlagartig zu einer für den Pilz undurchdringlichen Masse umgewandelt. Die verfüllten Zellen werden gezielt zum Absterben gebracht, um den Pilz zu isolieren und ihn von Nährstoffen fernzuhalten.

Diese Reaktionen verlaufen lokal ab - das heißt, sie beziehen sich auf den eng begrenzten Raum der Pilzinfektion. Erst in den letzten Jahren konnte eine Substanz isoliert und charakterisiert werden, die die Aufgabe hat, sämtliche Organe der Pflanze über den gerade stattfindenden Pilzbefall zu informieren. Diese Substanz löst eine Reaktion in der gesamten Pflanze aus, die sie für weiter stattfindende Infektionsversuche eine Zeit lang immun macht. Diese beobachtete, nachgewiesene systemische Abwehrreaktion der Pflanze legt die Grundlage für einen völlig neuartigen Ansatz in der Pflanzenschädlingsbekämpfung - systemische Immunität, die von der Pflanze bei Bedarf ausgelöst werden kann.

Der Millionen Jahre alte Kampf zwischen Angriff und Abwehr hat zu einer immensen Stofffülle innerhalb des Pflanzenreiches geführt. Je nachdem welchen Widrigkeiten Pflanzen am Standort ausgesetzt waren, konnten sich diejenigen Individuen durchsetzen, die sich am effektivsten gegen die Fülle von Angriffen zur Wehr setzten - und in Zukunft zur Wehr setzen werden. Substanzen mit den unterschiedlichsten Wirkungen wurden im Laufe von Tausenden von Generationen herausselektiert: Substanzen die Pilzwände zerstören, Membranen funktionsunfähig machen, lebenswichtige Stoffwechselvorgänge der unterschiedlichsten Angreifer beeinträchtigen, Bakterien im Wachstum stoppen, Viren an deren Vermehrung beeinträchtigen, Insekten an der Häutung hindern, Verdauungsenzyme von Pflanzenfressern ausschalten, die Fortpflanzung von Fraßfeinden behindern, Nützlinge anlocken und und und... - bis die Gegenseite wieder eine neue Strategie entwickelt hat.

1 Ausgangssbstanz: 3 Abwehrmöglichkeiten

In der Regel besitzen Pflanzen mehrere Verteidigungsmöglichkeiten und Abwehrsubstanzen - diese sind zwar nicht immer hoch selektiv, schwächen dafür den Angreifer gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen. Dies scheint mehr Erfolg zu versprechen, als sich in seiner Verteidigung auf eine einzige - wenn auch sehr effektive Strategie - zu verlassen. Und Erfolg ist wichtig, denn die Verteidigung kostet wertvolle Energie; und mit der Stoffwechselenergie muß sparsam gehaushaltet werden. Als Beispiel sei die Produktion von Insektengiften und Fraßhemmern in Nadelbäumen genannt. Das Harz von Nadelbäumen enthält eine Substanzgruppe, die Monoterpene, die für ihre vielfältigen, abwehrenden Wirkungen bekannt sind. Bei Befall wird dieses Harz, auch Oleoresin genannt, vermehrt gebildet. Es besteht aus mehreren Komponenten - und die werden höchst effektiv hergestellt. Die Monoterpene Limonen, alpha-Pinen, beta-Pinen und Myrcen sind mehr oder weniger weit verbreitete sekundäre Pflanzenstoffe mit fraßhemmender und insektentoxischer Wirkung. Nur ein einziges Enzym ist zu ihrer Produktion notwendig. Zwar wird der Ausgangsstoff zu 94 Prozent zu Limonen umgewandelt, doch in Nebenreaktionen entstehen auch die anderen drei Bestandteile zu jeweils 2 Prozent. Stoffvielfalt durch enzymatische Nebenprodukte - effektiv in der Wirkung gegen Feinde und energetisch sparsam in der Produktion.

 

3. Pyrrolizidinalkaloide

Jetzt ein kurzer Exkurs in die Chemie pflanzlicher Sekundärstoffe: die Pyrrolizidinalkaloide. Die Stoffgruppe wurde ausgewählt, weil sie in vielerlei Hinsicht beispielhaft für die Komplexität von Sekundärstoffen stehen. Pyrrolizidinalkaloide sind relativ gut untersucht. Sie beinhalten einerseits unerwünschte Begleitstoffe in Arzneipflanzen, andererseits Modellstrukturen für zugelassene Arzneimittel, sollten einerseits nach Willen des BfArM aus Arzneipflanzenextrakten entfernt werden und bieten andererseits den Pflanzen Schutz vor Fraßfeinden.
Zur Definition: bei den Pyrrolizidinalkaloiden handelt es sich um Esterverbindungen, die aus 2 Komponenten bestehen;
allgemeine Strukturformel der Pyrrolizidinalkaloide
allgemeine Strukturformel der
Pyrrolizidinalkaloide
zum einen aus einer basischen Komponente, dem sogenannten Necin (das auf dem 1-Hydroxymethylpyrrolizidin basiert), zum anderen aus Karbonsäuren, den Necinsäuren, die in ihrer Grundstruktur aus fünf bis zehn Kohlenstoffatomen bestehen und teilweise verzweigt vorliegen können. Als zusätzliche chemische Anhängsel - Substituenten - kommen Hydroxy-, Methoxy-, Epoxy-, Carboxy-, Acetoxy- und andere Alkoxygruppen in Frage.

Je nachdem, ob am Necin ein oder zwei OH-Gruppen angehängt sind (einfach oder doppelt hydroxyliert ist) und ob es sich beim Necinsäureanteil um Mono- oder Dicarbonsäuren handelt, findet man bei den Pyrrolizidinalkaloiden Monoester und einfache Diester. Verbinden sich die beiden Necinsäuren zu einem Ring liegen sogenannte zyklische Diester vor. Diese Strukturunterschiede sind wichtig für die Einschätzung der Giftigkeit, Toxizität dieser Substanzen.
Eine Gruppe von Pyrrolizidinalkaloiden wird in der Leber zu stark alkylierenden, also stark toxischen, Erbgut-schädigenden Produkten aktiviert: den Pyrrolen. Normalerweise hat die Leber die Aufgabe unbekannte oder toxische Stoffe unschädlich zu machen; sie erledigt diese Aufgabe mit Hilfe zahlreicher Enzymkomplexe, die in der Lage sind vielfältigste biochemische Reaktionen durchzuführen. In einigen Fällen passiert allerdings das Gegenteil: die eigentlich stark schädigenden Substanzen werden erst von der Leber hergestellt - sie werden aus aufgenommenen Substanzen in der Leber "gegiftet".


3.1 Definition toxische Pyrrolizidinalkaloide

Die toxischen Wirkungen dieser Verbindungen sind an bestimmte Strukturmerkmale gebunden:

Doppelbindung in 1,2 Position des Pyrrolizidinringes
Veresterung mindestens der primären Hydroxymethylgruppe am C1 oder der OH- Gruppe am C7
Verzweigung der Necinsäuren an R1 oder R2
Strukturformel toxischer Pyrrolizidinalkaloide
allgemeine Strukturformel toxischer
Pyrrolizidinalkaloide

Die stärkste Toxizität zeigen zyklische Diester, bei denen die Carbonsäuren zu einem Ring geschlossen sind. Der Grad der toxischen Wirkung nimmt in der Reihenfolge zyklische Diester - nicht-zyklische Diester - Monoester ab. Pyrrolizidinalkaloide mit unverzweigten Seitenketten sind nur schwach lebergiftig. Fehlt den Monoestern die C7 OH-Gruppe, ist die Verbindung noch weniger toxisch. Pyrrolizidinalkaloide mit einer gesättigten Necinbase und freie Aminoalkohole sind nach Literaturangaben nicht toxisch.

Für die Spezialisten unter Ihnen folgende Zusammenstellung zu den Pyrrolizidinalkaloiden: die Untergliederung erfolgt nach Substitution (R3) und Konformation der R1-Seitenkette in Kombination mit der Art der C7-Seitenkette.

Konformation R1 erythro Konformation R1 threo Necinsäuren
R1 erythro: 11S 12S R1 threo: 11S 12R Necinsäuren


 
R1 Konformation:erythro (11S, 12S)
R2 R3 Molekulargewicht Bezeichnung
H H 299 Lycopsamin
Acetyl- H 341 Acetyl-Lycopsamin
Acetyl- OH 357 Uplandicin
Tigolyl- H 381 Symphytin
Angeloyl- H 381 Symlandin
Seneciolyl-R2 H 381 Symviridin
Angeloyl- OH 397 Echimidin
R1 Konformation:threo (11S, 12R)
R2 R3 Molekulargewicht Bezeichnung
H H 299 Intermedin
Acetyl- H 341 Acetyl-Intermedin
Tigolyl- H 381 Myoscorpin
Angeloyl- H 381 Echiumin
C7-Seitenketten des Necin-Grundgerüstes (R2)
R5 R6 R7 Bezeichnung
CH3 H CH3 Tigolyl-
CH3 CH3 H Angeloyl-
H CH3 CH3 Seneciolyl-


3.2 Vorkommen der Pyrrolizidinalkaloide

Pyrrolizidinalkaloidführende Pflanzen sind so weitläufig innerhalb des Pflanzenreichs vertreten, daß in vielen geographischen Bereichen und Florenelementen mit ihnen gerechnet werden muß.
Vor allem in der Familie der Korbblüter (Asteraceae), mit den Gattungen Senecio (Fuchskreuzkraut), Petasites (Pestwurz) und Tussilago (Huflattich) als bekannteste Vertreter, in Gattungen der Schmetterlingsblütler (Fabaceae) und in der Familie der Raublattgewächse (Boraginaceae) ist diese Stoffgruppe zu finden. Über 380 Verbindungen sind bisher gefunden und in ihrer Struktur aufgeklärt worden. Man schätzt, daß insgesamt 6000 Pflanzenarten diese Alkaloide synthetisieren können, was einem Anteil von 2,5 - 3% der Blütenpflanzen entspräche.

Da nur ein bestimmter Teil der Pyrrolizidinalkaloide ein Gefährdungspotential besitzt, ist bei Angaben zum Pyrrolizidinalkaloid-Gehalt zu berücksichtigen, welche Strukturtypen innerhalb der jeweiligen, zu beurteilenden Art vertreten sind.

Einige potentielle Heil- und Nutzpflanzen führen diese sekundären Pflanzenstoffe in ihrer Wildform als unerwünschte Begleitstoffe. Das ehemalige Bundesgesundheitsamt hat entsprechend reagiert und Maßnahmen ergriffen. Durch züchterische Maßnahmen oder Entfernung der entsprechenden Alkaloide aus den Arzneimittelzubereitungen konnte ein potentielles Gefährdungspotential - in Verbindung mit Anwendungsbeschränkungen - minimiert werden. Die Thematik dieser speziellen Alkaloidgruppe in zugelassenen Arzneipflanzen wurde bearbeitet und kann als gelöst gelten.


3.3 Toxikologie und Pathologie der Pyrrolizidinalkaloide

Bereits 1956 warnte der Forscher Schoental vor der Problematik der Pyrrolizidinalkaloide in Arzneipflanzen. Etwa zeitgleich wurden die Pilzgifte, die Mycotoxine, entdeckt. Da diese nicht nur den medizinischen, klinischen Bereich, sondern auch den gesamten Lebensmittelbereich betrafen, trat die Erforschung dieser Mycotoxine mit ihrem weitreichenden Gefährdungspotential in den Vordergrund. Die frühen Warnungen vor Pyrrolizidinalkaloiden wurden vergessen. So blieben, selbst in technisch weit fortgeschrittenen Ländern, pyrrolizidinalkaloidhaltige Arzneipflanzen oder deren Zubereitungen in Gebrauch, ohne auf deren potentielle Gefährdungsrisiken überprüft worden zu sein. Vor allem in Ländern, in denen aus traditionellen oder finanziellen Gründen mit Arzneipflanzen behandelt werden muß, sind pyrrolizidinalkaloidführende Pflanzen weiter in Gebrauch. Selbst Massenvergiftungen, von denen die größte zirka 2000 Menschen in Afghanistan betraf, oder Kalamitäten im Verlauf von Heilkräuterbehandlungen werden von den Betroffenen nicht in Zusammenhang mit Arzneipflanzen oder Lebensmittelverunreinigungen gebracht.

Ansteigendes Interesse an der Toxikologie und Pathologie der Pyrrolizidinalkaloide erbrachten erste quantitative Versuche 1979, nach denen bereits geringste Konzentrationen von 1 bis 4 ppm im Futter schwerwiegende Schäden an Versuchstieren auslösen konnten. Zur Erklärung: 1 ppm (part per million) bedeutet 1 Teil auf 1.000.000 Teile oder 1 Gramm auf 1 Tonne. Zahlreiche Untersuchungen zur Toxikologie von Pyrrolizidinalkaloiden an den unterschiedlichsten Organismen folgten.
Symptome nach Verabreichung ungesättigter Pyrrolizidinalkaloide manifestieren sich vor allem in Form akuter Toxizität (Giftigkeit), Kanzerogenität (Fähigkeit Krebszellen zu erzeugen) und Genotoxizität/Mutagenität (Schädigung der Chromosomen, der Erbsubstanz). Die wichtigsten Zielorgane der toxischen Wirkung sind Leber, Lunge, Niere und Magen-Darmtrakt. Im Vordergrund steht die schädigende Wirkung auf die Leber als Hauptort des Stoffwechsels. Hier werden die Substanzen gegiftet, in den Blutstrom ausgeschwämmt und andere Organe angegriffen. Stärke und Zielort der Wirkung hängen dabei stark von den ausgewählten Versuchsbedingungen und den Test-Organismen ab; auch gravierende Unterschiede zwischen der Reaktion weiblicher und männlicher Versuchstiere sind so seit langem bekannt.

Die zahlreichen Untersuchungen führten zur Aufklärung der oben erwähnten toxischen Untergruppen an Pyrrolizidinalkaloiden und zu Maßnahmen des Bundesgesundheitsamtes zum Erhalt der Arzneimittelsicherheit: zu Risikoabschätzungen und Anwendungsbeschränkungen betroffener Arzneimittel.


3.4 Funktionelle Aspekte der Pyrrolizidinalkaloide

Noch vor 20 Jahren wurde an Universitäten gelehrt, bei Sekundärstoffen handele es sich um Überflußprodukte oder nicht entsorgte Abfallprodukte, sozusagen um das Übergewicht von Pflanzen. Diese Lehrmeinung entspricht nicht mehr dem Stand der Wissenschaft.

Mit den immer tiefer greifenden Untersuchungen, neuen technischen Möglichkeiten und dem Gespür und Wissen um die Zusammenhänge innerhalb der Pflanzenstoffproduktion, ergibt sich eine Geflecht an Funktionalitäten, mit dessen Entdeckung wir gerade am Anfang stehen. Bedenkt man, daß in einem Kubikmeter Gartenerde mehr Organismen leben als Menschen auf der Erde und die Artenvielfalt der darin vorkommenden Organismen den Tropen gleich kommt, kann man vielleicht die Komplexität biologisch-chemischer Zusammenhänge erahnen. Zirka 200.000 Pflanzenarten bilden die Nahrungsquelle für mehr als 500.000 Insektenarten. Wieviele Tausende Pilz- und Bakterienarten mit um diese Quelle konkurrieren kann man nur abschätzen.
Unter dem Selektionsdruck von Fraßfeinden, Schädlingen, Parasiten, Bestäubern und miteinander konkurrierenden oder kooperierenden Nachbarpflanzen hat der pflanzliche Stoffwechsel Produkte entwickelt, mit dessen Hilfe die jeweilige Art sich unter den gegebenen Bedingungen erfolgreich anpassen und fortpflanzen kann. Das Beispiel der Pyrrolizidinalkaloide soll einige Erkenntnisse über die Vielzahl an Wechselwirkungen exemplarisch beleuchten.

Die Pyrrolizidinalkaloide aus der Gattung Fuchskreuzkraut, Senecio, werden in der Wurzel gebildet; dort entstehen auch die Verbindungen Spermidin und Spermin, stickstoffhaltige Moleküle, die als Wachstumsregulatoren in der Diskussion stehen. Beide Substanzgruppen, Pyrrolizidinalkaloide und Wachstumsregulatoren, stehen über die Substanz Putrescin stoffwechselphysiologisch miteinander in Verbindung. Inwieweit die Alkaloide einen Speicher für die Produktion pflanzlicher Wachstumssubstanzen darstellen, ist noch nicht endgültig geklärt.
In Crotolaria-Samen kommen Alkaloid-Gehalte um 5% vor; dort werden die Pyrrolizidinalkaloide verstoffwechselt und dienen nach bisherigen Erkenntnissen als Stickstoffquelle; im Gegensatz zum Samen sind in der Keimpflanze kaum noch Alkaloide zu finden: die Alkaloide in einem Beispiel als Stockstoff-Quelle, im anderen Beispiel als mögliche Ausgangssubstanz für Wachstumsregulatoren
Die sogenannten N-Oxide der Alkaloide - die wasserlösliche Form der Pyrrolizidinalkaloide - stellen im allgemeinen die Transport- und Speicherform der Pyrrolizidinalkaloide dar und können über die Transportbahnen der Pflanze zu den Zielorganen, beispielsweise in die Blütenstände, transportiert werden. Über ein spezifisches Membran-Transportmolekül werden die Alkaloide schließlich im Zellsaftbehälter der Zelle, der Vakuole, gespeichert. Dieser Anreicherung ist wichtig, dient sie doch zu der wahrscheinlich prominentesten Aufgabe der Alkaloide: dem Schutz vor Fraß

Am auffallendsten ist die Rolle der Pyrrolizidinalkaloide als Fraßschutz vor Herbivoren (Pflanzenfressern). Obwohl die Pyrrolizidinalkaloide im Gegensatz zu vielen anderen sekundären Pflanzenstoffen ihre Giftwirkung nicht sofort freisetzen, sondern in der Regel erst über Tage oder Wochen wirksam werden, meidet frei grasendes Weidevieh pyrrolizidinalkaloidhaltige Pflanzen - zumindest solange andere Futterpflanzen ausreichend zur Verfügung stehen. Vermutlich wird die abwehrende Wirkung, wie beim Menschen, über den bitteren Geschmack ausgelöst.

Pyrrolizidinalkaloide scheinen die Pflanze jedoch nicht nur gegenüber Großvieh, sondern auch vor Insektenfraß zu schützen. Ein erster Hinweis darauf ist die relativ geringe Zahl an Insektenarten, die derartige Pflanzen als Wirtsorganismen nutzen. An mehreren Heuschrecken-, Küchenschaben-, Ameisen- und Schmetterlingsarten konnte in Fütterungsversuchen gezeigt werden, daß Alkaloid-behandeltes Futter als Nahrungsquelle zurückgewiesen wird. Aufgrund der Vielfältigkeit der Sekundärstoffe ist der Beweis für die Schutzwirkung eines einzigen Sekundärstoffes oder einer Sekundärstoffgruppe in Pflanzen jedoch nicht einfach zu führen.
Ein recht überzeugendes Experiment lieferten Forscher erst vor ein paar Jahren: sie nutzten das spezielle Verhalten einer Spinnengattung. Manche Arten der Gattung Nephila testen ihre Beute auf Geschmack, bevor sie diese in einen Kokon verpackt ins Spinnennetz hängen. Zum Verzehr ungeeignete Beute wird aus dem Netz herausgeschnitten und im wahrsten Sinne des Wortes fallen gelassen. Der Spinne wurden nun einmal unbehandelte, ein anderes Mal mit Alkaloiden präparierte Beutetiere angeboten. Die in eine spezielle Pyrrolizidinalkaloid-Lösung getauchten und in das Netz der Spinne gehängten Insekten wurden fast gänzlich aus den Netzen als "nicht-schmeckend" herausgeschnitten, während die nicht behandelten Kontrolltiere durchwegs als Beute akzeptiert wurden. Deutlicher ist der Hinweis auf die biologische Funktion dieser Stoffgruppe kaum zu führen.


3.5 Anpassungen an Pyrrolizidinalkaloide

Daß die Führung von Pyrrolizidinalkaloiden in der Pflanze für den Besucher nicht immer nur Nachteile bringen muß, zeigen die Anpassungen innerhalb einiger Insektenarten an diese Sekundärstoffgruppe. Im Laufe der Evolution haben verschiedene Organismen gelernt mit den Pyrrolizidinalkaloiden erfolgreich umzugehen, sie schadlos aufzunehmen oder sie sogar zu eigenen Zwecken gezielt zu nutzen. Folgende Grundtypen können unterschieden werden:

Organismen, die ausschließlich den Nährwert der Alkaloid-haltigen Pflanzen nutzen, ohne von den Alkaloiden Schaden zu nehmen, bei geringer Nahrungskonkurrenz
Organismen, die sowohl den allgemeinen Nährwert der Pflanze, wie auch die spezielle biologische Funktion der Alkaloide nutzen
Organismen, die ausschließlich die biologische Funktion der Pyrrolizidinalkaloide der Pflanze für eigene Zwecke zu nutzen

Zur ersten Gruppe gehören Insekten die ihren Vorteil in dem relativ geringen Wettstreit um pyrrolizidinalkaloidhaltige Futterpflanzen suchen. Meist nutzen sie die verschiedensten Futterquellen. Sie sind in der Lage Pyrrolizidinalkaloide ohne Schaden zu verstoffwechseln und auszuscheiden.

Die zweite Gruppe nutzt ebenfalls die konkurrenzarme Nahrungsquelle, kann aber gleichzeitig durch die Aufnahme die Alkaloide Vorteile für sich erzielen - beispielsweise durch den Einbau der giftigen Substanzen in den eigenen Körper, um sich vor Fraßfeinden zu schützen. Manche Insekten speichern die Alkaloide ohne eigenen Schaden in den Flügeln oder dem harten Chitinpanzer. Der unangenehme Geschmack vergällt so manchem Räuber den Appetit.

Alkaloidaufnahme über Pflanzen

Die dritte Insektengruppe sucht gezielt Pflanzen ausschließlich wegen ihrer Pyrrolizidinalkaloide - die Alkaloide werden gezielt aufgenommen und zu unterschiedlichen Zwecken verstoffwechselt. Die Schutzwirkung der Alkaloide vor Fraßfeinden und die Funktion als Biosynthesevorstufe von Sexuallockstoffen zur Partnerfindung (Pheromonen) stehen hier im Vordergrund. Zu dieser Organismen-Gruppe gehören einige Schmetterlingsarten. Sie zeichnen sich durch sogenannte Pharmakophagie aus, indem sie verwelkte oder getrocknete Pflanzen gezielt aufsuchen, um die enthaltenen Alkaloide im Speichel zu lösen und aufzunehmen. Auf bis zu 20% des Trockengewichtes können Insekten die Alkaloide in ihrem Körper anreichern. Hydroxydanaidal, ein Abbauprodukt der Pyrrolizidinalkaloide, das erst beim Verwelken der Pflanze oder bei Beschädigung des Gewebes entsteht, dient hierbei den Insekten als Signalstoff. Der flüchtige Stoff lockt die Insekten zur Quelle. Auch einige Laufkäfer-Arten sind in der Lage sich durch Anreicherung pflanzlicher Alkaloide in speziellen Drüsen oder im gesamten Körper vor Fraßfeinden zu schützen.

Pyrrolizidinalkaloide dienen jedoch nicht nur als Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde, sondern werden auch als Vorstufe für die eigene Molekülproduktion verwendet. Die Aufnahme von Pyrrolizidinalkaloiden als Biosynthesevorstufe von Sexuallockstoffen ist für manche Insektenarten von außerordentlicher Bedeutung. Die Menge an produziertem Lockstoff ist ausschlaggebend für den Erfolg bei der Partnerwahl. In anderen Insektenarten scheinen die Weibchen die Alkaloide weniger effektiv aufzunehmen. In diesem Fall scheinen sie auf die Übertragung von Schutzalkaloiden während des Geschlechtaktes zu spekulieren. Zusammen mit den Spermapaketen werden auch Alkaloide auf die Weibchen übertragen.
Eine weitere bekannte Wirkung der Pyrrolizidinalkaloide bei Schmetterlingen ist die des Morphogens: also eines Moleküls, das die Ausbildung von Körperorganen steuert. Innerhalb der Schmetterlingsart Creatonotos hängt die Fähigkeit zur Bildung des Sexuallockstoffes davon ab, wieviel Pyrrolizidinalkaloide die frühe Larve ehemals aufgenommen hat; die in diesem frühen Entwicklungsstadium aufgenommene Alkaloidmenge bestimmt im erwachsenen Schmetterling die Ausformung derjenigen Organe, die den Sexuallockstoff produzieren sollen.

Die kurze Schilderung der vielfältigen Wirkungen und Einflußnahmen der Pyrrolizidinalkaloide auf den pflanzlichen und tierischen Stoffwechsel zeigt, über welche Potenz Sekundärstoffe verfügen. Von der Stickstoffquelle in Pflanzen zu Schutzstoffen und Pheromonen in Tieren bieten die Alkaloide eine kaum abschätzbare Vielfalt an Verstoffwechslungsmöglichkeiten.


infowis - Dr. Preitschopf | copywright | impressum | nach oben | zur Anfangsseite