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   04.09.2008
Unterzucker bei Nicht-Diabetikern
Abb Unterzucker bei Nichtdiabetiker

Immer wieder berichten Patienten, die keinen Diabetes haben, von typischen Unterzuckerungs-Symptomen. Es steht dabei außer Zweifel, dass die Blutzuckerwerte bei diesen Personen tatsächlich erniedrigt sind.

Die geschilderten Symptome sind entsprechend typisch. Sie reichen von

  • Schwitzen,
  • Zittern,
  • weichen Knien bis zu
  • Herzjagen.

Aber auch

  • Heißhunger,
  • Sehstörungen,
  • Krampfanfällen,
  • Sprachstörungen,
  • sogar vorübergehende Lähmungen
  • pelziges Gefühl um die Lippen und andere Symptome sind möglich.

Somit unterscheiden sich die Symptome nicht von denen, welche Diabetiker erleben können, die eine Blutzuckersenkende Behandlung durchführen.

Wie lassen sich derartige Unterzuckerungen erklären?

Extrem selten …
… sind Vermehrungen (Hyperplasien) der insulinproduzierenden Zellen (Beta-Zellen) in den Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse. Ferner gibt es meist kleine gutartige Tumore dieser Beta-Zellen. Sie produzieren das Hormon Insulin, auch dann wenn es gar nicht benötigt wird, so dass es zu schweren Unterzuckerungen kommen kann. Typisch für diese Patienten ist, dass die Unterzuckerungen meist in den frühen Morgenstunden auftreten. Eine familiäre Häufung kommt bei der multiplen endokrinen Neoplasie (Anmerkung der Redaktion: Als Neoplasie bezeichnet man die Neubildung von Körpergeweben infolge Regeneration von Gewebe bzw. Neubildung wie z. B. bei einem Tumor) vor – auch andere jedoch meist bösartige Tumore können Stoffe produzieren, welche eine Unterzuckerung bedingen.

Ebenfalls sehr selten …
… sind Unterzuckerungen als Folge einer anderen hormonellen Erkrankung, wie z. B. dem Morbus Addison. In diesem Falle kann der Körper kein Nebennierenrindenhormon (Cortisol) bilden. Aber auch Schilddrüsenhormon-Störungen oder solche der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) können Unterzuckerungen auslösen.
Diese Ursachen lassen sich nach eingehender Diagnostik z. B. durch einen entsprechenden Endokrinologen, gut behandeln.

Häufiger als bei diesen echten Hormonstörungen …

… kommen Unterzuckerungen nach übermäßigem Alkoholgenuss vor. Hier senkt der Alkohol die Neubildung des Blutzuckers in der Leber. Ferner ist an pharmakologisch bedingte Hypoglykämien zu denken, wie sie z. B. (selten) nach Einnahme von Salizylaten (Anmerkung der Redaktion: Medikamente, die einer Gefäßverengung vorbeugen können) auftreten können.

Nicht mehr so häufig …
… wie vor einigen Jahrzehnten gibt es Unterzuckerungen bei Patienten nach der inzwischen viel seltener vorgenommenen Magenoperation nach Billroth II, mit Entfernung eines größeren Magenteiles. Im Rahmen des so genannten Dumping-Syndroms kam es dabei zu einer sehr schnellen Aufnahme des Zuckers ins Blut. Bereits nach einer Stunde konnten Werte um 300 mg/dl (16.6 mmol/l) gemessen werden. Nach einer weiteren Stunde lagen jedoch die Werte bei 50 mg/dl (2.7 mmol/l) oder tiefer, bedingt durch eine überschießende Produktion von Darmhormonen (Inkretine), die ihrerseits zu einer starken Insulinproduktion führten, so dass das Vollbild einer Unterzuckerung beobachtet werden konnte.

Weiterhin …
… kommen Unterzuckerungen – bevorzugt am späten Vormittag –. meist bei schlanken Menschen vor (so genannte funktionelle Unterzuckerungen). Sie müssen von den Unterzuckerungen getrennt werden, die bei übergewichtigen Menschen im Rahmen einer Vorstufe der Diabetesentwicklung auftreten. Funktionell bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Wissenschaft noch keine Ursache bzw. Erklärungen für diese Unterzuckerungen kennt.

Der Typ 2-Diabetes ist in seiner Entwicklung oft zu Beginn von einer Insulinüberproduktion begleitet. Infolgedessen kann es bei übergewichtigen Betroffenen vorkommen, dass der Nüchternblutzucker noch normal ist und dennoch eine heftige Unterzuckerung am späten Vormittag erlebt wird - ein Diabetes ist noch nicht nachweisbar.

Was sollte zur Klärung solcher Unterzuckerungen getan werden?

Sinnvoll ist es, bei einer solchen Unterzuckerung einen verlängerten Glukose-Toleranz-Test über fünf Stunden durchzuführen. Im Vergleich dazu dauert ein normaler Glukose-Toleranz-Test zwei Stunden. Zur Abklärung einer Unterzuckerung ist jedoch ein umfangreicherer Test unerlässlich. Jede halbe Stunde sowie beim Auftreten von Symptomen, ist eine weitere Blutzuckermessung erforderlich. Dafür sollte zu Beginn der Untersuchung sowie bei Auftreten von Symptomen venöses Blut abgenommen werden.
Aufgrund dieser Messungen kann man dann entscheiden, ob weiterführende Untersuchungen, wie zum Beispiel ein Hungerversuch*, erforderlich sind.

Wichtig ist, dass jede Unterzuckerung ernst genommen wird und nach den Ursachen gefahndet werden muss. In den meisten Fällen kann man durchaus Abhilfe schaffen.

 

 

*Hungerversuch: Nahrungskarenz über 48 bis maximal 72 Stunden bei ungeklärter Unterzuckerung. Dafür erfolgt in Abstand von jeweils sechs Stunden eine Blutentnahme. Bestimmt werden Zucker, Insulin und C-Peptid.