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26.02.2011

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Rückschau: Die rockende Provokation: Wie die 54-jährige Gianna Nannini mit Babybauch und ihrer neuen CD Schlagzeilen macht

Sendeanstalt und Sendedatum: HR, Sonntag, 23. Januar 2011

Gianna Nannini präsentiert ihr neues Album (Bild: dpa)lupe Bildunterschrift: Gianna Nannini präsentiert ihr neues Album (Bild: dpa) ]
Autorin: Stefanie Appel

Sie drückte der amerikanischen Freiheitsstatue einen Dildo in die Hand und sang von der Befreiung der Frau. Dreißig Jahre ist das her, und Gianna Nannini gilt seitdem die rockende Ultrafeministin Italiens. Das provozierende Cover ihrer ersten Platte hatte sie damals selbst entworfen. Auch in Deutschland war sie so auf einen Schlag bekannt. Mitte der 90er Jahre galt Nannini europaweit endgültig als eine der ganz großen Rock-Ikonen, die nicht nur provozierte, sondern anspruchsvolle Kunst lieferte. Sie sang Brecht und trat auch mit hochkarätigen Kollegen wie Sting auf. In ihren Liedern ging es immer wieder um das weibliche Körperverständnis, Nannini promovierte später sogar über den Körper der Frau in der Musik. Selbst rau wie ein Kerl sang sie von „Machos" und machte „Latin Lovers" fertig, brachte in ihrer Heimat die katholische Kirche gegen sich auf. Demnächst erscheint ihre neue CD. Wieder ist das Cover eine Provokation: Nannini mit nacktem Babybauch. Vor wenigen Wochen hat Gianna Nannini im Alter von 54 Jahren eine Tochter geboren. Europaweit löste das eine wochenlange Debatte über mütterlichen Egoismus und übersteigerten Selbstbestimmungswahn einerseits und ein neues weibliches Selbstbewusstsein andererseits aus.

ttt spricht exklusiv mit der Provokateurin über späte Mutterschaft, das neue Album und frühe Vorbilder aus Deutschland.

Text des Beitrags:

Bildunterschrift: Albumcover "Io E Te" ]
Es geht um die Liebe, um nichts als die Liebe, in allen Liedern. Die Liebe als Kraft, als Energie. Um Liebe, die nichts fordert. In Italien aber geht es bei dieser CD um mehr als um die Musik. Sie ist der Soundtrack zu dem Bauch, der Italien seit Wochen bewegt. Auf dem Cover der CD zeigt sich Gianna Nannini hochschwanger. Ausgerechnet sie, die jahrzehntelang für Italien vieles war, nur keine Mutter: Rau wie ein Kerl und bisexuell, eine, die eindrosch auf das klassische Frauenbild Italiens. Und jetzt der Babybauch! Eine reine PR-Maßnahme, so die Kritiker in Italien.

Gianna Nannini kommentiert: "Das tut mir sehr leid für die, denen scheint es schlecht zu gehen, mir aber geht es gut", sagt sie und lacht schallend.

Ihr geht es gut, weil sie gerade eine Tochter geboren hat. Ihr erstes Kind. Mutter werden mit 54? Darf man das? Unverantwortlich, sagten ihre Kritiker.

Gianna Nannini: "Das ist deren Problem. Sie sind unfrei! Ich antworte darauf mit der Geburt von Penelope. Sie ist geboren, ich habe mit dem Leben geantwortet, ich habe geantwortet mit dem Foto auf dem Plattencover."

Skandale liebt sie und "geht nicht" gab es nie - deswegen ist ihr Baby der konsequente Höhepunkt ihres Lebens.

1979, ihr erstes Plattencover: Die amerikanische Freiheitsstatue hat einen Vibrator in der Hand, den nimmt Nannini dann auch mit auf Tour. Sie singt von Selbstbefriedigung und davon, dass sie nicht wisse, ob sie Mann oder Frau sei. Mitte der 80er Jahre landet sie einen Hit nach dem anderen. Männer waren "schön und unmöglich", mit einem Mund zum Küssen. Wirklich radikal war sie nie. Sie machte sich nur lustig, über Machos und schmachtende Frauen.

"Gegen Männer war ich nie", sagt sie, "und genau in dem Punkt hat die feministische Bewegung sich auch immer falsch vermittelt. Männer sind schließlich auch Menschen. Beim Feminismus ging es ja in erster Linie darum, sich aus althergebrachten Machtverhältnissen zu befreien. Ich habe mich gegen meine Familie aufgelehnt, weil ich machen wollte, was ich wollte, Rock, und die waren dagegen. Ich bin dann von zuhause abgehauen!"

Weg aus der toskanischen Provinz, wo ihre Familie in Siena eine Konditorei besitzt, ihre Brüder Bäcker werden durften und sie eine Parfümerie führen sollte. Sie haute ab, studierte Musik, promovierte sogar.

Seit fast 36 Jahren lebt sie jetzt in Mailand, und fast genausolang ist sie in den italienischen Charts. Neben der Musik macht sie heute auch Kunst und sie schreibt: "Gerade habe ich einen Text über die Stimme geschrieben. Die Stimme ist das wichtigste in der Musik."

Auf dem neuen Album ist sie präsenter denn je – knarzend und doch kristallklar. Schwelgen und dann wieder Schmettern - das ist ihr Sound. Und der ist auch von Deutschland inspiriert. Ein Lied von Weill und Brecht - das hat sie mit Sting gemacht. 1987. Dreigroschenoper.

Oper und Rock, frei sein, zu tun und zu lassen, was man will - das ist Rock’n’Roll: Kinderkriegen mit 54 und alte Italo-Schlager neu interpretieren, wenn man will, alleine dafür hat sich dieses Album gelohnt.

 

Infos zur CD

Io E Te
Gianna Nannini
Audio CD (11. Februar 2011)
Anzahl Disks/Tonträger: 1
Label: Rca Int. (Sony Music)

 

Dieser Text informiert über den Fernsehbeitrag vom 23.01.2011. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

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