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Die Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima I nimmt immer drastischere Ausmaße an: Nach mittlerweile drei Explosionen und einem Brand sind die Reaktoren 1 bis 4 erheblich beschädigt. Im Reaktor 2 ist aller Wahrscheinlichkeit auch die innere Schutzhülle teilweise zerstört. Wie die Internationale Atomenergiebehörde IAEA mitteilte, könnte die Wasserstoffexplosion im Reaktor 2 einen solchen Schaden verursacht haben. Die innere Schutzhülle, die den Reaktormantel umschließt, soll den Austritt von radioaktiver Strahlung in die Umwelt verhindern.
Am frühen Morgen (Ortszeit) brach im Reaktor 4 erneut ein Feuer aus. Das berichtet die japanische Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf den Fernsehsender NHK. Zuvor hatte die japanische Atomaufsicht mitgeteilt, dass die Außenhülle des Reaktors 4 schwer beschädigt sei. Das Dach sei zerbrochen. Am Reaktor sei eine hohe Strahlung gemessen worden. Das Gebäude könne daher nicht betreten werden.
Bereits gestern war bekanntgeworden, dass an den Seitenwänden zwei Löcher mit einer Größe von jeweils acht Quadratmetern entstanden sind. Zwei Mitarbeiter des AKW wurden als vermisst gemeldet. Sie hätten sich zuletzt in der Nähe des Turbinenhauses von Reaktor 4 befunden. Wie der japanische Sender NHK meldete, wurde zwischenzeitlich erwogen, mit Hilfe von Hubschraubern Wasser durch Löcher in das teilweise zerstörte Dach zu schütten, um die Brennstäbe im Innern zu kühlen. Nun habe man aber entschieden, Wasser durch Löschzüge in das Gebäude zu bringen.
Zuvor war bekanntgeworden, dass sich die Wassertemperatur im Abklingbecken der Brennstäbe bedrohlich erhöht hatte. Das Becken für verbrauchte Brennelemente im Reaktor 4 könne nicht mehr mit Wasser gefüllt werden, teilte die Betreiberfirma Tepco mit. Laut Atomaufsichtsbehörde geht der Pegelstand des Wassers zurück. Es verdampft und die dort gelagerten Brennstäbe könnten bald freiliegen. Deshalb droht eine Kernschmelze.
Probleme gibt es aber auch in den Reaktoren 5 und 6: Die Reaktoren wurden zwar bereits zum Zeitpunkt des Hauptbebens vergangenen Freitag abgeschaltet. Laut Regierungssprecher Yukio Edano gibt es aber Schwierigkeiten, die noch heißen Brennelemente der Reaktoren ausreichend zu kühlen. Inzwischen wird erwogen, Abdeckungsplatten von den beiden Reaktoren zu entfernen, teilte die IAEA mit. Eine mögliche Anstauung von Wasserstoff-Gas und eine darauffolgende Knallgasreaktion könnten so verhindert werden. Die Explosion von Wasserstoff hatte zu Explosionen in den Reaktoren 1, 2 und 3 geführt.
Die französische Atomsicherheitsbehörde (ASN) stufte den Störfall am AKW Fukushima I auf Stufe 6 der bis 7 reichenden internationalen Skala ein. Stufe 7 wurde bisher nur vom Unglück in Tschernobyl erreicht. Ausschlaggebend war die Beschädigung des Schutzmantels in Block 2 in der Nacht zum Dienstag. Das Land steht damit an der Schwelle zum Super-GAU, also zu einem atomaren Störfall, der nicht mehr beherrschbar ist.
[Bildunterschrift: Der Screenshot aus dem japanischen Fernsehen zeigt am Dienstag einen Block in Fukushima vor und nach einer Explosion. ]
Inzwischen gilt als sicher, dass in mindestens einem Reaktor in Fukushima I eine Teil-Kernschmelze erfolgt ist. Bei einer Kernschmelze überhitzen die Brennstäbe eines Atomreaktors so sehr, dass sie sich verflüssigen und in eine unkontrollierbare, radioaktive Schmelze verwandeln. Die Folgen sind schwer kalkulierbar: Ein Gemisch aus Spaltmaterial und Metall, das bis zu 2000 Grad Celsius oder noch heißer wird, könnte sich durch die Schutzhülle des Reaktorkerns fressen und in die Umwelt gelangen.
Die Nachrichtenagentur Jiji hatte gemeldet, möglicherweise seien Kernbrennstäbe geschmolzen. Auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen erklärte, ihm längen Informationen vor, nach denen eine Kernschmelze begonnen habe. Die japanische Atombehörde erklärte, durch Öffnen von Ventilen sei der Druck in dem 40 Jahre alten Reaktor verringert worden. Radioaktivität gelangte dadurch in die Umgebung.
Unklar ist, wieviel radioaktive Strahlung in die Umwelt gelangt ist - oder noch gelangt. Der Betreiber Tepco teilte in der Nacht auf Dienstag mit, nach der Explosion am Reaktor 2 sei kurzzeitig eine Strahlung von 8,22 Millisievert pro Stunde gemessen worden. Nach einem Feuer am Reaktor 4 wurden die Strahlungswerte später aber noch einmal deutlich nach oben korrigiert: Laut IAEA bezifferten japanische Behörden die Strahlenbelastung am AKW Fukushima I auf zwischenzeitlich bis zu 400 Millisievert pro Stunde. Laut japanischen Regierungsangaben sank die Radioaktivität zumindest außerhalb des AKW-Geländes inzwischen wieder.
Wegen der radioaktiven Strahlung wurde ein Großteil der Arbeiter vom AKW-Gelände gebracht. 800 sollen das Gelände inzwischen verlassen haben. "Wir reden jetzt über eine Strahlendosis, die die menschliche Gesundheit gefährden kann", sagte Regierungssprecher Edano. Zuletzt meldete die japanische Agentur Kyodo, auch die noch verbliebenen 50 Mitarbeiter in einem geschützten Kontrollraum des AKW müssten das Gelände verlassen. Die gemessenen Werte seien so hoch, dass das Personal nicht vor Ort bleiben könne.
[Bildunterschrift: Premierminister Kan hält eine weitere Strahlenbelastung für wahrscheinlich. ]
In den Präfekturen um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima I begannen die Vorbereitungen für die Aufnahme von Menschen aus der radioaktiv belasteten Region. Die Regierung der Präfektur Yamagata stelle eine Liste mit Schutzräumen für die Flüchtenden zusammen, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. "Wir arbeiten daran festzustellen, wie viele Evakuierte wir aufnehmen und welche Einrichtungen wir als Unterkunft nutzen können", sagte ein Sprecher der Präfektur Tochigi.
Ministerpräsident Naoto Kan hatte am frühen Morgen dazu aufgerufen, einen Umkreis von 20 Kilometern um das Atomkraftwerk Fukushima I und zehn Kilometer um Fukushima II zu räumen. Darüber hinaus sollten alle Bewohner im Radius von 30 Kilometern um die Anlage unbedingt in geschlossenen Räumen bleiben, so Kan. Türen und Fenster sollten nicht geöffnet werden.
Während der bislang dritten Explosion auf dem Gelände des AKW Fukushima I wehte der Wind Richtung Süden, wo auch die japanische Hauptstadt Tokio liegt. Dort stiegen die Strahlenwerte leicht. Es wurden geringe Mengen radioaktiver Substanzen gemessen, darunter Cäsium und Jod, wie die Verwaltung der 35-Millionenstadt erklärte. Die Werte seien aber kein Risiko für die Gesundheit, teilte das Wissenschaftsministerium nach Berichten der Nachrichtenagentur Kyodo mit.
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