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25.07.2011

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Norwegen Doppelanschlag
Norwegen: Tatverdächtiger legt Geständnis ab
Nach Doppelanschlag in Norwegen

Verdächtiger legt Geständnis ab

Der 32-jährige mutmaßliche Verantwortliche für den Doppelanschlag in Norwegen hat seinem Anwalt zufolge Angaben zu den Taten gemacht. "Er hat sich zu den Tatumständen bekannt", sagte der Anwalt des Verdächtigen, Geir Lippestad, dem norwegischen Sender NRK. Außerdem habe sein Klient sich zu seiner Motivation geäußert.

Am Montag werde der Tatverdächtige bei einem Haftprüfungstermin weitere Einzelheiten nennen. Wie die Zeitung "VG" online meldete, sagte Lippestad weiter, dass sein Mandant die Taten als "schrecklich, aber notwendig" bezeichnet habe.

Mutmaßlicher Täter des Doppelanschlags in Norwegen (Foto: AFP) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Der mutmaßliche Täter entwickelte eine Medienstrategie und stellte wenige Tage vor den Anschlägen eigene Fotos ins Internet. ]
Vor den Anschlägen soll der Verdächtige laut Medienberichten ein 1500 Seiten umfassendes Pamphlet geschrieben haben, in dem er die multikulturelle Gesellschaft und muslimische Einwanderer angreift. Außerdem soll es Anleitungen zur Beschaffung von Sprengstoff und Bilder von ihm enthalten. Aus dem im Internet veröffentlichten Dokument gehe hervor, dass die Anschläge seit langem geplant waren. Die Polizei äußerte sich nicht zu dem Bericht.

Tiefe Bestürzung über die Anschläge

Die Anschläge im Osloer Regierungsviertel und auf der Insel Utöya mit mindestens 92 Todesopfern haben in Norwegen und weltweit tiefe Bestürzung ausgelöst.

"Eine paradiesische Insel wurde zur Hölle", sagte Ministerpräsident Jens Stoltenberg zu dem Massaker auf der Insel Utöya nahe Oslo. Dort hatte der mutmaßliche Attentäter mindestens 85 Jugendliche erschossen.

Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg (Foto: AFP) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Ministerpräsident Stoltenberg umarmt Jungssozialistenchef Pedersen, einen der Überlebenden von Utöya. ]
Der Ministerpräsident selbst hat nach eigenen Angaben seit 1974 jedes Jahr an dem Sommerlager teilgenommen. Stark bewegt erzählte er, wie ihm Betroffene von der Flucht vor dem um sich schießenden Amokläufer berichtet hatten. "Das ist ein Albtraum", sagte Stoltenberg weiter. Die Anschläge würden Norwegen verändern. Die Antwort des Landes müsse "noch mehr Demokratie und Offenheit" sein.

Stoltenberg und König Harald V. besuchten Überlebende und deren Angehörige. Er habe einige der Opfer persönlich gekannt, sagte der Regierungschef tief betroffen. Die ganze Welt sei in Gedanken bei ihren Angehörigen und den Überlebenden: "Wir sind ein Land in tiefer Trauer."

König: "Stehen jetzt fest zu unseren Werten"

König Harald V. forderte seine Landsleute auf, in der "schlimmsten nationalen Krise seit dem Zweiten Weltkrieg" zusammenzustehen und einander zu stützen. Die Gedanken würden jetzt an alle Betroffenen und ihre Angehörigen gehen.

Er glaube fest daran, dass Freiheit stärker sei als Angst und dass es weiter möglich sei, frei und sicher in Norwegen zu leben, sagte der König in einer Fernsehansprache. Was niemand für möglich gehalten habe, sei geschehen. Nun werde es lange dauern, bis Norwegen die Terroranschläge verarbeitet habe. Die ganze Nation sei auf die Probe gestellt. "Jetzt stehen wir fest zu unseren Werten", sagte er weiter.

Die Flaggen im Land wurden auf Halbmast gesetzt. Der Fußballverband des Landes setzte alle Ligaspiele für dieses Wochenende aus.

Viele Tote auf Utöya und in Oslo

Auf der etwa 50 Kilometer von Oslo entfernten Insel hatte der mutmaßliche Täter ein alljährliches Jugendzeltlager der regierenden Arbeiterpartei Stoltenbergs angegriffen. Es sei auch weiterhin nicht klar, ob der Mann allein gehandelt habe, teilte die Polizei mit. Man gehe Hinweisen auf einen zweiten Täter mit Hochdruck nach.

Teilnehmer versuchten, zum Festland zu schwimmen

Stilles Gedenken an die Opfer des Anschlags auf der norwegischen Insel Utöya (Foto: AFP) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Stilles Gedenken an die Opfer des Anschlags auf der norwegischen Insel Utøya ]
Viele der etwa 560 Teilnehmer des Jugendcamps flüchteten sich aus Angst vor dem Angreifer ins Wasser oder versuchten sich zu verstecken. Die 16-jährige Hana sagte der Zeitung "Aftenposten", der Mann habe eine Polizeiuniform getragen und plötzlich angefangen zu schießen. Der Mann habe auch auf die Menschen im Wasser geschossen. Ein anderes Mädchen sagte: "Er ging langsam, aber sicher über die Insel und schoss auf alle. Er war so ruhig, das machte es so absonderlich."

Ein Wachmann berichtete, der mutmaßliche Attentäter sei in einem silbergrauen Lieferwagen gekommen. Er habe sich an Land als Polizist ausgewiesen und über der entsprechenden Uniform auch eine schusssichere Weste getragen. Er sei mit zwei Waffen gekommen: "Er sagte, er sei geschickt worden, um die Sicherheit zu überprüfen. Das sei reine Routine nach dem Anschlag in Oslo." Der mutmaßliche Täter sei mit einem Boot der Ferienlager-Organisation auf die kleine Insel Utöya gebracht worden.

Kein Boot für die Polizei

Weder ein Hubschrauber noch ein Boot hätten zunächst für die Polizei bereitgestanden, um auf die Insel überzusetzen. Etwa 50 Minuten, nachdem Urlauber die ersten Schüsse hörten, sei eine Spezialeinheit der Polizei in Oslo in Bewegung gesetzt worden, sagte Polizeichef Sveinung Sponheim. Die Beamten hätten sich in Autos auf dem Weg gemacht, da der Hubschrauber nicht sofort einsatzbereit gewesen sei. Die Fahrt habe etwa 20 Minuten gedauert. Weitere 20 Minuten seien vergangen, bis die Beamten ein Boot aufgetrieben hätten.

Der Angriff auf der Insel habe etwa anderthalb Stunden angehalten, erklärte die Polizei. Der Täter hätte sich sofort ergeben, als er von der Polizei dazu aufgefordert worden sei.

 Utøya Norwegen (Foto: REUTERS) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Auf der Ferieninsel Utöya starben mindestens 85 Jugendliche.]
Explosion in Oslo (Foto: dpa) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Sieben Menschen kamen bei der Detonation einer Autobombe in Oslo ums Leben.]
 

Innenstadt vom Militär gesichert

Zuvor hatte eine Bombenexplosion im Regierungsviertel sieben Menschen getötet. Die Polizei geht davon aus, dass in den zerstörten Gebäuden noch weitere Leichen gefunden werden. Es habe sich wahrscheinlich um eine Autobombe gehandelt.

Die Osloer Innenstadt wird weiter vom Militär gesichert. Die Einheiten sollten vor allem die Ermittlungsarbeit der Polizei im Regierungsviertel absichern, sagte Stoltenberg.

Möglicherweise seien bei beiden Anschlägen zusammen insgesamt 98 Menschen ums Leben gekommen, erklärte die Polizei.

Bilder:

Spezialeinheit Utøya Norwegen (Foto: AFP)
Bilderstrecke Doppelanschlag in Norwegen Bei den meisten Opfer des Doppelanschlags in Norwegen handelt es sich Jugendliche eines Sommercamps auf einer Fjordinsel nahe Oslo. Dort hatte ein Mann gezielt auf Teilnehmer des Zeltlagers der Arbeiterpartei geschossen. [mehr]

Hinweise auf rechte Gesinnung

Ermittler durchsuchten in der Nacht zu Samstag die Wohnung des Verdächtigen in Oslo. Die Polizei berichtete, der Mann sei nie Polizist gewesen. Nach seiner Festnahme sei er aussagewillig und habe "eine nationalistische Gesinnung" sowie eine "antiislamische" Haltung offenbart. Der Verdächtige habe Postings auf einer Webseite für christliche Fundamentalisten veröffentlicht. Er sei bisher nicht im Blickfeld der Polizei gewesen.

Dem Fernsehsender TV2 zufolge soll der 32-Jährige Kontakte zur rechtsextremen Szene unterhalten haben. Auf seinen Namen seien zwei Waffen gemeldet, darunter ein automatisches Gewehr. Auf der mittlerweile abgeschalteten Facebook-Seite des Verdächtigen war ein Mann mit blonden Haaren zu sehen. Er beschreibt sich dort als "konservativ" und "christlich".

Der mutmaßliche Attentäter war sieben Jahre lang Mitglied der rechtspopulistischen Fortschrittspartei und seiner Jugendbewegung. Das teilte die Partei mit. Zwischen 2002 und 2004 habe er eine verantwortliche Stellung innerhalb der Jugendorganisation gehabt. Die frühere Mitgliedschaft des mutmaßlichen Täters mache sie "noch trauriger", erklärte Parteichefin Siv Jensen.

Sechs Tonnen Kunstdünger gekauft

Der Mann stellte möglicherweise Sprengsätze aus Kunstdünger her. Man habe ihm Anfang Mai sechs Tonnen Dünger verkauft, was eine Standard-Bestellung sei, sagte die Sprecherin einer landwirtschaftlichen Kooperative. Zur genauen Zusammensetzung des synthetisch hergestellten Düngers wollte sie keine Angaben machen. Aus Kunstdünger können Sprengsätze hergestellt werden. Nach Angaben des TV-Senders NRK bewohnte der mutmaßliche Täter seit einem Monat einen kleinen Hof nahe Oslo.

Unmittelbar nach dem Bombenanschlag in Oslo war zunächst über einen islamistischen Hintergrund spekuliert worden. Es gebe keinerlei Hinweise auf weitere Täter, so die Polizei. Dennoch werde in alle Richtungen ermittelt und nach eventuellen Komplizen gesucht.

Stand: 24.07.2011 03:42 Uhr
 

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